Urteil des OLG Frankfurt vom 06.12.2002

OLG Frankfurt: vergleich, trennung, versorgung, hessen, unterhalt, ausschluss, rente, genehmigung, rechtskraft, nettoeinkommen

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 UF 38/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 17 BGBEG, § 1408 Abs 2
BGB, § 1587o Abs 2 S 3 BGB
(Ehescheidungsverfahren chilenischer Staatsbürger in
Deutschland: Auslegung eines im Trennungsverfahren nach
chilenischem Recht vereinbarten Verzichts auf
Versorgungsausgleich)
Tenor
Der angefochten Beschluss wird abgeändert.
Vom Versicherungskonto Nr. 12 ... H 074 des Antragstellers bei der
Landesversicherungsanstalt Hessen werden auf ein bei dieser einzurichtendes
Versicherungskonto der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften von monatlich
533,83 DM bezogen auf den 30.06.1998 übertragen. Der Monatsbetrag der
Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Zusatzversorgungskasse
Stadt Frankfurt am Main (Nr. Z-A 122 ...) werden auf einem bei der
Landesversicherungsanstalt Hessen einzurichtenden Versicherungskonto der
Antragsgegnerin Rentenanwartschaften von monatlich 32,43 DM bezogen auf den
30.06.1998 begründet.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird auf 6.795,12 DM = 3.474,- € festgesetzt.
Gründe
Die nach §§ 621 e III, 517, 518 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und auch im
Übrigen zulässige befristete Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur
Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Die Parteien waren chilenische Staatsangehörige und hatten über viele Jahre ihren
ständigen Aufenthalt in Deutschland.
Im Verfahren Hö 4a F .../95 vor dem Amtsgericht- Familiengericht- Frankfurt am
Main, Abteilung Höchst, beantragte der Antragsteller zunächst mit dem Schriftsatz
vom 11.04.1995 die Scheidung der Ehe der Parteien, stellte im Hinblick auf den
Hinweis des Gerichts, dass nach dem anzuwendenden chilenischem Recht eine
Scheidung nicht möglich sei, mit Schriftsatz vom 21.06.1996 den Antrag dahin
um, dass der Ausspruch der Trennung von Tisch und Bett beantragt werde. In der
mündlichen Verhandlung am 12.06.1997 wies das Familiengericht die Parteien
darauf hin, dass dann, wenn eine Scheidung nicht ausgesprochen werden könne,
auch ein Versorgungsausgleich entfallen müsse.
Die Parteien schlossen daraufhin folgenden Vergleich:
1. Der Antragsteller zahlt an die Antragsgegner ab dem 1. des auf die
Rechtskraft des Trennungsurteils folgenden Monats einen monatlichen Unterhalt in
Höhe von 450,00 DM.
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Höhe von 450,00 DM.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, einerseits, dass dieser
Unterhaltsanspruch sich nach chilenischem Recht beurteilt, und weiter, dass
Grundlage des festgesetzten Unterhaltsbetrages ein monatliches derzeitiges
Nettoeinkommen des Antragstellers von 2.000,00 DM ist.
3. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass bei einer möglichen
Abänderung des festgesetzten Betrages die Regeln der Düsseldorfer Tabelle
Anwendung finden sollen. Dies betrifft jedoch nur die Frage der Höhe eines
festzusetzenden Unterhalts, nicht aber den Grund des Unterhalts selbst, der sich
nach den Bestimmungen des chilenischen Zivilgesetzbuches weiterhin zu richten
hat.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ein Anspruch auf
rückständigen Ehegattenunterhalt nicht besteht.
Vorsorglich, für den Fall, dass die Frage des
Versorgungsausgleichs anders als in diesem Verfahren beurteilt
werden sollte, verzichten die Parteien auf die Durchführung des
Versorgungsausgleichs und nehmen diesen Verzicht gegenseitig an.
Sie beantragen die Genehmigung des Familiengerichts für diese
Vereinbarung
6. Die Parteien halten schließlich noch fest, dass mit der Festsetzung des
oben genannten Unterhalts keinerlei Anerkenntnisse auf ein Verschulden im Sinne
des chilenischen Rechts bei einer der Parteien verbunden ist.
Diese Vereinbarung genehmigte das Familiengericht sodann gemäß § 1587 o BGB
und sprach anschließend die Trennung der Parteien durch Urteil vom 12.06.1997
aus.
Der Antragsteller ist seit dem 02.07.1997 deutscher Staatsangehöriger.
Aufgrund seines Scheidungsantrags hat das Familiengericht im vorliegenden
Verfahren mit Urteil vom 23.09.1999 die Ehe der Parteien unter Abtrennung der
Folgesachen Versorgungsausgleich und Ehegattenunterhalt geschieden.
Mit Zwischenvergleich vom 23.09.1999 haben die Parteien bezüglich des
nachehelichen Unterhalts der Antragsgegnerin eine bis zur rechtskräftigen
Entscheidung zum Versorgungsausgleich befristete Regelung getroffen.
Das Familiengericht hat im angefochtenen Beschluss entschieden, ein
Versorgungsausgleich finde nicht statt.
Es hat dazu ausgeführt, der Versorgungsausgleich sei im Vergleich vom 12.6.1997
wirksam ausgeschlossen wurden. Zwar sei die damalige Genehmigung des
Amtsgerichts - Familiengerichts - nicht wirksam, da der Scheidungsantrag in einen
Trennungsantrag umgestellt worden und es den Parteien klar gewesen sei, dass
eine Scheidung nach chilenischem Recht nicht möglich gewesen sei. Der Vergleich
stelle jedoch einen wirksamen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß §
1408 Abs. 2 BGB da.
Dem Einwand der Antragsgegnerin, die Parteien hätten lediglich eine Vereinbarung
für den Fall des rechtskräftigen Trennungsurteils getroffen und damit auch einen
gesonderten Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach
rechtskräftigem Trennungsurteil ausschließen wollen, hat das Amtsgericht
entgegengehalten, es habe die Parteien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein
Versorgungsausgleich nur in einem Falle einer Scheidung und gerade nicht bei
auch gerichtlichen ausgesprochenen Trennung stattfinde, der Vergleich könne sich
daher ausschließlich auf den Fall einer doch noch erfolgenden Scheidung beziehen.
Im Hinblick auf den wirksamen Ausschluss des Versorgungsausgleichs bestehe
auch keine Möglichkeit der Überprüfung nach Billigkeitsgesichtspunkten nach §
1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der befristeten Beschwerde.
Sie wiederholt ihren Einwand, die Parteien hätten den Versorgungsausgleich
keineswegs auch für den Fall ausschließen wollen, dass noch ein Scheidungsantrag
eingereicht werde. Die Parteien seien vielmehr bei Abschluss dieser Vereinbarung
erkennbar davon ausgegangen, dass eine Scheidung überhaupt nicht möglich sei,
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erkennbar davon ausgegangen, dass eine Scheidung überhaupt nicht möglich sei,
da das chilenische Recht diese nicht vorsehe. Im Rahmen der mündlichen
Verhandlung habe sich dann die Frage gestellt, ob nicht gleichwohl aus
Billigkeitsgründen ein Versorgungsausgleich im Rahmen des
Getrenntlebensverfahrens durchzuführen sei. Dies habe der Richter verneint.
Allerdings könne man dies auch anders sehen und einen vollständigen Ausschluss
des Versorgungsausgleichs könne im vorliegenden Fall eine grobe Benachteiligung
der Antragsgegnerin beinhalten. Zwischen den Parteien sei deshalb Einigkeit dahin
erzielt worden, dass der Antragsteller diesen Nachteil durch einen erhöhten
monatlichen Unterhalt ausgleiche. Der Unterhalt sei deswegen bei einem
Nettoeinkommen von 2000,-- DM auf 450,-- DM festgesetzt worden. Grundlage
dieser Vereinbarung sei die gemeinsame Überzeugung gewesen, dass ein
Versorgungsausgleich im vorliegenden Falle, obwohl sachlich geboten, rechtlich
nicht durchführbar sei.
Der Antragsteller habe verschwiegen, dass er im Begriff sei, die deutsche
Staatsangehörigkeit zu erwerben, was ihm auch wenige Tage nach der
Verkündung des Urteils im Verfahren auf Getrenntleben gelungen sei.
Die Antragsgegnerin ist der Meinung, der Antragsteller habe ihr dies arglistig
verschwiegen, jedenfalls sei die Geschäftsgrundlage des Vergleichs entfallen.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Er vertritt die Ansicht, der Vergleich sei wirksam. Durch ihn habe endgültig Klarheit
geschaffen werden sollen; die Unklarheit, ob möglicherweise ein
Versorgungsausgleich doch stattfinden könne, habe beseitig werden sollen.
Deshalb habe man sich auf diesen Vergleich mit der entsprechenden
Formulierung, auf die es besonders angekommen sei, geeinigt. Er habe schon
mehrfach vorher die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, was aber abgelehnt
worden sei, weil er auch nicht lange genug ununterbrochen in Deutschland
gewesen sei. Das, so behauptet er, habe auch die Antragsgegnerin gewusst, was
diese bestreitet.
Der Senat hat die Parteien angehört. Auf das Protokoll der Anhörung vor dem
Berichterstatter als beauftragten Richter vom 23.10.2001 Blatt 112-115 der Akten
wird verwiesen.
Eine von den Parteien ins Auge gefasste, aber noch nicht erklärte Vereinbarung,
wonach der Versorgungsausgleich hälftig durchgeführt werde und der Antragsteller
einen monatlichen Unterhalt von 450,-- DM zahle, ist nicht zustandegekommen.
Der Antragsteller ist nach Chile zurückgekehrt.
Wie das Amtsgericht - Familiengericht - zutreffend ausführt, handelt es sich bei der
Vereinbarung vom 12.6.1997 in Ziffer 5 nicht um eine vom Familiengericht
genehmigte Vereinbarung im Sinne des § 1587 o Abs. 1 und 2 BGB. Sie erfolgte
nicht im Zusammenhang mit der Scheidung, sondern im Verfahren, in dem es um
die Trennung ging.
Es liegt aber auch keine wirksame Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB vor.
Der Vergleich vom 12.6.1997 war für den Fall der Rechtskraft des Trennungsurteils
und innerhalb dieses Verfahrens geschlossen worden. Dass beide Parteien dies
auch für den Fall einer Scheidung so gewollt hätten, kann nicht festgestellt werden.
Die Überlegung des Amtsgerichts, da der Versorgungsausgleich im
Trennungsverfahren nicht möglich sei, könne der Ausschluss nur für den Fall der
Scheidung gedacht gewesen sei, ist nicht zwingend. Ziffer 5 des Vergleiches ist
vielmehr „vorsorglich, für den Fall, dass die Frage des Versorgungsausgleichs
anders als in diesem Verfahren beurteilt werden sollte,“ vereinbart worden, also
nicht für einen anderen tatsächlichen Fall einer Scheidung, sondern einer
anderweitigen rechtlichen Beurteilung, wonach der Versorgungsausgleich auch im
Falle der Trennung möglich sei. Das diese Vereinbarung verfahrensbezogen war,
ergibt sich auch aus dem Antrag auf Genehmigung des Familiengerichts.
Außerdem stellt der Vergleich in seinen 6 Punkten eine Gesamtvereinbarung dar,
die insgesamt auf die Trennung nach chilenischem Recht zugeschnitten ist,
insbesondere die Regelung des Unterhalts, mit der die Vereinbarung zum
Versorgungsausgleich in untrennbarem Zusammenhang steht.
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Eine Vereinbarung für den Fall der Scheidung im Sinne des § 1408 Abs. 2 BGB war
mithin erkennbar nicht gewollt, eine Umdeutung in eine solche Vereinbarung
kommt damit nicht in Betracht.
Ob darüber hinaus die Antragsgegnerin Ziffer 5 dieses Vergleichs anfechten
könnte, weil der Antragsteller seine Bestrebung, die deutsche Staatsbürgerschaft
zu erwerben, ihr nicht offenbart habe, oder die Geschäftsgrundlage der
Vereinbarung weggefallen sei, bedarf daher keiner Überprüfung. Die kurze Zeit
zwischen der Rechtskraft des Trennungsurteils und dem anschließenden Erwerb
der deutschen Staatsbürgerschaft durch den Antragsteller ist allerdings auffallend.
Der Versorgungsausgleich ist mithin uneingeschränkt wie folgt durchzuführen:
Nach § 1587 I BGB sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen
Versorgungen auszugleichen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des
Eheschließungsmonats und endet mit dem letzten Tag des Monats, welcher dem
Monat vorausgeht, in welchem der Scheidungsantrag zugestellt wurde (§ 1587 II
BGB).
Die Ehezeit begann am 01.07.1970.
Sie endete am 30.06.1998.
Nur der Antragsteller hat Versorgungsanwartschaften erworben und zwar:
1. Bei der LVA Hessen:
1.067,66 DM
Versicherungsnr. 12 ...
Die Bewertung erfolgt nach § 1587a II Nr. 2 BGB.
2. Bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt Frankfurt am Main:
Es handelt sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach §
1587a II Nr.3 BGB.
Monatsrente
335,96 DM
Aus der Monatsrente ist die Jahresrente zu berechnen:
335,96 * 12 =
4.031,52 DM
Es handelt sich um den Ehezeitanteil der Versorgung.
Altersgrenze
65
Der Wert der Versorgung steigt nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie
der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Der
Ehezeitanteil der Versorgung ist daher gem. § 1587a Abs. 3, 4 BGB in eine
dynamische Rente umzurechnen. Dafür ist zuerst nach der BarwVO der Barwert zu
berechnen.
Es sind die Werte der Tabelle 1 der BarwVO zu verwenden, weil die Versorgung für
den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist.
Alter bei Ehezeitende:
49
Barwertfaktor:
3,7
Barwert:
14.916,62 DM
Aus Barwert oder Deckungskapital wird eine dynamische Rente in der Weise
berechnet, daß der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt
wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden
Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und
diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts (ARW) nach § 1587a III, IV BGB in eine
Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.
Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0000916571
Entgeltpunkte:
1,3672
aktueller Rentenwert:
47,44 DM
DM dynamisch: 1,3672 * 47,44 =
64,86 DM
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Der Versorgungsträger läßt die Realteilung nicht zu.
Es handelt sich um einen inländischen öffentlichrechtlichen Versorgungsträger.
Das ergibt folgende Übersicht:
splittingfähig gem. § 1587b I BGB mit EP: 1.067,66 DM
Quasisplitting nach § 1 III VAHRG:
64,86 DM
insgesamt:
1.132,52 DM
Nach § 1587a I BGB ist der Antragsteller ausgleichspflichtig in Höhe
von:
566,26 DM
Nach § 1587b I BGB hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu
erfolgen in Höhe von:
1067,66 2 =
533,83 DM
Der Ausgleich erfolgt durch analoges Quasisplitting nach § 1 III VAHRG in Höhe
von:
64,86 : 2 =
32,43 DM
Der Höchstbetrag nach § 1587b V BGB beträgt:
2.656,64 DM
Er ist nicht überschritten.
Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt § 1587b VI BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO
Der Streitwert ergibt sich aus § 17a GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.