Urteil des OLG Frankfurt vom 14.07.2008

OLG Frankfurt: neues recht, aufschiebende bedingung, tod, grundbuchamt, nummer, zwischenverfügung, form, eigentümer, rechtssicherheit, gläubigerwechsel

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 47/07, 20 W
47/2007
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 874 BGB, § 885 Abs 2 BGB, §
1059 BGB, § 1061 BGB, §
1482 BGB
(Grundbuchverfahren: Voraussetzungen und Inhalt der
Eintragung von Bruchteilsnießbrauch und aufschiebend
bedingtem Nießbrauch des Überlebenden)
Leitsatz
1. Wird bei Übertragung von Grundbesitz ein Nießbrauch bestellt, der zunächst den
Übertragenden zu ideellen Bruchteilen und nach dem Tod des Erstversterbenden dem
Überlebenden allein zustehen soll, so liegen mehrere Nießbrauchsrechte vor, die
entsprechend zu bewilligen sind.
2. Außer einem Nießbrauch für die Bruchteilsberechtigten ist unter einer weiteren
laufenden Nummer ein aufschiebend bedingtes Nießbrauchsrecht für den
Längstlebenden im Grundbuch einzutragen.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde.
Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf
28.924,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller haben am 19.12.2005 zu URNr. .../2005 ihres
Verfahrensbevollmächtigten einen Vertrag geschlossen, durch den sie u. a. das
betroffene Grundeigentum in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht
haben. In dem Vertrag haben die Antragsteller außerdem bewilligt und beantragt,
u. a. zu Lasten des betroffenen Grundbesitzes Nießbrauchsrechte zu ihren
Gunsten mit der Maßgabe einzutragen, dass ihnen die Nießbrauchsrechte jeweils
zur ideellen Hälfte zustehen, solange sie beide leben und dass der Längerlebende
von ihnen nach dem Tode des Erstverstorbenen alleiniger Nießbrauchsberechtigter
ist (Bl. 75,76 d. A.). Unter dem 02.01.2006 hat der Verfahrensbevollmächtigte
neben der Eigentumsumschreibung auf die GbR die Eintragung der
Nießbrauchsrechte zu Gunsten der Antragsteller beantragt. Das Grundbuchamt
hat mit Zwischenverfügung vom 12.04.2006 (Bl. 91 d. A.) einen Urkundsnachtrag
verlangt, da das Nießbrauchsrecht in dieser Form nicht eingetragen werden könne.
Die Berechtigten müssten entweder als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB
eingetragen werden oder es seien zwei Rechte einzutragen, ein Recht für die
Nießbraucher zu je ein Halb sowie ein aufschiebend bedingtes Recht in
Gesamtberechtigung.
Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte die Auffassung vertreten hat, eine
Sukzessivberechtigung sei in der von ihm beantragten Form eintragungsfähig und
deshalb kein Nachtrag erforderlich, auch handhabe die Praxis diese Frage
unterschiedlich, hat das Grundbuchamt den Antrag der Antragsteller auf
Eintragung eines Nießbrauchs mit Beschluss vom 19.07.2006 (Bl. 102 d. A.) aus
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Eintragung eines Nießbrauchs mit Beschluss vom 19.07.2006 (Bl. 102 d. A.) aus
den Gründen der Zwischenverfügung zurückgewiesen.
Dieser Auffassung ist auch das Landgericht gefolgt und hat die Beschwerde der
Antragsteller mit Beschluss vom 11.01.2007 (Bl. 121-124 d. A.) als unbegründet
zurückgewiesen. Da das Nießbrauchsrecht nicht übertragbar und nicht vererblich
sei, könne der Anteil des Erstversterbenden nur durch eine Neubegründung des
Nießbrauchsrechts in diesem Umfang dem Längerlebenden zuwachsen. Die
Neubegründung und das Erlöschen des ursprünglichen Nießbrauchs schlössen
eine Identität der Ansprüche aus. Daher seien der Bruchteilsnießbrauch und der
aufschiebend bedingte Nießbrauch des Längerlebenden nach § 44 GBO mangels
Inhaltsgleichheit als selbständige Rechte im Grundbuch unter verschiedenen
laufenden Nummern einzutragen.
Mit ihrer weiteren Beschwerde rügen die Antragsteller die These des Landgerichts
als formalistisch. Es gäbe kein Dogma, dass die Identität eines Rechts mit der
seines Inhabers stehe und falle. Bei übertragbaren Rechten stehe außer Zweifel,
dass ein Wechsel des Rechtsinhabers die Identität des Rechts nicht berühre, auch
könnten sich die Beteiligungsverhältnisse eines mehreren Berechtigten in
Gemeinschaft zustehenden Rechts während seines Bestehens ändern, ohne dass
deshalb ein neues Recht entstünde. Da sich bei Umwandlungen von
Gesellschaften, denen ein Nießbrauchsrecht eingeräumt wurde, durch den
Wechsel des Rechtsinhabers auch nichts an der Identität des Nießbrauchsrechts
ändere, sei es nicht einzusehen, warum nicht durch Bedingungen und Befristungen
auch eine Sukzessivberechtigung an einem Nießbrauchsrecht begründet werden
könne. Es sei nicht zu erkennen, welchen Nutzen die Eintragung mehrerer
Nießbrauchsrechte haben könne, insbesondere werde mit der Anerkennung einer
Sukzessivberechtigung die nötige Rechtsklarheit nicht beeinträchtigt.
Die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 und 3 GBO formgerecht eingelegte und auch sonst
zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet, da die Entscheidung des
Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht ( §§ 78 GBO, 546 ZPO).
Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass bei der hier gegebenen
Fallgestaltung für den Bruchteilsnießbrauch und den aufschiebend bedingten
Nießbrauch des Überlebenden selbständige Rechte unter verschiedenen laufenden
Nummern einzutragen sind. Da Eintragungsbewilligung und Eintragungsantrag in
der Urkunde vom 19.12.2005 jedenfalls nicht eindeutig diesen Inhalt haben, hat
das Grundbuchamt ohne Rechtsfehler einen Urkundsnachtrag im Sinn einer
Klarstellung verlangt. Da die von den Antragstellern in ihren Rechtsmitteln
vertretene Auffassung deutlich gemacht hat, dass die Eintragung nur als ein Recht
unter einer Nummer begehrt wird, musste dies zur Zurückweisung des Antrags auf
Eintragung der Nießbrauchsrechte führen.
Der Nießbrauch ist nach § 1059 BGB zwingend unübertragbar und erlischt gemäß
§ 1061 BGB unabdingbar mit dem Tod des Nießbrauchers, wenn er nicht einer
juristischen Person zusteht. Wenn ein Nießbrauch für mehrere nicht als
Gesamtberechtigte, sondern zu Bruchteilen -wie vorliegend- bestellt ist, verhindert
im Fall des Todes eines Bruchteilsberechtigten die fehlende Vererblichkeit sowohl
einen Übergang auf andere Bruchteilsberechtigte als auch auf den Eigentümer.
Mangels Abtretbarkeit kann aber auch nicht im Weg einer Vorausabtretung durch
den Eigentümer der Übergang auf den Längstlebenden erreicht werden. Deshalb
entsteht das Nießbrauchsrecht für den Längstlebenden nach dem Tod eines der
Bruchteilsberechtigten insoweit neu und ist nicht identisch mit dem
Bruchteilsnießbrauch. Die Verknüpfung des Bruchteilsnießbrauchs mit dem
Nießbrauch für den Längstlebenden durch die auflösende bzw. aufschiebende
Bedingung des Todes eines Bruchteilsberechtigten ersetzt nicht den Tatbestand
des Rechtsübergangs selbst. Da mehrere Nießbrauchsrechte vorliegen mit der
Folge, dass für mehrere Rechte auch mehrere Eintragungen unter verschiedenen
laufenden Nummern im Grundbuch vorzunehmen sind, müssen die Bewilligung
und der Eintragungsantrag der Antragsteller dies eindeutig zu Ausdruck bringen.
Diese bereits vom Landgericht vertretene Auffassung entspricht der ganz
überwiegenden Meinung in der neueren Literatur (Wegmann in Bauer/von Oefele:
GBO, 2. Aufl., § 47 Rdnr. 147, 153; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl.,
Rdnr. 261 b, 261 f; Amann MittBayNot 1990, 225, 229; Meikel/Morvilius:
Grundbuchrecht, 9. Aufl., Einleitung C, Rdnr. C 372 a). Der Senat teilt die von der
Literatur aufgezeigten dogmatischen Bedenken gegen die frühere Rechtsprechung
des Reichsgerichts und des Kammergerichts (vgl. die Darstellung bei Liedel DNotZ
1991, 855, 857-859) zum heute als Sukzessivberechtigung bezeichneten
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1991, 855, 857-859) zum heute als Sukzessivberechtigung bezeichneten
Gläubigerwechsel. Abgesehen davon dient die Eintragung mehrerer selbständiger
Nießbrauchsrechte keineswegs nur einem höheren Gebührenaufkommen, wie die
Antragsteller meinen, sondern der größeren Rechtssicherheit insbesondere des
überlebenden Berechtigten bei Veränderungen des Bruchteilsnießbrauchs, die
nicht einverständlich erfolgen, und darüber hinaus der größeren Klarheit und
Übersichtlichkeit des Grundbuchs. Eine zur Divergenzvorlage verpflichtende
Abweichung von der Entscheidung des KG vom 30.05.1929 -1 X 214/29- DRiZ
1929, 324, auf die sich die Antragsteller berufen haben, liegt nicht vor. In dieser
Entscheidung wird ausgeführt: " Die Eintragung eines Nießbrauchs, der von dem
Grundstückseigentümer für Eheleute je zur Hälfte mit der Maßgabe bewilligt wird,
daß nach dem Tod des Erstversterbenden der ganze Nießbrauch auf den
Überlebenden übergehen soll, ist rechtlich möglich…" Dies könnte zwar in dem
Sinn zu verstehen sein, dass damit auch über die Art und Weise der Eintragung im
Sinn eines einheitlichen Rechts sowohl für den Bruchteilsnießbrauch als auch für
den Nießbrauch des Überlebenden entschieden werde und nicht nur über die
grundsätzliche Wirksamkeit einer derartigen Nießbrauchsbestellung. Das KG ist
jedoch in einer späteren Entscheidung vom 19.05.1932 -1 X 272/32- JW 1932,
2445- für den Fall der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für
mehrere Berechtigte nacheinander unter auflösender bzw. aufschiebender
Bedingung ausdrücklich von der Eintragung eines Rechtes für die zunächst
gemeinschaftlich unter auflösender Bedingung Berechtigen und eines weiteren
Rechts für den durch den Tod eines der zunächst Berechtigten aufschiebend
bedingt Berechtigten ausgegangen. Damit wäre es selbst von seiner früheren
Auffassung abgewichen, wenn denn der Entscheidung aus 1929 auch für die Art
und Weise der Grundbucheintragung hätte Bedeutung zukommen sollen.
Schließlich kann aus der zur Eintragung von Rückauflassungsvormerkungen bei
Sukzessivberechtigung vertretenen Auffassung (vgl. BayObLG DNotZ 1996,
366=Rpfleger 1995, 498) nichts für die vorliegende Entscheidung hergeleitet
werden, da die vorliegend im Fall des Nießbrauchs gegebene Besonderheit der
Nichtübertragbarkeit und Unvererblichkeit nicht für den Anspruch auf Auflassung
gilt.
Die Gerichtkostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Einer
Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bedurfte es nicht, da die
Beteiligten keine einander widersprechende Rechtspositionen verfolgt haben. Die
Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1
KostO und folgt der unbeanstandet gebliebenen landgerichtlichen Festsetzung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.