Urteil des OLG Frankfurt vom 17.10.2001

OLG Frankfurt: diebstahl, körperlicher zustand, raub, wegnahme, widerstand, drohung, wohnung, versicherter, versicherungsschutz, leib

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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 15/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Nr 1 Buchst a VHB 1984, §
5 Nr 2 Buchst a VHB 1984
(Leistungsfreiheit der Hausratversicherung: Diebstahl nach
Betreten des Hauses durch eine offenstehende
Terrassentür; versuchter Raub bei Anwesenheit der
Versicherungsnehmerin im Nebenzimmer)
Leitsatz
Ein von der Hausratsversicherung erfasster Raub liegt nicht vor, wenn der Täter nicht
auf ein Stillhalten des Opfers, sondern mehr auf die Schnelligkeit der von ihm verübten
Wegnahme vertraut.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 2.11.2000 wird zurückgewiesen, soweit mit dem
angefochtenen Urteil die Klage in Höhe von 29.549,50 DM nebst darauf
entfallender Zinsen (Diebstahlsereignisses vom 15. Juni 1999) abgewiesen worden
ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil beschwert die Kläger mit 29.549,50 DM.
Tatbestand
Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 ZPO
abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Kläger verlangen mit ihrer Klage bedingungsgemäße Entschädigung aus der
Hausratversicherung für zwei Schadensereignisse, die sich am 15.6.1999 und
16.6.1999 ereignet haben sollen. Bei dem Diebstahl am 15.6.1999 sollen die auf
Bl. 3 der Klageschrift bezeichneten Gegenstände, deren Wiederbeschaffungspreis
die Kläger mit 29.549,50 DM (abgesehen von dem Modeschmuck, der nicht mehr
Gegenstand der Klage ist) beziffert haben, entwendet worden sein. Das
Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Über die hiergegen gerichtete
Berufung der Kläger kann hinsichtlich des Teils der Klageforderung, der das
Diebstahlsereignis vom 15.6.1999 betrifft, bereits jetzt entschieden werden.
Hinsichtlich der für das Diebstahlsereignis vom 16.6.1999 begehrten
Entschädigung bedarf es noch einer Beweiserhebung. Hinsichtlich des
entscheidungsreifen Teils der Klageforderung ist die Berufung der Kläger
unbegründet.
Das Diebstahlsgeschehen vom 15.6.1999 hat sich nach der Darstellung der Kläger
so zugetragen, daß die Täter den Gartenzaun überwunden haben und sodann
durch die zum Lüften offen stehende Tür der ebenerdig gelegenen Terrasse die
Wohnung der Kläger betreten und dort den Diebstahl ausgeführt haben. Die
Klägerin habe sich zu dieser Zeit im Schlafzimmer bzw. Kinderzimmer mit ihren
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Klägerin habe sich zu dieser Zeit im Schlafzimmer bzw. Kinderzimmer mit ihren
Kindern befunden. Sie habe plötzlich Geräusche wahrgenommen, aus Sorge um
sich und ihre Kinder aber nicht das Zimmer verlassen. Bei diesem Geschehen
handelt es sich nicht um einen Versicherungsfall im Sinne des für die hier
abgeschlossene Hausratversicherung maßgeblichen § 5 VHB 84. Ein
Einsteigediebstahl gemäß § 5 Nr. 1 a VHB 84 liegt nicht vor. Denn die Täter sind
nicht in einen Raum eines Gebäudes eingestiegen. Eingestiegen sind sie lediglich
in den Garten, bei dem es sich aber nicht um ein Gebäude handelt. Den Raum des
Gebäudes, nämlich das Wohnzimmer, in dem der Diebstahl stattgefunden haben
soll, haben sie auf regulärem Weg über die offene Terrassentür betreten. Der den
Diebstahl vom einfachen zum versicherten erschwerten Diebstahl qualifizierende
Umstand muss aber am versicherten Ort, der Wohnung, selbst verwirklicht werden,
§ 10 Nr. 3 VHB 84 (vgl. auch Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., D III Rdn. 2).
Es liegt auch kein Raub vor. Raub erfordert gemäß § 5 Nr. 2 a VHB 84, dass gegen
den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen
die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Die Täter haben gegen die in
der Wohnung anwesende Klägerin keine Zwangsmittel eingesetzt, um ihren
Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Es handelt
sich auch nicht um einen Raub im Sinne von § 5 Nr. 2 b VHB 84. Dafür ist
erforderlich, dass eine Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben angedroht wird.
Eine Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sondern kann auch
konkludent erfolgen. Dies kann angenommen werden, wenn ein Täter erkennbar
damit rechnet, das Opfer werde es aus Furcht für Leib oder Leben tunlichst
vermeiden, Widerstand zu leisten. Solche Drohungen sind um so eher
anzunehmen, je überlegener der Täter durch Körperkraft oder durch Waffenbesitz
und je unwahrscheinlicher eine wirksame Hilfe durch Dritte oder die Polizei ist,
wenn das Opfer Lärm schlagen sollte. Die Situation muss davon geprägt sein, dass
der Täter auf ein Stillhalten des Opfers und weniger auf die Schnelligkeit der von
ihm verübten Wegnahme und eine rasche Flucht vertraut (vgl. Martin, a.a.O., D XII
Rdn. 40). Auch dafür genügt aber nicht eine objektiv bedrohliche Situation,
vielmehr müssen die Täter die Wegnahme mit dem Mittel der Drohung
ermöglichen wollen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Täter die
im Schlafzimmer gebliebene Klägerin möglicherweise nicht bemerkt haben. Der
Umstand, dass sie nicht sämtliche wertvollen Gegenstände mitgenommen haben,
sondern offenbar aufgrund einer Störung, möglicherweise, weil sie die Anwesenheit
der Klägerin bemerkt haben, den weiteren Diebstahl am 15.6.1999 aufgegeben
haben, lässt erkennen, dass der Diebstahl nicht mit Hilfe einer Drohung, sondern
durch dreiste Schnelligkeit verwirklicht werden sollte. Auch die Raubvariante
gemäß § 5 Nr. 2 c VHB 84 liegt nicht vor. Danach ist erforderlich, dass dem
Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen werden, weil sein
körperlicher Zustand beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft
ausgeschaltet ist. Die von der Klägerin geschilderte Ohnmacht, den Dieben
entgegenzutreten, beruht aber nicht auf einer Beeinträchtigung ihres körperlichen
Zustandes, sondern auf - verständlicher - Angst und Sorge um ihre Kinder und ihre
eigene Sicherheit.
Entgegen der Ansicht der Kläger stellt die in § 5 VHB 84 vorgenommene
Beschreibung der versicherten Gefahren keine den Vertragszweck gefährdende,
unangemessene Klausel im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG dar. Eine
Inhaltskontrolle dieser Klausel am Maßstab des AGBG dürfte zwar nicht
ausgeschlossen sein, weil es sich dabei nicht nur um eine Beschreibung der
versprochenen Versicherungsleistung, sondern zugleich aufgrund der in ihr
definierten Grenzen um eine Leistungsbeschränkung handelt. Die Klausel
gefährdet aber den Vertragszweck nicht, weil sie erkennen lässt, dass
Versicherungsschutz nicht bei einfachem Diebstahl, sondern nur bei erschwertem
Diebstahl oder bei Raub gewährt werden soll. Die zur Beschreibung dieser
erschwerten Modalitäten vorgenommenen Abgrenzungen erscheinen sachgerecht.
Sie knüpfen an die Überwindung besonderer Barrieren, den Einsatz von
Nötigungsmitteln oder die Ausnutzung besonderer Wehrlosigkeit an. Dass die
dreiste Ausnutzung einer sich bietenden Gelegenheit zum einfachen Diebstahl
nicht versichert ist, gefährdet den auf erschwerte Fälle von Diebstahl und des Fall
des Raubes beschränkten Versicherungsschutz nicht. Hinsichtlich des
Diebstahlsereignisses vom 15.6.1999 war die Berufung demgemäß
zurückzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.