Urteil des OLG Frankfurt vom 25.05.2005

OLG Frankfurt: verwalter, ungültigerklärung, einzelrichter, genehmigung, rechtsschutzversicherung, gerichtsbarkeit, verfahrenskosten, versammlung, beschränkung, sorgfalt

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 461/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 30 Abs 1 S 1 FGG, § 122
GVG, § 14 Abs 7 KostO, § 31
Abs 3 KostO, § 31 Abs 4 S 6
KostO
(Geschäftswert: Anfechtung eines
Genehmigungsbeschlusses der
Wohnungseigentümerversammlung)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der
Geschäftswert für das landgerichtliche Verfahren auf 166.637,70 € festgesetzt
wird.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
Die Antragsteller haben mit ihrem erstinstanzlichen Antrag die Ungültigerklärung
der zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 20.03.2002 (Bl. 15-20 d. A.)
gefassten Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2000 und der
Entlastung des Verwalters für diesen Zeitraum begehrt. Ferner haben sie die
Ungültigerklärung der zu TOP 4 dieser Versammlung beschlossenen Ausbuchung
nicht mehr einbringbarer Beträge von 47.619,00 € sowie der zu TOP 5
beschlossenen Rundung der Verwaltergebühr auf volle zehntel Cent sowie der
Übernahme der Lohnbuchführung durch den Verwalter beantragt.
Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragsteller mit Beschluss vom 19.03.2003
zurückgewiesen und ihnen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt, eine
Erstattung außergerichtlicher Kosten aber nicht angeordnet (Bl. 63-78 d. A.). Eine
endgültige Geschäftswertfestsetzung ist im amtsgerichtlichen Verfahren nicht
erfolgt. Durch Beschluss vom 29.05.2002 (Bl. 21 d. A.) war der Geschäftswert
vorläufig auf 165.137,91 € festgesetzt worden, wobei für die Anfechtung von TOP 1
159.137,00 € und für die Anfechtung von TOP 4 und TOP 5 jeweils 3.000,00 €
berücksichtigt wurden.
Die Antragsteller haben mit ihrer Beschwerde geltend gemacht, die
Jahresabrechnung sei nicht genehmigungsfähig, wie der Wirtschaftsprüfer A in
seinem Bericht über die Prüfung der Jahresabrechnung 2000 vom 21.09.2001 (Bl.
36 ff. d. A.) im einzelnen ausgeführt habe. Die Bescheinigung des
Wirtschaftsprüfers vom 14.02.2002 beziehe sich nicht auf die Ordnungsmäßigkeit
der gesamten (geänderten) Jahresabrechnung 2000, einige der Beanstandungen
aus dem Bericht vom 21.09.2001 seien gerade nicht ausgeräumt worden und die
Jahresabrechnung 2000 deshalb noch immer nicht genehmigungsfähig,
insbesondere ergäben sich Diskrepanzen hinsichtlich der Positionen
Hausmeistertelefon, Allgemeinstrom Haus und Müllabfuhr.
Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller den zu TOP 1
der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.03.2001 gefassten
Genehmigungs- und Entlastungsbeschluss hinsichtlich einzelner Positionen für
ungültig erklärt und die Anträge sowie die Beschwerde im übrigen zurückgewiesen.
Der Geschäftswert ist entsprechend der bis dahin unbeanstandeten
amtsgerichtlichen Festsetzung auf 165.137,91 € festgesetzt worden. Gegen die
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amtsgerichtlichen Festsetzung auf 165.137,91 € festgesetzt worden. Gegen die
Geschäftswertfestsetzung sowohl des Amtsgerichts als auch des Landgerichts
richtet sich die "Streitwertbeschwerde" der Antragsteller, mit der sie vortragen, die
Rechtsschutzversicherung des Antragstellers zu 1) halte die festgesetzten Werte
unter Verweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main aus 1984
nicht für nachvollziehbar. Für die Verpflichtung zur berichtigten Neuerstellung einer
Jahresabrechnung sei als Wert der Betrag der beanstandeten
Rechnungspositionen anzusetzen. Für die Verpflichtung zur Erstellung der
Jahresabrechnung seien 10 % der geschätzten (künftigen) Abrechnungssumme als
Wert anzusetzen. Mit Beschluss vom 04.11.2004 (Bl. 229-231 d. A.), auf dessen
Inhalt Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der 8. Zivilkammer der
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt.
Die gemäß §§ 31 Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 4 KostO statthafte, zulassungsfreie und
unbefristete Beschwerde (KG WoM 1996, 306; OLG Stuttgart Die Justiz 1997, 130;
OLG Zweibrücken NZM 2001, 245; BayObLG NZM 2001, 246; Bärmann/Pick/Merle:
WEG, 9. Aufl., § 48, Rdnr. 62; Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl., § 48, Rdnr. 23;
Weitnauer/Mansel: WEG, 9. Aufl., § 48, Rdnr. 5) gegen die
Geschäftswertfestsetzung, die das in zweiter Instanz mit der Hauptsache befasste
Landgericht getroffen hat, ist nicht begründet.
Der Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 WEG richtet sich - anders als der
Beschwerdewert - grundsätzlich nach dem Interesse aller Beteiligten an der
Entscheidung. Dies dient unter anderem dem Zweck, die Wohnungseigentümer
dazu anzuhalten, die über ihre subjektiven Interessen hinausgehende Wirkung des
Verfahrens auf die anderen Beteiligten zu bedenken und von der leichtfertigen
Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung abzusehen
(Staudinger/Wenzel: WEG, 12. Aufl., § 48, Rdnr. 15).
Verfahrensgegenstand war im vorliegenden Verfahren nicht die Verpflichtung des
Verwalters zur Neuerstellung einer Abrechnung, sondern u. a. der unter TOP 1
gefasste Genehmigungsbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung
bezüglich der Gesamt- und Einzelabrechnungen 2000.
Der Geschäftswert bei der Anfechtung von Genehmigungsbeschlüssen über die
Jahresabrechnung bestimmt sich nach allgemeiner Auffassung, die auch der Senat
vertritt (z. B. Beschluss vom 07.04.2003- 20 W 209/2001), nach einem Bruchteil
von 20- 25 % des Gesamtvolumens, wodurch im Regelfall auch dem
verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz des gleichen Zugangs zu den
Gerichten Rechnung getragen wird (BayObLG WuM 1992, 714; OLG Hamm NZM
2001, 549; Palandt/Bassenge: WEG, 64. Aufl., § 48, Rdnr. 14; Bärmann/Pick/Merle:
WEG, 9. Aufl., § 48, Rdnr 22 mit weiteren Nachweisen; Niedenführ/Schulze: WEG, 7.
Aufl., § 48, Rdnr. 40; Staudinger/-Wenzel, aaO., § 48, Rdnr. 20).
Eine Reduzierung auf die Kosten einer erneuten Eigentümerversammlung, wie sie
im Fall der Anfechtung allein nur aus verfahrensrechtlichen Gründen angezeigt
wäre, kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Antragsteller sich auch gegen die
Ordnungsmäßigkeit der Gesamtabrechnung, nicht nur der Beschlussfassung
gewendet haben. Ebenso wenig wäre eine Berücksichtigung nur einzelner
Abrechnungspositionen gerechtfertigt, denn die Antragsteller haben weder von
vornherein nur einzelne Rechnungspositionen beanstandet, noch während
laufender Anfechtungsfrist ihren Antrag auf Ungültigerklärung des
Genehmigungsbeschlusses entsprechend modifiziert. Auch im
Beschwerdeverfahren ist durch die anwaltlich vertretenen Antragsteller keine
Beschränkung auf einzelne Rechnungspositionen der Jahresabrechnung erfolgt.
Selbst nach durchgeführter Beweisaufnahme durch das Landgericht hat vielmehr
der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 06.05.2004
den Antrag auf Ungültigerklärung der Beschlüsse zu TOP 1 und 5 ohne jede
Einschränkung wiederholt.
Bei einem Gesamtvolumen der Jahresabrechnung vom 05.03.2002 in Höhe von
1.233.250,20 DM (Bl. 39 d. A.) betragen 25 % 308.312,55 DM = 157.637,70 €.
Nach der überwiegenden Auffassung, der sich auch der Senat angeschlossen hat
(z. B. Beschluss vom 03.03.2003 - 20 W 261/2001), richtet sich der Geschäftswert
für die Anfechtung von Beschlüssen über die Entlastung des Verwalters in erster
Linie danach, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche gegen den
Verwalter in Betracht kommen (BayObLG WuM 1999, 185; Niedenführ/Schulze,
aaO., Rdnr. 38; Merle, aaO., Rdnr. 21). Dies entspricht am ehesten der Bedeutung
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aaO., Rdnr. 38; Merle, aaO., Rdnr. 21). Dies entspricht am ehesten der Bedeutung
des Entlastungsbeschlusses als negativem Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs.
2 BGB dahingehend, dass den Wohnungseigentümern keine Ansprüche gegen den
Verwalter wegen solcher Vorgänge zustehen, die bekannt oder bei zumutbarer
Sorgfalt erkennbar waren (Niedenführ/Schulze, aaO., § 28, Rdnr. 159; zu den
Entlastungswirkungen im einzelnen: Köhler ZMR 1999, 293, 294). Da das
Verfahren nicht ergeben hat, dass bzw. in welcher Höhe derartige Ansprüche in
Betracht kämen, muss der Geschäftswert insoweit geschätzt werden, wobei der
Senat in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 2 KostO den Regelwert von
3.000,00 € angesetzt hat. Beträge von 1.000,00 DM bzw. 500,00 € (so BayObLG
WuM 1999, 185) werden der Bedeutung der Entlastung für die Beteiligten und den
Verwalter, wie oben ausgeführt, nicht gerecht.
Da für die Anfechtung der zu TOP 4 und 5 gefassten Beschlüsse kein Vortrag zu
dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten an dieser Beschlussfassung erfolgt
ist, auch nicht im Beschwerdeverfahren, war auch insoweit der Regelgeschäftswert
von jeweils 3.000,00 € gemäß § 30 Abs. 2 KostO zu Grunde zu legen, von dem
bereits das Amtsgericht bei seiner vorläufigen Festsetzung ausgegangen ist.
Insgesamt waren für die Anfechtung des zu TOP 1 der Versammlung vom
20.03.2002 gefassten Genehmigungsbeschlusses somit 160.637,70 € und für die
Anfechtung der zu TOP 4 und TOP 5 gefassten Beschlüsse jeweils 3.000,00 €
anzusetzen, was zu einem Gesamtgeschäftswert des landgerichtlichen Verfahrens
von 166.637,70 € führt. Für die Geschäftswertbeschwerde nach § 31 Abs. 3 KostO
gilt nach allgemeiner Meinung das Verschlechterungsverbot nicht
(Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 16. Aufl., § 31, Rdnr. 68), weshalb die
landgerichtliche Festsetzung entsprechend abzuändern war.
Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die nach dem vom Senat
festgesetzten Wert zu berechnenden Kosten des Verfahrens zu dem Interesse der
Antragsteller an der Ungültigkeitserklärung der Genehmigung der
Jahresabrechnung und der Verwalterentlastung nicht in einem angemessenen
Verhältnis stünden (§ 48 Abs. 3 Satz 2 WEG).
Die Verfahrenskosten auf der Grundlage dieses Geschäftswertes dürften im
Beschwerdeverfahren 6.500,00 € nicht wesentlich übersteigen. Auch die
geschätzten Verfahrenskosten erfordern bei Abwägung der Interessen der
Antragsteller gegenüber den Interessen der übrigen Beteiligten an einer
wirksamen Jahresabrechnung bzw. Verwalterentlastung und den weiter
angefochtenen Beschlüssen keine weitere Ermäßigung wegen der aus dem
Rechtsstaatsprinzip folgenden Justizgewährungspflicht. Dieses Kostenrisiko ist den
Antragstellern schon in erster Instanz vor Augen geführt worden durch die
vorläufige Geschäftswertfestsetzung. Es ist abgemildert dadurch, dass sie den
Antragsgegnern nicht deren Kosten erstatten müssen und offenbar eine
Rechtsschutzversicherung eintritt.
Die Nebenentscheidungen hinsichtlich der Gebührenfreiheit und der
Kostenerstattung beruhen auf § 31 Abs. 5 KostO.
Der Senat hat in voller Besetzung über die Geschäftswertbeschwerde entschieden,
obwohl diese eine Einzelrichterentscheidung des Landgerichts betraf.
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 FGG erfolgt die Entscheidung über Beschwerden bei den
Oberlandesgerichten durch einen Zivilsenat. Im Anwendungsbereich des § 19 FGG
ist der Senat in voller Besetzung zur Entscheidung berufen, auch in
Nebenverfahren wie hier der Wertfestsetzung (Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler:
FGG, 15. Aufl., § 30, Rdnr. 10; Kissel/Mayer: GVG, 4. Aufl., § 122, Rdnr. 3 a). Nur
wenn über die Beschwerde die Zivilkammer des Landgerichts entscheidet, findet
nach § 30 Abs. 1 Satz 3 FGG der § 526 ZPO, also die Übertragung der
Entscheidung auf den fakultativen Einzelrichter, entsprechende Anwendung. Nicht
eingeführt worden ist dagegen der originäre Einzelrichter nach dem § 568 ZPO,
dem die Regelung in §§ 14 Abs. 7, 31 Abs. 4 Satz 6 KostO nachgebildet ist.
Deshalb geht der Senat davon aus, dass in Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, zu denen auch die Verfahren nach § 43 ff. WEG gehören, der
Einzelrichter nicht gemäß § 122 Abs. 1 GVG an die Stelle des Senats treten kann,
weil seine Zuständigkeit dort prozessrechtlich nicht vorgesehen ist. Der
Gesetzgeber hat bei der Schaffung der gesonderten Rechtsmittelvorschriften in §
14 Abs. 7 KostO (und § 66 Abs. 6 GKG) nicht berücksichtigt, dass die Gerichte auch
in Kostensachen als Gerichte ihrer jeweiligen Gerichtsbarkeit und damit unter
Vorrang der dabei maßgeblichen Verfahrensordnungen zu entscheiden haben (vgl.
Vorrang der dabei maßgeblichen Verfahrensordnungen zu entscheiden haben (vgl.
auch BGH, Beschl. v. 13.01.2005 -V ZR 218/04- MDR 2005, 597 mit Anm. von
Fölsch für die Frage der Zuständigkeit des Einzelrichters beim BGH in
Kostenerinnerungsverfahren).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.