Urteil des OLG Frankfurt vom 06.08.2003

OLG Frankfurt: treu und glauben, hausordnung, berufliche tätigkeit, gütliche einigung, ruhezeit, wohnung, ermessensfehler, eigentümer, ermessensspielraum, parteiwechsel

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 22/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 WoEigG, § 23 WoEigG, §
43 WoEigG
(Wohnungseigentumsverfahren: Gerichtliche
Nachprüfbarkeit von Ruhezeitregelungen in der
beschlossenen Hausordnung)
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 2.556,46 EUR (= 5.000,-- DM).
Gründe
Die Beteiligten sind bzw. waren im Zeitpunkt der Anhängigkeit dieses Verfahrens
die Wohnungseigentümer der im Rubrum angegebenen Liegenschaft.
Die in einer Wohnungseigentümerversammlung vom 31.01.1991 beschlossene
Hausordnung sieht unter Punkt A) 1) Ruhezeiten unter anderem werktags von
22.00 Uhr bis 6.00 Uhr vor. Nach Punkt A) 3) dieser Fassung der Hausordnung ist
das Musizieren in den Wohnungen in den Ruhezeiten nicht gestattet. Hinsichtlich
der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung der
Hausordnung vom 31.01.1991 (Bl. 15 f d.A.) verwiesen.
Durch Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 01.06.1999 zu
Tagesordnungspunkt 6 ist der Punkt A) 3) dieser Hausordnung neu gefasst
worden. Danach ist das Musizieren nunmehr - unter Erweiterung der Ruhezeiten
für die Sonn- und Feiertage im übrigen - täglich in der Zeit von 20.00 Uhr bis 8.00
Uhr nicht gestattet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten
befindliche Ablichtung des Einladungsschreibens vom 15.05.1999 sowie das
Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 01.06.1999 (Bl. 20 f d.A.)
Bezug genommen.
Die Antragsteller haben den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung
vom 01.06.1999 zu Tagesordnungspunkt 6 hinsichtlich der Änderung der
Hausordnung zu Punkt A) 3) angefochten. Sie haben gerügt, dass kein
Aktualisierungsbedarf zur Änderung der Hausordnung bestanden habe. Die
Regelung sei lediglich gegen die in der Wohnung lebende Tochter der Antragsteller
gerichtet, die in der fraglichen Zeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr, allerdings nicht
jeden Tag, 45 bis 60 Minuten Klavier gespielt habe und angesichts ihrer
besonderen beruflichen Belastung wegen des zu regelmäßigem Üben
verpflichtendem Klavierunterrichts an Dr. H. Konservatorium auf diese Zeiten
angewiesen sei. Die Antragsteller haben daher die Auffassung vertreten, dass der
Beschluss ermessensfehlerhaft zustande gekommen sei, da zum einen lediglich
eine Einzelfallregelung habe getroffen werden sollen. Zum anderen sei schon ein
generelles Verbot, in dieser Tageszeit zu musizieren, ermessensfehlerhaft, da der
Beschluss nicht nach Häufigkeit und Dauer des Musizierens sowie nach der Person
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Beschluss nicht nach Häufigkeit und Dauer des Musizierens sowie nach der Person
des Musizierenden differenziere.
Die Antragsteller haben deshalb erstinstanzlich beantragt, den Beschluss der
Wohnungseigentümerversammlung vom 01.06.1999 zu Tagesordnungspunkt 6, A.
3. neu, für ungültig zu erklären. Dem sind die Antragsgegner entgegengetreten,
die den angefochtenen Beschluss verteidigt haben.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung den Antrag zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschluss bedeute kein Musizierverbot
und sei auch nicht als ermessenfehlerhaft zu beanstanden, zumal eine abstrakte
Regelung für die ganze Wohnungseigentümergemeinschaft geschaffen worden sei.
Hiergegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie
unter Aufrechterhaltung ihres Vortrags den erstinstanzlichen Antrag weiter
verfolgen. Sie haben außerdem den Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem
Amtsgericht gerügt, da der erkennende Richter den Antragsteller nicht habe
ausreden lassen und sich nicht um einen Vergleich bemüht habe. Die
Antragsgegner sind der Beschwerde entgegengetreten.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ebenfalls verwiesen wird, hat das
Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Hiergegen haben die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der
sie den bisherigen Anfechtungsantrag weiter verfolgen. Im Schriftsatz vom
17.03.2003 haben sie angezeigt, dass inzwischen ihre Tochter Eigentümerin des
gegenständlichen Wohnungseigentums der Antragsteller sei, worin sie einen
Parteiwechsel sehen.
Die Antragsgegner sind der sofortigen weiteren Beschwerde entgegengetreten.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG
statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt worden. In dem von den Antragstellern im Schriftsatz vom 17.03.2003
mitgeteilten Eigentümerwechsel liegt kein Parteiwechsel. Analog § 265 Abs. 2 ZPO
hat dieser Eigentümerwechsel auf das Verfahren keinen Einfluss. Der Veräußerer -
hier die Antragsteller - führt das Verfahren als gesetzlicher
Verfahrensstandschafter dann im eigenen Namen für den Rechtsnachfolger weiter
(BGH NJW 2001, 3339; vgl. auch Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., vor §§ 43 ff Rz.
104; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 43 Rz. 117). Der Veräußerer kann
deshalb ein Anfechtungsverfahren weiter betreiben; einer förmlichen Beteiligung
des Sondernachfolgers am Verfahren ist weder bei der analogen Anwendung des §
265 Abs. 2 ZPO, noch bei Fortbestehen der Sachlegitimation geboten (BGH NJW
2001, 3339). Ein gegebenenfalls denkbarer Eintritt der Sonderrechtsnachfolgerin in
die Verfahrensstellung des Veräußerers (vgl. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO;
Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 43 Rz. 117) kommt hier schon deshalb nicht in
Betracht, weil die erforderliche Zustimmung der übrigen Beteiligten nicht vorliegen
würde.
Die sofortige weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der
angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des
Rechts, woraufhin er durch das Rechtsbeschwerdegericht ausschließlich zu
überprüfen ist (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, 546 ZPO).
So weist das Verfahren des Beschwerdegerichts keinen Fehler auf, der es
rechtfertigen könnte, die angefochtene Entscheidung aus diesem Grunde
aufzuheben und zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht
zurückzuverweisen. Zwar verweist die sofortige weitere Beschwerde zu Recht auf §
44 Abs. 1 WEG, wonach der Richter mit den Beteiligten in der Regel mündlich
verhandeln und hierbei darauf hinwirken soll, dass sie sich gütlich einigen. Diese
Vorschrift gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Vorliegend hat allerdings das
Landgericht - ebenso wie das Amtsgericht - mit den Beteiligten mündlich
verhandelt. Die Kammer hat bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung einen
Vergleichsvorschlag gemacht, der von den Antragsgegnern jedoch abgelehnt
worden war. Auf die Verfügung vom 05.01.2001 und die Reaktion der
Antragsgegner vom 31.01.2001 wird insoweit verwiesen. Es ist mithin nicht zu
beanstanden, dass die Kammer dann im Termin zur mündlichen Verhandlung
ausweislich des Sitzungsprotokolls nach Erörterung der Sach- und Rechtslage
darauf hingewiesen hat, dass nach der Vorberatung die Beschwerde der
Antragsteller keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Hierzu war die Kammer aus
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Antragsteller keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Hierzu war die Kammer aus
Fürsorgegesichtspunkten gegenüber den Beteiligten auf jeden Fall berechtigt.
Darüber hinaus hat denn auch die Antragsgegnerseite mitgeteilt, dass sie in der
mündlichen Verhandlung vor der Kammer eine Entscheidung des Gerichts in
dieser Sache herbeiführen wollte. Unabhängig also von der Frage, wie ausführlich
im Verhandlungstermin selber somit über eine denkbare (anderweitige) gütliche
Einigung der Beteiligten gesprochen worden ist, kann jedenfalls nicht davon
ausgegangen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einem
diesbezüglichen Verfahrensfehler beruhen könnte.
Auch inhaltlich ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das
Landgericht den angefochtenen Wohnungseigentümerbeschluss nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechend angesehen und mithin nicht für
ungültig erklärt hat. Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit
der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung,
die jeder einzelne Wohnungseigentümer verlangen kann, § 21 Abs. 4 WEG, gehört
grundsätzlich auch die Aufstellung einer Hausordnung, § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG (vgl.
BayObLGZ 2001, 232, 234). Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, steht
den Wohnungseigentümern im Rahmen des Selbstorganisationsrechts bei der
Aufstellung von Gebrauchsregelungen ein Ermessensspielraum zu, so dass
derartige Entscheidungen der Wohnungseigentümer - auch im Hinblick auf die
Änderung einer bestehenden Hausordnung - gerichtlich nur auf Ermessensfehler
hin überprüfbar sind. Dabei liegt es grundsätzlich im Ermessensspielraum der
Wohnungseigentümer, allgemeine Ruhezeiten durch Beschluss festzulegen, §§ 21
Abs. 3, 23 Abs. 1 WEG (vgl. hierzu den von den Antragstellern im Schriftsatz vom
10.09.2002 aufgeführte Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts,
veröffentlicht in ZWE 2002, 312, 313). Nach der von den Vorinstanzen zutreffend
zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 1998, 3713, 3714, können
die Ermessensgrenzen für Ruhezeitregelungen gemäß den Grundsätzen von Treu
und Glauben, § 242 BGB, nur dort gezogen werden, wo der Beschluss entweder ein
völliges Musizierverbot oder eine dem praktisch gleichzusetzende
Reglementierung enthält. Denn das Musizieren innerhalb der eigenen Wohnung ist
Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens und Element der Zweckbestimmung
der Wohnanlage. Es darf zwar auf bestimmte Zeiten und einen bestimmten
Umfang beschränkt, nicht jedoch insgesamt verboten werden (vgl. etwa BGH NJW
1998, 3713, 3714; BayObLG ZWE 2002, 312, 313; BayObLGZ 2001, 232, 235; OLG
Hamm NJW 1981, 465; vgl. auch Senat NJW 1985, 2138; DWW 1985, 26).
Die übereinstimmende Einschätzung der Vorinstanzen, dass vorliegend derartige
Ermessensfehler im Rahmen der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer
nicht festzustellen sind, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. So verbietet
die Regelung zunächst nach der nächstliegenden Bedeutung nicht ein Musizieren
in Zimmerlautstärke; einer solchen Betätigung steht grundsätzlich ein
schützenswertes Interesse der anderen Hausbewohner nicht entgegen (vgl. BGH
NJW 1998, 3713, 3715; BayObLG ZWE 2002, 312, 313; BayObLGZ 2001, 232, 234).
Angesichts dessen stellt es auch keinen Ermessensfehlgebrauch dar, dass die
nunmehrige Hausordnung - wie bisher - insoweit keine Differenzierung nach der Art
des Musizierens vornimmt. Zu Recht hat das Landgericht unter Bezugnahme auf
den zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs weiter festgestellt, dass die
Grenzen der Ermessensausübung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben
durch Festlegung der Ruhezeiten auf einen Zeitraum von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr
nicht bereits deswegen überschritten sind, weil etwa hierdurch ein Musikverbot
oder eine vergleichbare Reglementierung ausgesprochen wäre. Eine
entsprechende Ruhezeitregelung wäre nur dann und ausnahmsweise zu
beanstanden, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten der Wohnanlage
Umstände vorlägen, die die Entscheidung als ermessensfehlerhaft erscheinen
ließen. Solche vom Landgericht im angefochtenen Beschluss, Seite 4, beispielhaft
aufgeführten Gesichtspunkte sind hier nicht ersichtlich und werden von der
sofortigen weiteren Beschwerde auch nicht aufgezeigt. Eine weitere
Sachverhaltsaufklärung durch die Tatsacheninstanzen war mithin entbehrlich.
Soweit die weitere Beschwerde in ihrer Begründung also darauf hinweist, dass die
tatsächlichen Gegebenheiten maßgebend seien, ist dies zwar zutreffend. Inwieweit
nämlich das häusliche Musizieren seinem zeitlichen Ausmaß nach
"ordnungsmäßigem Gebrauch" im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG entspricht, ist unter
Berücksichtigung des Verkehrsüblichen, auch der örtlichen Verhältnisse, für alle
Wohnungseigentümer gleichmäßig zu bestimmen. Auf die individuellen
Verhältnisse der jeweiligen Bewohner kann dabei aber nicht abgestellt werden.
Selbst Berufsmusiker oder Studierende der Musik können jedenfalls für den
Regelfall keine weitergehenden Gebrauchsrechte für sich in Anspruch nehmen.
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Regelfall keine weitergehenden Gebrauchsrechte für sich in Anspruch nehmen.
Was "ordnungsmäßiger Gebrauch" ist, ist gemäß § 15 Abs. 2 WEG in Bezug auf die
"Beschaffenheit der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile" zu bestimmen.
Den Rahmen des ordnungsgemäßen Gebrauchs von den wechselnden
Bedürfnissen der jeweiligen Bewohner der Wohnungen abhängig zu machen, würde
die Sicherheit und Vorausberechenbarkeit in den Rechtsbeziehungen der
Wohnungseigentümer untereinander in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigen
(vgl. BayObLG MDR 1985, 676; ZWE 2002, 312, 313; vgl. auch Sauren, WEG, 4.
Aufl., § 21 Rz. 11, Stichwort: "Musizieren", Gramlich NJW 1985, 2131). Ob etwas
anderes dann gilt, wenn die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung einen
besonderen Gebrauch der Wohnung gestattet haben (so BayObLG ZWE 2002, 312,
313; vgl. auch Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 15 Rz. 9), kann hier offen bleiben.
Auch dazu fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, abgesehen davon, dass auch die
bisherige bestandskräftige Hausordnung eine solche Differenzierung nicht enthielt.
Angesichts dessen sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass es
auf die besonderen persönlichen Bedürfnisse der derzeitigen Wohnungsnutzerin -
der bisherigen Mieterin und nunmehrigen Eigentümerin - in diesem
Regelungszusammenhang nicht ankommen kann, abgesehen davon, dass diese
sich jederzeit ändern können und somit eine neue Regelung zur Hausordnung
erforderlich werden könnte. Die Ruhezeitregelung nimmt ansonsten - durch die
Feiertagsregelung und den Beginn der Ruhezeit werktags erst ab 20.00 Uhr - auf
die Bedürfnisse Berufstätiger grundsätzlich Rücksicht. Dabei ist überdies zusätzlich
zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der berufstätigen Bevölkerung
ihre berufliche Tätigkeit um 19.00 Uhr abgeschlossen hat und je nach den
individuellen Vorstellungen danach Ruhe zwecks Entspannung haben will. Der
Beginn der Ruhezeit werktags um 20.00 Uhr - gerade diesen rügen die
Antragsteller ausweislich ihrer Erklärungen in den Schriftsätzen vom 06.12.1999
und 04.07.2000 - wäre deshalb auch aus diesem Gesichtspunkt heraus nicht
ermessensfehlerhaft (vgl. auch LG Freiburg, Beschluss vom 13.12.2002, 4 T
61/02). Gesichtspunkte, die einen Verstoß gegen den Grundsatz
ordnungsgemäßer Verwaltung erkennbar werden ließen und eine andere rechtliche
Würdigung rechtfertigen könnten, vermag das Vorbringen der Antragsteller
betreffend die besonderen persönlichen Bedürfnisse der derzeitigen
Wohnungsnutzerin also nicht zu begründen. Aus dem zitierten Beschluss des
Bundesgerichtshofs ergibt sich auch insoweit nichts anderes. Dieser stellt auf
diesbezügliche persönliche Bedürfnisse der Nutzer ebenfalls nicht ab, so dass
offensichtlich auch aus diesem Grund entsprechende Feststellungen dort nicht
getroffen wurden. Auch der Beschluss des OLG Hamm in NJW 1981, 465, stellt auf
die Gesichtspunkte ab, nach denen die dort betroffene - weitaus rigidere -
Regelung zu einem "generellen Musikverbot" führen könnte.
Ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Würdigung des
Landgerichts, dass der angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss auch nicht
deswegen angreifbar sei, weil er eine einseitige Benachteiligung der Antragsteller
bzw. deren Tochter beinhalte. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der
Wohnungseigentümerbeschluss eine abstrakt gültige Regelung trifft, die nicht
einen Eigentümer von vornherein mehr belastet als den anderen. Eine andere
Auslegung ließe der Wohnungseigentümerbeschluss, der aus sich heraus - objektiv
und normativ - auszulegen ist und Umstände außerhalb des protokollierten
Beschlusses nur dann heranzuziehen sind, wenn sie nach den besonderen
Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl.
BGH NJW 1998, 3713, 3714; BayObLG ZWE 2002, 312, 313), ohnehin nicht zu. Es
liegt aber tatsächlich auch auf der Hand, dass durch allgemeine Regelungen, die
für eine Vielzahl von Beteiligten gelten, diese jeweils unterschiedlich betroffen
werden. Um eine solche Regelung handelt es sich aber bei der vorliegenden
Hausordnung, die grundsätzlich für alle Wohnungseigentümer gleichermaßen gilt.
Dass die Betroffenheit bei den Antragstellern bzw. ihrer Tochter aus persönlichen
Gründen besonders intensiv sein mag, ist aus den bereits oben geschilderten
Gründen in diesem Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung.
Zutreffend ist weiter die Würdigung des Landgerichts, dass die Einwendung der
Antragsteller, es habe kein Aktualisierungsbedarf im Hinblick auf die Hausordnung
bestanden, im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist. Dabei hat das
Landgericht zu Recht auf das Ermessen der Wohnungseigentümerversammlung
hingewiesen, Gebrauchsregelungen durch Hausordnung zu beschließen oder aber
auch zu ändern. Tatsächlich spielt die Motivation hierfür in der Regel keine Rolle.
Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass jeder Wohnungseigentümer eine
ordnungsgemäße, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach
billigem Ermessen entsprechende Verwaltung verlangen kann; selbst die
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billigem Ermessen entsprechende Verwaltung verlangen kann; selbst die
Hausverwaltung wäre verpflichtet gewesen, eine entsprechende Regelung
beizuführen, die sie ordnungsgemäßer Verwaltung für entsprechend hielte.
Entscheidend ist also lediglich die Frage, ob die getroffene Regelung nach den
dargelegten Kriterien rechtmäßig ist, also ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht
(vgl. auch OLG Hamm NJW 1981, 465, 466, das auf die Entscheidungserheblichkeit
der objektiven Auswirkung des Versammlungsbeschlusses verweist). Davon muss
hier unter Berücksichtigung der obigen Gesichtspunkte ausgegangen werden. Es
kommt damit tatsächlich nicht darauf an, ob sich alle dem Beschlussantrag
zustimmenden Wohnungseigentümer oder lediglich ein geringer Teil durch ein
Klavierspiel bereits konkret gestört fühlten oder welche - ggf. unterschiedlichen -
Motivationslagen für die Entscheidungsfindung der einzelnen
Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung eine Rolle spielten, unabhängig
davon, dass nach der erforderlichen objektiven Beschlussauslegung subjektive
Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten, die voneinander abweichen
können - darauf wurde bereits oben hingewiesen -, grundsätzlich bei der
Auslegung des Beschlusses ohnehin keine Rolle spielen (vgl. Staudinger/Bub, BGB,
Stand Juni 1997, § 23 WEG Rz. 179 mit vielfältigen weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung). Dass aber zumindest ein Wohnungseigentümer oder die
Hausverwaltung einen Änderungsbedarf im Hinblick auf die streitige Regelung der
Hausordnung gesehen haben, zeigt der Gesichtspunkt, dass ein entsprechender
Antrag in die Tagesordnung aufgenommen wurde, der dann auch - wie die
Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung zeigt - mehrheitlich
angenommen worden ist. Daraus wird deutlich, dass zumindest eine Mehrheit der
Wohnungseigentümer -- aus welchen Gründen auch immer - ein
Regelungsbedürfnis im Hinblick auf die gegenständliche Ruhezeit angenommen
hat. Soweit die Antragsteller noch darauf hinweisen, dass überhaupt unklar sei, ob
ein Interesse an den geregelten Freiräumen für die anderen Eigentümer überhaupt
bestehe, vermag dies also aus den genannten Gründen nicht durchzugreifen.
Umstände, die dafür sprechen könnten, vorliegend von einem Ausnahmefall im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen, mit der Folge,
dass die vorliegende Ruhezeitregelung die Grenzen des Ermessens überschreiten
könnte, sind - über die bereits abgehandelten Gründe hinaus - nicht ersichtlich.
Es entsprach billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten des
ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen haben, § 47 Satz 1 WEG.
Gründe, die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, hat der
Senat nicht gesehen, § 47 Satz 2 WEG.
Den Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Senat an der nicht
beanstandeten Wertfestsetzung durch das Landgericht orientiert, § 48 Abs. 3 WEG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.