Urteil des OLG Frankfurt vom 08.05.2008

OLG Frankfurt: verfügung, anzahlung, fälligkeit, reiseveranstalter, anzeige, werbung, vollstreckung, informationspflicht, begriff, rundfunk

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 101/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 BGB-InfoV, § 4 Nr 11 UWG,
Art 3 EWGRL 314/90
Informationspflicht von Reiseveranstaltern: Pflicht zur
Angabe von Anzahlung und Fälligkeit des Restbetrages in
einer Werbeanzeige
Leitsatz
Die in einer Zeitschrift veröffentlichte Werbeanzeige für eine bestimmte Reise ist kein
vom Reiseveranstalter "zur Verfügung gestellter Prospekt" im Sinne von § 4 BGB-InfoV
und muss daher nicht die nach dieser Vorschrift erforderlichen Angaben über die Reise
enthalten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. April 2007 verkündete Urteil der 12.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages ab-
wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte warb mit einer ganzseitigen Anzeige in der Zeitschrift „X – …“
(Ausgabe 2/2006, Seite 35) für eine von ihr veranstaltete Pauschalreise, ohne
darin Angaben über die Höhe der zu leistenden Anzahlung und die Fälligkeit des
Restbetrages zu machen. Wegen der Einzelheiten der Anzeige wird auf die Anlage
K 1 zur Klageschrift (Bl. 9 d.A.) sowie das überreichte Exemplar der genannten
Zeitschrift (Anlage K 5, Hülle hinter Bl. 110 d.A.) verwiesen. Die Klägerin sieht in
der Werbung einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 BGB-InfoV. Sie
nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung sowie Erstattung der Kosten für
die vorgerichtliche Abmahnung in Anspruch. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Berufung. Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr
erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden
Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen
verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1.es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes
in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern ihrer
Komplementärin, zu unterlassen,
Pauschalreisen prospektmäßig zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne
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Pauschalreisen prospektmäßig zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne
gleichzeitig über die Höhe einer zu leistenden Anzahlung und/oder die Fälligkeit
des Restbetrages zu informieren, wenn dies geschieht wie bei der Werbung der
Beklagten gemäß Anlage K 1;
2. an die Klägerin 189,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13.7.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die
geltend gemachten, auf §§ 3, 4 Nr. 11, 12 Abs. 1, Satz 2 UWG gestützten
Unterlassungs- und Erstattungsansprüche nicht zu, weil die angegriffene Werbung
nicht gegen § 4 BGB-InfoV verstößt.
Die genannte Vorschrift schreibt die von der Klägerin verlangten Angaben über die
Höhe einer zu leistenden Anzahlung und die Fälligkeit des Restbetrages nur für
den Fall vor, dass der Reiseveranstalter über die von ihm veranstalteten Reisen
einen Prospekt zur Verfügung stellt. Wie das Landgericht mit Recht angenommen
hat, handelt es sich bei der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Anzeige in einer
Zeitschrift jedoch nicht um einen vom Reiseveranstalter „zur Verfügung gestellten
Prospekt“ im Sinne von § 4 Abs. 1 BGB-InfoV.
Der Begriff des „Prospekts“ ist weder in der BGB-InfoV noch in der Richtlinie
90/314/EWG, in deren Umsetzung die Vorschrift erlassen worden ist, definiert; das
gleiche gilt für den in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigenden
Begriff des „Zur-Verfügung-Stellens“. Zur Auslegung dieser Begriffe ist daher auf
den Sinn und Zweck der Regelung – auch im Zusammenhang mit den weiteren
Vorschriften in Abschnitt 3. der BGB-InfoV (Informations- und Nachweispflichten
von Reiseveranstaltern) – abzustellen.
Gibt der Reiseveranstalter – wozu er mangels einer entsprechenden Regelung
nicht verpflichtet ist (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl., Rdz. 1 zu § 4 BGB-InfoV;
Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdz. 650) - einen Reiseprospekt heraus, hat dies die
für ihn günstige Folge, dass bestimmte, ansonsten gesetzlich vorgesehene
Informationspflichten wegfallen (§§ 5 letzter Halbsatz, 8 Abs. 2 BGB-InfoV) oder
durch Bezugnahme auf den Prospekt erfüllt werden können (§ 6 Abs. 4 BGB-InfoV),
soweit der Prospekt dem Reisenden zuvor zur Verfügung gestellt worden ist. Macht
der Veranstalter von dieser Möglichkeit zur Substitution von Informationspflichten
Gebrauch, muss der hierzu herausgegebene und dem Reisenden zur Verfügung
gestellte Prospekt jedoch die in § 4 Abs. 1 Satz 1 BGB-InfoV genannten
Anforderungen an die Vollständigkeit der erteilten Informationen erfüllen; weiter ist
der Reiseveranstalter an die im Prospekt enthaltenen Angaben grundsätzlich
gebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BGB-InfoV). Im Hinblick auf diese Funktion eines dem
Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekts erfüllen nur solche verkörperten
Reisedarstellungen die in § 4 Abs. 1 BGB-InfoV genannten Voraussetzungen, die
dazu geeignet und bestimmt sind, dem Reisenden übergeben, übersandt oder
sonst übermittelt zu werden und als dauerhafte und verbindliche
Informationsgrundlage über die Reise zu dienen; nur unter dieser Voraussetzung
kann ein zur Verfügung gestellter Prospekt die Erteilung der oben genannten, nach
dem Gesetz ansonsten vorgesehenen weiteren Informationen entbehrlich
machen.
Danach kann die hier in Rede stehende Werbeanzeige der Beklagten in einer von
einer Krankenkasse herausgegebenen Zeitschrift nicht als dem Reisenden zur
Verfügung gestellter Prospekt im dargestellten Sinn eingestuft werden. Denn die
Zeitschrift mit der darin befindlichen Anzeige wird dem Reisenden nicht durch den
Veranstalter oder auf seine Veranlassung zu dem Zweck übermittelt, als
verbindliche, weitere Informationen ersetzende Informationsgrundlage für eine
bestimmte Reise zu dienen. Daraus folgt zum einen, dass eine Werbeanzeige von
vornherein ungeeignet ist, als Prospekt i.S.v. § 4 BGB-InfoV die nach §§ 5 letzter
Halbsatz, 6 Abs. 4, 8 Abs. 2 BGB-InfoV erforderlichen weiteren Informationen
entbehrlich zu machen bzw.- durch Verweisung - zu vereinfachen. Dann muss eine
Werbeanzeige allerdings auf der anderen Seite nicht den besonderen
Anforderungen an die Vollständigkeit der in einem Prospekt enthaltenen Angaben
entsprechen.
Dass Werbeanzeigen nicht als Prospekt i.S.v. § 4 Abs. 1 BGB-InfoV anzusehen
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Dass Werbeanzeigen nicht als Prospekt i.S.v. § 4 Abs. 1 BGB-InfoV anzusehen
sind, wird im Übrigen durch die Regelung in Absatz 2 derselben Vorschrift
bestätigt, wonach Bild- und Tonträger einem Prospekt gleichstehen. Auch hierbei
handelt es sich um verkörperte Darstellungen, die – anders als etwa Rundfunk-
und Fernsehwerbung – dem Reisenden vom Veranstalter als verbindliche,
dauerhafte Informationsgrundlage übermittelt werden können.
Soweit in der Literatur (vgl. Führich a.aO. Rdz. 651) die Auffassung vertreten wird,
eine Zeitungsanzeige sei nur dann nicht als Prospekt i.S.v. § 4 BGB-InfoV
einzustufen, wenn darin die Reise in knapper Form und mit minimalen Angaben
beschrieben werden, vermag der Senat sich dem aus den dargestellten Gründen
nicht anzuschließen.
Eine solche Sichtweise folgt insbesondere nicht aus der Pauschalreiserichtlinie (RL
90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990, ABl. Nr. L 158 vom 23.06.1990, S. 59 ff),
deren Umsetzung § 4 BGB-InfoV dient und die zu einer richtlinienkonformen
Auslegung dieser Vorschrift verpflichtet (Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., Vorbem. zu
§ 4 BGB-InfoV Rd 1). Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie unterscheidet zwar zwischen
„Beschreibungen“ und einem „Prospekt“. Während bei Beschreibungen lediglich
das Verbot irreführender Angaben gilt (S. 1), müssen in einem Prospekt
bestimmte Pflichtangaben gemacht werden (S. 2). Allerdings handelt es sich bei
den Begriffen „Beschreibung“ und „Prospekt“ nicht um ein Gegensatzpaar in dem
Sinne, dass (einfache) Beschreibungen lediglich nicht irreführend sein dürfen,
während ausführliche Beschreibungen stets Prospektqualität erlangen und deshalb
die von § 4 Abs. 2 BGB-InfoV geforderten Pflichtangaben erhalten müssen. Denn
auch Prospekte enthalten (Reise-)Beschreibungen, für die das Irreführungsverbot
nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Pauschalreiserichtlinie gilt. Das heißt die Richtlinie
wiederholt in Art. 3 Abs. 1 das – eigentlich selbstverständliche –
Irreführungsverbot, das (natürlich) auch bei beschreibenden Angaben in einem
Prospekt gilt, und definiert in Satz 2 die Anforderungen an Prospektangaben.
Diesem Umstand trägt die Entscheidung des Oberlandesgericht München
Rechnung (OLG München, Urt. v. 04.12.2003 – 6 U 4309/03, NJW-RR 2004, 915,
juris-Tz 35), die unter Berufung auf einen früheren Richtlinienentwurf (BT-Drucks.
11/3701, S. 6 ff – Bl. 79 ff) zwischen Beschreibungen in Zeitungsanzeigen und
solchen in Broschüren differenziert.
Die Konsequenz der genannten Gegenauffassung wäre im Übrigen, dass für
Reisen in Zeitungsanzeigen entweder nur bruchstückhaft oder in der in § 4 Abs. 1
Satz 1 BGB-InfoV vorgesehenen detaillierten Form geworben werden dürfte,
während alle Anzeigen, die hinsichtlich der Informationsdichte im Zwischenbereich
angesiedelt sind, generell verboten wären. Dieses Ergebnis erscheint nicht
sachgerecht. Vielmehr ist die Erteilung der in § 4 Abs. 1 Satz 1 BGB-InfoV
geforderten vollständigen Informationen nur dann geboten, wenn die in Rede
stehende Darstellung die Erfüllung weiterer Informationspflichten entbehrlich
machen oder vereinfachen soll; hierzu ist eine Werbeanzeige – wie ausgeführt –
nicht geeignet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Entscheidung
von Fragen über die Auslegung von § 4 BGB-InfoV abhängt, die höchstrichterlich
noch nicht geklärt sind und sich in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle stellen
können.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.