Urteil des OLG Frankfurt vom 01.10.2008

OLG Frankfurt: konkludentes verhalten, vollstreckung, grunddienstbarkeit, vermögensvorteil, herausgabe, eigentümer, unterhaltung, sicherheitsleistung, verwaltungskosten, form

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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 214/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 598 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt
2 BGB, § 817 BGB, § 818 Abs
2 BGB, § 287 ZPO
(Wertersatz für die rechtsgrundlose Mitbenutzung der
Tiefgarage einer Wohnungseigentumsanlage)
Leitsatz
Zum Wertersatz für das rechtsgrundlose Mitbenutzen der Tiefgarage einer
Wohnungseigentümergemeinschaft
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt/M. vom 17.9.2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die
Tiefgaragengemeinschaft X/Y in O1 6.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.000,- Euro seit dem 16.11.2005,
aus 2.000,- Euro seit dem 31.12.2005 sowie zukünftig jährlich wiederkehrend ab
dem 31.12.2006 2.000,- Euro zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben – mit Ausnahme der durch die Anrufung
des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten, welche dem Kläger
auferlegt werden - der Kläger 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung
gebrachten Betrages leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur
Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I)
Der Kläger, der durch Beschluss der Eigentümerversammlung der
Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y in O1 zur Prozessführung im eigenen
Namen ermächtigt worden ist, macht gegenüber der Beklagten – einer
benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft - Ansprüche in Hinblick auf die
Mitbenutzung der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y geltend.
Die Tiefgarage der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft verfügt über
keine eigene Zufahrt, sondern ist nur durch die Tiefgarage der
Eigentümergemeinschaft X/Y, zu welcher nachträglich eine Verbindung in Form
eines Mauerdurchbruchs geschaffen worden ist, zu erreichen. In der Vergangenheit
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eines Mauerdurchbruchs geschaffen worden ist, zu erreichen. In der Vergangenheit
zahlte die Beklagte zeitweise für die Nutzung der Zufahrt zu ihrer Tiefgarage 550,-
DM jährlich und beteiligte sich auch an den Stromkosten. Seit 1995 erfolgten keine
Zahlungen mehr. Die Tiefgarage der Beklagten verfügt über 11, die der
Eigentümergemeinschaft X/Y über 47 Stellplätze.
Mit seiner vor dem Amtsgericht Usingen erhobenen Klage hat der Kläger zunächst
die Bestellung einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) am Grundstück der
Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y zugunsten der Beklagten nebst anteiliger
Unterhaltsverpflichtung begehrt. Nachdem er seine Klage mit Schriftsatz vom
1.10.2005 um Zahlungsansprüche erweitert hat, hat das Amtsgericht Usingen sich
für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an
das Landgericht verwiesen. Nach teilweiser Klagerücknahme hat der Kläger zuletzt
eine Zahlung in Höhe von insgesamt 10.800,- Euro für die Jahre 2003 bis 2005
sowie eine jährlich wiederkehrende Zahlung von 3.600,- Euro beginnend ab dem
31.12.2006 von der Beklagten begehrt. Der Höhe nach hat er den geltend
gemachten Anspruch auf Zahlung von 3.600,- Euro jährlich auf der Grundlage der
Bewirtschaftungskosten gemäß Hausgeldabrechnung für das Jahr 2004 sowie einer
zu zahlenden Grunddienstbarkeits-/Notwegrente berechnet.
Durch Urteil vom 17.9.2007 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die geltend gemachten Ansprüche
nachvollziehbar dargelegt bzw. berechnet.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Sie rügt, dass das Landgericht unkritisch den klägerischen Vortrag übernommen
habe.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass entsprechende
Bewirtschaftungskosten auch in den Folgejahren anfielen. An den Kosten für
Geldverkehr, Zuführung von Rücklagen, Versiegelungsgebühr für Regenwasser,
Rechtsberatungskosten, Gerichtskosten, Auslagen Beirat/Eigentümer,
Verwaltungskosten sowie Zinsen sei sie nicht zu beteiligen. Allenfalls 5.039,42 Euro
seien umlagefähig, so dass sich ein anteiliger Betrag von 955,75 Euro errechne.
Des weiteren sei auch die begehrte jährliche Nutzungsentschädigung nicht
nachvollziehbar dargetan.
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist insbesondere auf die
Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Justiz 1996, 408. Des weiteren
legt er nunmehr den Wirtschaftsplan für das Jahr 2007 vor (Bl. 153 d.A.).
II)
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die Beklagte ist infolge der fortwährenden Mitbenutzung der Tiefgarage der
Eigentümergemeinschaft X/Y ungerechtfertigt bereichert; der insoweit zu leistende
Wertersatz beläuft sich allerdings nur auf 2.000,- Euro pro Jahr. Danach steht der
Eigentümergemeinschaft Tiefgarage X/Y ein Anspruch auf Zahlung von 6.000,-
Euro für die Jahre 2003 bis 2005 sowie beginnend ab dem 31.12.2006 ein jährlich
wiederkehrender Anspruch auf Zahlung von 2.000,- Euro gegenüber der Beklagten
zu.
Der Kläger ist berechtigt, die streitgegenständlichen Ansprüche der
Eigentümergemeinschaft X/Y im eigenen Namen geltend zu machen. Gemäß § 27
III 3 WEG können die Wohnungseigentümer statt des Verwalters auch einen
einzelnen Wohnungseigentümer ermächtigen, Ansprüche des Verbandes im
eigenen Namen durchzusetzen (vgl. Niedenführ, Kümmel, Vandenhouten, WEG-
Komm., § 27 Rz. 87; BGH NZM 2005, 747).
Zwar ist eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Zahlung einer
Grunddienstbarkeitsrente, welche der Kläger über die Zustimmung zur Bestellung
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Grunddienstbarkeitsrente, welche der Kläger über die Zustimmung zur Bestellung
einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Beklagten erreichen wollte, nicht zustande
gekommen. Ebenso steht der Eigentümergemeinschaft X/Y auch kein Anspruch
auf Zahlung einer Notwegrente gemäß § 917 II BGB zu, da die Beklagte keinen
Notweg verlangt hat. Ein solches Verlangen ist aber Tatbestandsmerkmal für das
Entstehen der Duldungs- und damit auch der Rentenzahlungspflicht (vgl. BGHZ
94, 160).
Der Kläger kann indessen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer
ungerechtfertigten Bereicherung auf Herausgabe des Erlangten an die
Eigentümergemeinschaft X/Y in Anspruch nehmen (§§ 812 I 1 2. Alt., 818 II BGB).
Die Beklagte ist ohne Rechtsgrund in sonstiger Weise bereichert. Die Bereicherung
der Beklagten liegt in der fortwährenden Mitbenutzung der Tiefgarage der
Eigentümergemeinschaft X/Y als Zufahrtsweg zu ihrer eigenen Tiefgarage. Diese
Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil dar (vgl. BGHZ 94, 160; BGHZ 20, 270;
OLG Karlsruhe Justiz 1996, 408).
Ein Rechtsgrund für eine unentgeltliche Inanspruchnahme der Tiefgarage X/Y
besteht nicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die unentgeltliche
Nutzung seit 1995 geduldet worden sei. Ob insoweit durch konkludentes Verhalten
ein Leihvertrag (§ 598 BGB) zustande gekommen ist, kann dahingestellt bleiben.
Ggf. wäre ein solcher Vertrag in Hinblick auf seine wirtschaftliche Tragweite
dahingehend auszulegen, dass dem Verleiher die jederzeitige Beendigung des
Schuldverhältnisses vorbehalten bleibt (vgl. Oberlandesgericht Saarbrücken NJW-
RR 2002, 1385). Wie der vorprozessuale Schriftwechsel (Antwortschreiben des
Verwalters der Beklagten vom 1.3.2000 / Bl. 6 d.A.) belegt, war die
Eigentümergemeinschaft X/Y bereits 1999 nicht mehr bereit, eine weitere
unentgeltliche Nutzung seitens der Beklagten hinzunehmen, so dass von einer
konkludenten Kündigung auszugehen wäre.
Da eine Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, hat
die Beklagte Wertersatz zu leisten (§ 818 II BGB). Die Höhe des zu leistenden
Wertersatzes schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 2.000,- Euro pro Jahr.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tiefgarage der Beklagten ohne
Inanspruchnahme der Tiefgarage der Eigentümergemeinschaft X/Y bei den
derzeitigen baulichen Gegebenheiten überhaupt nicht genutzt werden könnte. Der
Vermögensvorteil der Beklagten besteht insofern in den ersparten Aufwendungen
für die unberechtigte Nutzung fremden Eigentums, wobei ein derartiger Anspruch
allerdings nicht nach dem Bruchteil des Wertes der in Anspruch genommenen
Fahrflächen berechnet werden kann (vgl. hierzu BGHZ 94, 160). Soweit der Kläger
in seine Berechnung des zu leistenden Wertersatzes eine
Grunddienstbarkeitsrente ausgehend von den mitbenutzten Fahrflächen - zudem
unter Berücksichtigung eines Erbbauzinses - in Höhe von 1.013,- Euro hat
einfließen lassen, kann dem in dieser Form nicht gefolgt werden. Allerdings hat der
Kläger zu recht darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Wertersatz für die
Nutzung fremden Eigentums nicht allein anhand der ersparten Aufwendungen für
anteilige Instandhaltungs- und Verwaltungskosten ermittelt werden kann, da im
Rahmen des § 812 I 1 2. Alt. BGB der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden
soll, der dem Schuldner daraus erwächst, dass er einen Vermögensvorteil ohne
die hierfür üblicherweise zu gewährende Gegenleistung erhält. Abzustellen ist
insofern darauf, was für die Benutzung an angemessener Entschädigung hätte
bezahlt werden müssen (vgl. Staudinger BGB-Komm., §§ 812 – 822 BGB, Stand
2007, § 818 Rz. 28). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint ein
Betrag von 2.000,- Euro pro Jahr angemessen.
Ausweislich der Hausgeldabrechnung betrugen die Gesamtkosten für das Jahr
2004 rd. 15.000,- Euro. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2007 geht sogar von einer
Kostenbelastung von rd. 17.500,- Euro aus. Angesichts dessen sind keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass etwa im Jahr 2004 außergewöhnlich hohe
Belastungen angefallen wären, so dass im Rahmen der vorzunehmenden
Schätzung von Gesamtkosten in Höhe von 15.000,-Euro ausgegangen werden
kann, welche nach der eigenen Berechnung des Klägers infolge anderweitiger
Kostenerstattungen (Grunddienstbarkeiten etc.) auf 13.680,- Euro zu reduzieren
sind. Substantiierte Einwände gegen die Einzelpositionen der Hausgeldabrechnung
hat die Beklagte nicht erhoben. Soweit in der Hausgeldabrechnung auch
Rücklagen enthalten sind, orientieren diese sich an der Höhe künftiger
Reparaturen und sind deshalb im Rahmen der Schätzung einzubeziehen.
Zugunsten der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft ist allerdings zu
berücksichtigen, dass in jener Hausgeldabrechnung auch die Kosten für die
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berücksichtigen, dass in jener Hausgeldabrechnung auch die Kosten für die
Verwaltung und Unterhaltung eines Parkdecks enthalten sind und eine
Mitbenutzung lediglich hinsichtlich der Tiefgarage erfolgt, wobei allerdings der auf
die Tiefgarage im Verhältnis zum Parkdeck anfallende Kostenaufwand höher zu
bewerten sein dürfte. Berücksichtigt man weiter, dass die Intensität der Nutzung
der Tiefgarage seitens der Eigentümer jener Anlage höher zu bewerten sein dürfte
als diejenige der "Durchfahrer", erscheint es angemessen, 60 % der
Gesamtkosten in Höhe von 13.680,- Euro in Ansatz zu bringen. Bezogen auf das
Verhältnis der Stellplätze (11 zu 47) beliefen sich danach allein die anteiligen
Verwaltungs- und Unterhaltungskosten auf ca. 1.560,- Euro pro Jahr. Da der
geldwerte Vorteil jedoch nicht mit den (anteilig) ersparten Aufwendungen für die
Verwaltung- und Unterhaltung der Tiefgarage gleichgesetzt werden kann, diese
vielmehr nur einen Anhaltspunkt innerhalb der vorzunehmenden Schätzung bilden,
erscheint daher ein Betrag von 2.000, - Euro pro Jahr als Wertersatz angemessen.
Die Beklagte ist danach zur Leistung von Wertersatz für die Jahre 2003 bis 2005 in
Höhe von 6.000,- Euro sowie zur zukünftigen Zahlung von jeweils 2000,-Euro pro
Jahr an die Eigentümergemeinschaft X/Y verpflichtet. Aufgrund der
quasikontraktlichen Natur des Bereicherungsanspruchs ist auch ein Anspruch auf
zukünftigen Wertersatz zu bejahen (im Ergebnis ebenso BGHZ 94, 160; OLG
Karlsruhe Justiz 1996, 408). Es steht außer Frage, dass die beklagte
Wohnungseigentümergemeinschaft auch in Zukunft die Tiefgarage der
Nachbaranlage mitbenutzen wird.
Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes waren gemäß §§ 286 I 2, 288 I BGB
aus 4.000,- Euro ab dem 16.11.2005 und aus 2.000,- Euro ab dem 31.12.2005
zuzusprechen. Die Beklagte ist mit Zustellung des Schriftsatzes vom 1.10.2005 in
Verzug geraten. Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I, 281 III ZPO. Soweit der Kläger
hinsichtlich der zunächst begehrten Bestellung einer Grunddienstbarkeit
zugunsten der Beklagten die Klage zurückgenommen hat, waren ihm insoweit
keine Kosten aufzuerlegen. Das Klagebegehren war von Anfang an darauf
ausgerichtet, einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Mitbenutzung der
Tiefgarage seitens der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft zu erreichen.
Neben dem geltend gemachten Zahlungsanspruch kam dem Antrag auf
Bestellung der Grunddienstbarkeit zugunsten der Beklagten kein eigener
Streitwert zu.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr.
10; 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.