Urteil des OLG Frankfurt vom 10.04.2007

OLG Frankfurt: treu und glauben, verlängerung der frist, zwangsvollstreckung, schlüssiges verhalten, genehmigung, nichtigkeit, darlehen, abgabe, urkunde, eigentumswohnung

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 43/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 134 BGB, § 171 BGB, § 172
BGB, § 177 Abs 1 BGB, § 184
Abs 1 BGB
Zwangsvollstreckung: Wirksamkeit einer im Rahmen des
Erwerbs einer Eigentumswohnung zum Zweck der
Steuerersparnis durch einen bevollmächtigten Treuhänder
abgeschlossenen notariellen Vereinbarung, die eine
Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung enthält
Leitsatz
Die auf Abgabe der Vollstreckungsunterwerfungserklärung gerichtete Vollmacht der
Treuhänderin stellt inhaltlich eine Prozessvollmacht dar, deren Nichtigkeit nicht mit Hilfe
der §§ 171, 172 BGB überwunden werden kann. Die Zivilprozessordnung enthält
vielmehr - wie auch das Berufungsgericht angenommen hat - in ihren §§ 80, 88 und 89
abschließende Spezialregelungen, die eine Rechtsscheinvollmacht im Sinne der §§ 171,
172 BGB nicht vorsehen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.04.2005 verkündete Urteil des
Landgerichts Hanau abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der vollstreckbaren Ausfertigung der
Urkunde des Notars Dr. A aus O1, UR-Nr.: … vom 25.03.1993 in Verbindung mit
der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde des Notars Dr. B aus O1, UR-Nr. …
für 1992 vom 08.12.1992 (Kauf- und Werklieferungsvertrag nebst
Änderungsvertrag) wird für unzulässig erklärt, soweit sie in das persönliche
Vermögen betrieben wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren
Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten.
Nach vorangegangenen Anbahnungsgesprächen boten die Klägerin und ihr Mann
der Fa. Z GmbH durch notarielle Urkunde den Abschluss eines
Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb einer Eigentumswohnung zu
Steuersparzwecken an und erteilten ihr diesbezüglich umfassende Vollmacht,
wegen deren Inhalt auf die Anlage K 4 Bezug genommen wird. In Ausnutzung
dieser Vollmacht erwarb die Z durch notariellen Vertrag vom 8.12.1992 (Anlage K
2) eine Wohnung in der Seniorenwohnanlage O2 zum Preis von 146.267,- DM.
Dabei wurde eine schon vorher bestellte Grundschuld in Höhe von 142.314,- DM
übernommen, die Klägerin und ihr Mann übernahmen insoweit die persönliche
Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Unter dem
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Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Unter dem
15.12.1992 schloss die Z für die Klägerin und ihren Ehemann mit der Beklagten
zwei Darlehensverträge über 110.123,- DM und 36.144,- DM. Die Darlehen wurden
durch eine Briefgrundschuld und die Abtretung einer Lebensversicherung
abgesichert.
Nach Ablauf der ursprünglichen Zinsfestschreibungsfrist vereinbarten die Klägerin
und ihr Ehemann am 8./30.4.1998 neue Konditionen mit der Beklagten.
Nachdem die Klägerin und ihr Ehemann die Zahlung auf die Darlehen bereits im
Oktober 1999 eingestellt und zur Begründung der beklagten gegenüber auf ihren
Rechtsanwalt verwiesen hatten, nahmen sie die Zahlung später unter Ausgleich
der Rückstände wieder auf. Nach der erneuten Zahlungseinstellung im Juni 2002
kündigte die Beklagte die Darlehen, vollstreckte in die Wohnung und beziffert ihren
Restanspruch aus den Darlehen mit 32.944,95 €.
Die Klägerin, der die Ansprüche ihres Ehemannes abgetreten wurden, wendet sich
gegen die Zwangsvollstreckung dieses Restbetrags aus der
Vollstreckungsunterwerfungserklärung. Sie hat in der Klageschrift den Widerruf
nach dem Haustürwiderrufsgesetz erklärt.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.4.2005, das der Klägerin am
29.4.2005 zugestellt wurde, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 27.5.2005
eingelegte und nach Verlängerung der Frist bis zum 29.7.2005 an eben diesem
Tag begründete Berufung der Klägerin.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und
halten an den erstinstanzlichen Anträgen fest.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere an sicht statthaft sowie form-
und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagten ist eine Zwangsvollstreckung aus
der notariellen Urkunde, mit der die Klägerin und ihr Mann der sofortigen
Zwangsvollstreckung unterworfen wurden, nicht gestattet, da dieser Titel nicht
formwirksam zustande gekommen ist (§ 767 ZPO analog).
Mit Angriffen gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels lässt sich eine
Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO unmittelbar nicht begründen. Sie
können aber zum Gegenstand einer prozessualen Gestaltungsklage in
entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 1 ZPO gemacht werden (ständige
Rechtsprechung, siehe z.B. BGH, Urteile vom 15.2.2005 – XI ZR 396/03, vom 22.
Oktober 2003 - IV ZR 398/02, vom 18. November 2003 - XI ZR 332/02, und vom 2.
Dezember 2003 - XI ZR 421/02 und XI ZR 429/02,), die mit der
Vollstreckungsgegenklage verbunden werden kann (BGHZ 118, 229, 236; BGH,
Urteile vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02 und vom 18. November 2003 - XI ZR
332/02). Das ist hier geschehen.
Unwirksam ist der Titel, weil die Klägerin bei Abgabe der
Vollstreckungsunterwerfungserklärung von der Geschäftsbesorgerin, der Fa. Z
GmbH, nicht wirksam vertreten worden ist.
1. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf derjenige,
der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines
Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuersparmodells für
den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Ein ohne diese
Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag, der so umfassende
Befugnisse wie hier enthält, ist nichtig. Die Nichtigkeit erfasst nach dem
Schutzgedanken des Art. 1 § 1 RBerG auch die der Geschäftsbesorgerin erteilte
umfassende Abschlussvollmacht (ständige Rechtsprechung, BGHZ 153, 214, 220
f.; Urteile vom 16. März 2004 - XI ZR 60/03, vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02,
vom 20. April 2004 - XI ZR 164/03, und XI ZR 171/03, vom 26. Oktober 2004 - XI ZR
255/03, vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03, vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04,
sowie vom 11. Januar 2005 - XI ZR 272/03, vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 421/02,
XI ZR 428/02, XI ZR 429/02 und vom 15. Februar 2005 – XI ZR 396/03). Dies zieht
auch die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht in Zweifel.
Die auf Abgabe der Vollstreckungsunterwerfungserklärung gerichtete Vollmacht
der Treuhänderin stellt inhaltlich eine Prozessvollmacht dar, deren Nichtigkeit nicht
mit Hilfe der §§ 171, 172 BGB überwunden werden kann. Nach der neueren
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mit Hilfe der §§ 171, 172 BGB überwunden werden kann. Nach der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe BGHZ 154, 283, 286 ff.; bestätigt
durch Urteile vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02, und IV ZR 33/03,; siehe auch
bereits Nichtannahmebeschluss vom 30. Oktober 1986 - III ZR 262/85, sowie
Urteile vom 18. Dezember 2002 - VIII ZR 72/02, vom 18. November 2003 (XI ZR
332/02 und vom 15. Februar 2005 – XI ZR 396/03) finden die auf die materiell-
rechtliche Vollmacht zugeschnittenen, dem Schutz des Geschäftsgegners und des
Rechtsverkehrs dienenden Vorschriften der §§ 171 ff. BGB bei Nichtigkeit des
Geschäftsbesorgungsvertrages wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG auf die
dem Geschäftsbesorger erteilte prozessuale Vollmacht zur Abgabe eines
vollstreckbaren Schuldanerkenntnisses keine Anwendung. Die Zivilprozessordnung
enthält vielmehr - wie auch das Berufungsgericht angenommen hat - in ihren §§
80, 88 und 89 abschließende Spezialregelungen, die eine Rechtsscheinvollmacht
im Sinne der §§ 171, 172 BGB nicht vorsehen.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Klägerin und ihr Ehemann die
von der Z als vollmachtlose Vertreterin erklärte Unterwerfungserklärung auch nicht
nachträglich genehmigt. Eine solche Genehmigung ist ausdrücklich nicht erklärt
worden. Auch eine konkludente Genehmigung gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1
BGB kann nicht angenommen werden. Dabei kann dahinstehen, ob man das dafür
erforderliche schlüssige Verhalten in der vorbehaltlosen Bedienung des Darlehens,
in der Vereinbarung neuer Darlehenskonditionen oder in der Wiederaufnahme der
Ratenzahlung nach deren vorläufigen Einstellung sehen will.
Eine Genehmigung schwebend unwirksamer Geschäfte durch schlüssiges
Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit
kennt oder zumindest mit ihr rechnet und das in seinem Verhalten aus der
maßgebenden Sicht des Erklärungsempfängers der Wille zum Ausdruck kommt,
das bisher als unverbindlich angesehene Rechtsgeschäft verbindlich zu machen
(ständige Rechtsprechung, siehe z.B. BGH Urteile vom 22. Oktober 1996 - XI ZR
249/95, m.w.Nachw., vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, und vom 29. April 2003 - XI
ZR 201/02). Ein Erklärungsbewusstsein des Betroffenen ist dazu nicht unbedingt
erforderlich; vielmehr reicht es aus, dass er bei pflichtgemäßer Sorgfalt gemäß §
276 BGB a.F. hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach
Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden
durfte, und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (ständige
Rechtsprechung, siehe z.B. BGHZ 109, 171, 177; BGH Urteile vom 14. Mai 2002 -
XI ZR 155/01, aaO und vom 29. April 2003 - XI ZR 201/02, aaO).
So ist es hier jedoch nicht: Den vor dem Jahre 2000 ergangenen Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs ließ sich nichts entnehmen, was für einen Verstoß eines
umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrages und der damit verbundenen
Vollmacht des Geschäftsbesorgers (Treuhänders) gegen Art. 1 § 1 RBerG i.V. mit §
134 BGB gesprochen hätte. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 145, 265, 275 f.) hat
deshalb sogar bei einem Notar, der im Dezember 1993 ein Angebot zum
Abschluss eines gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßenden
Geschäftsbesorgungsvertrages beurkundet hatte, ein Verschulden verneint. Vor
diesem Hintergrund liegt es fern, anzunehmen, dass die Kläger bei den
vorbehaltlosen Zahlungen der vereinbarten Darlehensraten von 1992 bis 1998 von
einer schwebenden Unwirksamkeit der Verträge mit der Beklagten ausgehen
mussten und ein sorgfältiger Erklärungsempfänger ihr vertragsgemäßes Verhalten
als konkludente Genehmigung im Sinne der §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB
auffassen durfte (BGH Urteile vom 29. April 2003 - XI ZR 201/02, und vom 16.
September 2003 – XI ZR 74/02). Selbst wenn man hier anderer Auffassung sein
wollte, durfte die Beklagte die genannten Handlungen der Klägerin und ihres
Ehemannes allenfalls als Genehmigung des – wegen Verstoßes gegen das
Rechtsberatungsgesetz ebenfalls unwirksamen – Darlehensvertrages auffassen,
nicht indes als Genehmigung der Unterwerfung unter die sofortige
Zwangsvollstreckung.
3. Der Klägerin ist auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) verwehrt, sich gegenüber der Beklagten auf die Nichtigkeit der notariellen
Vollstreckungsunterwerfung zu berufen. Soweit die Rechtsprechung eine solche
Treuwidrigkeit angenommen hat, wenn der Vollstreckungsschuldner materiell
verpflichtet ist, die in der formunwirksamen Vollstreckungsurkunde titulierte
Forderung anzuerkennen und sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in
sein gesamtes Privatvermögen zu unterwerfen (BGH Urteil vom 16. September
2003 – XI ZR 74/02 m.w.Nw.), fehlt es vorliegend an einer solchen Verpflichtung.
Sie ist insbesondere nicht in den Darlehensverträgen enthalten. Dies war
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Sie ist insbesondere nicht in den Darlehensverträgen enthalten. Dies war
ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10. April
2007, ohne dass die Beklagte auf den insoweit erteilten Hinweis nach § 139 ZPO
eine entsprechende Verpflichtung vorgetragen hat.
4. Fehlt es damit bereits an einem formwirksamen Vollstreckungstitel, so kommt
es auf die von den Parteien problematisierten materiellrechtlichen Fragen nicht
mehr an.
Die Kosten des Rechtsmittels hat die Beklagte zu tragen, da sie letztlich
unterlegen ist (§ 91 I 1 ZPO).Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des
§ 543 II ZPO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.