Urteil des OLG Frankfurt vom 05.02.2001

OLG Frankfurt: eigentumswohnung, mittellosigkeit, vergütung, abgeltung, vermögenswert, werkstatt, quelle, zivilprozessrecht, dokumentation, realisierung

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 323/2000, 20
W 323/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1836c Nr 2 BGB, § 88 Abs 2
Nr 2 BSHG
(Betreuervergütung: Anspruch auf Verschaffung des
Eigentums an einer Eigentumswohnung als einzusetzendes
Vermögen)
Leitsatz
Zahlung der Vergütung und der Auslagen des Ergänzungsbetreuers aus der
Staatskasse bei Mittellosigkeit der Betroffenen
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG
statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der
Sache nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer
Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergütung und die
Auslagen des Ergänzungsbetreuers aus der Staatskasse zu zahlen sind, weil die
Betroffene mittellos ist. Für die Frage der Mittellosigkeit verweisen die zum 01.
Januar 1999 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 1836 c und d BGB n. F.
nunmehr ausdrücklich auf die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-,
auf die die Rechtsprechung überwiegend bereits zuvor zurückgegriffen hat (vgl.
BayObLGZ 1995, 212; Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1836 c Rn. 1).
Gemäß § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er Aufwendungsersatz
und Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten bzw. im Wege gerichtlicher Geltendmachung von
Unterhaltsansprüchen aufbringen kann, wobei gemäß § 1836 c BGB zur Ermittlung
des einzusetzenden Einkommens und Vermögens auf die Vorschriften der §§ 76,
79 Abs. 1 und 3, 81 Abs. 1; 82 und 88 BSHG zurückzugreifen ist. Für die
Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten ist auf den Zeitpunkt der
Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. BayObLG FamRZ
1993, 474; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 799; Palandt/Diederichsen, BGB, 60.
Aufl., § 1836 d Rn. 2).
Nach den rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen des Landgerichts
verfügt die Betroffene neben dem eindeutig unterhalb der Grenze liegenden
Monatseinkommen von 301,60 DM und dem als Schonvermögen geltenden
Bankguthaben von 824,94 DM als einzigem Vermögenswert über den ihr zur
Abgeltung des Pflichtteilsanspruches eingeräumten Anspruch auf Verschaffung
des Eigentums an der für ihre eigenen Wohnzwecke bestimmten und von ihr
bereits bewohnten näher bezeichneten Eigentumswohnung im Wert von ca.
130.000,-- DM. Da die Betroffene zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung
des Landgerichts als Eigentümerin der Wohnung noch nicht im Grundbuch
eingetragen war, entfällt die Verpflichtung zur Einsetzung dieses Vermögens
entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG,
wohl aber nach der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG. Denn aufgrund der
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wohl aber nach der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG. Denn aufgrund der
getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ist der Pflichtteilsanspruch in der hier
nunmehr konkretisierten Form zur baldigen Beschaffung von Wohneigentum im
Sinne der Nr. 7 dieser Vorschrift bestimmt. Des weiteren dient das zu erwerbende
Wohneigentum zu Wohnzwecken der Betroffenen, die aufgrund ihrer geistigen
Behinderung durch das Down-Syndrom als Behinderte im Sinne des § 39 Abs. 1
Satz 1 BSHG einzustufen ist. Die durch Teilungserklärung bereits entstandene
Eigentumswohnung liegt mit einer Größe von 74 qm auch eindeutig innerhalb der
Angemessenheitsgrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG in Verbindung mit §
39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 des 2. Wohnungsbaugesetzes. Der Zweck des
baldigen Erwerbes dieser für eigene Wohnzwecke der Behinderten bestimmten
Eigentumswohnung würde durch den anderweitigen Einsatz dieses Vermögens
zum Zwecke der Aufbringung der Betreuervergütung auch gefährdet, da
angesichts des Wertes des im Wege des Vergleiches ermittelten
Pflichtteilsanspruches und der Eigentumswohnung gemäß der ortsgerichtlichen
Schätzung kein ausreichender Überschuss verbleibt.
Angesichts dieser Wertansätze und der eindeutig im Interesse der behinderten
Betroffenen liegenden Abgeltung des Pflichtteilsanspruches durch Überlassung der
Eigentumswohnung durch ihre Mutter als Erbin kann entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit dieser Vereinbarung nicht von der Erzielung
eines Überschusses, der zur Begleichung der Ergänzungspflegerkosten ausreicht,
oder deren Übernahme durch die Erbin oder den LWV als Überleitungsberechtigten
abhängig gemacht werden.
Des weiteren kann aus dem Umstand, dass die Einschaltung eines
Ergänzungsbetreuers für die Realisierung des Anspruchs auf Verschaffung des
Eigentums an der Wohnung zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches erforderlich
war, nicht geschlossen werden, dass die damit verbundenen Aufwendungs- und
Vergütungsansprüche zwingend und vorrangig aus diesem Vermögenswert zu
tragen sind. Dem stehen die Vorschriften der §§ 1836 c und d BGB in Verbindung
mit § 88 Abs. 2 Nr. 2 und 7 BSHG entgegen, die eine derartige Einschränkung
gerade nicht enthalten.
Auf die Frage der Anwendbarkeit der besonderen Härteregelung des § 88 Abs. 3
Satz 3 BSHG für in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigte Personen in Bezug
auf die Betreuervergütung kommt es somit nicht mehr an.
Da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts über den Anspruch auf
Verschaffung des Eigentums an der Wohnung hinaus weiteres Vermögen der
Betroffenen nicht vorhanden war, ist das Landgericht zutreffend davon
ausgegangen, dass es derzeit an den Voraussetzungen für eine Anordnung nach §
56 g Abs. 1 Satz 2 FGG fehlt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.