Urteil des OLG Frankfurt vom 05.07.2004

OLG Frankfurt: erhöhung des grundkapitals, abfindung, handelsregister, aktie, geschäftsjahr, erwerb, bekanntmachung, eingriff, rückwirkung, auflösung

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 414/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 295 Abs 2 S 1 AktG, § 304
Abs 4 S 2 AktG, § 305 Abs 5 S
1 AktG
(Änderung eines Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages: Notwendiger
Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre;
Entbehrlichkeit neuen Spruchstellenverfahrens)
Leitsatz
Die Voraussetzungen für ein neues Spruchstellenverfahren sind nur bei Änderungen
gegeben, die in die materielle Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre, wie sie
sich aus dem ursprünglichen Vertrag ergibt, eingreifen und materielle
Verschlechterungen der Ausgleichs- und Abfindungsansprüche nach sich ziehen
können.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die
Antragsgegnerinnen zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 100.000,– Euro.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 2. (A) und 3. (D-B) schlossen am 28. April 1988 einen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Der Vertrag hat folgenden
Wortlaut:
"§ 1 Leitung
1. A unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft D-B
2. Der Vorstand von D-B ist berechtigt, dem Vorstand von A hinsichtlich der
Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen.
3. Die Weisungen sind schriftlich oder fernschriftlich zu erteilen oder, falls sie
mündlich erteilt werden, unverzüglich schriftlich oder fernschriftlich zu bestätigen.
4. Dem Vorstand von A obliegt weiterhin die Geschäftsführung und Vertretung von
A D-B kann dem Vorstand von A nicht die Weisung erteilen, diesen Vertrag zu
ändern, aufrechtzuerhalten oder zu beendigen.
§ 2 Gewinnabführung
1. A verpflichtet sich, ihren gesamten Bilanzgewinn an D-B abzuführen. Abzuführen
ist – vorbehaltlich einer Bildung oder Auflösung von anderen Gewinnrücklagen nach
Abs. 2 – der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuß, vermindert
um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die
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um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der in die
gesetzliche Rücklage einzustellen ist.
2. A kann mit Zustimmung von D-B Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere
Gewinnrücklagen einstellen, sofern dies handelsrechtlich zulässig und bei
vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Während der
Dauer dieses Vertrages gebildete andere Gewinnrücklagen sind auf Verlangen von
D-B aufzulösen und zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages zu verwenden oder
als Gewinn abzuführen. Die Abführung von Beträgen aus der Auflösung von
anderen Gewinnrücklagen, die vor Inkrafttreten der Gewinnabführung gebildet
wurden, ist ausgeschlossen.
3. Die vorstehende Regelungen gelten erstmals für das Geschäftsjahr 1992.
§ 3 Verlustübernahme
D-B ist verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden
Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird,
daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der
Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.
§ 4 Ausgleich
1. Bis zum Inkrafttreten der Gewinnabführung gemäß § 2 Abs. 1 dieses Vertrages
garantiert D-B den außenstehenden Aktionären von A gemäß § 304 AktG als
angemessenen Ausgleich für jedes Geschäftsjahr und für jede A-Aktie im
Nennbetrag von DM 50,– einen Gewinnanteil von 20% (ein Fünftel) des Betrages,
der für das gleiche Geschäftsjahr auf eine D-B-Aktie mit dem gleichen Nennbetrag
ausgeschüttet wird. Nach Inkrafttreten der Gewinnabführung ist D-B verpflichtet,
den außenstehenden Aktionären von A Jährliche Ausgleichszahlungen in gleicher
Höhe zu zahlen.
2. Im Falle einer Erhöhung des Grundkapitals der A aus Gesellschaftsmitteln
vermindert sich der Ausgleich je Aktie von A in dem Maße, dass der Gesamtbetrag
der Ausgleichszahlung unverändert bleibt.
3. Im Falle der Erhöhung des Grundkapitals der A durch Einlagen unter Gewährung
eines Bezugsrechts an die außenstehenden Aktionäre wird der Ausgleich auch auf
die von außenstehenden Aktionären bezogenen A-Aktien aus der Kapitalerhöhung
gezahlt.
4. Im Falle einer Erhöhung des Grundkapitals von D-B aus Gesellschaftsmitteln
erhöht sich der Ausgleich je Aktie von A um den Prozentsatz, um den sich das
Grundkapital von D-B durch die Kapitalerhöhung verändert hat.
5. Im Falle einer Erhöhung des Grundkapitals von D-B durch Einlagen ist der
Ausgleich in geeigneter Weise so anzupassen, dass den Erfordernissen des § 304
AktG Rechnung getragen wird.
6. Der an die außenstehenden Aktionäre der A zu zahlende Ausgleich ist
gleichzeitig mit der an die Aktionäre von D-B zu zahlenden Dividende fällig.
7. Falls der Vertrag im Laufe eines Geschäftsjahres der A endet oder A während
der Dauer des Vertrages ein weniger als zwölf Monate dauerndes
Rumpfgeschäftsjahr bildet, vermindert sich der Ausgleich zeitanteilig.
§ 5 Abfindung
1. Gemäß § 305 AktG verpflichtet sich D-B auf Verlangen eines jeden
außenstehenden Aktionärs von A, dessen A-Aktien gegen Gewährung von D-B-
Aktien im Verhältnis fünf A-Aktien gegen eine D B-Aktie gleichen Nennbetrages zu
erwerben.
2. Die Verpflichtung von D-B zum Erwerb von A Aktien gegen Gewährung von D-B-
Aktien nach Maßgabe des Abs. 1 wird befristet. Die Frist beginnt mit der
Eintragung des Bestehens dieses Vertrages in das Handelsregister des
Amtsgerichts von A Sie endet zwei Monate nach dem Tag, an dem die Eintragung
des Bestehens dieses Vertrages im Handelsregister der A nach § 10 des
Handelsgesetzbuches als bekannt gemacht gilt. § 305 Abs. 4 S. 2 AktG bleibt
unberührt.
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3. Der Umtausch erfolgt unter Einschluss der noch nicht zur Bedienung
aufgerufenen Gewinnanteil- und Erneuerungsscheine und ist für die A-Aktionäre
kostenlos.
§ 6 Freiwilliges Kaufangebot
Anstelle der Abfindung gemäß § 5 Abs. 1 bietet D-B den außenstehenden
Aktionären der A an, ihre A-Aktien zum Preis von DM 200,– pro Aktie im
Nennbetrag von DM 50,– zu erwerben. § 5 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 gelten
entsprechend."
Durch Vertrag vom 24. April 1991 änderten A und D B den Unternehmensvertrag
dahin ab, dass die Gewinnabführungspflicht von dem 1. Januar 1992 auf den 1.
Januar 1991 vorverlegt wurde. Die Hauptversammlungen von A und D B stimmten
der Änderung zu, ebenso die außenstehenden Aktionäre der A in einem
Sonderbeschluss nach § 295 Abs. 2 AktG.
§ 7 Laufzeit des Vertrages
1. Dieser Vertrag bedarf der Zustimmungen der Hauptversammlungen von D B
und A Er wird mit der Eintragung seines Bestehens in das Handelsregister der A
wirksam.
2. Der Vertrag wird – unbeschadet einer Kündigung aus wichtigem Grund für die
Zeit bis zum 31.12.1998 geschlossen und verlängert sich jeweils um fünf Jahre,
wenn er nicht spätestens ein Jahr vor seinem Ablauf von einem Vertragspartner
gekündigt wird.
3. Jeder Vertragspartner ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem
anderen Vertragspartner von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn die Eintragung
in das Handelsregister der A nicht spätestens am 30.9.1988 erfolgt ist.
§ 8 Teilunwirksamkeit
Die Unwirksamkeit einer oder mehrerer Bestimmungen dieses Vertrages berührt
die Gültigkeit der übrigen nicht."
II.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 1988 – eingegangen am 28. Juli 1988 – beantragte die
Beteiligte zu 1. bei dem Landgericht Berlin u.a., für den "am 28.04.1988
geschlossenen und am 01.01.1992 in Kraft tretenden Gewinnabführungsvertrag
den nach § 304 AktG geschuldeten vertraglichen Ausgleich sowie die nach § 395
AktG vertraglich zu gewährende Abfindung gerichtlich zu bestimmen."
Durch Beschluss vom 20. Dezember 1988 hat das Kammergericht das
Landgericht Frankfurt am Main als – auch für den Antrag der Beteiligten zu 1. –
örtlich zuständiges Gericht bestimmt (Bl. 139 d.A.).
Beim Landgericht Frankfurt am Main wurde das von der Beteiligten zu 1.
eingeleitete Verfahren zunächst unter dem Aktenzeichen 3/3 O 14/88 geführt.
Durch Beschluss vom 19. Juni 1989 (Bl. 150 d.A.) hat das Landgericht mehrere den
genannten Unternehmensvertrag betreffende Verfahren – u.a. auch das Verfahren
3/3 O 14/88 – miteinander verbunden und das Verfahren 3/3 O 11/88 zum
führenden Verfahren bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 1989 – eingegangen am 20. Juli 1989 – beantragte die
Beteiligten zu 1. das Verfahren 3/3 O 14/88 von dem Verfahren 3/3 O 11/88
abzutrennen und als Verfahren betreffend den erst zum 01.01.1992 in Kraft
tretenden Gewinnabführungsvertrag gesondert gemäß § 306 Abs. 3 AktG bekannt
zu machen.
Mit Schriftsatz vom 22. August 1989 – eingegangen am 24. August 1989 –
beantragte die Beteiligte zu 1. u.a. für den am 28.04.1988 geschlossenen und am
06.07.1988 in Kraft getretenen Beherrschungsvertrag den nach § 304 AktG
geschuldeten vertraglichen Ausgleich sowie die nach § 305 AktG zu gewährende
Abfindung gerichtlich festzustellen.
Durch Beschluss vom 9. April 1990 hat das Landgericht den Antrag der Beteiligten
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Durch Beschluss vom 9. April 1990 hat das Landgericht den Antrag der Beteiligten
zu 1. vom 18./20. Juli 1989 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der
Senat durch seinen Beschluss vom 18. Juli 1991 (20 W 204/90 = AG 1991, 358 =
NJW-RR 1992, 32) als unzulässig verworfen (Bl. 945 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 10. Januar 1992 – eingegangen am 13. Januar 1992 – stellte
Beteiligte zu 1. zur Fristwahrung gesonderte Anträge nach § 304 ff AktG für den
Änderungsvertrag. Diese und Anträge weiterer Aktionäre wurden unter dem
Aktenzeichen 3/3 O 20/92 geführt.
Durch Beschluss vom 23. September 1992 hat das Landgericht u.a. beschlossen,
dass eine Bekanntmachung des Antrags der Beteiligten zu 1. vom 10. Januar 1992
unterbleibt (Ziffer I.) und dass die Verfahren 3/3 O 11/89 und 3/3 O 20/92 mit
einander verbunden werden (Ziffer II.).
Gegen diesen ihr am 23. Oktober 1992 zugestellten Beschluss, in dem die
Beteiligte zu 1. als Beteiligte zu 7. und die Beteiligten zu 2. und 3. als Beteiligte zu
57. und 58. bezeichnet aufgeführt sind, wendet sich die Beteiligte zu 1. mit der in
ihrem Schriftsatz vom 28. Oktober 1992 – eingegangen am selben Tag –
enthaltenen Beschwerde.
Die Beteiligte zu 1. beantragt:
"1. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses in den Ziffern I. und II. sowie
unter gleichzeitiger Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 09.04.1990 (3/3 O 11/89), mit dem die Trennung des
Spruchstellenverfahrens verfahrensleitend abgelehnt worden war, das die
Beschwerdeführerin unter dem 27.07./21.09.1988 bezüglich des zwischen den
Beteiligten zu 57. und 58. (und Beschwerdegegnerinnen) am 28.04.1988
geschlossenen und nunmehr am 24.04.1992 rückwirkend in Kraft gesetzten
Gewinnabführungsvertrages eingeleitet hatte:
Die Einleitung und Bekanntmachung eines gesonderten Spruchstellenverfahrens
gemäß § 306 AktG hinsichtlich des am 28.04.1988 geschlossenen und am
24.04.1991 mit Wirkung ab 01.01.1991 in Kraft gesetzten
Gewinnabführungsvertrages zwischen den Beteiligten zu 57. und 58. (und
Beschwerdegegnerinnen) anzuordnen.
hilfsweise
1.1 unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses in den Ziffern I. und II.:
anzuordnen, dass im Rahmen des anhängigen Spruchstellenverfahrens 3/3 O
11/89 LG Frankfurt am Main gerichtliche Festsetzungen gemäß §§ 304 ff. AktG zu
Abfindung und Ausgleich hinsichtlich des am 28.04.1988 geschlossenen und am
24.04.1991 mit Wirkung ab 01.01.1991 in Kraft gesetzten
Gewinnabführungsvertrages zwischen den Beteiligten zu 57. und 58. (und
Beschwerdegegnerinnen) zu treffen sind, ferner, dass der diesbezüglich gestellte
Antrag der Beteiligten zu 7. (und Beschwerdeführerin) gemäß § 306 Abs. 3 Satz 1
AktG gesondert bekannt zu machen ist.
2. Den Beteiligten zu 57. und 58. (und Beschwerdegegnerinnen) die Tragung der
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und der Beteiligten zu 7. (und
Beschwerdeführerin) durch das Beschwerdeverfahren entstehenden
außergerichtliche Kosten aufzuerlegen."
III.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
Erfolg; denn die Beteiligte zu 1. hat keinen Anspruch auf Durchführung eines
gesonderten Spruchstellenverfahrens.
1. Das Gesetz sieht die Änderung von Unternehmensverträgen in § 295 AktG
ausdrücklich vor. Es macht die Wirksamkeit der Änderung von der Zustimmung
der Hauptversammlung der Gesellschaft (§ 295 Abs. 1 Satz 1 AktG) und der
Eintragung der Änderung in das Handelsregister (§§ 295 Abs. 1 Satz 2, 294 AktG)
abhängig. Die Änderung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags
bedarf zusätzlich auch der Zustimmung der Hauptversammlung der herrschenden
Gesellschaft. (§§ 295 Abs. 1 Satz 2, § 293 Abs. 2 AktG).
Für die Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung zu einer Änderung
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Für die Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung zu einer Änderung
der Bestimmungen des Unternehmensvertrags, die zur Leistung eines Ausgleichs
an die außenstehenden Aktionäre oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichten, ist
zusätzlich ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre der abhängigen
Gesellschaft erforderlich (§ 295 Abs. 2 Satz 1 AktG).
Eine Änderung im Sinne des Gesetzes ist jedoch nur dann gegeben, wenn trotz
der Veränderung seines rechtlichen Gehalts die Art des Vertrags dieselbe bleibt
(vgl. dazu Würdinger in GroßKomm AktG § 295 Anm. 1; Geßler Aktiengesetz §§ 295
- 299 Rn. 3) und die Vereinbarung der Vertragsparteien noch während der Laufzeit
des Vertrages wirksam werden soll (Hüffer Aktiengesetz 6. Aufl. § 295 Rn. 3).
Daher fallen Änderungen der Vertragsart und Verlängerungen der Vertragsdauer
grundsätzlich nicht unter die Regelung des § 295 AktG; denn bei diesen
Änderungen handelt es sich jeweils um den Neuabschluss eines
Unternehmensvertrags (Würdinger aaO; Geßler aaO Rn. 3 und 4;
Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff AktG § 295 Rn. 4, 8 f.; Altmeppen in
MünchKomm-AktG 2. Aufl. § 295 Rn. 7 ff.; Hüffer aaO § Rn. 7).
Nach Auffassung des Senats besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der hier
maßgeblichen Vereinbarung um eine Änderung eines Unternehmensvertrags im
Sinne des § 295 AktG und nicht – wie die Beteiligte zu 1. meint – um einen
Neuabschluss eines Gewinnabführungsvertrags handelt. Es liegt weder eine
Änderung der Vertragsart noch eine Verlängerung der Vertragsdauer vor. Die
Änderung berührt die Dauer des einheitlichen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags nicht.
Die Annahme der Beteiligten zu 1., bis zum 1. Januar 1992 habe kein
Gewinnabführungsvertrag bestanden, denn der ursprüngliche
Unternehmensvertrag habe nur einen Gewinnabführungsvertrag auf Vorrat
beinhaltet, trifft nach Auffassung des Senats nicht zu.
Der Senat vermag auch der Meinung der Beteiligte zu 1. nicht zu folgen, dass die
außenstehenden Aktionäre durch die Änderung einen von der
Beherrschungssituation unabhängigen und ihr gegenüber völlig neuen Eingriff
erfahren haben und dass eine die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre
neu beeinträchtigende Rechtslage entstanden sei, die eine Wiedergutmachung
durch ein gesondertes Spruchstellenverfahren erfordere.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei jedem
Beherrschungsvertrag der Ausgleichsanspruch dazu dient, außenstehenden
Aktionären eine Kompensation dafür zu bieten, dass ihr Dividendenanspruch
künftig seiner Höhe nach nicht mehr allein durch die im eigenen Unternehmen
getroffenen Entscheidungen bestimmt wird, sondern von den Dispositionen des
herrschenden Unternehmens abhängt (vgl. dazu das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1992 in der Sache II ZR 18/91 = BGHZ 119, 1 =
WM 1992, 1479 = ZIP 1992, 1227 = DB 1992, 1873 = NJW 1992, 2760 = BB 1992,
1949). Von einem völlig neuen Eingriff in die Rechtsstellung der außenstehenden
Aktionäre kann daher im vorliegenden Fall keine Rede sein.
2. Spruchstellenverfahren kommen nicht nur bei neuen Unternehmensverträgen in
Betracht. Das Gesetz geht davon aus, dass auch Vertragsänderungen neue
Spruchstellenverfahren nach sich ziehen können; dies folgt aus den §§ 304 Abs.4
Satz 2, 305 Abs. 5 Satz 1 AktG (vgl. dazu den Beschluss des Bayerischen
Obersten Landesgerichts vom 23. Oktober 2002 in der Sache 3Z BR 370/01 = DB
2002, 2525 = ZIP 2002, 2257 = BB 2003, 15 = NZG 2003, 36 = AG 2003, 631;
vgl. auch Säcker, Die Rechte der Aktionäre bei konzerninternen
Umstrukturierungen gemäß §§ 304 f. AktG, DB 1988, 271, 272).
Allerdings macht nicht jede Vertragsänderung den Weg für ein neues
Spruchstellenverfahren frei.
Das Bayerische Oberste Landesgericht geht (aaO) davon aus, dass bei
Änderungen eines Unternehmensvertrags, die nicht unter § 295 Abs. 2 AktG fallen,
der Weg zu einer erneuten Überprüfung der Ausgleichs- und Abfindungsregelung in
einem neuen Spruchstellenverfahren nicht eröffnet ist und hat dementsprechend
das Antragsrecht nach den §§ 304 Abs. 4 Satz 1, 305 Abs. 5 Satz 4 AktG für den
Fall verneint, dass die geänderten Vertragsteile für die Ausgleichs- und
Abfindungsansprüche nicht relevant sind.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1992 (aaO) bedarf es
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Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 1992 (aaO) bedarf es
unter Berücksichtigung des Normzwecks eines Sonderbeschlusses nach § 295
Abs. 2 AktG nur dann, wenn gerade die bisher geltende Ausgleichs- und
Abfindungsregelung geändert werden soll (vgl. auch Hüffer AktG 6.Aufl. § 295 Rn.
10).
Danach sind die Voraussetzungen für ein neues Spruchstellenverfahren nur bei
Änderungen gegeben, die in die materielle Rechtsstellung der außenstehenden
Aktionäre, wie sie sich aus dem ursprünglichen Vertrag ergibt, eingreifen (vgl.
Bayerisches Oberstes Landesgericht aaO) und materielle Verschlechterungen der
Ausgleichs- und Abfindungsansprüche nach sich ziehen können (vgl. Säcker aaO).
Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Änderung betrifft allein § 2 Nr. 3 des
Unternehmensvertrags und lässt die vertraglichen Bestimmungen über den
Ausgleich und die Abfindung unberührt. Eine Verschlechterung der Ausgleichs- und
Abfindungsansprüche ist nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass im vorliegenden Fall ein Beschluss der außenstehenden
Aktionäre der A zu der vereinbarten Änderung des Unternehmensvertrags gefasst
worden ist, rechtfertigt allein kein gesondertes Spruchstellenverfahren. Die
tatsächliche Durchführung der Beschlussfassung sagt über das rechtliche
Erfordernis nichts aus. Um die zeitnahe Eintragung der Änderung des
Unternehmensvertrags in das Handelsregister zu gewährleisten, bietet sich die
(vorsorgliche) Beschlussfassung der außenstehenden Aktionäre durchaus an.
Ein gesondertes Spruchstellenverfahren ist auch nicht etwa deshalb erforderlich,
weil eine Änderung mit Rückwirkung vereinbart worden ist.
Es ist in der Rechtsprechung (z.B. Bundesgerichtshof Urteil vom 5. April 1993 in
der Sache II ZR 238/91 = BGHZ 122, 211, 223 = ZIP 1993, 751 = WM 1993, 1087
= DB 1993, 1074 = NJW 1993, 1976; Senat Beschluss vom 12.6.1996 in der Sache
20 W 440/94 = GmbHR 1996, 859 = MittRhNotK 1997, 32) und in der Literatur (z.B.
Hüffer, AktG, 6. Aufl. § 294 Rn. 20; Kort NZG 2004, 313, 314;) anerkannt, dass bei
der Gewinnabführung die Vereinbarung einer Rückwirkung grundsätzlich zulässig
ist. Davon ist nach Auffassung des Senats auch im Falle der Vertragsänderung
auszugehen.
Dem Erfordernis eines gesondertes Spruchstellenverfahrens steht schließlich auch
entgegen, dass das ursprüngliche – auch von der Beteiligten zu 1. beantragte –
Spruchstellenverfahren noch nicht abgeschlossen ist und spätere Entwicklungen,
auch soweit sie durch die Änderung des Unternehmensvertrags bewirkt worden
sein sollten, zu berücksichtigen sind. Die Berücksichtigung ist im übrigen auch
durch die Verbindung des Verfahrens 3/3 O 20/92 mit dem Verfahren 3/3 O 11/89
gewährleistet.
In Anbetracht dieser Rechtslage ist auch dem Hilfsantrag der Beteiligten zu 1. der
Erfolg zu versagen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 306 Abs. 7 AktG, 30 Abs. 1 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.