Urteil des OLG Frankfurt vom 02.05.2005

OLG Frankfurt: einstweilige verfügung, vorläufiger rechtsschutz, wiederholungsgefahr, billigkeit, erlass, rücknahme, hauptsache, verzicht, original, quelle

1
2
3
4
5
Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 55/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 269 Abs 3 S 3 ZPO, § 927
ZPO
(Einstweilige Verfügung: Kostentragungspflicht bei
Rücknahme eines Aufhebungsantrags; maßgebender
Zeitpunkt für Eintritt des Aufhebungsgrundes)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die Antragstellerin hat die Kosten
des Aufhebungsverfahrens zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Die gemäß § 269 V ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die
Voraussetzungen des § 269 III, 3 ZPO sind erfüllt, da die Antragsgegnerin ihren
Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO zurückgenommen hat, der Anlass für diesen
Antrag weggefallen ist und es nach den Gesamtumständen der Billigkeit
entspricht, der Antragstellerin die Kosten des Aufhebungsantrages aufzuerlegen.
Die Vorschrift des § 269 III, 3 ZPO ist grundsätzlich auf alle Verfahrensarten -
jedenfalls analog - anwendbar (vgl. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 63.
Aufl., Rdz. 3 zu § 269 m.w.N.); dies gilt auch für das Aufhebungsverfahren nach §
927 ZPO.
Der Anlass für das Aufhebungsverfahren ist im vorliegenden Fall dadurch
weggefallen, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31.12.2004, bei Gericht
eingegangen per Fax am 3.1.2005 und im Original am 4.1.2005 und der
Antragsgegnerin zugestellt am 12.1.2005, das Eilverfahren in der Hauptsache für
erledigt erklärt hat; infolge dieser Erledigungserklärung bedurfte es einer formellen
Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 927 ZPO nicht mehr. Der
Anwendbarkeit des § 269 III, 3 ZPO steht dabei nicht entgegen, dass der
Aufhebungsantrag erst am 6.1.2005 und damit nach Wegfall des ihn
begründenden Anlasses eingereicht worden ist (vgl. allgemein zur Anwendbarkeit
der Vorschrift bei Wegfall des Klageanlasses vor Klageeinreichung Zöller-Greger,
ZPO, 25. Aufl., Rdz. 18 d zu § 269 m.w.N.).
Es entspricht auch der Billigkeit, die Antragstellerin mit den Kosten des
Aufhebungsverfahrens zu belasten, da der Aufhebungsantrag ohne die
Erledigungserklärung der Antragstellerin Erfolg gehabt hätte und die
Antragsgegnerin die Einreichung des Aufhebungsantrages aus ihrer Sicht für
geboten halten durfte.
Wenn der Antragsgegner im Eilverfahren geltend machen will, dass die
Voraussetzungen für die zunächst erlassene einstweilige Verfügung nachträglich
weggefallen seien, hat er grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er diesen Gesichtspunkt
im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nach § 924 ZPO oder - soweit die
Voraussetzungen hierfür erfüllt sind - im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens
nach § 927 ZPO geltend machen will; ausgeschlossen ist lediglich ein paralleles
Vorgehen in den genannten Verfahren. Der Senat schließt sich insoweit der fast
einhelligen Meinung im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung (vgl. Teplitzky,
6
7
8
9
10
einhelligen Meinung im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung (vgl. Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Rdz. 24 zu Kap. 56;
Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Rdz. 33 zu Kap. 60; Schuschke/Walker,
Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Band I, 2. Aufl., Rdz. 2 zu § 927; jeweils
m.w.N.; a.A.: Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im
einstweiligen Verfügungsverfahren, 1980, S. 39 ff.) an.
Im vorliegenden Fall wären auch die Voraussetzungen für einen Aufhebungsantrag
nach § 927 ZPO erfüllt gewesen.
Die Antragsgegnerin wollte sich darauf berufen, dass die Wiederholungsgefahr für
den mit der einstweiligen Verfügung untersagten Wettbewerbsverstoß durch die
mit Anwaltsschreiben vom 20.12.2004 abgegebene und mit weiterem
Anwaltsschreiben vom 29.12.2004 untermauerte strafbewehrte
Unterlassungserklärung entfallen sei. In der Beseitigung der Wiederholungsgefahr
durch eine solche Erklärung liegt grundsätzlich ein Umstand, der einen
Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO rechtfertigen kann (vgl. Teplitzky aaO, Rdz. 31
zu Kap. 56).
Die von der Antragsgegnerin abgegebene Unterwerfungserklärung ist auch als
„nachträglicher“ Umstand im Sinne von § 927 ZPO anzusehen. Soweit - wie hier -
die Aufhebung einer Beschlussverfügung angestrebt wird, ist der maßgebliche
Zeitpunkt, nach welchem der den Aufhebungsgrund bildende Umstand
eingetreten sein muss, die Anordnung der einstweiligen Verfügung (vgl.
Schuschke/Walker aaO, Rdz. 11 zu § 927 m.w.N.). Dies ist der Zeitpunkt, in dem
das Gericht die Entscheidung unterschrieben und in den Geschäftsgang gegeben
hat. Auf die Zustellung der Entscheidung an den Antragsteller kann es dagegen
insoweit nicht ankommen, weil zu diesem Zeitpunkt das Gericht seine
Entscheidung selbst dann nicht mehr ändern könnte, wenn ihm neue Umstände
bekannt würden. Hier ist die Beschlussverfügung am 20.12.2004 und damit am
selben Tag ergangen, an dem die Antragsgegnerin die strafbewehrte
Unterlassungserklärung durch ihren Anwalt abgegeben und dem
Antragstellervertreter per Telefax übermittelt hat. Die zeitliche Reihenfolge beider
Vorgänge lässt sich nach dem Akteninhalt nicht aufklären. Dieser Punkt kann
jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Wiederholungsgefahr - wozu der
Senat neigt - bereits durch die Unterwerfungserklärung vom 20.12.2004 selbst
oder erst durch die ergänzende Erklärung des Antragsgegnervertreters im
weiteren Schreiben vom 29.12.2004 ausgeräumt worden ist. Denn selbst wenn
man unterstellt, dass die - zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr ausreichende
- Unterwerfungserklärung kurz vor Anordnung der einstweiligen Verfügung
abgegeben worden ist, wären die Voraussetzungen für einen Aufhebungsantrag
nach § 927 ZPO erfüllt gewesen.
Wie das Landgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist
anerkannt, dass als „nachträglich“ auch solche Umstände behandelt werden
müssen, die zwar objektiv bei Erlass der einstweiligen Verfügung bereits gegeben,
dem Antragsgegner aber nicht bekannt waren und von ihm daher innerhalb des
zum Erlass der einstweiligen Verfügung führenden Verfahrens nicht geltend
gemacht werden konnten (vgl. näher hierzu Schuschke/Walker aaO, Rdz. 11 zu §
927). Im vorliegenden Fall wusste die Antragsgegnerin zwar, dass sie am
20.12.2004 die Unterwerfungserklärung abgegeben hatte. Sie war jedoch nicht in
der Lage, diesen Gesichtspunkt im Anordnungsverfahren geltend zu machen, weil
sie an diesem Verfahren mangels Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass der
einstweiligen Verfügung nicht beteiligt war. Unter diesen Umständen muss es der
Antragsgegnerin ermöglicht werden, den Gesichtspunkt der Beseitigung der
Wiederholungsgefahr auch im Rahmen eines Aufhebungsantrages nach § 927 ZPO
- jedenfalls aus ihrer Sicht „nachträglich“ - geltend zu machen.
Die Antragsgegnerin hat schließlich aus ihrer Sicht alles Erforderliche getan, um
der Antragstellerin vor Einreichung des Aufhebungsantrages die Möglichkeit zu
geben, im Hinblick auf die abgegebene Unterwerfungserklärung außergerichtlich
auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten und damit einen
Aufhebungsantrag überflüssig zu machen. Eine entsprechende Aufforderung war
bereits im Schreiben des Antragsgegnervertreters vom 23.12.2004 mit
Fristsetzung bis zum 30.12.2004 enthalten. Nachdem der Antragstellervertreter
hinsichtlich des Umfangs der mit der Unterwerfungserklärung vom 20.12.2004
übernommenen Unterlassungsverpflichtung mit Schreiben vom 27.12.2004
Bedenken angemeldet hatte, hat der Antragsgegnervertreter diese Bedenken mit
seinem Schreiben vom 29.12.2004 ausgeräumt und nochmals auf die bis zum
11
12
seinem Schreiben vom 29.12.2004 ausgeräumt und nochmals auf die bis zum
30.12.2004 gesetzte Frist zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen
Verfügung hingewiesen und diese Frist mit weiterem Schreiben vom 3.1.2005 bis
zum 5.1.2005 verlängert. Innerhalb dieser Frist hat die Antragstellerin gegenüber
der Antragsgegnerin, auf deren Sicht es im Rahmen der Billigkeitsentscheidung
nach § 296 III, 3 ZPO entscheidend ankommt, nicht zu erkennen gegeben, dass sie
zu einem Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung bereit sei.
Vielmehr hat sie lediglich mit Schriftsatz vom 31.12.2004 an das Gericht, der der
Antragsgegnerin jedoch erst am 12.1.2005 zugestellt worden ist, das Eilverfahren
in der Hauptsache für erledigt erklärt; insbesondere hat sie auch nach Erhalt des
Schreibens des Antragsgegnervertreters vom 3.1.2005 die Antragsgegnerin nicht
auf die bereits abgegebene Erledigungserklärung hingewiesen. Unter diesen
Umständen durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Einreichung
eines Aufhebungsantrages erforderlich sei, um die Beseitigung des
Unterlassungstitels herbeizuführen, weshalb es der Billigkeit entspricht, die
Antragstellerin mit den Kosten des Aufhebungsverfahrens zu belasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind
nicht erfüllt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.