Urteil des OLG Frankfurt vom 02.01.2006

OLG Frankfurt: beweisverfahren, zivilprozessrecht, quelle, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, gutachter, laden, parteirechte, dokumentation

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 91/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 411 Abs 4 ZPO, § 485 Abs 2
S 1 ZPO, § 492 Abs 1 ZPO
(Selbständiges Beweisverfahren: Maßgeblicher
Anknüpfungspunkt für die Frist zur Mitteilung von
Einwendungen, Anträgen und Ergänzungsfragen)
Leitsatz
Die Frist zur Mitteilung von Einwendungen, ergänzenden Anträgen und Fragen zu dem
im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten knüpft an die Vorlage des
Ausgangsgutachtens, nicht an die Vorlage eines nach §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO
eingeholten Ergänzungsgutachtens an.
Gründe
1. Aufgrund Antrages vom 18.03.2002 im selbständigen Beweisverfahren ordnete
das Landgericht die Erhebung des Sachverständigenbeweises über die
Behauptung der Antragstellerin an, von ihr in Auftrag gegebene Bauleistungen
seien nur mangelhaft erbracht worden. Nachdem gegen das am 12.05.2004
vorgelegte Gutachten Einwände erhoben und ergänzende Fragen gestellt worden
waren, beauftragte das Landgericht den Gutachter mit Beschluss vom 04.08.2004,
ergänzend Stellung zu nehmen. Er legte sein Ergänzungsgutachten am
06.06.2005 vor, und das Landgericht leitete Gutachtenausfertigungen am
09.06.2005 an die Verfahrensbeteiligten weiter.
Mit Schreiben vom 25.08.2005 kündigte die Antragsgegnerin zu 5) an, „weitere
Ergänzungsfragen stellen zu wollen“ und wies darauf hin, der angemessene
Zeitraum hierzu betrage aus ihrer Sicht 4 Monate. Mit Schriftsatz vom 15.05.2005
beantragte die Antragsgegnerin zu 5 – nunmehr anwaltlich vertreten – den
Sachverständigen ergänzend zu befragen bzw. ein Ergänzungsgutachten
einzuholen.
Diesen Antrag hat das Landgericht zurückgewiesen; dagegen richtet sich die
sofortige Beschwerde vom 14.11.2005 mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Darmstadt vom 27.10.2005
dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. A den Schriftsatz der
Antragsgegnerin zu 5) vom 15.09.2005 zuzustellen und ihm durch gerichtlichen
Beschluss aufzugeben, zu den Ausführungen der Antragsgegnerin zu 5) im
Schriftsatz vom 15.09.2005 und den dort formulierten Ergänzungsfragen im Wege
eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens Stellung zu nehmen, hilfsweise den
Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seiner Gutachten vom 30.04.2004
sowie vom 03.06.2005 zu laden und ihm im Beschlusswege aufzugeben, sich bei
seiner Anhörung mit den im Schriftsatz der Antragsgegnerin zu 5) aufgeführten
Ergänzungsfragen bzw. ergänzenden Beweisthemen auseinanderzusetzen.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat das
selbständige Beweisverfahren zurecht für beendet erachtet und deshalb von einer
ergänzenden Beweiserhebung abgesehen.
Das Beweisverfahren ist grundsätzlich bereits mit der Vorlage des Gutachtens
beendet; damit war das hier vorliegende Verfahren – ebenso: grundsätzlich –
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beendet; damit war das hier vorliegende Verfahren – ebenso: grundsätzlich –
bereits mit der Vorlage des Gutachtens vom 30.04.2004 beendet. Nachdem das
Landgericht eine ergänzende Begutachtung angeordnet hatte, trat – erneut:
grundsätzlich – eine Verfahrensbeendigung mit Vorlage des
Ergänzungsgutachtens und dessen Mitteilung an die Parteien ein (vgl. hierzu allg.
BGHZ 150, 58; OLG Saarbrücken OLGR 1999, 409).
Zurecht zwar weist die Antragsgegnerin zu 5) – wovon auch das Landgericht ohne
weiteres ausgeht – darauf hin, dass der Grundsatz einer Beendigung des
selbständigen Beweisverfahrens mit Vorlage des Gutachtens und dessen
Mitteilung an die Parteien eine Ausnahme dann erfährt, wenn innerhalb
angemessener Frist nach Vorlage des Gutachtens Einwendungen vorgebracht, die
Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zum schriftlichen
Gutachten gestellt werden; dies folgt aus §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO. Welche
Frist zur Mitteilung von Einwendungen und zur Einreichung ergänzender Anträge
oder Fragen angemessen ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen; angesichts
des Eilcharakters des selbständigen Beweisverfahrens wird die Frist allerdings –
worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat – regelmäßig eher knapp zu
bemessen sein. Das Beschwerdegericht ist deshalb nicht geneigt, mit der
Antragsgegnerin zu 5) davon auszugehen, regelmäßig sei von einem Zeitraum
von mehr als 3 Monaten auszugehen. Schon im Streitverfahren wäre eine 3
Monate übersteigende Frist außerordentlich ungewöhnlich; eine solche Frist würde
die als Vergleichsmaßstab durchaus einschlägige Regelfrist zur
Berufungsbegründung deutlich überschreiten.
Aber dieser Aspekt bedarf keiner letztendlichen Klärung: Denn die Frist zur
Mitteilung von Einwendungen, ergänzenden Anträgen und Fragen knüpft an die
Vorlage des Ausgangsgutachtens, nicht an die Vorlage eines nach §§ 492 Abs. 1,
411 Abs. 4 ZPO eingeholten Ergänzungsgutachtens an, dies jedenfalls dann, wenn
nicht gerade das Ergänzungsgutachten neuen, vom Inhalt des „eigentlichen“
Gutachtens abweichenden Klärungsbedarf geboten hat. Auch wenn das
selbständige Beweisverfahren – worauf die Antragsgegnerin zu 5) zurecht hinweist
– in einem verfahrensökonomisch relativ weiten Sinne der Befriedung streitiger
Rechtsverhältnisse dienen, einen späteren Rechtsstreit schon im Vorfeld möglichst
vermeiden soll, so bleibt es doch ein Eilverfahren. Das gilt übrigens gerade auch
wegen seines „Vermeidungszwecks“ – erstreckt es sich über einen
unüberschaubar langen Zeitraum, dann könnte allein schon der Zeitablauf einer
Partei Anlass geben, nunmehr „endlich zu klagen“.
Der Eilcharakter des Verfahrens fordert, Parteirechte frühzeitig wahrzunehmen,
damit das Verfahren nicht verzögert werde. Einwendungen, Anträge und
Ergänzungsfragen, die bereits zum Ursprungsgutachten erhoben bzw. gestellt
werden konnten, sind deshalb auch zum Ursprungsgutachten zu erheben bzw. zu
stellen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.