Urteil des OLG Frankfurt vom 10.02.2003

OLG Frankfurt: urkunde, vollmacht, ermächtigung, vollzug, grundbuchamt, vertragsabschluss, belastung, eigentümer, rechtsverletzung, vormerkung

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 45/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 15
GBO
Grundbuchverfahren: Auslegung einer Notarvollmacht als
Ermächtigung zur nachträglichen Bewilligung einer
Auflassungsvormerkung
Leitsatz
Die Auflassungsvormerkung enthält nicht schon die Bewilligung einer entsprechenden
Auflassungsvormerkung. Als Ermächtigung zur nachträglichen Bewilligung einer
Auflassungsvormerkung kann aber eine Vollmacht in der Kaufvertragurkunde ausgelegt
werden, die den Notar zu Bewilligungen und Stellung von Anträgen jeder Art ermächtigt.
Dem steht nicht entgegen, dass die Urkundsbeteiligten trotz Belehrung bei
Vertragsabschluss keine Anträge hinsichtlich einer Auflassungsvormerkung gestellt
haben.
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Witzenhausen vom
02.12.2002 werden aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die
Eintragung der Auflassungsvormerkung gemäß Antrag vom 25.10.2002 nicht aus
den Gründen des Beschlusses vom 02.12.2002 abzulehnen.
Gründe
Zu UR-Nr. .../1999 beurkundete der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten am
25.11.1999 (Bl. 101-106 d. A.) einen Kaufvertrag mit Auflassung zwischen den
Beteiligten über den betroffenen Grundbesitz, wobei als Gesamtkaufpreis 37,40
DM (22 qm zu 1,70 DM/qm) vereinbart wurden. Der Beteiligte zu 1) als Verkäufer
bewilligte und der Beteiligte zu 2) als Käufer beantragte die lastenfreie
Umschreibung, wozu der Notar die Pfandfreigaben einholen sollte. Nach § 5 der
Vertragsurkunde wies der Notar die Beteiligten auf die Möglichkeit der
Beantragung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung bzw. deren Löschung
bei Eigentumsumschreibung hin Entsprechende Anträge stellten die Beteiligten
ausdrücklich nicht. In § 6 des Vertrages heißt es: ... Die Beteiligten beauftragen
den Notar mit dem Vollzug der Urkunde und bevollmächtigen ihn, alle zur
Wirksamkeit und Durchführung dieses Vertrages erforderlichen behördlichen und
sonstigen Genehmigungen und Erklärungen einzuholen und mit Wirkung für und
gegen alle Beteiligten entgegenzunehmen. Der Notar wird außerdem
bevollmächtigt, alle Erklärungen abzugeben, die zum Vollzug dieser Urkunde etwa
noch erforderlich sind. Er wird ermächtigt, Bewilligungen und Anträge jeder Art zu
stellen, zu ändern, zu ergänzen oder zurückzunehmen. Das gilt auch für die von
den Beteiligten unmittelbar gestellten Anträge, sowie für den Fall, daß das
Kaufgrundstück zwischenzeitlich eine andere Bezeichnung erhalten haben sollte...
Der Beteiligte zu 1) genehmigte am 23.07.2001 die am 25.11.1999 von einer
Notariatsangestellten als vollmachtloser Vertreterin für ihn abgegebenen
Erklärungen und erteilte ihr Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.
Sie sollte bevollmächtigt sein, alle etwa noch zur Durchführung der Urkunde
erforderlichen Erklärungen abzugeben (Bl. 105 d. A.). Unter Berufung auf die ihm
in § 6 der Urkunde vom 25.11.1999 erteilte Vollmacht bewilligte der
Verfahrensbevollmächtigte am 25.10.2002 (Bl. 86 d. A.) in einem von ihm
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Verfahrensbevollmächtigte am 25.10.2002 (Bl. 86 d. A.) in einem von ihm
unterzeichneten und mit seinem Dienstsiegel versehenen Schriftstück für den
Beteiligten zu 1) und beantragte für den Beteiligten zu 2) zu dessen Gunsten die
Eintragung einer Auflassungsvormerkung an dem betroffenen Grundbesitz. Das
Grundbuchamt verlangte zunächst mit Zwischenverfügung vom 29.10.2002 (Bl. 88
d. A.) die Genehmigung bzw. die Bewilligung des Beteiligten zu 1) und wies
schließlich mit Beschluss vom 02.12.2002 (Bl. 98 d. A.) den Antrag auf Eintragung
einer Auflassungsvormerkung zurück, weil zu ihrer Bewilligung die dem Notar in der
Kaufvertragsurkunde erteilte Vollmacht nicht ausreiche. Mit ihrer Beschwerde
haben die Beteiligten geltend gemacht, die Vollmacht des Notars umfasse auch
die Befugnis, die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu beantragen, da
diese nur ein "Weniger" gegenüber der Eigentumsumschreibung darstelle und im
Rahmen der Vertragsabwicklung sachgerecht sei. Das Landgericht hat die
Beschwerde zurückgewiesen, da der in § 5 des Vertrages zum Ausdruck gebrachte
Wille der Vertragsbeteiligten, von der Eintragung einer Auflassungsvormerkung
abzusehen, einer Auslegung der Vollmacht im Sinn der Beschwerde
entgegenstehe. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde, die damit begründet
wird, dass die Erklärung der Beteiligten in § 5 der Urkunde nur bedeute, dass sie
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Auflassungsvormerkung eintragen
lassen wollten. Dies schließe aber nicht die Befugnis des Notars aus, auf Grund der
ihm erteilten umfassenden Vollmacht zum späteren Zeitpunkt Entsprechendes zu
beantragen. Dies diene auch dem Interesse des Verkäufers, um seinen
vertraglichen Verpflichtungen gerecht zu werden.
Die gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 3 GBO zulässige weitere Beschwerde ist
begründet, denn der angefochtene Beschluss beruht auf einer Rechtsverletzung
(§§ 78 GBO i.V.m. § 546 ZPO). Die Auffassung der Vorinstanzen, die
Notarvollmacht nach § 6 der Urkunde vom 25.11.1999 umfasse nicht die
Bewilligung und Beantragung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung
zugunsten des Beteiligten zu 2) an dem Vertragsgrundstück, ist nicht frei von
Rechtsfehlern. Zwar sind die Vorinstanzen - ohne dies näher zu problematisieren -
zu Recht davon ausgegangen, dass es auf den Vollmachtsumfang entscheidend
ankommt, denn nach vorherrschender Auffassung enthält die Bewilligung der
Eigentumsumschreibung noch keine Bewilligung der Eintragung einer
Auflassungsvormerkung (BayObLG Rpfleger 1979, 134; Erman/Hagen/Lorenz: BGB,
10. Aufl., Rdnr. 5; Palandt/Bassenge: BGB, 62. Aufl., § 885, Rdnr. 8;
Soergel/Stürner: BGB, 13. Aufl., § 885, Rdnr. 6; Staudinger/Gursky: BGB, 2002, §
885, Rdnr. 19 mit umfassende Überblick über den Meinungsstand; Demharter:
GBO, 24. Aufl., § 15, Rdnr. 16; Kuntze/ Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht,
5. A ufl., § 15, Rdnr. 27; Meikel/ Böttcher: Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 15, Rdnr. 31;
Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 12. Aufl., Rdnr. 184, Seite 95). Die gegenteilige
Auffassung, dass in der Bewilligung des definitiven Rechts in der Regel auch die
Bewilligung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Erwerb dieses
Rechts zu sehen sein wird (Augustin in BGB-RGRKomm, 12. Aufl., § 885, Rdnr. 15;
ausführlich: Hieber DNotZ 1954, 67), wird dem im Grundbuchverfahren geltenden
Grundsatz der Klarheit und Eindeutigkeit der Erklärung nicht gerecht und
vernachlässigt die zusätzliche Belastung, die die Eintragung einer
Auflassungsvormerkung im Fall der Rückabwicklung für den Eigentümer mit sich
bringt. Der Senat ist deshalb wie das Bayerische Oberste Landesgericht in der
zitierten Entscheidung der Auffassung, dass die Bewilligung der Eintragung der
Auflassung nicht die Bewilligung der Eintragung der Auflassungsvormerkung
umfasst, weil beides wesensmäßig verschieden ist. Grundlage für die Bewilligung
der Eintragung der Auflassung kann deshalb nur die Vollmacht sein, die dem Notar
in der Urkunde vom 25.11.1999 erteilt wurde. Als Verfahrenshandlungen
unterliegen sowohl die Eintragungsbewilligung als auch die Vollmacht dazu der
eigenen Auslegung des Rechtsbeschwerdegerichts, ebenso die Frage der
Auslegungsfähigkeit einer Grundbucherklärung (Demharter: GBO, 24. Aufl., § 78,
Rdnr. 13 und 15). Diese Auslegung führt dazu, den Notar als bevollmächtigt zur
Bewilligung und Beantragung der Eintragung der Auflassungsvormerkung
anzusehen. Schon aus dem Vergleich von § 6 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 der
Urkunde vom 25.11.1999 wird deutlich, dass Satz 2 eine Ermächtigung betrifft, die
über die zum Vollzug der Urkunde erforderlichen Erklärungen hinausgeht, denn der
Notar wird darin ermächtigt, Bewilligungen und Anträge jeder Art zu stellen.
Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Auflassungsvormerkung nicht zum
Vollzug der Urkunde erforderlich ist. Auch dass die Beteiligten nach § 5 der
Urkunde die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bei Vertragsabschluss nicht
beantragt haben, schließt eine nachträgliche Beantragung nicht aus. Dem Verzicht
auf die Absicherung durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung liegt häufig
die Erwartung einer schnellen Abwicklung zu Grunde, die sich nach dem Zeitablauf
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die Erwartung einer schnellen Abwicklung zu Grunde, die sich nach dem Zeitablauf
zwischen Beurkundung im November 1999 und der Einreichung beim
Grundbuchamt im Oktober 2002 offensichtlich nicht erfüllt hat. Dieser Umstand ist
bei der Auslegung des Willens der Beteiligten zu berücksichtigen. Es ist deshalb
nicht anzunehmen, dass der Beteiligte zu 2) auch für den jetzt eingetreten Fall
einer jahrelangen Verzögerung der Vollziehung auf eine Absicherung durch eine
Auflassungsvormerkung verzichtet hätte. Wegen der wirtschaftlich geringen
Bedeutung des Objektes kann aber auch davon ausgegangen werden, dass der
Beteiligte zu 1) trotz der grundsätzlichen Belastung, die die Eintragung einer
Auflassung für den Eigentümer darstellt, gegen die Eintragung einer
Auflassungsvormerkung keine Einwände hat. Schon der Gesamtkaufpreis von
19,12 EUR legt nahe, dass die Beteiligten den Notar möglichst umfassend
bevollmächtigen wollten, um bei der weiteren Abwicklung nicht mehr persönlich
tätig werden zu müssen, also auch nicht weitere Genehmigungen und
Bewilligungen abgeben zu müssen. Vorsorglich wird für das weitere Verfahren
bemerkt, dass die Bewilligung in der vom Notar unterzeichneten und mit seinem
Dienstsiegel versehenen Erklärung vom 25.10. 2002 als notarielle Eigenurkunde
auch der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1GBO genügt (Senat MittBayNot 2001, 225
mit zustimmender Anmerkung von Reithmann; Demharter aaO., § 29 Rdnr. 35;
Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, aaO., Rdnr. 164).
Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten war mangels
weiterer Beteiligter mit widersprechendem Verfahrensziel nicht veranlasst.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.