Urteil des OLG Frankfurt vom 24.03.2011

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 38/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Januar 2010 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main – 2/03 O 296/09 – teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes
bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
zu äußern oder zu verbreiten:
„Beim B1 betragen die Kosten für den Anlieger insgesamt 18 % des
Anliegergeldes in die Höhe von 39 Millionen €“, wie in dem Artikel in der Zeitschrift
"A", Ausgabe …/2008, S…, geschehen, ohne einen Bezugszeitraum für die Kosten
zu benennen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 775, 64 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits – und zwar beider Instanzen – tragen die
Klägerinnen 7/8 und die Beklagte 1/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120
% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Anbieterin eines Finanzproduktes mit dem Namen B, einem
Produkt des grauen Kapitalmarktes. Die Beklagte gibt die Zeitschrift „A“ heraus.
Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen aus einem Artikel in dieser Zeitschrift
vom … 2008, der auch durch die Beklagte im Internet veröffentlich wurde und dort
noch verfügbar ist. Es handelt sich um den Beitrag „TÜV – Siegel schützen nicht“.
Das Landgericht hat die auf Unterlassung von vier Äußerungen sowie auf Ersatz
der Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung gerichtet Klage abgewiesen.
Hinsichtlich des Sachverhaltes und der rechtlichen Begründung wird auf den
Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 79 bis
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Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 79 bis
87 der Akte) verwiesen.
Gegen das am 26. Januar 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einer 24.
Februar 2010 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die innerhalb
der verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einer am 1. April 2010 bei Gericht
eingegangen Schrift begründet worden ist.
Die Klägerin verfolgt ihr Unterlassungsbegehren weiter und ist der Ansicht, bei den
vier inkriminierten Äußerungen handelte es sich um unwahre
Tatsachenbehauptungen.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.
Januar 2010 (AZ: 2/03 O 296/09) der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu verbieten, gegenüber dritten folgende
Tatsachen zu äußern:
a. Beim B betragen die Kosten für den Anleger insgesamt 18 % des Anlegergeldes
in Höhe von 39 Mio. €.
b. Zu den Kosten in Höhe von 18 % des Anlegergeldes in Höhe von 39 Mio. €
kommen noch Provisionen in Höhe von 2-4 Mio. € hinzu, die von den
Lebensversicherern direkt an die Vermittler fließen.
c. Es fallen einmalige Kosten in Höhe von 6,28 % der Beteiligungssumme des
Anlegers an.
d. Für die Anleger fallen laufende Kosten pro Jahr in Höhe von 1,4 Prozent der
Beteiligungssumme des Anlegers an.
wie geschehen im Artikel gemäß Anlage K1.
2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in
Höhe von 2.853,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin hat nur bezüglich der
ersten Äußerung teilweise erfolg, im Übrigen bleibt sie erfolglos.
Bezüglich der Äußerung „Beim B betragen die Kosten für den Anleger insgesamt
18 % des Anlegergeldes in Höhe von 39 Mio. €.“ ist das Unterlassungsbegehren
der Klägerin insoweit gerechtfertigt, als diese Äußerung ohne Benennung eines
Bezugszeitraums für die Kosten beim Leser einen irreführenden Eindruck
hinterlässt.
Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung der Klägerin, beim Leser würde der
falsche Eindruck erweckt, die Kosten seien Einmalkosten des Fonds, da nicht
zwischen anfänglichen Kosten, Vertriebskosten und laufenden Kosten differenziert
werde. Vielmehr teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass durch das
Wort „insgesamt“ hinreichend klar gestellt wird, dass es sich nicht nur um die
anfänglichen Einmalkosten handelt. Aber auch wenn dieser Eindruck, die Kosten
seien Einmalkosten des Fonds, nicht erweckt wird, sind die genannten 18 %
irreführend, weil sich beim Leser ein falscher Eindruck über den Bezugszeitraum
der Kosten entwickeln kann.
Ohne Erfolg verweist die Beklagte darauf, dass der ihrer Berechnung zugrunde
gelegte Zehn-Jahres-Zeitraum nicht willkürlich gewählt worden sei, weil – auch
wenn die Auflösung des Fonds zum Stichtag 31. Dezember 2029 prognostiziert
worden sei – auf Seite 61 des Fondsprospekts jedoch von der Kläger selbst
veröffentlich wurde, dass die Prognoseberechnung auf einer vereinfachten
Fondslaufzeit von 10 Jahren nach Abschließung basiere. Denn dem Leser liegt der
Fondsprospekt selber nicht vor, sodass er bezüglich des Bezugszeitpunkts
hinsichtlich der Kosten nur spekulieren kann.
Diesem Umstand hat die Beklagte in einem neueren Testbericht ja auch Rechnung
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Diesem Umstand hat die Beklagte in einem neueren Testbericht ja auch Rechnung
getragen, in dem sie bezüglich des Anlageprodukts B2 einen Bezugszeitraum von
12 Jahren benennt.
Von der Textergänzung bezüglich des Bezugszeitraums abgesehen hat das
Unterlassungsbegehren der Klägerin jedoch keinen Erfolg.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es handele sich bei den genannten 18 %
selbst unter Berücksichtigung eines Zehn-Jahres-Zeitraums um eine
unzutreffende Größe, die unter dieser Voraussetzung bei 17,17 % liege.
Selbst wenn unter Einrechnung des Agios nur Gesamtkosten von 17,17 %
entstünden, wenn ein Zehn-Jahres-Zeitraum zugrunde gelegt würde, wäre eine
Berechnung von 18 % immer noch akzeptabel, da es sich zum einen um eine nicht
erhebliche Abweichung von lediglich 5 % handelt und die Beklagte bezüglich der
Kostenberechnung eine nicht unvertretbare Berechnungsmethode zu Grunde
gelegt hat. Wie die Beklagte unwidersprochen vorträgt, wird diese
Berechnungsmethode von der Beklagten seit dem erstmaligen Erscheinen der
Zeitschrift „A“ im … 1990 zur Berechnung der dem Anleger entstehender Kosten
herangezogen.
Was die Äußerung betrifft "Zu Kosten in Höhe von 18 % des Anlegergeldes in Höhe
von 39 Mio. € komme noch Provisionen von 2- 4 Mio. € hinzu, die von den
Lebensversicherern direkt an die Vermittler fließen.“ besteht ebenfalls kein
Unterlassungsanspruch.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, beim Leser werde der falsche
Eindruck erweckt, die Provisionen kämen noch als Kosten für den Anleger hinzu.
Der Senat folgt vielmehr der Auffassung des Landgerichts, dass entgegen der
Darstellung der Klägerin in der entsprechende Passage die Provisionen nicht als
Kosten für den Anleger erscheinen. Das wird insbesondere durch den folgenden
Satz "Davon hat der Anleger nichts.“ deutlich. In der Tat wird durch diesen Satz
klar gestellt, dass der Anleger diese Kosten nicht zu tragen hat, sondern von
diesen Beträgen lediglich nicht profitiert. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit
geltend, dass allein der Umstand, jemand habe aus bestimmten Beträgen keinen
Nutzen, nicht bedeute, dass er diese Beträge nicht zu zahlen hätte. Diese
Auffassung teilt der Senat nicht. Durch die Formulierung „zu den Kosten…“ wird
nicht der Eindruck erweckt, dass diese Beträge doch zu den Kosten zu rechnen
seien. Aus dem Gesamtzusammenhang des Textes wird deutlich, dass die
gezahlten Provisionen mit den Kosten des Anlegers nicht gleichgesetzt werden.
Auch die Äußerung „Es fallen einmalige Kosten in Höhe von 6,28 % der
Beteiligungssumme des Anlegers an.“ ist nicht zu beanstanden.
Nach der von der Klägerin geforderten Berechnung ergibt sich zwar ein Wert von
5,98 %, der nach ihrer Auffassung bei der Berechnung der Kostenbelastung durch
das Agios zu der Gesamtsumme aus Anlagesumme und Agio in Beziehung zu
setzen sei.
Auch hier liegt aber wiederum eine nur unbedeutende Differenz von 0,3 % vor.
Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte diese Zahl nicht willkürlich ermittelt hat,
sondern diese auf einer von ihr gewählten und bereits langjährig praktizierten
Berechnungsmethode beruht, die nicht unvertretbar erscheint.
Was die vierte Äußerung betrifft, hat die Klägerin das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main zwar auch insoweit angegriffen, lässt aber entgegen § 520 Abs.
3 Satz 2 ZPO jegliche Erklärung dazu vermissen, aufgrund welcher Umstände sich
eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung
ergibt; auch fehlt die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der
Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts
begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
Dem Antrag auf Zahlung vorgerichtlichter Anwaltskosten war anteilig – bezogen
auf einen Streitwert in Höhe von 10.000,00 € und einer Geschäftsgebührt von 1,3 –
zu entsprechend. Zinsen können jedoch erst, wie in der Klageschrift beantragt, ab
dem 11. Juli 2009 verlangt werden; zu dem in der Berufungsbegründung
beantragten früheren Zeitpunkt der Verzinsung fehlt jegliche Begründung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27 Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache
keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung einer Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht erfordert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.