Urteil des OLG Frankfurt vom 04.08.2010

OLG Frankfurt: gebühr, deckung, agb, bonität, darlehen, genehmigung, aufwand, vergleich, ausführung, kontrolle

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Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 158/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 307 Abs 3 S 1 BGB, § 675
BGB
Orientierungssatz
Zur Unwirksamkeit der AGB-Klausel einer Bank über Gebühren für die Überweisung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Mai 2009 verkündete Urteil der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main – Az.: 2-02 O 51/09 – insofern
abgeändert, als der Klägerin die durch die Anrufung des unzuständigen
Landgerichts Köln entstandenen Mehrkosten auferlegt werden.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Zu ergänzen ist, dass die Klägerin zunächst das Landgericht Köln angerufen hatte,
das sich mit Beschluss vom 26. Februar 2009 für örtlich unzuständig erklärt und
den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen hatte.
Das Landgericht hat der auf Unterlassung der Verwendung der Klausel über die
Gebühren für die Überweisung sowie Erstattung von Kosten gerichteten Klage in
vollem Umfang stattgegeben.
Bezüglich der Wirksamkeit der Klausel vertritt das Landgericht die Ansicht, es
handele sich nicht um die Gebühr für eine im Interesse des Kunden erfolgende
Sonderleistung, vielmehr verlange die Beklagte damit ein Entgelt für eine nur in
ihrem Interesse liegende Tätigkeit, nämlich der Bonitätsprüfung vor Ausführung
des Auftrags. Dies ergebe sich auch aus der – ursprünglichen – Aufnahme der
Klausel unter „Sonderleistungen im Kreditgeschäft“ und dem Umstand, dass die
Beklagte Kontenführungspauschalen anbiete, diese Prüfung davon aber nicht
erfasst sein solle. Die Leistung liege auch nicht im Interesse des Kunden, da er
damit rechnen müsse, dass die Prüfung zu seinem Nachteil erfolge. Ein Vorteil aus
der Ausführung des Auftrags – als Alternative zur Nichtdurchführung und der damit
weiter bestehenden Forderung des Empfängers der Überweisung – sei nicht
zwingend, was sich jedenfalls aus den unterschiedlichen Zinssätzen für den
Überziehungskredit einerseits und den Verzug andererseits ergebe. Die Klausel sei
weiter nicht unter dem Aspekt zulässig, dass ansonsten die Kosten der Prüfung auf
alle Kunden bzw. Kontenarten umgelegt werden müssten.
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Die Klausel sei aber auch deshalb unwirksam, da sie überraschend und damit nicht
hinreichend transparent sei. Zum einen gehe der Kunde davon aus, dass mit der
jeweiligen Kontopauschale alle Kosten abgegolten seien. Zum anderen sei nicht
erkennbar, dass es sich bei der Gebühr um (weitere) Kosten für die
Inanspruchnahme eines – weitergehenden – Darlehens handele. Dies gelte auch
deshalb, weil die besonderen Kosten eines Überziehungskredits durch höhere
Zinsen für dieses – im Vergleich zu einem regulären Dispositionskredit – teurere
Darlehen ausgeglichen würden. Dabei sei ferner zu berücksichtigen, dass gerade
bei geringfügigen Überziehungen aus der Kombination der Gebühr und den
höheren Zinsen Kosten entstehen könnten, die in einem deutlichen Missverhältnis
zu der Höhe der Überziehung stünden.
Der Klägerin stehe daneben der Ersatz der für die Abmahnung aufgewendeten
Kosten in der geltend gemachten Höhe zu.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Sie begehrt zunächst die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht,
da das Verfahren unter erheblichen formellen Fehlern leide. Sie rügt dabei, die 2.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main sei bei der Entscheidung nicht
vorschriftsgemäß besetzt gewesen, da Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. X
als Vertreter mitgewirkt habe, ohne dass erkennbar sei, dass die entsprechenden
Voraussetzungen dafür bzw. dessen Zuständigkeit gegeben gewesen seien.
Das Landgericht habe weiter der Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt,
der so nicht vorgetragen worden sei. Insofern habe das Landgericht zu Unrecht
einen Tatbestandsberichtigungsantrag zurückgewiesen. Die Beklagte habe
nämlich in der ersten Instanz immer deutlich gemacht, dass das Entgelt nicht für
die Durchführung einer Bonitätsprüfung, sondern für die Durchführung des
konkreten Kundenauftrags, also der Überweisung, verlangt werde. Schließlich habe
das Landgericht nicht darauf hingewiesen, dass es annehme, die Klausel bzw.
deren Inhalt seien intransparent, was auch die Klägerin nicht vorgetragen habe.
Daneben sei die Entscheidung des Landgerichts materiell unzutreffend, da es sich
nicht um eine der Klauselkontrolle unterliegende Regelung handele.
So sei die Klausel nach ihrem maßgeblichen Wortlaut allein darauf gerichtet, eine
vom Kunden gewünschte Verfügung über das Konto zu bepreisen; die
Durchführung einer Bonitätsprüfung werde davon nicht erfasst und sei nicht
beabsichtigt. Auf die Frage, an welcher Stelle des Preisverzeichnisses die Klausel
früher erwähnt wurde, komme es nicht an, da Streitgegenstand nur der aktuelle
Standort sei.
Dieses Verständnis von der Bedeutung bzw. Reichweite der Klausel habe auch der
Kunde, der davon ausgehe, dass es sich bei ihr nur um eine Regelung weiterer
Kosten bei einer nicht genehmigten Überziehung handele. Dies ergebe sich auch
aus einem von der Beklagten eingeholten Gutachten eines
Marktforschungsinstituts.
In Anbetracht dieses Inhalts der Klausel erfasse sie eine Tätigkeit der Bank, die
selbstständig mit Kosten verbunden werden könne, gehe es doch nur um die
Durchführung eines Auftrags des Kunden. Diese Tätigkeit, die Freigabe der
Überweisung, erfolge auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Pflicht, einer
vertraglichen Nebenpflicht oder im eigenen Interesse der Beklagten. Letzteres
scheide deshalb aus, weil es nicht um die Prüfung der Bonität des Kunden gehe,
sondern allein um den höheren Aufwand, der mit der Freigabe einer Überweisung
verbunden sei, durch die es zu einer Überziehung komme. Bei dieser Tätigkeit
handele es sich um eine Sonderleistung für den Kunden, da dieser eine Verfügung
beabsichtige, für die keine Deckung (mehr) vorhanden sei, die Bank also nicht
verpflichtet sei, diese auszuführen. Diese liege allein im Interesse des Kunden, der
dieses dadurch deutlich gemacht habe, dass er gerade den Auftrag für die
Überweisung erteilt habe. Dabei sei weiter zu berücksichtigen, dass die Folgen der
Nichtausführung (zeitliche Verzögerung, Rufschädigung bei dem Vertragspartner)
in der Regel gravierender seien als die höheren Zinsen für die Überziehung.
Die Klausel sei daneben nicht intransparent, da sie unmittelbar im Anschluss an
die Kosten der Kontoführung genannt werde. Außerdem müsse dem Kunden
bewusst sein, dass er nur dann – im Rahmen seines jeweiligen Kontomodells –
kostenfrei Überweisungen vornehmen könne, wenn entsprechende Deckung
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kostenfrei Überweisungen vornehmen könne, wenn entsprechende Deckung
vorhanden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2009, Az. 2-02 O
51/09, aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts
Frankfurt am Main zurückzuverweisen,
hilfsweise: das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Vortrags.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht
nicht auf einer Rechtsverletzung und es rechtfertigen die nach § 529 ZPO
zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Der
Unterlassungsanspruch besteht bezüglich der hier angegriffenen Klausel, weshalb
auch die Kosten der vorgerichtlichen Tätigkeit, deren Höhe nicht angegriffen
wurde, zu erstatten sind. Abzuändern ist jedoch die erstinstanzliche
Kostenentscheidung im Hinblick auf § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor, die von der Beklagten insofern beantragte
Zurückverweisung scheidet aus.
Soweit die Beklagte die ordnungsgemäße Besetzung der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main und dabei die Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts – vor allem die Handhabung der
Vertretungsregeln – rügt, ist diese Rüge unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob
Vorsitzender Richter am LG Dr. X tatsächlich der „richtige“ Vertreter des
erkrankten Vorsitzenden Richters am LG Y, des geschäftsplanmäßigen
Vorsitzenden der 2. Zivilkammer, war. Fehler bei der Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans führen, was sich der auch für die Landgerichte
geltenden (BGH, Urteil vom 16. Mai 1962, V ZR 155/60, NJW 62, 1396) Wertung
des § 22d GVG entnehmen lässt, nur dann zur Anfechtbarkeit der richterlichen
Entscheidung, wenn der Fehler auf Willkür beruht (BVerfG, Beschluss vom 18.
Dezember 2007, 1 BvR 1273/07, NVwZ-RR 08, 289, 290). Die Entscheidung des
Gerichts bzw. die Anwendung des Geschäftsverteilungsplans muss dabei von
grober Missachtung des Rechts auf den gesetzlichen Richter geprägt sein bzw. sich
als grob fehlerhafte Handhabung des Rechts darstellen (BVerfG, Beschluss vom 3.
November 1992, 1 BvR 137/92, NJW 93, 381; Zimmermann, in: Münchener
Kommentar zur ZPO, § 21e GVG, Rn. 66). Dazu trägt die Beklagte hier aber nichts
vor, entsprechende Umstände sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich,
was im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit den Parteien
erörtert wurde und dem auch nicht widersprochen wurde, aus der Akte (vgl. Bl.
121R d.A.), dass der geschäftsplanmäßige Vorsitzende der Kammer unmittelbar
vor dem Termin erkrankte und deshalb Vertretungsbedarf bestand. Dass dann –
möglicherweise in einer Eilsituation – Fehler bei der Anwendung des
Geschäftsverteilungsplans gemacht wurden, lässt keine Rückschlüsse auf Willkür
zu, Entsprechendes wird auch nicht vorgetragen.
Eine Rechtsfehler, der zur Zurückverweisung führt, liegt auch nicht insofern vor, als
in dem Verfahren vor dem Landgericht in dem Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 13. Mai 2009 (Bl. 122-123 d.A.) keine Antragstellung enthalten
ist. Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls (§ 165 ZPO) ist der Entscheidung des
Senats zugrunde zu legen, dass in der ersten Instanz keine Anträge gestellt
wurden, da das Protokoll auch nicht erkennbar lückenhaft ist (dazu Reichold, in:
Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. (2009), § 165 ZPO, Rn. 3). Dass in der Akte nach
dem Protokoll, das mit Bl. 123 endet, die Seite 124 fehlt, ist insofern nicht
ausschlaggebend, da das Protokoll selbst nicht den Eindruck der offensichtlichen
Unrichtigkeit vermittelt.
Ergeht aber ein Urteil, ohne dass Anträge gestellt wurden, liegt ein Verstoß gegen
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Ergeht aber ein Urteil, ohne dass Anträge gestellt wurden, liegt ein Verstoß gegen
§ 308 ZPO vor, da dann eine Verurteilung nicht zulässig ist (BGH, Urteil vom 12.
März 2004, V ZR 37/03, NJW 04, 2019, 2021). Dass die Parteien dies nicht rügen,
ist unerheblich, da ein Verstoß gegen § 308 ZPO nicht nach § 295 ZPO heilbar ist
und von Amts wegen zu beachten ist (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl.
(2010), § 308 ZPO, Rn. 6).
Allerdings ist hier eine Zurückverweisung nicht geboten, da trotz des
entsprechenden Antrags der Beklagten die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2
ZPO nicht gegeben sind. So ist neben dem Vorliegen eines gravierenden
Verfahrensmangels, der hier durch die Entscheidung ohne Anträge vorliegt (vgl.
Heßler, in: Zöller, § 538 ZPO, Rn. 18), erforderlich, dass daneben noch eine
aufwändige/umfangreiche Beweisaufnahme geboten ist. Ohne eine solche
Notwendigkeit ist eine Zurückverweisung nicht zulässig (BGH, Urteil vom 17. März
2008, II ZR 313/06, NJW 08, 1672). Hier ist die Sache schon aus Rechtsgründen
entscheidungsreif, so dass eine Zurückverweisung nicht geboten ist.
Die zulässige Klage ist auch begründet, die streitgegenständliche Klausel ist
unwirksam, woraus sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt (§ 1 i.V.m.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG).
Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich zunächst um eine der AGB-
Kontrolle unterliegende Regelung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB), da keine kontrollfreie
Preishauptabrede, sondern die Regelung zu einer Nebenleistung, mithin eine
Preisnebenabrede, vorliegt. Die Unterscheidung zwischen beiden ist danach zu
treffen, ob es sich um die Bestimmung des Preises der vertraglichen
Hauptleistung bzw. eine Klausel über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte,
zusätzlich angebotene Sonderleistung handelt, oder ob die Regelung eine
Aufwendung für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener
Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse
betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2009, XI ZR 78/08, BKR 09, 345, 347; Nobbe,
WM 08, 185, 186, je m.w.N.). Insofern trägt die Beklagte vor, es handele sich um
ein Entgelt für die Ausführung einer vom Kunden beauftragten Maßnahme,
nämlich der Überweisung ohne entsprechende Deckung, mithin um eine
Sonderleistung für den Kunden, deren Preisgestaltung nicht kontrollfähig wäre.
Dieser Argumentation schließt sich der Senat nicht an.
So ist zunächst darauf abzustellen, dass für die bloße Durchführung der
Überweisung (§§ 675f ff. BGB) gerade kein Entgelt verlangt wird. Dies ergibt sich
zum einen aus dem Vortrag der Beklagten selbst, die die Gebühren mit dem
Mehraufwand rechtfertigt, den eine solche, über das Limit hinausgehende
Überweisung bei ihr verursacht. Dass die eigentliche (technische) Weiterleitung
des Geldes besondere Kosten verursacht, wird dagegen nicht vorgetragen.
Daneben enthalten aber die einzelnen Gebührenmodelle der Beklagten für
Girokonten zum anderen schon eigenständige Regelungen über die Kosten von
Überweisungen (vgl. Bl. 68 d.A.), die in der Regel in der Monatspauschale
enthalten sind. Aus diesem Grund liegt aus Sicht des Kunden bzw. des Lesers der
AGB – unabhängig davon, ob hier die kundenfeindlichste Auslegung gewählt wird
oder nicht – eine besondere Gebühr vor, die Tätigkeiten erfassen muss, die gerade
nicht mit der bloßen Weiterleitung des Geldes verbunden sind. Soweit die Beklagte
dazu vorträgt, die Kunden würden in der Klausel kein Entgelt für eine zusätzliche
Bonitätsprüfung sehen (Berufungsbegründung, S. 10, Bl. 169 d.A.), kann dies
daher nur teilweise zutreffend sein, da die Kunden, schon aufgrund der jeweiligen
Kontostruktur, in der Gebühr nicht die Kosten für die bloße Überweisung sehen
werden.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten in der
Berufungsinstanz vorgelegten Marktforschungsstudie. Aus dieser folgt nur, dass
die befragten Marktteilnehmer die Klausel so verstehen, dass ein bestimmter
Betrag zu zahlen ist, wenn das Konto überzogen ist bzw. keine ausreichende
Deckung vorhanden ist. Wofür dieser Betrag gezahlt wird, also ob dies für die
Weiterleitung des Geldes an den Empfänger oder für eine andere Tätigkeit der
Beklagten erfolgt, war dagegen nicht Gegenstand der Vorstellungen der Befragten.
Auch der Hinweis der Beklagten, der Streitgegenstand des Verfahrens sei „nur“
der Wortlaut der Klausel, greift insofern nicht durch. Bei der Prüfung von AGB´s
geht es – wie Cahn in WM 2010, 1197, 1199, mit Hinweis auf die Rechtsprechung
des BGH darstellt – nicht darum, wie der Verwender der Klausel diese bezeichnet,
sondern darum, ob ihr, und wenn ja, welche, eine Gegenleistung für den Kunden
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sondern darum, ob ihr, und wenn ja, welche, eine Gegenleistung für den Kunden
zugrunde liegt. Andernfalls hätte es der Verwender durch eine geschickte
Bezeichnung der Klausel in der Hand, diese zu einer Leistung allein für den Kunden
zu erklären und sie dadurch der Kontrolle zu entziehen.
Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hatte, mit
der Klausel werde nur eine bestimmte Art der Überweisung, nämlich eine solche,
der keine ausreichende Deckung zugrunde liegt, bepreist, folgt dem der Senat
ebenfalls nicht. Nach dieser Ansicht der Beklagte stehe es ihr frei, bestimmte
Arten von Überweisungen jeweils separat zu bepreisen, sodass kein Unterschied
bestehe, ob eine beleghafte Überweisung oder eine solche ohne Deckung zu einer
gesonderten Vergütung führe, die dann wiederum als Hauptleistungsabrede keiner
Inhaltskontrolle unterworfen sei. Diese Argumentation berücksichtigt jedoch nicht
ausreichend, dass die – eng zu fassende (Kieninger, in: Münchener Kommentar
zum BGB, 5. Aufl. (2007), § 307 BGB, Rn. 12) – Hauptleistungspflicht der Beklagte
die Durchführung der Überweisung, mithin der technische Vorgang des Transfers
von Buchgeld, ist. Dass es für diese Hauptleistung von Bedeutung ist, ob auf
einem Konto eines Kunden eine ausreichende Deckung vorhanden ist, hat die
Beklagte nicht vorgetragen. Im Gegenteil erscheint es dem Senat plausibel, dass
es für den bloßen technischen Vorgang des Geldtransfers keinen Unterschied
darstellt, ob eigenes Geld des Kunden oder solches der Bank – im Auftrag des
Kunden – transferiert wird. Im Vergleich hierzu ist es ohne Weiteres
nachvollziehbar, dass für die Verarbeitung einer beleghaften Überweisung im
Unterschied zu einer online eingereichten Überweisung ein höherer technischer
Aufwand anfällt, der zu entsprechend höheren Kosten führt. Damit bepreist die
Beklagte in dem hier relevanten Fall aber nicht den bloßen Vorgang der
Geldweiterleitung, dessen Kosten nicht kontrollfähig wären, sondern eine
zusätzliche Leistung, die wiederum eine Nebenpflicht betrifft und als
Preisnebenabrede kontrollfähig bleibt.
Handelt es sich damit um eine Gebühr für eine besondere Leistung, lag diese nach
dem bisherigen Sach- und Streitstand allein im Interesse der Beklagten, der
gegenteilige Vortrag der Beklagten ist nicht überzeugend.
Nach der Behauptung der Beklagten hat sie bei der Freigabe einer Überweisung,
die nicht aus dem vorhandenen Guthaben oder dem bereits bewilligten
Dispositionskredit gedeckt werden kann, einen besonderen Prüfungsaufwand.
Diese Prüfung kann sich aber nur auf die Frage erstrecken, ob seitens des jeweils
zuständigen Kundenberaters die Überweisung freigegeben werden kann, nicht
aber auf technische Fragen im Rahmen einer Überweisung, also darauf, wie die
Überweisung durchgeführt wird. Insofern hat die Beklagte nämlich, wie dargestellt,
nicht vorgetragen, dass sich eine solche Überweisung technisch, also bezogen auf
die bloße Weiterleitung, von einer Überweisung unterscheidet, für die Deckung
vorhanden ist. Auch insofern ist der Vergleich der Beklagten mit der – zulässigen –
Gebühr für eine beleghafte Überweisung im Rahmen eines Girovertrags nicht
passend. In einem solchen Fall ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass durch die
Verarbeitung des Überweisungsbelegs ein besonderer Aufwand anfällt, der eine
Sonderleistung darstellt, die selbstständig bepreisbar ist und von der Beklagten
insofern auch berechnet wird (vgl. Kontogebühren Bl. 68 d.A., dort Aktivkonto: 0,89
Euro pro Überweisung). Eine solche Trennung nimmt die Beklagte aber für den hier
relevanten Fall nicht vor, vielmehr fällt die Gebühr auch z. B. bei einer Online-
Überweisung an, die nach den eigenen Kontenmodellen der Beklagten nicht zu
einem vergütungspflichtigen technischen Mehraufwand führt.
Demnach muss der behauptete Aufwand in der Entscheidung liegen, ob die
Überweisung überhaupt genehmigt wird. Damit verbunden ist dann auch die
Möglichkeit, dass diese Genehmigung abgelehnt wird, was in der Klausel dadurch
deutlich wird, dass die Gebühr nur dann anfällt, wenn der Kundenberater die
Durchführung des Transfers genehmigt. Damit bepreist aber die Gebühr nicht die
Überweisung als solche, sondern den Vorgang der Prüfung, ob die Genehmigung
für diese erteilt werden kann. Gegenteiliges hat die Beklagte – trotz
entsprechender Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung – nicht
vorgetragen.
Ausgehend von diesem Ansatz handelt es sich bei dieser Prüfung aber um eine im
Interesse der Beklagten liegende Tätigkeit, da Maßstab für die Prüfung nur sein
kann, ob die jeweilige Bonität des Kunden die Durchführung der Überweisung
rechtfertigt (zu einem ähnlichen Fall vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. September
2009, 31 U 55/09, zit. nach juris, Rn. 33, mit Zustimmung Schnauder, jurisPR-BKR
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2009, 31 U 55/09, zit. nach juris, Rn. 33, mit Zustimmung Schnauder, jurisPR-BKR
1/2010, Anm. 4). Dies ergibt sich zunächst daraus, dass ein anderes Kriterium, das
die Entscheidung über die Genehmigung determinieren könnte, nicht vorstellbar
ist. Durch das Zulassen einer weiteren Überziehung des Kontos (entweder durch
tatsächliche Überziehung bei vorher nicht zugesagtem Dispositionskredit oder bei
Überschreitung desselben) gewährt die Bank stillschweigend ein Darlehen (BGH,
Urteil vom 24. Januar 1985, IX ZR 65/84, NJW85, 1218; Urteil vom 14. April 1992, XI
ZR 196/91, NJW 92, 1751, 1752; K. P. Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB,
5. Aufl. (2008), vor § 488 BGB, Rn. 53). Dass die Bank ein solches Darlehen ohne
jede Prüfung der Bonität des Kunden vergibt, ist schwer vorstellbar. Daneben ist
sie zu einer solchen Prüfung gegebenenfalls auch aufsichtsrechtlich verpflichtet
(vgl. Rundschreiben der Bafin 15/2009 (BA) – Mindestanforderungen an das
Risikomanagement – MaRisk, dort BTO 1.2 u. a. Nr. 3, 4). Diese Prüfung geschieht
allein im Interesse der Bank (so auch Nobbe, WM 08, 185, 188), da der Kunde nur
an der Durchführung der Überweisung, nicht aber an einer – gegebenenfalls
erneuten – Prüfung seiner Kreditwürdigkeit interessiert ist. Der Hinweis der
Beklagten, die positive Entscheidung als solche liege bereits im Interesse des
Kunden, verkürzt diesen Aspekt, da die Prüfung auch zu dem Ergebnis führen
kann, dass im Interesse der Beklagten – im Hinblick auf das Risikoprofil des
Kunden und eine deshalb möglicherweise zweifelhafte Bonität – gerade keine
Überweisung genehmigt wird.
Soweit die Beklagte betont, es handele sich deshalb um eine – nicht kontrollfähige
– Preishauptabrede, weil es um die Zurverfügungstellung eines geduldeten
Überziehungskredits gehe und sie für diesen in der Preisgestaltung frei sei,
übersieht diese Argumentation, dass sie gerade für solche Darlehen einen
höheren als den „normalen“ Dispositionskreditsatz verlangt. Ist damit das höhere
Risiko für die Bank bei dieser Art von Darlehen durch den entsprechend höheren
Zinssatz abgedeckt, handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Entgelt um
eine Gebühr für eine Kreditantragsprüfung, die nicht durch AGB´s vereinbart
werden kann (vgl. Nobbe, WM 08, 185, 193).
Daneben ist der Hinweis, die Bank prüfe eine Kreditgewährung auch deshalb im
Interesse des Kunden, weil sie ihn vor einer Kreditaufnahme „zu nicht höheren als
risikoadäquaten Zinsen“ bewahrt, nicht zielführend. Unabhängig davon, dass die
Beklagte nichts zu den für die Entscheidung maßgeblichen Kriterien vorträgt, ist es
wenig wahrscheinlich, dass die Bank bei gegebener Bonität des Kunden die
Gewährung eines Überziehungsdarlehens verweigert, um eine – weitere –
Verschuldung des Kunden in dessen Interesse zu verhindern. Daneben ist auch
nicht vorgetragen, dass der jeweilige Sachbearbeiter einen Spielraum bei der
Bemessung der Überziehungszinsen hat, er mithin auf das Risikoprofil des
jeweiligen Kunden speziell eingehen kann. Ist der Zinssatz für den
Überziehungskredit aber festgelegt, kann es bei der Entscheidung nicht darum
gehen, den Kunden vor „zu hohen“ Zinsen zu bewahren, da die Entscheidung des
Mitarbeiters der Bank nur entweder die Genehmigung oder die Nichtgenehmigung
der Überziehung beinhalten kann.
Dass die Prüfung andere Ziele hat bzw. von anderen Kriterien getragen wird, wird
von der Beklagten im Übrigen nicht vorgetragen. Insofern ist auffällig, dass die
Beklagte über die bloße Darstellung, dass es sich um eine aufwendige Maßnahme
handelt, nicht darlegt, was der jeweilige Kundensachbearbeiter eigentlich prüft bzw.
welche Handlungen er konkret unternimmt, bevor er eine Überweisung freigibt.
Dies wäre hier ohne Weiteres z. B. durch Vorlage entsprechender
Organisationsanweisungen o. ä. möglich. Aus diesem Grund ist die Rüge der
Beklagten, das Landgericht habe hier die Vernehmung der Zeugin Z1
rechtsfehlerhaft unterlassen, nicht haltbar. Die Zeugin soll „zu den
Arbeitsvorgängen im Rahmen der Verfügungen und zu der Frage (…) [gehört
werden], ob die Beklagte das Entgelt für die Bonitätsprüfung oder für die
Auftragsdurchführung erhebt“ (Berufungsbegründung, S. 6, Bl. 165 d.A.). Zu dem
erstgenannten Aspekt hat die Beklagte aber – auch in der zweiten Instanz und
trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung
– keinerlei tatsächlichen Vortrag gehalten, die Beweisaufnahme wäre damit ein
Ausforschungsbeweis. Die zweite Frage beinhaltet eine rechtliche Würdigung, zu
der die Zeugin nur ihren eigenen Standpunkt angeben kann, der aber im Ergebnis
vom Gericht zu entscheiden ist.
Damit erfolgt hier die bepreiste Tätigkeit, nämlich die Prüfung, ob eine
Genehmigung der Überweisung erfolgen kann, im Interesse der Bank und sie ist im
Übrigen gesetzlich bzw. aufsichtsrechtlich vorgeschrieben, unterfällt also nach den
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Übrigen gesetzlich bzw. aufsichtsrechtlich vorgeschrieben, unterfällt also nach den
oben dargestellten Kriterien als Preisnebenabrede der Prüfung nach §§ 307ff. BGB,
die hier zur Feststellung der Unwirksamkeit führt.
Unwirksam ist danach u. a. (zu weiteren Kriterien vgl. Nobbe, a. a. O., S. 187) eine
Bepreisung von Leistungen, die allein im Interesse der Bank liegen. In einem
solchen Fall liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, da die Bank die
Kosten der durch ihr Eigeninteresse veranlassten Tätigkeiten nicht dem Kunden
auferlegen kann (BGH, Urteil vom 21. April 2009, a. a. O., S. 348; OLG Hamm,
Urteil vom 21. September 2009, a. a. O., Rn. 36). Ausgehend davon kann es hier
nicht zweifelhaft sein, dass die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht standhält, wobei
es im Verfahren der Verbandsklage auf die Höhe der Gebühr und deren Wirkung
auf den einzelnen Kunden nicht ankommt (BGH, Urteil vom 15. Juli 1997, XI ZR
269/96, NJW 97, 2752, 2753).
Die vom Landgericht zusätzlich erörterte Frage der Intransparenz der Regelung ist
insofern unerheblich.
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung ergibt sich aus § 12 Abs.
1 Satz 2 UWG, der auch bei Unterlassungsklage nach dem UKlaG Anwendung
findet (Bornkamm, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 12 UWG, Rn. 1.1). Die Höhe
der Kosten wird von der Beklagten nicht angegriffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.