Urteil des OLG Frankfurt vom 10.08.2010

OLG Frankfurt: gewerbesteuer, anpassung, unechte rückwirkung, genehmigung, aufzählung, zukunft, verzinsung, begriff, daten, unternehmen

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 W 4/09 (Kart)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 2 ARegV, § 7 Abs 6
ARegV, § 9 Abs 2 ARegV, § 24
Abs 3 ARegV, § 25 Abs 1
ARegV
(Vereinfachte Elektrizitätsnetzentgeltgenehmigung:
Zwingende Folgeanpassung der kalkulatorischen
Gewerbesteuer wegen Aktualisierung der
Eigenkapitalverzinsung; gesetzliche Vorgabe für eine
sektorspezifische Produktivitätsentwicklung;
pauschalierter Investitionszuschlag wegen
Vertrauensschutzes für den von einer Gesetzesänderung
Betroffenen)
Leitsatz
1. Eine Anpassung der kalkulatorischen Gewerbesteuer ist weder in der ARegV
vorgesehen noch stellt sie eine zwingende Folgeanpassung wegen der Änderung des
Ansatzes für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung dar.
2. § 21 a Absatz 6 Satz 1 i. V. m. Absatz 5 Satz 1 EnWG enthält eine ausreichende
gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung eines generellen sektoralen
Produktivitätsfaktors.
3. Ein Anspruch auf einen pauschalierten Investitionszuschlag nach § 25 ARegV besteht
im vereinfachten Verfahren (§ 24 ARegV) auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes für solche Netzbetreiber, die einen Antrag auf Teilnahme am
vereinfachten Verfahren vor der Änderung des § 24 Absatz 3 ARegV gestellt haben.
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Festlegungsbescheid der
Beschwerdegegnerin vom 9.12.2008 – Aktenzeichen III 2 A – 075 s 10 – 464#004 –
wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich
der notwendigen Auslagen der Beschwerdegegnerin und der Beigeladenen zu
tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird durch gesonderten
Beschluss festgesetzt werden.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung der Erlösobergrenzen
durch die Beschwerdegegnerin.
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz in der Stadt ....
Insgesamt werden von ihr 8.748 Einwohner mit Strom versorgt. Mit Bescheid vom
21.12.2007 genehmigte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin auf der
Grundlage des Jahres 2006 befristet bis zum 31.12.2008 Höchstnetzentgelte. Der
Genehmigung lagen anerkannte Kosten in Höhe von 1.808.596,- € zugrunde.
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Für die erste Anreizregulierungsperiode nach der Anreizregulierungsverordnung
vom 29.10.2007 (ARegV) genehmigte die Beschwerdegegnerin der
Beschwerdeführerin die Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV.
Durch den angefochtenen Bescheid vom 9.12.2008 setzte die
Beschwerdegegnerin die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen der
Beschwerdeführerin für den Zeitraum der ersten Regulierungsperiode fest. Den
Antrag der Beschwerdeführerin auf Anpassung der Erlösobergrenzen durch
Einbeziehung eines pauschalierten Investitionszuschlages gemäß § 25 ARegV
lehnte sie ab, weil nach § 24 Abs. 3 ARegV in der Fassung vom 12.4.2008 § 25
ARegV im vereinfachten Verfahren nicht anwendbar sei. Wegen der Einzelheiten,
insbesondere der Begründung, wird auf den Bescheid (Bl. 28 – 46 d.A.) Bezug
genommen.
Mit der Beschwerde greift die Beschwerdeführerin diesen Bescheid in drei Punkten
an.
Sie meint, die Beschwerdegegnerin hätte als Folge der Anpassung der
Eigenkapitalverzinsung bei der Feststellung des Ausgangsniveaus für die
Bestimmung der Erlösobergrenze gegenüber den Kosten der letzten
Netzentgeltgenehmigung vor Beginn der Anreizregulierung zwingend auch die
kalkulatorische Gewerbesteuer anpassen müssen. Kalkulatorische
Eigenkapitalverzinsung und kalkulatorische Gewerbesteuer bildeten eine
untrennbare Einheit. Damit habe die Beschwerdegegnerin die Vorgaben in § 6 Abs.
2 ARegV missachtet.
Danach gelte das Ergebnis der Kostenprüfung nicht als Ausgangsniveau; es sei nur
als Grundlage für eine neue Entscheidung der Beschwerdegegnerin
„heranzuziehen“. Die Änderung der Variable „Eigenkapitalzinssatz“ aufgrund der
Regelung des § 7 Abs. 6 StromNEV führe denknotwendig zur Änderung zweier
Kostenpositionen, nämlich der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung und der
kalkulatorischen Gewerbesteuer.
Bei einem Gewerbesteuersatz von 13,79 % hätte, so meint die
Beschwerdeführerin, die kalkulatorische Gewerbesteuer in Höhe von bisher
25.758,-- € um 3.258,-- € angepasst werden müssen, so dass Gewerbesteuer in
Höhe von 29.016,-- € in das Ausgangsniveau und schließlich in die Berechnung der
Erlösobergrenzen hätte eingehen müssen. Die unterbliebene Anpassung der
Gewerbesteuer führe zu Erlösobergrenzen, die – bezogen auf die gesamte
Regulierungsperiode – um insgesamt 16.226,-- € niedriger seien.
Die sich aus den Unternehmessteuerreformgesetz ergebenden Veränderungen
wirkten sich nicht auf die Anpassung der kalkulatorischen Gewerbesteuer aus.
Zum einen habe die Beschwerdegegnerin diese Änderungen selbst nicht im
Rahmen der Erlösobergrenzenfestlegung vom 9.12.2008 beachtet. Zum anderen
stelle die Anwendung der neuen Gesetzeslage im GewStG bei einer Anpassung
des Ausgangsniveaus eine völlig neue Ermessensentscheidung dar, welche
unzulässig sei. Darüber hinaus sei sie auch nach einer Berechnung unter
Berücksichtigung der Grundsätze der Unternehmensteuerreform materiell
beschwert. Bei einem Gewerbesteuersatz von danach 13,3, % statt ehemals 13,79
% hätte die kalkulatorische Gewerbesteuer in Höhe von 2.221,-- € angepasst
werden und damit eine kalkulatorische Gewerbesteuer von 27.979,-- € statt
25.758,-- € in das Ausgangsniveau eingehen müssen.
Die Beschwerdeführerin vertritt ferner die Auffassung, ihr sei ein pauschaler
Investitionszuschlag gemäß § 25 ARegV zu gewähren. Da sie den Antrag auf
Teilnahme am vereinfachten Verfahren bereits vor der Änderung des § 24 Abs. 3
ARegV, nämlich am 14.12.2007 gestellt und einen pauschalierten
Investitionszuschlag am 19.2.2008 beantragt habe, sei die Fassung der
Verordnung im Zeitpunkt der Antragstellung anzuwenden. Grundsätzlich sei zwar
der Zeitpunkt der Behördenentscheidung für die Rechtslage maßgeblich. Dies
gelte jedoch nicht, wenn sich - wie in ihrem Falle - schutzwürdiges Vertrauen auf
eine bestehende Regelung gebildet habe und deswegen Dispositionen für die
Zukunft getroffen worden seien oder die Rechtsposition nachträglich im Ganzen
entwertet werde. Der pauschalierte Investitionszuschlag habe zu ihrer
Entscheidung beigetragen, das vereinfachte Verfahren zu wählen.
Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass die
Beschwerdegegnerin bei der Berechnung der jährlichen Erlösobergrenzen nicht
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Beschwerdegegnerin bei der Berechnung der jährlichen Erlösobergrenzen nicht
von einem gesamtwirtschaftlichen, sondern von einem sektoralen
Produktivitätsfortschritt ausgegangen ist. Sie meint, die Regelung in § 9 ARegV
verstoße gegen § 21a Abs. 5 S. 1 und Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG. Nach § 21a Abs. 5
S. 1 EnWG sei nur die inflationsbereinigte gesamtwirtschaftliche
Produktivitätsentwicklung zu berücksichtigen. Auch in den Gesetzesmaterialien
zum EnWG finde eine sektorale Produktivitätsentwicklung an keiner Stelle
Erwähnung. Eine Berücksichtigung weiterer Faktoren bei der Bestimmung der
Effizienzvorgaben könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass § 21a Abs. 5
S. 1 EnWG einzelne Faktoren als „insbesondere“ zu berücksichtigen benenne. Das
Gesetz regele lediglich abschließend und nach dem Wortlaut unmissverständlich,
dass die gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung für die Bestimmung der
Effizienzvorgaben maßgeblich sei. Auch § 21a Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG, der
Regelungen zum Verfahren bei der Berücksichtigung der Inflationsrate vorsehe,
ermächtige den Verordnungsgeber nicht dazu, anstelle der gesamtwirtschaftlichen
eine höhere sektorale Produktivitätssteigerung zu berücksichtigen. Überdies sei es
auch rechtswidrig, dass der Verordnungsgeber den sektoralen Produktivitätsfaktor
für die ersten beiden Regulierungsperioden betragsmäßig mit 1,25 % bzw. 1,5 %
bestimmt habe. Dies widerspreche dem Prinzip der sogenannten
Methodenrobustheit in § 23 a Abs. 5 S. 5 EnWG, wonach der Wert zur Ermittlung
der Höhe des sektoralen Produktivitätsfortschritts nach dem Stand der
Wissenschaft zu ermitteln sei. Mit den pauschalen Festlegungen setze sich der
Verordnungsgeber jedoch an die Stelle wissenschaftlicher Ermittlungen. Die
Befugnis zur Festlegung von Pauschalwerten folge auch nicht aus der generellen
Befugnis in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG zur näheren Ausgestaltung der Methode
der Anreizregulierung und ihrer Durchführung. Jede Festlegung zum
Produktivitätsfaktor müsse den Vorgaben in § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG folgen und
tatsächlichen Entwicklungen des Strom- bzw. Gassektors im Vergleich zur
Gesamtwirtschaft entsprechen und dürfe nicht vorab festgelegt werden. Die
pauschale Vorabfestlegung der Höhe des sektoralen Produktivitätsfortschritts sei
auch nicht durch die im Bericht der Beteiligten vom 30.6.2006 (Randnummern 261
ff.) angeführten methodischen Probleme und nicht wegen verfügbarer adäquater
Datengrundlagen gerechtfertigt. Eine generelle sektorale Produktivitätsvorgabe
dürfe es aus Gründen der Rechtssicherheit so lange nicht geben, wie die
erforderliche Datengrundlage für eine wirtschaftswissenschaftlich fundierte
Berechnung fehle. Der von der Beteiligten in ihrem Bericht ermittelte Wert von
2,54 % als genereller sektoraler Produktivitätsfaktor sei nicht sachgerecht.
Zumindest verstoße die ARegV insoweit gegen § 21a Abs. 4 S. 6 EnWG, als sich
der Faktor für den sektoralen Produktivitätsfortschritt auch auf vorübergehend
nicht beeinflussbare Kostenanteile im Sinne des § 11 Abs. 2 ARegV beziehe.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Festlegungsbescheid der Beschwerdegegnerin vom 9.12.2008 –
Aktenzeichen III 2 A -075 s 10 - 464#004 – aufzuheben und die
Beschwerdegegnerin analog § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zu verpflichten, einen
Feststellungsbescheid mit Wirkung zum 1.1.2009 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin meint, der Antrag sei insoweit unzulässig, als die
Beschwerdeführerin in Form der Verpflichtungsbeschwerde die Festlegung der
Erlösobergrenze angreift und sie (die Beschwerdegegnerin) verpflichtet werden
soll, einen Feststellungsbescheid gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts zu
erlassen, da die Festsetzung der Erlösobergrenze von Amts wegen erfolge.
Die Berücksichtigung einer durch höhere Eigenkapitalzinssätze geänderten
kalkulatorischen Gewerbesteuer sei gemäß § 6 Abs. 2 ARegV ausgeschlossen. Aus
Wortlaut, Historie, Systematik sowie Sinn und Zweck dieser Regelung folge, dass
auf das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Entgeltsgenehmigung abzustellen
und eine weitere Kostenprüfung auszuschließen sei. Eine Folgeanpassung ergebe
sich auch nicht wegen der Änderung des Ansatzes für die Kalkulation der
Eigenkapitalverzinsung. Während für diese eine Grundlage durch die speziellere
Norm des § 7 Abs. 6 StromNEV bestehe, gebe es eine Regelung für die Anpassung
der kalkulatorischen Gewerbesteuer nicht. Darüber hinaus ergebe sich für die
Beschwerdeführerin aufgrund des im Rahmen des am 18.8.2007 in Kraft
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Beschwerdeführerin aufgrund des im Rahmen des am 18.8.2007 in Kraft
getretenen Unternehmenssteuerreformgesetzes abgesenkten Messbetrags eine
Senkung der kalkulierten Gewerbesteuer, so dass es an jeglicher materieller
Beschwer ihrerseits fehle.
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Ansicht, § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG stelle
eine hinreichende Ermächtigung für den Verordnungsgeber zur Implementierung
des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors als nähere Methode der
Ausgestaltung einer Anreizregulierung dar. Überdies stelle auch Abs. 6 S. 2 Nr. 5
dieser Bestimmung eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage bereit, da die
Inflationsrate nicht bestimmt werden könne, ohne dass der Produktivitätsfaktor
berücksichtigt werde. Bei der in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG geforderten näheren
Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung komme dem
Verordnungsgeber ein weites Verordnungsermessen zu, was auch daran deutlich
werde, dass § 112a EnWG die Bundesnetzagentur zur Vorlage eines Berichts zur
Einführung der Anreizregulierung verpflichte, durch den erst der Verordnungsgeber
in die Lage versetzt werden sollte, die Methodik der Anreizregulierung durch
Rechtsverordnung näher zu bestimmen. § 9 ARegV widerspreche nicht der in § 21a
Abs. 5 S. 1 EnWG genannten Zielsetzung, die Methode für die Entgeltbildung
vorzugeben, da Anreize für eine effiziente Leistungserbringung methodisch nur
wirksam erreicht würden, wenn die Erlösobergrenzen die allgemeine
Geldentwertung und den hierdurch noch nicht abgebildeten sektoralen
Produktivitätsfortschritt berücksichtigten. Die betragsmäßige Herleitung des
generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für die beiden ersten
Regulierungsperioden liege innerhalb des dem Verordnungsgeber zustehenden
Ermessens und sei fehlerfrei.
Die Beschwerdegegnerin meint ferner, die Beschwerdeführerin könne die
Berücksichtigung eines pauschalierten Investitionszuschlages nicht verlangen, da
dieser schon nach der ursprünglichen Fassung des § 24 Abs. 3 ARegV im
vereinfachten Verfahren nicht vorgesehen gewesen sei. § 25 Abs. 2 und 3 ARegV
nähmen auf die nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 ARegV
bestimmten Kapitalkosten Bezug. Diese Kapitalkosten würden indes nur im
Regelverfahren, nicht aber im vereinfachten Verfahren bestimmt. § 24 Abs. 3
ARegV in der Fassung von 2007 komme vorliegend nicht zur Anwendung.
Maßgeblich im Falle der Verpflichtungsbeschwerde sei der Zeitpunkt der
Antragsstellung. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot läge nicht vor;
Vertrauensschutzgesichtspunkte zugunsten der Beschwerdeführerin auf die
Fortgeltung der alten Rechtslage griffen nicht. m Übrigen seien die von der
Beschwerdeführerin angesetzten Kapitalkosten der Höhe nach nicht
nachvollziehbar.
Die Beteiligte tritt der Argumentation der Beschwerdegegnerin bei.
II.
Der Senat kann im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem sich alle
Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt haben (§ 81 Abs. 1 EnWG).
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Fristen des § 78 Abs. 1
und 3 EnWG eingelegt und begründet worden.
Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig, als die Beschwerdegegnerin - obwohl
die ARegV kein Antragserfordernis vorsieht - verpflichtet werden soll, einen neuen
Bescheid über die Festlegung von Erlösobergrenzen unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Eine Verpflichtungsbeschwerde (auch
in Form der Bescheidungsbeschwerde) ist zur Verwirklichung des Rechtsschutzziels
der Beschwerdeführerin trotz des Wortlauts des § 75 Abs. 3 Satz 1 EnWG
(„Antragsteller“) ebenso wie nach § 63 GWB, dem die Bestimmung des § 75 EnWG
nachgebildet ist, nicht nur in reinen Antragsverfahren zulässig [OLG Stuttgart,
Beschluss v. 21.01.2010 - 202 EnWG 19/09. zitiert nach Juris Rn. 22 m.w.N.]. Eine
Anfechtungsbeschwerde führt nur zur Beseitigung der angefochtenen
Entscheidung. Das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerin - nämlich die
Festlegung höherer als der angefochtenen Grenzen - lässt sich aber durch die
bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht verwirklichen. Die
Beschwerdeführerin hat an einer höheren Festlegung der Erlösobergrenze jedoch
ein berechtigtes Interesse, denn nach dem Regelungssystem der
Anreizregulierung, wie es in EnWG und ARegV ausgestaltet worden ist, kann -
jedenfalls nicht ohne Weiteres - angenommen werden, ein Netzbetreiber sei bei
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jedenfalls nicht ohne Weiteres - angenommen werden, ein Netzbetreiber sei bei
Aufhebung eines Festlegungsbescheids berechtigt, Netzentgelte in beliebiger
Höhe zu erheben [ebenso OLG Stuttgart, wie vor, Rn. 21].
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der angegriffene
Festlegungsbescheid ist fehlerfrei.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die festgelegte Erlösobergrenze mit
drei Einwänden.
1. Anpassung der kalkulatorischen Gewerbesteuer
Die Beschwerdegegnerin hat gemäß § 6 Abs. 2 ARegV zu Recht für die
Bestimmung des Ausgangsniveaus die Kostenprüfung für das Geschäftsjahr 2006
als Basis zugrundegelegt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin war sie
mit Blick auf die zu ihren Gunsten getroffene Anpassung der
Eigenkapitalverzinsung nicht verpflichtet, die kalkulatorische Gewerbesteuer
anzupassen.
Bei der Bestimmung des Ausgangsniveaus für die erste Regulierungsperiode ist
gemäß § 6 Abs. 2 ARegV grundsätzlich auf das Ergebnis der Kostenprüfung der
letzten Entgeltgenehmigung abzustellen, ohne eine erneute Kostenprüfung
vorzunehmen.
Die Wortlautinterpretation des Verordnungstextes legt bereits nahe, dass das
Ergebnis der Kostenprüfung des letzten Bescheids nach § 23a EnWG unverändert
das Ausgangsniveau bildet [so auch Rosin, RdE 2009, 37, 39]. Danach ist „als
Ausgangniveau für die erste Regulierungsperiode (...) das Ergebnis der
Kostenprüfung der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG vor
Beginn der Anreizregulierung, die auf der Datengrundlage des Geschäftsjahres
2006 oder eines früheren Geschäftsjahres basiert, heranzuziehen“. Abgehoben
wird damit auf das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Entgeltgenehmigung.
Dies ist ein bestimmter Endbetrag. Dies überlässt der Regulierungsbehörde für die
Bestimmung des Ausgangsniveaus keinen Entscheidungsspielraum. Die
Verwendung des Begriffes „Ergebnis“ indiziert, dass weder die Kalkulationsschritte,
die zu diesem Ergebnis führen, noch die sich daraus ergebenden Einzelpositionen
für das Ausgangsniveau von Belang sind.
Auch aus dem Begriff „heranzuziehen“ folgt nichts Anderes. „Heranzuziehen“ in
diesem Sinne bedeutet so viel wie „zugrundelegen, zu übernehmen“,
insbesondere aber nicht, dass die Behörde dieses frühere Ergebnis bei ihrer
Entscheidung nur zu berücksichtigen habe.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus einer systematischen Auslegung
der Verordnung entnehmen, weil § 34 Abs. 3 Satz 2 ARegV für dort genannte
Ausnahmefälle besagt, dass sich das Ausgangsniveau für die Bestimmung der
Erlösobergrenzen aus den Kosten „ergibt“, die im Rahmen der letzten
Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG anerkannt worden sind. Es mag
zwar zutreffen, dass der Begriff „sich ergeben“ die Bindung der
Regulierungsbehörde deutlicher ausdrückt als der Begriff „zu übernehmen“ [Rosin,
a. a. O.]. Der Verordnungsgeber hat mit der unterschiedlichen Wortwahl jedoch
nicht anordnen wollen, dass bei der Festlegung des Ausgangsniveaus auch
unterschiedlich vorzugehen sei [so aber Rosin, a. a. O., S. 40]. Für ein solches
unterschiedliches Verständnis der beiden Begriffe ist kein sachlicher Grund
ersichtlich. Es bleibt unklar, weshalb das Ergebnis der letzten Kostenprüfung in den
Fällen des § 34 Abs. 3 Satz 2 ARegV eine stärkere Bindungskraft haben soll als in
den allgemeinen Fällen, die nach § 6 Abs. 2 ARegV zu beurteilen sind.
Bestätigt wird dies durch die Verordnungshistorie und die Systematik des § 6
ARegV. In der Entwurfsbegründung zu § 6 Abs. 2 ARegV wird die Regelung
ausdrücklich als Übergangsregelung für die Kostenprüfung vor Beginn der ersten
Regulierungsperiode bezeichnet [BRats-Drs- 417/07 vom 15.6.2007, S. 47]. Als
solche verknüpft sie die erste Regulierungsphase der kostenorientierten
Entgeltbildung mit der zweiten Phase der Anreizregulierung. Für die erste
Regulierungsphase gilt daher die Vorgabe des § 6 Abs. 2 ARegV, während die
Regelung des § 6 Abs. 1 ARegV die Bestimmung des Ausgangsniveaus für die
weiteren Regulierungsperioden regelt. Diese sieht für diese weiteren
Regulierungsperioden ausdrücklich eine Kostenprüfung nach bestimmten Normen
der StromNEV vor, während für die erste Regulierungsperiode diese Vorgabe fehlt.
Vielmehr stellt § 6 Abs. 2 ARegV davon abweichend auf das Ergebnis der
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Vielmehr stellt § 6 Abs. 2 ARegV davon abweichend auf das Ergebnis der
Kostenprüfung der letzten Entgeltgenehmigung ab.
Die Gegenüberstellung der Absätze 1 und 2 des § 6 ARegV macht demnach
deutlich, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers auf eine erneute
Kostenprüfung verzichtet werden soll. Dies folgt im Übrigen aus der
Verordnungsbegründung zu § 6 Abs. 2 ARegV. Dort heißt es: „Im Interesse einer
möglichst einheitlichen Datenbasis und zur Sicherstellung einer geordneten
Abwicklung des Effizienzvergleichs ist auszuschließen, dass aufgrund im Jahre 2008
ggf. neu gestellter Anträge der Netzbetreiber auf Genehmigung von Netzentgelten
nach § 23a EnWG auch Ergebnisse von Kostenprüfungen zu berücksichtigen wären,
die auf dem Geschäftsjahr 2007 basieren“ [BRat-Drs. 417/07 (Beschluss) vom
21.9.2007, Seite 3]. Der Verordnungsgeber will somit für die erste
Regulierungsperiode eine möglichst einheitliche Datenbasis und eine geordnete
Abwicklung des Effizienzvergleichs erzielen. Daher sollen Kostenprüfungen auf der
Grundlage des Geschäftsjahres 2007 ausgeschlossen sein. Daraus wird ersichtlich,
dass generell Prüfungen der Kosten unterbleiben sollen, die die Feststellung
(einheitlicher) Daten und die geordnete Abwicklung des Effizienzvergleichs
erschweren oder verzögern. Diese vom Verordnungsgeber nicht gewünschten
Auswirkungen träten in gleicher Weise ein, wenn es zur Neuprüfung der Kosten des
Geschäftsjahres 2007 oder – wenn vielleicht auch nur vermindert – zur
Überprüfung der bereits geprüften Kosten des Geschäftsjahres 2006 kommt
(insoweit anders Rosin, a. a. O., S. 40 ff.). Dabei ist es gleichgültig, ob die
Ermittlung im Einzelfall schwierig oder einfach ausfällt.
Danach ist allein das Ergebnis der letzten Kostenprüfung heranzuziehen. Bei einer
Auslegung, derzufolge auch in der ersten Regulierungsperiode zumindest bei
einzelnen Kostenpositionen wie der kalkulatorischen Gewerbesteuer eine
Kostenprüfung entsprechend des § 6 Abs. 1 ARegV durchzuführen wäre, ergäbe
die Regelung des § 6 Abs. 2 ARegV keinen Sinn.
Eine Anpassung der kalkulatorischen Gewerbesteuer ist weder in der Verordnung
vorgesehen, noch hat sie als zwingende Folge der Änderung des Ansatzes für die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung zu erfolgen. Dass die Beschwerdegegnerin
das Ausgangsniveau bei der Kostenposition „kalkulatorische
Eigenkapitalverzinsung“ aktualisiert hat, ist durch § 7 Abs. 6 StromNEV
vorgegeben. Danach entscheidet über die Eigenkapitalzinssätze nach § 21 Abs. 2
EnWG die Regulierungsbehörde, welche die Eigenkapitalzinssätze vor Beginn einer
Regulierungsperiode, erstmals zum 1.1.2009, für die Dauer einer
Regulierungsperiode festzulegen hat.
Dieser Verpflichtung ist die Beschwerdegegnerin durch Festlegung vom 25.8.2008
nachgekommen; für die Bestimmung der Erlösobergrenze zu Beginn der
Anreizregulierung hat sie für die Dauer der ersten Anreizregulierungsperiode für
Neuanlagen einen Eigenkapitalzinssatz von 9,29 % vor Steuern und für Altanlagen
einen Eigenkapitalzinssatz von 7,56 % vor Steuern festgelegt. Entsprechend hat
die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Erlösobergrenzenfestsetzung die
Eigenkapitalverzinsung an ihre Festlegung zum Eigenkapitalzinssatz vom
25.8.2008 angepasst [vgl. Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr. 37 vom
8.9.2008, S. 2445]. Daraus folgt aber nicht, dass deswegen auch die
kalkulatorische Gewerbesteuer hätte angepasst werden müssen, auch wenn die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung eine wesentliche Ausgangsgröße der
kalkulatorischen Gewerbesteuer ist. Die Beschwerdegegnerin verstößt durch ihr
Vorgehen nicht gegen § 6 Abs. 2 ARegV und geht nicht von einer falschen
Kostenbasis aus.
Grundsätzlich ist zwar gemäß § 6 Abs. 2 ARegV die Eigenkapitalverzinsung
heranzuziehen, die dem Ergebnis der letzten Kostenprüfung nach § 23 EnWG
entspricht. Insoweit steht § 7 Abs. 6 StromNEV, wonach die Anpassung der
Eigenkapitalzinssätze durch Festlegung der Regulierungsperiode zu erfolgen hat, in
einem Spannungsverhältnis zu § 6 Abs. 2 ARegV. Da beide Vorschriften denselben
Sachverhalt, nämlich die Bestimmung des ersten Ausgangsniveaus der
Erlösobergrenzen erfassen, und dieser Sachverhalt hinsichtlich des
Tatbestandsmerkmals Eigenkapitalzinssatz in § 7 Abs. 6 StromNEV spezieller
ausgestaltet ist, stellt sich § 7 Abs. 6 StromNEV bezüglich der
Eigenkapitalverzinsung als eine Spezialregelung zu § 6 Abs. 2 ARegV dar, die somit
Vorrang vor diesem genießt. Diese Sichtweise ist auch nach Sinn und Zweck
geboten. Denn die Regelung des § 7 Abs. 6 StromNEV würde leer laufen, wenn die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung nicht neu berechnet würde.
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Die Entstehungsgeschichte gibt keinerlei Hinweis darauf, dass neben der
Eigenkapitalverzinsung auch die kalkulatorische Gewerbesteuer anzupassen wäre.
In der Entwurfsbegründung zur Änderung der StromNEV heißt es lediglich, dass die
Regulierung zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze an das neue System der
Anreizregulierung angepasst werden solle [s. BRats-Drs. 417/07 v. 15.6.2007. S.
77 zu Nr. 2].
In der Literatur ist – soweit ersichtlich – offen, ob das Ausgangsniveau neben der
kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung auch hinsichtlich der kalkulatorischen
Gewerbesteuer zu korrigieren ist und ob dann auch die Veränderungen aufgrund
des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 und etwaige Veränderungen der
Hebesätze zu berücksichtigen sind. Mangels klarer Vorgaben und angesichts des
engen Zeitrahmens für die Bestimmung der Erlösobergrenzen scheint eine
Beschränkung auf die Korrektur der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung
denkbar [Weyer, RdE 2008, 261 (263)].
Zwar hat der Verordnungsgeber für das Entgeltgenehmigungsverfahren die
Absetzbarkeit der kalkulatorischen Gewerbesteuer als Kostenposition anerkannt
und deren Berechnung der Eigenkapitalverzinsung folgen lassen. Während die
Verzinsung des Eigenkapitals nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG ein wesentliches
Merkmal zur Sicherung der Effizienz und der Wettbewerbsorientierung darstellt,
legt § 8 StromNEV fest, dass im Entgeltgenehmigungsverfahren die
Eigenkapitalverzinsung lediglich Bemessungsgrundlage für die kalkulatorische
Gewerbesteuer ist. Beide Kostenpositionen stehen deshalb unabhängig
nebeneinander. Hätte der Verordnungsgeber die Umlagefähigkeit nicht
angeordnet, so könnte die Gewerbesteuer unabhängig von § 7 Abs. 4 StromNEV
nicht in Ansatz gebracht werden, Ursprünglich war im Gesetzgebungsverfahren
eine Berücksichtigung der Gewerbesteuer als kalkulatorische Kostenposition sogar
abgelehnt und nur die Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer
für sachgerecht erachtet worden. Vor diesem Hintergrund zwingt die Änderung der
Berechnung der Eigenkapitalverzinsung nicht zu einer Anpassung auch der
kalkulatorischen Gewerbesteuer.
Es ist nicht zu verkennen, dass nach § 7 Abs. 6 StromNEV - worauf die
Beschwerdeführerin hinweist – nicht die Eigenkapitalverzinsung geändert wird,
sondern nur die Eigenkapitalzinssätze .
Entscheidend ist aber, dass § 7 Abs. 6 StromNEV nicht nur auf
Eigenkapitalzinssätze verweist, sondern auf solche nach § 21 Abs. 2 EnWG.
Demnach stellt die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze in § 7 Abs. 6 StromNEV
entsprechend den übergeordneten Vorgaben des § 21 Abs. 2 EnWG als
höherrangiges Recht ein wesentliches Merkmal zur Sicherung der Effizienz und
Wettbewerbsorientierung des Unternehmens dar [Missling in Danner/Theobald,
Energierecht Kom., Bd. 1, § 21 EnWG [6/2008], 74 und 75; allg. Salje, EnWG [2006]
§ 21 Rn. 32 und 33]. Es geht darum, den Unternehmen gerade für die Zukunft der
ersten Anreizregulierungsperiode eine angemessene, wettbewerbsfähige und
risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu ermöglichen. Dieser
Zweck wird von der kalkulatorischen Gewerbesteuer nicht verfolgt. Die
kalkulatorische Gewerbesteuer dient insoweit lediglich dazu, die dem Netzbetrieb
zuzuordnenden Gewerbesteuern abzubilden. Sie hat damit in der kalkulatorischen
Rechnung eine gänzlich andere Funktion als die Verzinsung des eingesetzten
Kapitals. Der Ausnahmecharakter in der Regelung des § 7 Abs. 6 StromNEV
rechtfertigt aber nur die Sonderbehandlung des für die Effizienz und
Wettbewerbsorientierung herausragenden Elements der Eigenkapitalverzinsung
und nicht, weitere Kostenpositionen wie die kalkulatorische Gewerbesteuer
ebenfalls ausnahmsweise zu aktualisieren, zumal die kalkulatorische
Gewerbesteuer nur zum Zwecke der Schaffung einer Bemessungsgrundlage an
die Eigenkapitalverzinsung angelehnt wird und keinen untrennbaren
Zusammenhang mit dieser bildet, wie es die Beschwerdeführerin meint [vgl. OLG
Stuttgart, Beschluss v. 21.1.2010 – 202 EnWG 3/09, Seite 23, vorgelegt als Anl. BG
10]. Damit erwächst kein Anspruch des Netzbetreibers auf Anpassung der
Kostenpositionen, die an die Kostenposition Eigenkapitalverzinsung nur als
Berechnungsfaktor anknüpfen, so dass es bei der Vorgabe des § 6 Abs. 2 ARegV
bleiben muss [vgl. auch OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 18.1.2010 – VI-3
Kart 200/09 (V) – Seite 5, vorgelegt als Anl. BG 8 sowie Hinweisbeschluss vom
22.2.2010 – VI-3 Kart 66/09 (V) – Seite 4, vorgelegt als Anl. BG 12; a.A. OLG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.3.2010 – 16 Kart 51/09].
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2. Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin ferner dagegen, dass der
angefochtene Bescheid den gemäß § 7 ARegV i. V. m. Anlage 1 zu dieser
Vorschrift und § 9 ARegV vorgesehenen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor
in die Erlösobergrenze eingerechnet hat [ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom
21.01.2010, 202 EnWG 19/09, Seite 8 ff – Anl. BG 7; OLG Düsseldorf,
Hinweisbeschluss v. 18.1.2010 – VI-3 Kart 200/09 (V), Seite 12 ff – Anl. BG 8; OLG
Schleswig, Beschluss vom 25.03.2010 -16 Kart 34/09, zitiert nach juris Rn. 68 ff.;
a.A. OLG Naumburg, Beschluss vom 5.11.2009, 1 W 6/09 (EnWG), zitiert nach juris
Rn. 75; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010, Kart W 2/09, Seite 11 ff –
Anl. BG 9 ].
Die Verordnung ist insoweit nicht nichtig. Das EnWG enthält in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr.
2 in Verbindung mit Abs. 5 S. 1 eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Nach
Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen
ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Dadurch
wird der Gesetzgeber angehalten, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu
treffen, und, sofern er Einzelregelungen einer Verordnung überlassen will, die
Tendenz und das Programm schon so weit zu umreißen, dass sich Zweck und
möglicher Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Allerdings müssen sich die
gesetzlichen Vorgaben nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der
Ermächtigungsnorm ergeben. Es genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner
Auslegungsgrundsätze wie dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der
Vorgeschichte des Gesetzes ermitteln lassen [z. B. BVerfGE 80, 1, 20]. Danach
genügt § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG den grundgesetzlichen Anforderungen, indem
er dem Verordnungsgeber die Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung
überträgt und inhaltlich auf Abs. 5 verweist [BGH NVwZ-RR 2008, 315, 319 Rdn.
44]. § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG bezeichnet als Regelungsgegenstand allgemein die
Bestimmung unternehmensindividueller oder gruppenspezifischer Effizienzziele auf
der Grundlage eines Effizienzvergleichs. Dazu gehört bei
wirtschaftswissenschaftlicher Betrachtung auch ein genereller sektoraler
Produktivitätsfaktor. Es ist gerade ein Kernziel der Anreizregulierung, dass
Produktivitätsfortschritte auszunutzen sind. Die Berücksichtigung der sektoralen
Produktivitätsentwicklung ist somit eine nach § 21a S. 1 Abs. 6 Nr. 2 EnWG
zulässige Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung. Sie ermöglicht
nämlich eine angemessenere Bestimmung gruppenspezifischer Effizienzziele (Abs.
5 S. 1), weil sie nicht bei der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung
stehenbleibt, sondern die besondere Möglichkeiten einer Produktivitätsausweitung
im Bereich des Strom- und Gastransports einbezieht. Wie die Bundesnetzagentur
in ihrem Bericht „Anreizregulierung“ zutreffend dargelegt hat, würde die bloße
Orientierung der Preis- oder Erlösvorgaben an der Produktivitätsentwicklung der
Volkswirtschaft die sektorspezifische Produktivitätsentwicklung nicht
berücksichtigen. Dadurch könnte bewirkt werden, dass die Netzbetreiber bei zu
starken Effizienzsteigerungsvorgaben überlastet oder die Kunden bei zu geringen
Vorgaben übervorteilt werden. Die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen
Produktivitätsentwicklung muss daher ins Verhältnis zur sektoralen
Produktivitätsentwicklung gesetzt werden, damit die Auswirkungen auf
Netzbetreiber einerseits und Kunden andererseits angemessen berücksichtigt
werden [Bericht Anreizregulierung Rdn. 773; ebenso Müller-Kirchenbauer in:
Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 2008, § 17 Rdn. 7].
Dabei steht der Berücksichtigung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors
nicht entgegen, dass § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG lediglich die Berücksichtigung der
inflationsbereinigten gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung nennt. Denn
die dortige Aufzählung der zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Größen ist, wie
aus dem vorangestellten Wort „insbesondere“ deutlich wird, lediglich beispielhaft.
Sie räumt dem Verordnungsgeber vielmehr die Möglichkeit ein, gleichliegende
Größen in die Effizienzvorgaben zu implementieren, durch die sich
unternehmensindividuelle oder gruppenspezifische Effizienzziele besser
bestimmen lassen. Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der
sektorale Produktivitätsfaktor erst recht ausdrücklich in das Gesetz hätte
aufgenommen werden müssen, weil der vom Gesetz erwähnte
gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt für die Netzbetreiber weniger
gravierend sei (Bl. 227 d. A.). Der sektorale Produktivitätsfaktor ist nicht
gravierender, sondern spezieller als der gesamtwirtschaftliche
Produktivitätsfortschritt, mag er auch zeitweise oder gar vorherrschend höher
ausfallen. Aus den gleichen Gründen kann auch die beispielhafte Aufzählung von
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ausfallen. Aus den gleichen Gründen kann auch die beispielhafte Aufzählung von
Regelungsgegenständen durch § 21a Abs. 6 S. 2 EnWG als nicht abschließend
angesehen werden, so dass es den in Frage gestellten
Verordnungsbestimmungen nicht entgegensteht, dass § 21a Abs. 5 S. 2 Nr. 5
EnWG lediglich das Verfahren bei der Berücksichtigung der Inflationsrate erwähnt.
§ 9 Abs. 2 ARegV ist auch nicht deshalb nichtig, weil der Verordnungsgeber durch
die Festlegung pauschaler Produktivitätsfaktoren für die ersten beiden
Regulierungsperioden sein Ermessen überschritten habe [zweifelnd allerdings
Pohl/Rädler, RdE 2008, 306, 309]. Die Beschwerdegegnerin weist zutreffend darauf
hin, dass der weite Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers im EnWG auch
dadurch angelegt ist, dass das Gesetz in § 112a vor Erlass der Verordnung einen
Bericht der Bundesnetzagentur vorsieht, durch den erst der Verordnungsgeber die
fachlichen Kenntnisse erhält, um die Methodik der Anreizregulierung näher zu
bestimmen.
Die Bundesnetzagentur hat in ihrem „2. Referenzbericht Anreizregulierung“ vom
26.1.2006 für die Energiewirtschaft einen sektoralen Produktivitätsfortschritt
ermittelt, der um 2,54 % p. a. über dem Produktivitätsfortschritt der
Gesamtwirtschaft liegt [Randnummern 124 und 131]. Dem hält die
Beschwerdeführerin zunächst entgegen, dass dieser Wert die Energiewirtschaft
insgesamt und nicht speziell den Bereich der Netzbetriebe betrifft [2.
Referenzbericht, Randnummern 94, 111 und 130]. Dies hat seine Ursache darin,
dass Daten für den entflochtenen Netzbetrieb zum Ermittlungszeitpunkt nicht
vorlagen. Dies ist jedoch deshalb im Ergebnis unbedenklich, weil eine ausreichende
Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Potenzial für Produktivitätsfortschritte
im Netzbereich größer ist als im umfassenden Bereich der Energiewirtschaft. Die
Beschwerdegegnerin führt dazu zutreffend an, dass aufgrund des traditionellen
und ungeschmälerten natürlichen Monopols der Netzbetriebe gerade dieser
Wirtschaftsbereich innerhalb der gesamten Energiewirtschaft am wenigsten
Effizienzanreizen ausgesetzt war [2. Referenzbericht Randnummer 157]. Es ist
deshalb nicht nur vertretbar, sondern naheliegend, für den Betrieb von
Energietransportnetzen einen möglichen Produktivitätsfortschritt zu unterstellen,
der jedenfalls nicht geringer anzusetzen ist als für die Energiewirtschaft insgesamt.
Da der Verordnungsgeber darüber hinaus mit den in § 9 Abs. 2 ARegV
aufgenommenen Pauschalwerten von 1,25 % beziehungsweise 1,5% p. a. den
festgestellten Wert von 2,54 % p. a. noch deutlich unterschreitet und damit zudem
im unteren Bereich von sektoralen Produktivitätsfaktoren liegt, die in anderen
Ländern angesetzt werden [Bericht „Anreizregulierung“, Rdn. 824], kann von einer
Überschreitung des durch das EnWG eingeräumten Ermessens keine Rede sein.
Insbesondere musste der Gesetzgeber auch nicht wegen mangelnder
Datengrundlage für den Bereich der Energie- und Gasnetze auf die
Implementierung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors verzichten [so
jedoch Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 2. Aufl., Seite
246]. Dass andere Studien – wie das Gutachten der PwC WPG AG mit 0,29 %
[Bericht der Bundesnetzagentur nach § 112a EnWG zur Einführung der
Anreizregulierung nach § 21a EnWG vom 30.6.2009, Rdn. 808 ff.] – zu anderen und
niedrigeren Ergebnissen kommen, hinderte den Verordnungsgeber nicht, den 2.
Referenzbericht der Beteiligten zugrunde zu legen und die Einwendungen gegen
den Bericht durch Abschläge zu berücksichtigen.
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin weiterhin dagegen, dass der
allgemeine sektorale Produktivitätsfaktor auch auf die vorübergehend nicht
beeinflussbaren Kostenanteile angewendet wird. Dem steht § 21a Abs. 4 S. 6
EnWG nicht entgegen. Das Gesetz besagt hierzu, dass Effizienzvorgaben nur auf
die beeinflussbaren Kostenanteile zu beziehen sind. Die vorübergehend nicht
beeinflussbaren Kostenanteile im Sinne von § 11 Abs. 3 ARegV gehören jedoch zu
den von § 21a Abs. 4 EnWG geregelten beeinflussbaren Kostenanteilen. Das EnWG
enthält noch nicht die Dreiteilung in dauerhaft nicht beeinflussbare, vorübergehend
nicht beeinflussbare und beeinflussbare Kostenanteile, sondern unterscheidet nur
zwischen den beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenanteilen. § 11 Abs.
2 ARegV übernimmt die gesetzliche Regelung der nicht beeinflussbaren
Kostenanteile durch eine Erweiterung der gesetzlichen Beispiele (gesetzliche
Abnahme- und Vergütungspflichten, Konzessionsabgaben und Betriebssteuern).
Als vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile behandelt die Verordnung
nur die nach Abzug der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile
verbleibenden Gesamtkosten multipliziert mit dem bereinigten Effizienzwert.
Damit ist ausgeschlossen, dass dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile als
vorübergehend beeinflussbar behandelt werden. Es entspricht somit sowohl dem
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vorübergehend beeinflussbar behandelt werden. Es entspricht somit sowohl dem
Wortlaut des § 21a Abs. 4 EnWG als auch dessen Regelungszweck, die
vorübergehend nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu den beeinflussbaren
Kostenanteilen im Sinne von § 21a Abs. 4 S. 6 EnWG zu rechnen.
3. Pauschalierter Investitionszuschlag
Die Beschwerdegegnerin hat es mit Recht abgelehnt, in die Erlösobergrenze
gemäß § 25 ARegV einen pauschalierten Investitionszuschlag einzubeziehen
[ebenso Senat, Beschluss vom 8.6.2010 - 1 W 3/09 (Kart); OLG Naumburg,
Beschluss vom 5.11.2009, 1 W 6/09 (EnWG), zitiert nach juris Rn. 75; OLG
Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010, Kart W 2/09, Seite 7 ff – Anl. BG 9.; OLG
Schleswig, Beschluss vom 25.03.2010 -16 Kart 34/09, zitiert nach juris Rn. 41 ff.;
OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.01.2010, 202 EnWG 19/09, Seite 20 ff – Anl. BG 7;
OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 22.02.2010 – VI-3 Kart 66/09 (V), Seite 6 f–
Anlage BG 12].
Wie in dem angefochtenen Bescheid bereits mit Recht ausgeführt worden ist,
findet § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren gemäß § 24 Abs. 3 ARegV keine
Anwendung. Diese im Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltende Fassung des
§ 24 Abs. 3 ARegV war von der Beschwerdegegnerin anzuwenden.
Generell gilt, dass bei der Anfechtung einer ablehnenden Behördenentscheidung
durch Verpflichtungsklage bzw. –beschwerde die Rechtslage im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht maßgeblich ist [BVerwG NVwZ 1991,
360; Eyermann/J. Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 113 Rdn. 45;
Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rdn. 217]. Ansonsten bestimmt sich nach
dem materiellen Recht, welche Regelungen bei Änderung der dem geltend
gemachten Anspruch zugrundeliegenden Rechtslage anzuwenden sind [BVerwGE
84, 157, 160 f; Eyermann/J. Schmidt, a. a. O., Rdn. 45, 46]. So ist für die Bereiche
des Prüfungs- und des Berufszulassungsrechts entschieden worden, dass ein zur
Zeit der Antragstellung bestehender Rechtsanspruch durch spätere
Rechtsänderungen nicht berührt wird [Kopp/Schenke, a. a. O., Rdn. 223]. Dies kann
indes nicht auf alle Rechtsgebiete verallgemeinert werden [Kopp/Schenke, a. a. O.,
Rdn. 224, 227]. Für eine Abweichung von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des
zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltenden Rechts bietet das
Regulierungsrecht keinen Anhalt. Vielmehr hat die Behörde hier – da sich aus dem
Gesetz nichts Gegenteiliges ergibt – die Rechtslage im Zeitpunkt der
Antragstellung zugrunde zu legen [Senat, Beschluss vom 8.6.2010 –1 W 3/09
(Kart)].
Auch aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergibt sich vorliegend nichts
Anderes. Die Änderung des § 24 Abs. 3 ARegV hat keine „echte“ Rückwirkung im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, weil davon nur die
Rede sein kann, wenn ein Rechtssatz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte,
der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift [z. B. BVerfGE 15, 313,
324], was vorliegend nicht der Fall ist. Ob eine „unechte“ Rückwirkung vorliegt, die
retrospektiv auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und die betroffenen Rechtsposition
nachträglich im Ganzen entwertet [z. B. BVerfGE 59, 128, 16], kann offen bleiben.
Diese wäre im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich jedenfalls
zulässig, da eine Abwägung des gesetzgeberischen Anliegens für das
Allgemeinwohl mit dem schutzwürdigen Vertrauen des von der Gesetzesänderung
Betroffenen zur Zulässigkeit der Ergänzung des Verordnungstextes in § 24 Abs. 3
ARegV führt.
Die Einfügung des § 25 ARegV in die Aufzählung der im vereinfachten Verfahren
nicht anwendbaren Bestimmungen in § 24 Abs. 3 ARegV war nur deklaratorisch,
wie es ebenso die Begründung zur Änderung dieser Vorschrift darstellt [BR-Drucks.
24/08 Seite 8]. Auch vor der Änderung des § 24 Abs. 3 ARegV ergab sich bereits,
dass § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren unanwendbar bleibt. Insofern ist die
Beschwerdeerwiderung zutreffend, die dies aus der Bezugnahme auf § 14 ARegV
in § 25 Abs. 2 und 3 ARegV herleitet. Die in diesen Absätzen vorgenommene
Verweisung auf die nach § 14 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ARegV bestimmten
Kapitalkosten passt für das vereinfachte Verfahren nicht. In diesem werden
Kapitalkosten nicht nach § 14 ARegV ermittelt, sondern wird gemäß § 24 Abs. 2
ARegV gerade anstelle der Ermittlung von Effizienzwerten nach den §§ 12 bis 14
ARegV ein pauschalierter Effizienzwert zugrundegelegt, der in der ersten
Regulierungsperiode 87,5% beträgt. Dem kann nicht entgegen gehalten werden,
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Regulierungsperiode 87,5% beträgt. Dem kann nicht entgegen gehalten werden,
dass die erforderlichen Daten der Regulierungsbehörde aus den Kostenprüfungen
vorlägen [so aber Missling, IR 2008, 201. 205]. Es kommt nicht darauf an, ob ein
pauschalierter Investitionszuschlag ermittelt werden könnte, sondern darauf, dass
er nach dem Willen des Verordnungsgebers im Hinblick auf den
Vereinfachungszweck des vereinfachten Verfahrens nicht ermittelt werden soll.
Dass § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren schon von der Natur der Sache her
unanwendbar war und es eines ausdrücklichen Ausschlusses in § 24 Abs. 3 ARegV
nicht bedurfte, lässt sich schließlich nicht dadurch widerlegen, dass § 24 Abs. 3
ARegV in seiner ursprünglichen Fassung ausdrücklich § 15 Abs. 1 und 2 ARegV von
der Geltung im vereinfachten Verfahren ausnimmt, obwohl auch diese
Bestimmungen von der Natur der Sache her in diesem Verfahren nicht in Frage
kommt. Der Verordnungsgeber wollte ersichtlich nicht durch das Schweigen des §
24 Abs. 3 ARegV zu § 25 ARegV den pauschalierten Investitionszuschlag im
vereinfachten Verfahren zulassen. § 24 Abs. 3 ARegV nannte in seiner
ursprünglichen Fassung ohnehin nur Bestimmungen aus dem vorangehenden Teil
der Verordnung (§§ 1 - 23), was nicht besagen musste, dass die dem § 24 ARegV
nachfolgenden Vorschriften ausnahmslos im vereinfachten Verfahren anzuwenden
waren. Die Beschwerdeführerin konnte deshalb auch schon im Zeitpunkt der
Antragstellung auf Zulassung zum vereinfachten Verfahren durch Auslegung der
§§ 24 und 25 ARegV ohne Weiteres erkennen, dass in diesem Fall ein
pauschalierter Investitionszuschlag nicht in Betracht kommt. Ein schutzwürdiges
Vertrauen auf die Anwendung des § 25 ARegV bestand deshalb nicht. Dass im
Zeitpunkt der Antragstellung teilweise die gegenteilige Ansicht vertreten wurde,
wie von der Landesregulierungsbehörde Baden-Württemberg in ihrem Schreiben
an die Netzbetreiber vom 20.12.2007 (Bl. 237 d. A.), steht dem nicht entgegen.
Denn diese Auffassung war nicht einhellig, vielmehr nahm die Mehrheit der
Regulierungsbehörden schon vor der Ergänzung des § 24 Abs. 3 ARegV den
Standpunkt ein, dass der Zuschlag den Unternehmen, die am vereinfachten
Verfahren teilnehmen, nicht zuzugestehen sei, was auch in der Branche publiziert
wurde [Mitteilungen der Beschwerdegegnerin vom 7.12.2007 an die hessischen
Netzbetreiber, Anl. BG 6; von PwC AG Wirtschaftsprüfergesellschaft auf ihrer
Internetseite www.pwc.de, Anl. BG 4, und Marquardt/Zöckler, e/m/w 2008, S. 2, Anl.
BG 5].
Aus diesen Gründen ergab sich die Geltung des § 25 ARegV im vereinfachten
Verfahren auch nicht aus dem Umkehrschluss aus dessen Abs. 5. Danach finden
die Abs. 1 bis 4 auf Betreiber von Übertragungs- und Fernleitungsnetzen keine
Anwendung. Daraus war nicht zu folgern, dass die Abs. 1 bis 4 in allen anderen
Fällen anzuwenden sind. Denn § 25 Abs. 5 ARegV regelt nur, für welche
Geschäftsbereiche von Netzbetreibern die Einbeziehung eines pauschalierten
Investitionszuschlages ausgeschlossen ist. Dagegen befasst sich die Bestimmung
nicht mit dem Ausschluss aufgrund der gewählten Verfahrensart wie vorliegend
derjenigen des vereinfachten Verfahrens mit pauschalierten Effizienzwerten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 90 Satz 2 EnWG.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 86 Abs. 2 EnWG zuzulassen, da Rechtsfragen
vor grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.