Urteil des OLG Frankfurt vom 01.08.2000

OLG Frankfurt: zustellung, gefahr, nichteröffnung, handelsregister, form, wehr, einkünfte, quelle, unterlassen, rechtsnorm

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Gericht:
OLG Frankfurt 26.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 W 71/2000, 26
W 71/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 7 Abs 1 S 1 InsO
(Insolvenzverfahren: Zulässigkeit der sofortigen weiteren
Beschwerde wegen der Gefahr einer divergierenden
insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung)
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des
Landgerichts Gießen - 7. Zivilkammer - vom 8. Mai 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.
Beschwerdewert: 8.000 DM
Gründe
I.
Der Schuldner erstrebt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein
Vermögen.
In dem von ihm mit dem Schuldenbereinigungsplan vorgelegten
Gläubigerverzeichnis sind 45 Gläubiger enthalten; darunter befindet sich eine...
GmbH, die 1997 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden
ist. An die GmbH, deren Forderung sich auf etwa 7.000 DM beläuft, konnten weder
Insolvenzantrag noch Schuldenbereinigungsplan zugestellt werden.
Im Hinblick auf die nicht erfolgte Zustellung an diese Gläubigerin lehnte das
Amtsgericht mit Beschluß vom 10. März 2000 die Insolvenzeröffnung ab. Die
dagegen vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit
Beschluß vom 8. Mai 2000 zurückgewiesen.
Das Landgericht hat die Auffassung des Amtsgerichts bestätigt, daß eine
Beteiligung aller Gläubiger im Schuldenbereinigungsverfahren nach den
zwingenden Vorschriften der Insolvenzordnung unerläßlich sei. Der Schuldner habe
es unterlassen, der parteifähigen, jedoch nicht rechtsfähigen Nachgesellschaft der
im Handelsregister gelöschten GmbH zum Zwecke der Zustellung einen
Nachtragsliquidator bestellen zu lassen.
Gegen diesen ihm am 26. Mai 2000 zugestellten Beschluß setzt sich der Schuldner
mit der am 8. Juni 2000 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde zur Wehr,
deren Zulassung er beantragt.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht statthaft und deshalb gemäß §§ 4 InsO,
574 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Nach § 7 Abs. 1 InsO ist eine weitere Beschwerde im Insolvenzverfahren statthaft,
wenn sie vom Oberlandesgericht zugelassen wird. Dies setzt einen zulässigen und
begründeten Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung dieses Rechtsmittels
voraus. Das Oberlandesgericht läßt das Rechtsmittel zu, wenn es darauf gestützt
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voraus. Das Oberlandesgericht läßt das Rechtsmittel zu, wenn es darauf gestützt
wird, daß die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes
beruht, und die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung geboten ist.
Der Schriftsatz des Schuldners vom 9. Juni 2000 genügt den Anforderungen für die
Einlegung des Rechtsmittels und des Zulassungsantrags.
Rechtsmittel und Zulassungsantrag sind statthaft gegen eine nach § 34 Abs. 2
InsO anfechtbare insolvenzgerichtliche Ausgangsentscheidung (Nichteröffnung des
Insolvenzverfahrens) gemäß den §§ 6, 7 InsO gerichtet und form- und fristgerecht
gemäß §§ 7 Abs. 1, 4 InsO; 569, 577 ZPO eingelegt worden.
Der Schuldner rügt auch eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1
InsO, indem er geltend macht, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts
beruhe auf einer Verletzung des Gesetzes, weil das Gericht zu Unrecht die
Zustellung auch an die im Register gelöschte GmbH verlange. Dies verstoße
angesichts seiner geringfügigen Einkünfte im Hinblick auf die Kosten der für eine
Zustellung erforderlichen Bestellung eines Nachtragsliquidators gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem habe das Landgericht fälschlich die
Voraussetzungen des § 57 ZPO als nicht gegeben angesehen.
Die Zulassung des Rechtsmittels scheitert jedoch daran, daß die Nachprüfung der
angefochtenen Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist. Eine solche Nachprüfung ist im
Sinne des § 7 Abs. 1 S. 2 InsO nur geboten, wenn die ernsthafte Gefahr einer
divergierenden insolvenzgerichtlichen Rechtsprechung besteht. Dies kann nach
Auffassung des Senats bereits dann der Fall sein, wenn zwar keine obergerichtliche
Rechtsprechung zu der Fragestellung vorliegt, jedoch abweichende
Entscheidungen von Land- und Amtsgerichten oder abweichende Ansichten in der
Literatur zu wesentlichen Rechtsfragen der Insolvenzordnung die Notwendigkeit
einer einheitlichen Ausrichtung begründen (so auch OLG Köln, Beschluß vom
3.3.2000 - 2 W 31/2000). Dagegen begründen bloße Subsumtionsfehler des
Beschwerdegerichts bei der Anwendung einer an sich zweifelsfreien und
unumstrittenen Rechtsnorm oder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung im
konkreten Einzelfall keine generelle, durch das Oberlandesgericht zu korrigierende
Divergenz-Gefahr (Heidelberger Kommentar-Kirchhof, InsO, § 7 Rn. 23, 24; OLG
Köln a.a.O., m.w.N.).
Im vorliegenden Fall bedarf die angefochtene Beschwerdeentscheidung des
Landgerichts keiner inhaltlichen Überprüfung zur Sicherung einer einheitlichen
insolvenzrechtlichen Rechtsprechung.
Zu Recht halten Amts- und Landgericht auf der Grundlage des § 307 Abs. 1 S. 1
InsO und von dessen eindeutigen Wortlaut die förmliche Zustellung des
vorgelegten Schuldenbereinigungsplans an alle Gläubiger für erforderlich. Diese
Rechtsprechung befindet sich in völliger Übereinstimmung mit der einschlägigen
Kommentarliteratur (vgl. Frankfurter Kommentar-Grote, InsO, § 307 Rn. 7;
Heidelberger Kommentar- Landfermann, InsO, § 307 Rn. 5).
Die förmliche Zustellung an alle Gläubiger hat die Funktion, möglichst schnell
feststellen zu können, ob der Schuldenbereinigungsplan Grundlage für eine
einvernehmliche Lösung sein kann. Nach § 307 Abs. 1 S. 3 InsO gelten hier nicht
die allgemeinen Erleichterungen für die Zustellung im Insolvenzverfahren,
insbesondere besteht nicht die Möglichkeit der Zustellung durch Aufgabe zur Post.
Vielmehr nimmt das Gesetz den bei der förmlichen Zustellung erforderlichen
Aufwand und die dabei entstehenden Kosten wegen der einschneidenden Folgen,
die das Schweigen auf die Zustellung des Schuldenbereinigungsplans und die
entsprechenden Erklärungsaufforderungen des Gerichts hat, bewußt in Kauf
(Heidelberger Kommentar/Landfermann, InsO, § 307 Rn. 1). Dabei stellt das
Gesetz nicht darauf ab, in welchem Umfang der einzelne Gläubiger nach dem
Schuldenbereinigungsplan befriedigt werden soll bzw. in welcher Höhe er
Forderungen gegen den Schuldner geltend machen kann und in welchem
Verhältnis die geltend gemachte Forderung zu denjenigen der übrigen Gläubiger
steht.
Dementsprechend hat der Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Verzeichnis
der Gläubiger mit deren genauen Anschriften vorzulegen, damit die Zustellung
nach § 307 InsO keine Schwierigkeiten bereitet (so bereits ausdrücklich Bericht des
BT-Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7302, S. 190 f.). In Kenntnis der dem
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BT-Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7302, S. 190 f.). In Kenntnis der dem
Schuldner bei Nichteröffnung des Verfahrens entstehenden möglichen Kosten und
Nachteile hat der Gesetzgeber an die nicht vollständige Vorlage der erforderlichen
Verzeichnisse nach § 305 Abs. 3 InsO Sanktionen geknüpft, die bis zur Fiktion der
Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens reichen. Aus
diesem Grunde ist für die Argumentation des Schuldners im vorliegenden Fall, die
Nichteröffnung im Hinblick auf die fehlende Zustellung an nur einen Gläubiger
verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, kein Raum.
Soweit er im Hinblick auf die ihm infolge der Zurückweisung des Insolvenzantrags
drohenden Nachteile die Voraussetzungen des § 57 ZPO für die Bestellung eines
Prozeßpflegers als gegeben ansieht, kann der Senat dieser Auffassung nicht
beitreten. Zu Recht hat das Landgericht bereits darauf hingewiesen, daß es Sache
des Schuldners war, sich vor Antragstellung oder jedenfalls im Verfahren über
seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem für den Sitz der
GmbH zuständigen Registergericht um die Bestellung eines Nachtragsliquidators
zu bemühen, an den die erforderliche Zustellung hätte erfolgen können. Selbst
wenn jedoch das Landgericht insoweit bei Anwendung des § 57 ZPO zu hohe
Anforderungen gestellt hätte, begründete ein solcher Subsumtionsfehler keine
Divergenzgefahr, die die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich machen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4, InsO, 97 Abs. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.