Urteil des OLG Frankfurt vom 15.12.2004

OLG Frankfurt: zustandekommen des vertrages, aussetzen des verfahrens, culpa in contrahendo, vermittler, kreditvertrag, darlehensvertrag, haustürgeschäft, rückzahlung, wohnung, form

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 56/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 HTürGG, § 9 Abs 3
VerbrKrG, § 123 BGB, § 242
BGB, § 278 BGB
(Rückabwicklungsverlangen für einen Bankkreditvertrag
zum finanzierten Immobilienfondsbeitritt: Kein Fortwirken
einer Haustürsituation bei Vertragsunterschrift sieben
Monate nach dem Vertreterbesuch; kein
Einwendungsdurchgriff bei Grundschuldbestellung zur
Sicherung eines Verbraucherkredits)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Mai 2003 verkündete Urteil des
Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Darlehensgeschäfts, das er bei der
Beklagten einging, um sich an einem geschlossenen Immobilienfonds (X Y GmbH
& Co. Z. KG = XYZ) zu beteiligen.
Der Kläger entschloss sich 1993 - nach mehreren Gesprächen mit dem Vermittler
A. B., die auf Vermittlung eines Freundes des Klägers - C. D. - in seiner
Privatwohnung stattfanden - zu einer Beteiligung an der XYZ und unterschrieb am
27.12.93 eine entsprechende Beitrittserklärung nebst Treuhandvertrag (Bl. 78
Anlagenband) zu einem Beteiligungsbetrag von 60.000,- DM zuzüglich 3.000,- DM
Bearbeitungsgebühr. In dieser Erklärung bestätigte der Kläger den Erhalt des
Gesellschaftsvertrages sowie zweier Prospektteile.
Wiederum durch Vermittlung des Herrn B. bot die Beklagte dem Kläger zur
Finanzierung der Fondsbeteiligung die Gewährung zweier Festkredite über 50.000,-
DM und 20.000,- DM an und übersandte einen entsprechenden Vertragsentwurf
mit Datum 28.12.93.
Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta - weil der Kläger im Jahre 1993 noch
Steuervorteile wahrnehmen wollte - teilweise schon am 30.12.93 an den
Treuhänder der XYZ aus.
Die weitere Vermittlung übernahm in der Nachfolge des Herrn B. der Vermittler E.
F.
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Am 4.8.94 unterschrieb der Kläger den ihm von der Beklagten zugesandten
Kreditvertrag (Bl. 83 f. AB). Als Sicherheit trat er eine - neu abgeschlossene -
Lebensversicherung über 70.000,- DM sowie die Aus- und Rückzahlungsansprüche
aus dem Immobilienfonds an die Beklagte ab und verpfändete ein sogenanntes
"Zuwachskonto G... Fond ". Ferner wurde am 19.8.94 zugunsten der Beklagten
eine nachrangige Grundschuld über 30.000,- DM auf dem Hausgrundstück des
Klägers in O1 bestellt (Bl. 91 ff. AB).
Die restliche Darlehensvaluta zahlte die Beklagte im Dezember 1994 direkt an die
XYZ aus.
In der Folgezeit zahlte der Kläger die im Kreditvertrag vereinbarten Zinsen und auf
den ... Fonds. Insgesamt zahlte er bis 2001 27.672,77 € (54.123,23 DM), nämlich
an Kreditzinsen 15.660,91 € (30.628,91 DM) und auf den ...-Fonds 6.960,- DM
sowie auf die Lebensversicherung 16.534,32 DM.
Die XYZ meldete 1995 Konkurs an. Mit Zahlungen aus der Konkursmasse kann der
Kläger nicht rechnen.
Mit Anwaltsschreiben vom 15.9.00 (Bl. 101 AB) und 21.5.01 (Bl. 106 AB) machte
der Kläger gegenüber der Beklagten im Rahmen des Einwendungsdurchgriffs nach
§ 9 VerbrKrG Schadenersatzansprüche gegen die XYZ wegen falscher Angaben bei
den Vertragsschlüssen geltend und verweigerte weitere Zahlungen auf die Kredite.
Mit Schreiben vom 2.11.00 (Bl. 103 AB) kündigte der Kläger gegenüber dem
Konkursverwalter der XYZ vorsorglich fristlos seinen Beitritt zur Fondsbeteiligung
aus wichtigem Grund.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.1.02 (Bl. 109 AB) erklärte der Kläger gegenüber der
Beklagten den Widerruf nach dem HWiG.
Mit Schreiben vom 26.6.02 (Bl. 112 AB) kündigte die Beklagte das Kreditverhältnis
wegen Zahlungsverzugs und forderte den Kläger zur Zahlung von 17.170,04 € auf.
Gleichzeitig kündigte sie die zu ihren Gunsten bestelle Buchgrundschuld.
Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der gezahlten
Kreditzinsen (Antrag zu 1.) sowie die Rückabtretung bzw. Freigabe oder Löschung
der vereinbarten Sicherheiten (Anträge zu 3 - 5.). Weiterhin verlangt er die
Feststellung, dass der Beklagten aus dem Kreditvertrag keine Forderungen mehr
zustehen (Antrag zu 2.), sowie die Feststellung der Unzulässigkeit der
Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde (Antrag zu 6.).
Der Kläger hat vorgetragen:
Es liege ein "verbundenes Haustürgeschäft" vor. Das Darlehensgeschäft sei nach §
3 HWiG rückabzuwickeln. Eine Haustürsituation habe vorgelegen. Die Beklagte
müsse sich diese auch zurechnen lassen, weil sie davon gewusst habe. Der Kläger
habe den Vermittler B nicht zu sich bestellt.
Eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 2 HWiG sei nicht erfolgt, weil ein
unzulässiger Zusatz nach § 7 VerbrKrG vorhanden sei.
Eine Saldierung der Rückzahlungsansprüche des Klägers mit der Darlehensvaluta
komme nicht in Betracht, da die Valuta nicht an den Kläger ausgezahlt worden sei
- die Beklagte müsse sich an den Zuwendungsempfänger halten.
Zudem sei der Kreditvertrag nach § 134 BGB nichtig, weil der Abschluss des
Treuhandvertrages bzw. der Gesellschaftsbeitritt gegen das RBerG verstoße.
Überdies sei das gesamte Vertragswerk nach § 138 BGB nichtig, weil das
Anlagemodell, das in Form eines "modifizierten Schneeballsystems" funktioniert
habe, von vornherein auf Irreführung angelegt gewesen sei.
Darüber hinaus hafte die Beklagte aus c.i.c. auf Schadenersatz, was dazu führe,
dass der Kläger so zu stellen sei, als sei der Kreditvertrag nicht zustande
gekommen. So habe die Beklagte aufgrund der folgenden Umstände eine
besondere Gefahrenlage für den Kreditnehmer geschaffen bzw. einen
Wissensvorsprung gehabt oder ihre Rolle als Kreditgeberin überschritten:
- Sie habe sämtliche Vorverhandlungen einem Strukturvertrieb überlassen.
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- Sie habe von dem horrenden Kapitalbeschaffungsrisiko gewusst.
- Ausschüttungen waren auf die bei ihr geführten Kreditkonten zu zahlen.
- Diese Ausschüttungen waren bankfinanziert und hätten mangels
entsprechenden Gewinn gar nicht ausgezahlt werden dürfen.
- Mit der Bestellung der genannten Sicherheiten habe die Beklagte
Verbraucherrechte unterlaufen.
- Die Beklagte habe versteckte Innenprovisionen mitfinanziert.
- Die Beklagte habe nicht über die besonderen Nachteile und Risiken des
vorliegenden "Lebensversicherungskredites" aufgeklärt.
- Die Beklagte habe 5 % Kreditvermittlungsprovision gezahlt und im Disagio
"versteckt".
Die Falschberatung der Vermittler müsse sich die Beklagten nach § 278 BGB
zurechnen lassen. Diese hätten das Totalverlustrisiko ebenso wie die genannten
Nachteile des "Lebensversicherungskredits" verschwiegen.
Ein Prospektteil II sei nicht ausgehändigt worden, ebenso wenig anhand des
Prospektes auf das Totalverlustrisiko hingewiesen worden.
Darüber hinaus könne sich der Kläger auch auf den Einwendungsdurchgriff nach §
9 VerbrKrG berufen. Die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft könnten nicht
unmittelbar angewendet werden, denn der Kläger habe nur Ansprüche gegen den
Treuhandkommanditisten, nicht gegen die Gesellschaft, weil der Kläger niemals
"richtiger" Gesellschafter geworden sei.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Einer der Ausnahmetatbestände, in denen eine Aufklärungspflicht der Bank
bestehe, liege nicht vor. Weil der Kläger den ihm mit Übersendung der
Vertragsunterlagen angebotenen Termin nicht wahrgenommen habe, habe die
Beklagte davon ausgehen dürfen, dass kein Beratungsbedarf bestand.
Die Beklagte sei in keiner Weise in das XYZ-Vertriebssystem eingebunden
gewesen und habe sich darauf beschränkt, einige Anleger zu finanzieren.
Dem Kläger sei vor der Beitrittserklärung der Prospektteil II ausgehändigt worden,
in dem auf das Risiko des Totalverlustes hingewiesen wird.
Die Beklagte habe keine Kreditvermittlungsprovisionen gezahlt, auch nicht
versteckt im Disagio.
Von irgendwelchen Innenprovisionen sei der Beklagten nichts bekannt gewesen.
Eine etwaige Pflichtverletzung bzw. Falschberatung der Vermittler, die bestritten
werde, sei ihr nicht zuzurechnen.
Der Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG scheitere, weil ein
Ausgleichsanspruch gegen die XYZ wegen deren unstreitiger Vermögenslosigkeit
nicht bestehe.
Eine Haustürsituation habe nicht vorgelegen, weil der Kläger den Vermittler B
selbst in seine Wohnung bestellt habe. Auch habe die Beklagte nicht gewusst, dass
das Geschäft im sogenannten "Haustürvertrieb" zustande gekommen sei. Zudem
sei der Widerruf verfristet gewesen, weil die erteilte Belehrung - jedenfalls nach
damaliger Gesetzeslage - ausgereicht habe.
Das Landgericht hat Beweis über die behauptete Haustürsituation bei
Unterzeichnung des Treuhandvertrages erhoben durch Vernehmung der Zeugen C
D und A B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Vernehmungsprotokolle vom 3.2.03 (Bl. 130 d.A.) und 11.4.03 (Bl. 151 d.A.)
verwiesen.
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Mit Urteil vom 6.5.03 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien
seien wirksam und der Kläger zur Zahlung verpflichtet. Eine Nichtigkeit nach § 134
oder § 138 BGB liege nicht vor. Eine Verletzung von Hinweis- und
Aufklärungspflichten könne nicht angenommen werden, da der Beklagte zu einem
Wissensvorsprung im Einzelnen nicht vorgetragen habe. Ein Einwendungsdurchgriff
scheitere jedenfalls an dem fehlenden Ausgleichsanspruch des Klägers gegenüber
der vermögenslosen Fondsgesellschaft. Ein Haustürgeschäft liege - wie die
Beweisaufnahme ergeben habe - nicht vor.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete
Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt - teilweise unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags -
vor:
Dem Urteil fehle ein ordnungsgemäßer Tatbestand, weshalb es aufzuheben und
an das Landgericht zurückzuverweisen sei. Zudem entspreche auch die
Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Schließlich habe das
Landgericht auch seine Hinweispflichten verletzt und weitere Verfahrensfehler
begangen.
Das Landgericht habe das Vorliegen einer Haustürsituation trotz der
durchgeführten Beweisaufnahme verkannt. Die Beklagte müsse sich das
Haustürgeschäft auch zurechnen lassen.
Die bestellte Grundschuld führe nicht zu einem Ausschluss des § 9 VerbrKrG, denn
dies würde einen Verstoß gegen die EU-Haustürgeschäfterichtlinie darstellen.
Im Rahmen der durchzuführenden Rückabwicklung könne die Beklagte lediglich von
der Fondsgesellschaft bzw. dem Treuhänder Rückzahlung des Kreditbetrages
verlangen.
Die Rückabwicklung werde nicht durch die Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen
Klageanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor:
Eine Haustürsituation - insbesondere eine Überrumpelung - habe nicht
vorgelegen, das habe die Beweisaufnahme gezeigt. Darüber hinaus müsse sich
die Beklagte die Haustürsituation nicht zurechnen lassen.
Weil es um einen Realkredit gehe, könne sich der Kläger auch nicht auf den
Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG berufen. Selbst wenn man dies aber
zuließe, würde dies lediglich dazu führen, dass der Kläger die Rückzahlung des
Darlehens insoweit verweigern könne, als ihm ein Abfindungsanspruch gegen die
XYZ zustehe. Einen solchen Anspruch habe der Kläger vorliegend aber nicht.
II.
Die nach den Vorschriften der reformierten ZPO zu beurteilende Berufung ist
zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt
worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht wendet sich der Kläger mit der Berufung allerdings gegen den nicht
hinreichenden Tatbestand und die unzureichende Begründung des angefochtenen
Urteils. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 ZPO allein aus diesen
formellen Gründen kam allerdings nicht in Betracht. Gleiches gilt insoweit für den
Vorwurf, das Landgericht habe seine Hinweispflicht verletzt.
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Der Senat hat jedoch gemäß § 529 I Ziffer 1 ZPO wegen der Mangelhaftigkeit des
angefochtenen Urteils eine erneute Feststellung der entscheidungserheblichen
Feststellung durchgeführt und von einer Bezugnahme nach § 540 I ZPO
abgesehen.
Der Sache nach hat das Landgericht die Klage im Ergebnis jedoch zu Recht
abgewiesen.
A. Die Anträge auf Rückzahlung der Darlehensraten, Freigabe und Löschung der
Sicherheiten sowie auf Feststellung, dass der Beklagten aus dem Kreditvertrag
keine Rechte mehr zustehen, sind unbegründet. Weder ist der Darlehensvertrag
vom 4.8.94 unwirksam (dazu unter 1.), noch kann sich der Kläger auf einen
Einwendungsdurchgriff (dazu unter 2.) oder auf eigene Schadensersatzansprüche
gegen die Beklagte (dazu unter 3.) berufen.
1. Für eine Unwirksamkeit des Darlehensvertrages aus §§ 134, 138 BGB hat der
Kläger nichts Relevantes vorgetragen. Er greift diesen Einwand in der Berufung
auch nicht mehr auf.
Der Kläger konnte den Darlehensvertrag auch nicht wirksam nach dem HWiG
widerrufen.
Zwar ist der Widerruf mit Schreiben vom 11.1.02 nicht verfristet, weil die
Widerrufsbelehrung zum Vertrag vom 4.8.94 gemäß § 2 I 3 HWiG nicht
ordnungsgemäß ist, denn sie enthält unzulässige andere Erklärungen nach dem
VerbrKrG.
Es kann jedoch nicht vom Vorliegen einer Haustürsituation ausgegangen werden.
Nach den - insoweit unstreitigen - Darlegungen der Parteien hat die Beklagte dem
Kläger durch die Vermittlung des Herrn B. - und nach dessen Zeugenaussage vor
dem Landgericht - unter Mitwirkung der Firma H. den Darlehensvertragsentwurf
mit Datum 28.12.93 zugesandt. Unterschrieben hat der Kläger diesen Vertrag
mehr als sieben Monate später am 4.8.94, und zwar offensichtlich nicht in seiner
Wohnung, die in O1 liegt, sondern in O2. Bei dieser Sachlage kann man nicht
davon ausgehen, dass die nach § 1 I HWiG erforderliche Überrumpelungssituation,
die durch die Besuche des Herrn B. in der Wohnung des Klägers in 1993 ausgelöst
worden sein soll, noch bis in den August 1994 fortgewirkt hat, als sich der Kläger
dazu entschloss, den Vertrag zu unterschreiben (vgl. auch: OLG Frankfurt am
Main, Urteil vom 21.10.03, Az.: 9 U 121/01 = OLGR 2004, 41; Urteil vom 6.10.04,
Az.: 9 U 47/04). Vortrag dazu, warum die Überrumpelungssituation
ausnahmsweise fortgewirkt haben soll, hat der darlegungspflichtige Kläger nicht
gehalten.
Selbst wenn man jedoch zugunsten des Klägers unterstellt, dass es sich um ein
Haustürgeschäft im Sinne von § 1 I HWiG gehandelt hat, hat dies nicht ohne
weiteres zur Folge, dass die Beklagte sich das Zustandekommen des Vertrages in
einer Haustürsituation auch zurechnen lassen muss. Hierfür ist vielmehr auf die zu
§ 123 BGB entwickelten Grundsätze abzustellen (z.B. BGH BKR 2003, 108; BGH
BKR 2003, 747 - mit weiteren Nachweisen).
Bei dem Vermittler B. handelt es sich unstreitig nicht um einen Mitarbeiter,
Angestellten, Beauftragten oder eine Vertrauensperson der Beklagten im Sinne
von § 123 I BGB. Sein Handeln - und damit das Herbeiführen einer
Haustürsituation bei Anbahnung des Darlehensvertrages - kann der Beklagten
daher nach § 123 II BGB nur zugerechnet werden, wenn sie sein Verhalten kannte
oder kennen musste. Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Die vom BGH in
seinen Entscheidung vom 14.6.04 (II ZR 395/01 und 385/02) aufgestellten
besonderen Anforderungen an die Erkundigungspflicht der Bank, die einem
Vermittler ihre Vertragsformulare überlassen hat, greifen schon deshalb nicht ein,
weil der Kläger den Darlehensvertrag eben nicht an seinem Wohnort
unterschrieben hat.
2. Auf den Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG kann sich der Kläger
ebenfalls nicht berufen. Bei dem Darlehensvertrag vom 4.8.94 handelt es sich
nämlich um einen Realkreditvertrag gemäß § 3 II Nr. 2 VerbrKrG, für den die
Vorschrift des § 9 III VerbrKrG nicht gilt. Zur Sicherung des Kredits hat der Kläger -
wie im Darlehensvertrag unter Ziffer 3.4 vorgesehen - im August 1994 eine
Grundschuld auf seinem Hausgrundstück in O1 bestellt. Der Umstand, dass die
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Grundschuld auf seinem Hausgrundstück in O1 bestellt. Der Umstand, dass die
Grundschuld nachrangig war und nur einen Teil des Kredits sicherte, steht der
Annahme eines Realkredits nicht entgegen. Bei einem Zinssatz von 6,2 % liegen
auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kredit nicht zu den für
grundpfandrechtlich abgesicherten Kredit üblichen Bedingungen gewährt wurde.
Die vom BGH in seinen Entscheidungen vom 14.6.04 (II ZR 407/02 und 393/02)
aufgestellte Rückausnahme, dass die Anwendbarkeit des § 9 VerbrKrG nicht
ausgeschlossen ist, wenn der Kredit zwar durch ein Grundpfandrecht abgesichert
ist, dieses Grundpfandrecht aber schon bestellt war, als der Anleger dem Fonds
beiträgt, liegt nicht vor. Der Kläger ist dem Fonds schon im Dezember 1993
beigetreten. Auf eine etwaige Unwirksamkeit dieses Beitritts kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an.
Auch eine teleologische Reduktion des gesetzlichen Anwendungsverbots in § 3 II
BGB ist nicht möglich, weil es sich insoweit um eine bewusste und abschließende,
von der Rechtsprechung zu respektierende Regelung handelt (BGH vom 12.11.02 -
XI ZR 25/00 - BKR 2003, 112; BGH vom 23.9.03 - XI ZR 135/02 - BKR 2003, 893,
895). Eine Vorlage dieser Frage an den EuGH oder ein Aussetzen des Verfahrens
bis zur Entscheidung über die entsprechende Vorlage des LG Bochum vom
29.7.03 (BKR 2003, 710) ist nicht angezeigt (so auch BGH vom 16.9.03 - XI ZR
447/02 - BKR 2003, 898).
3. Dem Kläger stehen auch keine Schadensersatzansprüche aus culpa in
contrahendo (c.i.c.) zu, die er den Ansprüchen der Bank nach § 242 BGB
entgegenhalten könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine finanzierende
Bank nicht verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der
Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen
(BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576 - beide mit weiteren Nachweisen).
Die Verwendung des Kredits ist allein Sache des Kreditnehmers. Ihm allein obliegt
es, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die
Entscheidung darüber, ob er sie eingehen will, eigenverantwortlich zu treffen. Das
mit der Verwendung des Darlehens verbundene Risiko hat der Darlehensnehmer
grundsätzlich allein zu tragen. Bei finanzierten Kapitalanlagen darf die
darlehengebende Bank deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass der
Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage hinreichend
geprüft hat, gegebenenfalls unter Einschaltung besonderer Fachberater. Dies gilt
auch und in besonderem Maß bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart
WM 2000, 292).
Nur ausnahmsweise und in besonderen Fallgruppen kommt eine Aufklärungs- und
Beratungspflicht der Bank in Betracht. Dem Vortrag des Klägers lassen sich indes
keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der von der Rechtsprechung hierzu
entwickelten Ausnahmefälle - Überschreiten der Kreditgeberrolle, Schaffung eines
besonderen Gefährdungstatbestandes, Bestehen einer Interessenkollision oder
Vorliegen eines konkreten Wissensvorsprunges - entnehmen.
Der Kläger sieht die Schaffung einer besonderen Gefahrenlage darin, dass die
Beklagte sämtliche Vorverhandlungen einem Strukturvertrieb überlassen hat, der
seine Kunden unzulässigen Vertriebsmethoden ausgesetzt hat. Dies reicht schon
deshalb nicht aus, weil nicht nachvollziehbar ist, inwieweit gerade dieser Umstand
überhaupt zu einem Schaden auf Seiten des Klägers geführt hat. Ein auf etwa
unzulässige Vertriebsmethoden kausal zurückgehender Schaden wäre nur dann
gegeben, wenn der Kläger sich ausschließlich aufgrund dieser Methoden auf das
Geschäft eingelassen hat. Das trägt er so aber nicht vor.
Eine besondere Gefahrenlage ist auch nicht dadurch hervorgerufen worden, dass
nach den Forderungen der Beklagten die Fondsausschüttungen auf die bei ihr
geführten Kreditkonten zu zahlen waren und sie sich weitere Sicherheiten
versprechen ließ. Eine Verlagerung des eigenen wirtschaftlichen Wagnisses der
Bank auf den Anleger - wie es der Ausnahmetatbestand voraussetzt - ist darin
noch nicht zu sehen.
Soweit der Kläger behauptet, die Beklagt habe von versteckten Innenprovisionen
gewusst und diese mitfinanziert, vermag dies eine Haftung der Bank unter dem
Gesichtspunkt des Wissensvorsprungs nicht zu rechtfertigen (Edelmann MDR
2000, 1172, 1175 - mit weiteren Nachweisen). Auch ein Hinausgehen über die
Kreditgeberrolle lässt sich damit nicht begründen. Gleiches gilt für die Behauptung
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Kreditgeberrolle lässt sich damit nicht begründen. Gleiches gilt für die Behauptung
des Klägers, die Beklagte habe 5 % Kreditvermittlungsprovision gezahlt und "im
Disagio versteckt".
Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe - wohl aus anderen Anlagegeschäften
- gewusst, dass die Ausschüttungen des Fonds bankfinanziert waren und mangels
entsprechendem Gewinn gar nicht hätten ausgezahlt werden dürfen, kann eine
Haftung der Beklagten ebenfalls nicht begründen. Für einen Wissensvorsprung der
Beklagten wäre dies nur relevant, wenn die Beklagte hieraus darauf hätte
schließen können, dass der Fonds bzw. seine Initiatoren vor der Insolvenz stehen
(Edelmann MDR 2000, 1171, 1176 - mit weiteren Nachweisen). Hierzu trägt der
Kläger indes nichts Konkretes vor.
Soweit der Kläger weiter einwendet, die Beklagte hätte über die besonderen
Nachteile und Risiken des vorliegenden "Lebensversicherungskredites" aufklären
müssen, greift dies ebenfalls nicht durch. Unabhängig davon, welchem
Ausnahmetatbestand eine solche Aufklärungspflichtverletzung zuzuordnen wäre,
war das Verhalten der Beklagten schon nicht pflichtwidrig. Zwar bewirkt die
Kombination eines Kreditvertrages mit einer solchen Lebensversicherung eine
langfristige Bindung des Kreditnehmers und macht insbesondere in den ersten
Jahren eine vorzeitige Beendigung nur unter sehr ungünstigen Bedingungen
möglich. Da eine Tilgung des Darlehens erst am Laufzeitende vorgesehen ist,
muss zudem der volle Kreditbetrag über die gesamt Laufzeit verzinst werden. Der
Kläger wollte die Versicherung indes zur Finanzierung bzw. Sicherung einer
langfristigen und auf die Erzielung steuerlicher Vorteile angelegten Kapitalanlage
verwenden. Hierfür bot die Kombination mit einer Kapitallebensversicherung dem
üblichen Ratenkredit gegenüber sogar besondere Vorteile. Der Kläger war so
zusätzlich an den von der Versicherung erwirtschafteten Überschüssen beteiligt
und konnte die Versicherungsprämie zusätzlich steuerlich geltend machen. Die
Möglichkeit, diese Anlage bereits nach kurzer Zeit wieder veräußern zu können,
spielte für den Kläger erkennbar keine Rolle.
Dahinstehen kann, ob sich ein Wissensvorsprung der Beklagten aus dem
Prospektteil II ergeben konnte. Selbst wenn man annehmen wollte, dass sich aus
diesem Prospektteil besondere Risiken ergeben, insbesondere das
Totalverlustrisiko, als auch, dass der Prospektteil dem Kläger nicht vorlag, so
konnte die Beklagte nicht erkennen, dass ihr damit weiterreichende Informationen
vorlagen als dem Kläger. Der Kläger war nämlich in der Beitrittserklärung
ausdrücklich auf beide Prospektteile hingewiesen worden und hatte bestätigt,
diese erhalten zu haben. Die Beklagte durfte davon ausgehen dass diese
Erklärung zutraf.
Darüber hinaus wäre diese, den Anlagevermittlern anzulastende Fehlinformation
der Beklagten wegen der sogenannten "Trennungstheorie" gar nicht zuzurechnen,
weil die Vermittler insoweit nicht als ihre Erfüllungsgehilfen aufgetreten sind (BGH
WM 1992, 603; Hanau in Münchner Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 278, Rn 17
f.; v. Heymann NJW 1999, 1577, 1584; Streit ZIP 1999, 477, 478 f.; Stüsser NJW
1999, 1586, 1587; Früh ZIP 1999, 701, 704; Bruchner WM 1999, 825, 834).
Der Einwand des Klägers schließlich, die Beklagte habe von dem "horrenden
Kapitalbeschaffungsrisiko" des Fonds gewusst, ist viel zu pauschal, als dass sich
hierauf ein Wissensvorsprung der Beklagten und die Kausalität für den aufseiten
des Klägers eingetretenen Schaden begründen ließe.
B. Die Vollstreckungsgegenklage nach §§ 767, 794 I Nr. 5 ZPO, mit der der Kläger
sich gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde
wendet, ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das RBerG unwirksam, denn der
Kläger hat die Grundschuld - und damit auch die Unterwerfungserklärung -
persönlich vor dem Notar eingeräumt bzw. abgegeben.
Weitere Einwendungen stehen dem Kläger - wie unter A. dargestellt - nicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2, 108 ZPO.
Der Senat hat nach § 543 II ZPO die Revision zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.