Urteil des OLG Frankfurt vom 05.11.2001

OLG Frankfurt: minderung, wasserversorgung, entschädigung, bauarbeiten, dokumentation, unterliegen, gerät, reisevertrag, arbeitsrecht, bad

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 9/01 III, 16 U
9/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651c BGB, § 651d BGB
(Reisevertrag: Nicht fertig gestellte Bungalowanlage,
Unregelmäßigkeit der Wasserversorgung und Fehlen der
Freizeiteinrichtungen als Reisemängel)
Leitsatz
Ein unfertiges, aufgewühltes und verschmutztes Hotelgelände stellt einen Reisemangel
dar, der zu einer Minderung von 15 % des Reisepreises berechtigen kann. Fehlen fast
alle zugesagten Freizeiteinrichtungen, kann eine Minderung von 25 % gerechtfertigt
sein, auch wenn die Mitbenutzung benachbarter Anlagen möglich ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2000 - 2-21 O 164/99 -
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 8.743,04 nebst 4
Zinsen seit dem 1. Mai 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die
weitergehende Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des landgerichtlichen
Verfahrens tragen der Kläger 46
und die Beklagte 54
. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 31
und die Beklagte 69%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer: für beide Parteien unter DM 10.000,-.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
1. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 651d Abs. 1 BGB Minderung des
Reisepreises wegen Mängel der Unterkunft und der versprochenen Einrichtungen
verlangen.
1.1. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Unterkunft des Klägers in
der Hotelanlage in Holguín (Kuba) mit erheblichen Mängel behaftet war.
a) Die Anlage war unfertig; es waren noch umfangreiche Bauarbeiten mit
schwerem Gerät im Gange. Dies ist im Grundsatz zwischen den Parteien auch
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schwerem Gerät im Gange. Dies ist im Grundsatz zwischen den Parteien auch
nicht im Streit und wird zudem durch die vorgelegten Fotos belegt. Streitig ist
allein die Intensität der dadurch bedingten Beeinträchtigungen des Klägers und
seiner Reisebegleiterin. Das ist weitgehend eine Bewertungsfrage. Der Beklagten
ist einzuräumen, dass die Tatsache allein, dass die Anlage noch nicht fertiggestellt
und Bauarbeiten noch im Gange waren, über das Ausmaß der Beeinträchtigungen
keine hinreichende Auskunft gibt, um das Maß der Minderung bestimmen zu
können. Andererseits ist aber auch nicht allein entscheidend, ob diese Bauarbeiten
nun gerade in unmittelbarer Nachbarschaft der Unterkunft des Klägers waren.
Denn ein Urlauber hält sich während der Dauer seines Urlaubs nicht nur in den
weitgehend nur zum Schlafen bestimmten Räumen oder allenfalls auf einer davor
befindlichen Terrasse bzw. einem dazu gehörigen Balkon auf, sondern begeht auch
die zur Unterkunft gehörige Umgebung, sei es, um andere Örtlichkeiten der
gebuchten Anlage zu erreichen, sei es, Örtlichkeiten außerhalb der Anlage
aufzusuchen, oder sei es, um sich schlicht in der Anlage selbst zu ergehen. Auch
das gehört zum Urlaubsgenuss. Muss der Reisende dabei über unfertiges, teils
aufgewühltes, teils völlig unebenes, verschmutztes Gelände gehen, so stellt dies
eine Beeinträchtigung dar. Dass darüber hinaus auch Baulärm durch schweres
Gerät eine Beeinträchtigung darstellt, kann keinem Zweifel unterliegen. Zu
Unrecht verlangt die Beklagte von dem Kläger eine lückenlose Dokumentation der
angefertigten Fotos, zudem jeweils bestimmt hinsichtlich Aufnahmezeit und -ort,
um dann den Umfang der Mangelhaftigkeit besser eingrenzen zu können. Das ist
einem Reisenden nicht zumutbar. Der Urlaubsaufenthalt dient Erholungszwecken,
nicht der Dokumentation von Reisemängeln. Es muss deshalb genügen, wenn der
Reisende beispielhaft die vorhandenen Mängel fotografisch festhält.
b) Unstreitig gab es Mängel in der Wasserversorgung sowohl in Bezug auf die
Reinigungsmöglichkeit als auch hinsichtlich der Toiletten. Der Beklagten ist
einzuräumen, dass dieser Mangel ebenfalls unstreitig nicht durchgängig während
des gesamten Aufenthaltes des Klägers in der Hotelanlage auftrat. Gleichwohl
stellt es eine erhebliche Beeinträchtigung dar, wenn der Reisende jeden Tag mit
der Ungewissheit aufwacht, ob und gegebenenfalls wann Wasser für Bad und
Toilette zur Verfügung steht, und nie weiß, ob die Wasserversorgung auch am
nächsten Tag funktionieren wird oder nicht. Dass der Mangel nicht dadurch
behoben ist, dass eine Notversorgung bereitgestellt wird, an der sich der Reisende
(selber) bedienen kann (und muss), dürfte ebenfalls nicht zweifelhaft sein.
c) Weiterhin unstreitig fehlten - wie vom Landgericht festgestellt - die in der
Reisebeschreibung aufgeführten und damit zum Vertragsinhalt gewordenen
Freizeiteinrichtungen der Anlage. Hierzu hat sich die Beklagte im
Berufungsverfahren nicht mehr geäußert. Allein der Umstand, dass dem Kläger
und seiner Reisebegleiterin die Möglichkeit eingeräumt wurde,
Freizeiteinrichtungen anderer Anlagen mit zu benutzen, zu denen sie sich über
mehr oder weniger große Entfernung hinbegeben mussten, kann die
Beeinträchtigung durch das Fehlen der zugesagten Einrichtungen in der gebuchten
Anlage nicht wesentlich mindern.
d) Weitere Mängel hat das Landgericht nicht anerkannt, sind demnach auch nicht
Gegenstand des Berufungsverfahrens.
1.2. Das Landgericht hat die einzelnen Mängel nicht gesondert bewertet, sondern
nur einen Gesamtprozentsatz für die Minderung ausgeworfen. Das ist zwar nicht
grundsätzlich zu beanstanden, erschwert aber die Nachprüfung. Soweit der Kläger
ursprünglich die Ansicht vertrat, den Reisepreis zu 100
mindern zu können, war dies von vornherein abwegig. Denn zu den
Reiseleistungen der Beklagten gehörte auch die Verpflegung (Vollpension "all
inclusive"). Dieser nicht unerhebliche Teil des Reisepreises war mangelfrei.
Der Senat bewertet die Mängel der Unterkunft in Bezug auf die unfertige und
durch Bauarbeiten beeinträchtigte Anlage sowie in Bezug auf die
Wasserversorgung mit je 15
. Darüber hinaus bewertet er den erheblichen Mangel der weitgehend fehlenden
Freizeiteinrichtungen mit 25%
. Dies ergibt eine gerechtfertigte Gesamtminderung um 55%
. Bei einem bereinigten Reisepreis von DM 11.610,- ergibt das einen
Minderungsbetrag von rund DM 5.700,-.
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2. Da das Ausmaß der berechtigten Minderung 50%
übersteigt, steht dem Kläger für sich und seine Reisebegleiterin nach allgemeiner
Rechtsauffassung gemäß § 651f Abs. 2 BGB auch eine Entschädigung für
entgangenen Urlaubsgenuss zu. Dieser Rechtsgrundsatz wird selbst von der
Beklagten nicht infrage gestellt. Gegen die Berechnung der Höhe dieser
Entschädigung (DM 4.700,-) hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben. Sie ist
auch unabhängig davon nicht überhöht.
3. Dem Kläger stehen außerdem gemäß § 651f Abs. 1 BGB die geltend gemachten
Kosten für Reinigung von Hosen vor Ort aufgrund der Verschmutzungen der
Hotelanlage in Höhe von DM 80,- zu. Konkrete Einwendungen hiergegen hat die
Beklagte im Berufungsverfahren nicht erhoben. Dass Kleidung hat gereinigt
werden müssen, hat der Kläger auch in seinem Schreiben vom 18. Januar 1999
gemäß § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB angezeigt.
4. Demgegenüber wendet sich die Beklagte zu Recht gegen den geltend
gemachten Schadensersatz für angeblich durch Schimmel unbrauchbar
gewordene Kleidung. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger
diesen Mangel weder nach den §§ 651c Abs. 2, 651d BGB gerügt, noch insoweit
gemäß § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB Ansprüche angemeldet hat. In dem Schreiben
vom 18. Januar 1999 ist lediglich im Zusammenhang mit der Beanstandung von
Feuchtigkeit der Räumlichkeiten erwähnt, dass sich an Schuhen und Kleidung
Schimmel gebildet habe. Dass daraus nicht unerhebliche
Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, weil diese Kleidungsstücke hätten
entsorgt werden müssen, ist diesem Schreiben jedoch nicht zu entnehmen. Auch
das Verlangen einer Entschädigung "nach der Frankfurter Liste" und das
Geltendmachen von Forderungen "laut der Frankfurter Liste … in voller Höhe"
schließt der artige Schadensersatzansprüche nicht ein; denn solche Ansprüche
werden von der so genannten "Frankfurter Liste" nicht erfasst.
5. Damit stehen dem Kläger folgende Beträge zu:
- unangefochten gebliebene Beträge wegen anderweitiger Unterbringung: DM
539,04
- Minderung (siehe oben zu 1.): DM 5.700,00
- Entschädigung wegen entgangenen Urlaubsgenusses (siehe oben zu 2.): DM
4.700,00
- Reinigungskosten (siehe oben zu 3.): DM 80,00
- Zwischensumme: DM 11.019,04
- abzüglich bereits erfolgter Zahlung: DM 2.276,00
- Restbetrag: DM 8.743,04
6. Der unbeanstandet gebliebene Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1,
288 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F..
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 92 Abs.
1 Satz 1 ZPO. Sie berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der
Parteien in den beiden Rechtszügen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckungsschutz ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO. Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen. Für eine
Zulassung der Revision (vgl. § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO) bestand kein Anlass.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.