Urteil des OLG Frankfurt vom 13.07.2006

OLG Frankfurt: allgemeine geschäftsbedingungen, brücke, agb, gewährleistung, ausschreibung, vertragserfüllung, bauvertrag, ausführung, bürge, muster

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 70/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 AGBG, § 242 BGB, § 307
BGB, § 812 BGB, § 17 Nr 3
VOB B
(Bauvertrag über einen Brückenbau: Inhaltskontrolle für
Allgemeine Geschäftsbedingungen und unwirksamer
Ausschluss des Wahlrechts des Auftragnehmers
hinsichtlich einer Sicherheitsleistung durch Regelungen
über eine Gewährleistungsbürgschaft)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 11.3.2005 (Az.: 2/12 O 331/04) wie folgt abgeändert: Die Klage wird
abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beschwer der Klägerin beträgt
€ 92.992.53. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht einen Anspruch aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für
Verbindlichkeiten der ARGE X-Brücke geltend. Die Klägerin schloss mit der aus der
A AG und der B AG gebildeten ARGE X-Brücke am 15.10.1991 einen Bauvertrag
betreffend die grundhafte Erneuerung der X-Brücke einschließlich Behelfsbrücke in
O1. Dem Vertrag lag ein nach einem "Vordruck des Auftraggebers" (vgl. Ziff. 3.5
des Vertragsangebots, Bl. 85 = 132 d.A.) erstelltes und von der Klägerin
angenommenes Angebot der ARGE X-Brücke zugrunde. Von diesem Angebot sind
auszugsweise die Seiten 201 (Anlage B 3, Bl. 84 = 131 d.A.), 203 f (Anlage B 4, Bl.
85 f = 132 f d.A.) und 230 f (Anlage B 1, Bl. 41 f d.A) vorgelegt worden. Nach der
Regelung über die Vertragsbestandteile in Teil II., Ziff. 1 und 2, des Angebots (Bl.
84 = 131 d.A.) wurde u.a. die Geltung der VOB/B und der Zusätzlichen
Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und
Brückenbau - ZVB-StB 88 - (Anlage B 1.2, Bl. 71-83 = 91-103 d.A.) vereinbart.
Unter Ziff. 3 des Teils II enthielt der Vertrag außerdem zahlreiche "Ergänzungen
des Auftraggebers zu den Allgemeinen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen".
In dem mit "Vertragsbestandteile" überschriebenen Abschnitt II des nach dem
Vordruck der Klägerin erstellten Angebots der ARGE X-Brücke (dort S. 201 ff.)
wurde unter Ziff. 3.47 - Sicherheitsleistungen - (S. 230) im Unterpunkt 3.47.2 eine
Sicherheit von 5 % der Abrechnungssumme für die Erfüllung sämtlicher
Verpflichtungen aus dem Vertrag - insbesondere für die vertragsgemäße
Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung, Gewährleistung und
Schadensersatz - und für die Erstattung von Überzahlungen auch nach
vorbehaltsloser Annahme der Schlussrechnung vereinbart. In welcher Weise die
Sicherheit erbracht werden soll bzw. kann, ist hier nicht bestimmt. Unter Ziff. 3.48
- Bürgschaften - (S. 230 f) war sodann bestimmt:
3.48.1 In der Bürgschaftsurkunde hat der Bürge sich zur Zahlung auf erstes
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3.48.1 In der Bürgschaftsurkunde hat der Bürge sich zur Zahlung auf erstes
Anfordern bereit zu erklären. Leistet der Auftragnehmer die vereinbarte Sicherheit
nicht binnen 18 Tagen nach Vertragsschluss, so ist der Auftraggeber berechtigt,
die Abschlagszahlung um 10 % zu kürzen, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist.
Für Nachträge gilt die Regelung entsprechend.
3.48.2 Nach Empfang der Schlussrechnung und Erfüllung aller bis dahin
erhobenen Ansprüche kann der Auftragnehmer verlangen, dass die Bürgschaft in
eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme
umgewandelt wird. Diese Sicherheit bleibt so lange in voller Höhe bestehen, bis
alle Gewährleistungsarbeiten vertragsgemäß abgeschlossen sind und die letzte
Gewährleistungsbürgschaft abgelaufen ist.
Die Urkunde über die Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft wird
zurückgegeben, wenn der Auftragnehmer Sicherheit für die
Gewährleistungsansprüche geleistet hat.
Die Urkunde über die Gewährleistungsbürgschaft wird zurückgegeben, wenn
die Verjährungsfristen für die Gewährleistung einschließlich Schadenersatz
abgelaufen und die bis dahin erhobenen Ansprüche erfüllt worden sind.
3.48.3 Die Inanspruchnahme von Sicherheiten regelt sich nach den "Richtlinien
über die Hinterlegung von Sicherheiten" vom 16.5.1968 in Verbindung mit der
"Hinterlegungsordnung der Stadt ..." vom 1.2.1970.
In den ZVB-StB 88 war unter Ziff. 47 - Sicherheitsleistungen - (Bl. 83 = 103 d.A.)
bestimmt:
47.1 Die Sicherheit für Vertragserfüllung erstreckt sich auf die Erfüllung
sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die
vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Abrechnung,
Gewährleistung und Schadensersatz, sowie auf die Erstattung von Überzahlungen
einschließlich der Zinsen.
47.2 Die Sicherheit für Gewährleistung erstreckt sich auf die Erfüllung der
Ansprüche auf Gewährleistung einschließlich Schadensersatz sowie auf die
Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen.
47.3 Sicherheit für Vertragserfüllung ist nur bei einem Auftrag von mehr als
200 000 DM zu leisten und zwar in Form einer Bürgschaft in Höhe von 5 v.H. der
Auftragssumme.
Diese Bürgschaft ist nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung auf
Verlangen des Auftragnehmers gegen eine Sicherheit für Gewährleistung
auszutauschen, und zwar in Form einer Bürgschaft in Höhe von 2 v.H. der
Abrechnungssumme; sind noch festgestellte Mängel zu beseitigen, erhöht sich die
Sicherheit um den Betrag der voraussichtlichen Aufwendungen für die
Mängelbeseitigung. Unter Ziff. 48 - Bürgschaften - war in den Unterpunkten 48.1
und 48.4 (83 = 103) bestimmt:
48.1 Ist Sicherheit durch Bürgschaft für - Vertragserfüllung, - Gewährleistung,-
Abschlagszahlungen oder - Vorauszahlungen zu leisten, sind die Formblätter des
Auftraggebers zu verwenden.
48.4 Bei Bürgschaften für Vertragserfüllung, Abschlagszahlungen oder
Vorauszahlungen hat sich der Bürge zu verpflichten, auf erstes Anfordern an den
Auftraggeber zu zahlen.
Für Bürgschaften für Gewährleistung gab es keine der Regelung in Ziff. 48.4
entsprechende Bestimmung.
Die Klägerin nahm die Leistungen der ARGE X-Brücke nach Fertigstellung im Jahre
1999 ab. Die im Jahre 2000 auf die Beklagte, die damalige C AG, verschmolzene
D-AG übernahm gegenüber der Klägerin nach der Abnahme der Bauleistungen
unter Verwendung des dafür von der Klägerin vorgesehenen Formulars eine
Gewährleistungsbürgschaft vom 13.9.1999 (Anlage K 2, Bl. 16 d.A.) über DM
535.000,- (= € 273.541,16), in der sie sich verpflichtete, "auf erste schriftliche
Anforderung hin" an die Klägerin Zahlung zu leisten.
Nachträglich stellte die Klägerin verschiedene Mängel fest. Wegen der Einzelheiten
wird auf ihre Prüfungsbefunde vom 4.12. und 5.12.2001 (Anlage K 3.2, Bl. 18 f d.A.)
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wird auf ihre Prüfungsbefunde vom 4.12. und 5.12.2001 (Anlage K 3.2, Bl. 18 f d.A.)
Bezug genommen. Die Klägerin forderte deshalb die ARGE X-Brücke durch
Schreiben vom 6.12.2001 (Anlage K 3.1, Bl. 17 d.A.) zur Mängelbeseitigung auf.
Nachdem diese der Aufforderung nicht nachkam und im Jahre 2002 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen sowohl der A AG als auch der B AG
eröffnet worden war, nahm die Klägerin durch Schreiben vom 14.10. 2003 (Anlage
K 4, Bl. 20 f d.A.) sowie anwaltliches Schreiben vom 14.6.2004 (Anlage K 5, Bl. 22-
25 d.A.) die Beklagte auf Leistungen aus der Bürgschaft in Höhe von zuletzt €
92.992,53 in Anspruch. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 7.7.2004 (Anlage K
6, Bl. 26 f d.A.) die Zahlung ab, weil die Bürgschaft nach der einschlägigen
Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Verpflichtungen zur Stellung von
Bürgschaften auf erstes Anfordern unwirksam sei.
Die Klägerin hat behauptet, der Vertrag mit der ARGE X-Brücke sei von ihr nur zur
einmaligen Verwendung für die grundhafte Sanierung der X-Brücke und nicht
nochmals verwendet worden; es handele sich bei den Vertragsbedingungen
deshalb nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Die Beklagte sei auf
Grund der Gewährleistungsbürgschaft zur Leistung in Höhe von € 92.992,53
verpflichtet, denn es sei für noch erforderliche Mängelbeseitigungsarbeiten ein
Kostenaufwand in Höhe dieses Betrages erforderlich.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die werkvertragliche
Sicherungsvereinbarung habe den Charakter von seitens der Klägerin gestellten
AGB. Sie sei nach der Rechtsprechung wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (jetzt §
307 BGB) unwirksam, weil sie zur Sicherung des Gewährleistungsrisikos einen
Einbehalt von 5 % des Werklohns vorsehe, ohne dass dem Unternehmer hierfür
ein angemessener Ausgleich gewährt werde.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche
Feststellungen gemäß § 540 I Nr.1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, die
Beklagte entsprechend dem Klageantrag verurteilt,
an die Klägerin € 92.992.53 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 7.9.2004 zu zahlen.
Es hat die im Vertrag der Klägerin mit der ARGE X-Brücke vereinbarte
Sicherungsabrede als wirksam betrachtet und ausgeführt: Es könne dahingestellt
bleiben, ob es sich bei den Vertragsbedingungen um AGB der Klägerin handelte,
denn auch in diesem Fall sei die Regelung nicht zu beanstanden. Die
Vertragsinhalt gewordenen Klauseln in Ziff. 3.47 und 3.48 des Angebotsschreibens
- Vordruck des Auftraggebers - hätten das nach § 17 Nr. 2 und 3 VOB/B
bestehende Wahlrecht der Auftragnehmerin unter verschiedenen Möglichkeiten
der Sicherheitsleistung unberührt gelassen. Festgelegt sei lediglich die Höhe der
Sicherheitsleistung mit 5 % des Abrechnungsvolumens gewesen. Der Vertrag sehe
namentlich keine zwingende Ablösung des Sicherheitseinbehalt durch eine
Bürgschaft auf erstes Anfordern vor.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung weiterhin den Antrag, die Klage
abzuweisen. Sie rügt eine falsche Rechtsanwendung. Sie meint, das Landgericht
habe verkannt, dass der Auftragnehmerin kein im Sinne der Rechtsprechung des
BGH (BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598 u.a. - ständige Rechtsprechung; NJW-RR
2005, 458) angemessener Ausgleich für den Sicherheitseinbehalt von 5 % gewährt
worden und damit auch die Regelung betreffend die Stellung einer
Gewährleistungsbürgschaft unwirksam sei (BGH NJW 2001, 1857; BGH NJW 2004,
443).
Es handele sich bei den Vertragsbedingungen um AGB; dafür streite ein
unwiderlegter Anscheinsbeweis. Außerdem stehe fest, dass die Beklagte sich auch
bei anderen Großbauvorhaben habe Bürgschaften auf erstes Anfordern stellen
lassen (s. die Beispiele Anlagen BK 4 bis BK 7, Bl. 249-252 d.A.). Auch die kurz
nach der vorliegenden Ausschreibung erfolgte Ausschreibung für das Bauvorhaben
"Grundhafte Erneuerung …" (Anlage BK 8, Bl 255-265 d.A.) enthalte den Abschnitt
"Bürgschaften" (Ziff. 3.48) mit wortlautgleichem Text. Schon daraus sei auf die
damalige Absicht der Beklagten zu schließen, die fraglichen Klauseln in einer
unbestimmten Vielzahl von Fällen wiederzuverwenden.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Allerdings räumt sie die
Verwendung im wesentlichen gleicher besonderer Vertragsbedingungen in der
Ausschreibung für das Bauvorhaben "Grundhafte Erneuerung …" ein. Ebenso
räumt sie nun ein, dass die von ihr verwendeten ZVB-StB 88 und ihr Vordruck für
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räumt sie nun ein, dass die von ihr verwendeten ZVB-StB 88 und ihr Vordruck für
die Bürgschaftserklärung den Charakter Allgemeiner Geschäftsbedingungen
besitzen. Sie hält jedoch daran fest, dass der Auftragnehmerin vorliegend nach
den Vertragsbedingungen nicht auferlegt worden sei, einen möglichen
Sicherheitseinbehalt ausschließlich durch die Stellung einer Bürgschaft auf erstes
Anfordern abzulösen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Klage, für deren Beurteilung nach Art. 229 § 5 EGBGB noch das BGB und das
AGBG in der bis zum 1.1.2001 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist
unbegründet.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH halten AGB, in denen vorgesehen
ist, dass ein Sicherheitseinbehalt von 5 Prozent der Bausumme nur durch eine
Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, der Inhaltskontrolle nach §
9 AGBG a.F. (jetzt § 307 BGB) nicht stand (BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598;
BGHZ 150, 299 = NJW 2002, 2388; BGHZ 151, 229 = NJW 2002, 3098; NJW-RR
2005, 1040 = NZBau 2005, 460), weil damit dem Unternehmer kein
angemessener Ausgleich für den Einbehalt zugestanden wird. Es besteht keine
Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
2. Ist in einem solchen Fall die Vereinbarung im Bauvertrag über die Stellung einer
Gewährleistungsbürgschaft unwirksam, kann nach § 242 BGB ("dolo facit ....")
i.V.m. § 768 I BGB auch der Bürge nicht aus der aufgrund der Vereinbarung
übernommenen Bürgschaft in Anspruch genommen werden (BGHZ 147, 99 = NJW
2001, 1857) und kann er gegebenenfalls von ihm aufgrund einer solchen
Bürgschaft geleistete Zahlungen nach § 812 I BGB zurückfordern (BGHZ 152, 246
= NJW 2003, 352; BGHZ 153, 312 = NJW 2003, 1805). Der Senat sieht auch keine
Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
3. Diese Grundsätze gelten anerkannterweise auch für AGB eines öffentlichen
Auftraggebers (BGH, NJW-RR 2004, 880 = NZBau 2004, 322; BGH NJW-RR 2005,
458 = NZBau 2005, 219; zuletzt BGH Urteil v. 20.10.2005 - VII ZR 153/04 - NZBau
2006, 107 (= BK 1.1: Bl. 208-213 d.A.). Verwender von AGB ist in diesen Fällen der
Auftraggeber auch dann, wenn der Auftragnehmer sie im Hinblick auf dessen
Vorgaben (Leistungsverzeichnis, Ausschreibung) bereits in sein Angebot
aufgenommen und sie damit formal seinerseits in den Vertragsabschluß
eingeführt hat (vgl. BGH, NJW 1997, 2043; BGH NJW-RR 2006, 740).
4. Ist - wie hier - bestimmt, dass der Gewährleistungseinbehalt durch eine
Bürgschaft nach dem Muster des Auftraggebers ablösbar ist, soll auch diese
Klausel nach einem Urteil des BGH vom 2.3.2000 (NJW 2000, 1863) unwirksam
sein, weil sie intransparent sei und insbesondere die Möglichkeit offen lasse oder
gar nahe lege, dass das Muster dann eine unangemessene Bürgschaft auf erstes
Anfordern vorsehe. Hiervon ist der BGH später abgerückt: Nach einem Urteil vom
26.2.2004 (BGH, NJW-RR 2004, 814 = NZBau 2004, 323) gilt der Rechtssatz der
Entscheidung vom 2.3.2000 nur dann, wenn die Sicherungsabrede den Inhalt der
Gewährleistungsbürgschaft offen lässt und nur auf das Muster verweist. Ist
dagegen ein Inhalt der Gewährleistungsbürgschaft bestimmt, nach dem es sich
nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt, soll der Verweis auf das
Muster unschädlich sein; allerdings war in dem entschiedenen Fall - anders als hier
- dann auch keine eine Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen worden.
5. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass eine
wirksame Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten nicht entstanden ist:
Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung aufgrund der von ihrer
Rechtsvorgängerin übernommenen Gewährleistungsbürgschaft vom 13.9.1999 (K
2: 16) setzte lediglich eine "erste schriftliche Anforderung" der Klägerin voraus.
Diese ist erfolgt, wie sich aus den Schreiben der Klägerin an die D-AG vom
14.10.2003 und 14.6.2004 ergibt. Diese Verpflichtung ist nach den dargestellten
Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH unwirksam, da sich die ihr zugrunde
liegende Verpflichtung der Auftragnehmerin, der ARGE X-Brücke, aus von der
Klägerin verwendeten AGB ergab.
a) Die vom Landgericht offen gelassene Streitfrage, ob der Vordruck der Klägerin,
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a) Die vom Landgericht offen gelassene Streitfrage, ob der Vordruck der Klägerin,
der dem Angebot der ARGE X-Brücke zugrunde lag, die dort in Bezug
genommenen und ebenfalls einbezogenen Zusätzlichen Vertragsbedingungen für
die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (ZVB-StB 88) und
das Formular der Klägerin für die Bürgschaftsverpflichtung, deren Verwendung in
Ziff. 48.4 ZVB-StB 88 vorgeschrieben wurde, als AGB i.S. von § 1 AGBG (jetzt §
305 I BGB) zu betrachten sind, ist zu bejahen. Es handelte sich bei all diesen
Bestandteilen des Vertragswerks um von der Klägerin gestellte vorformulierte
Vertragsbedingungen, die für die Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen
bestimmt waren. Ein Aushandeln im Einzelnen ist unstreitig nicht erfolgt und wäre
im Vergabeverfahren auch kaum möglich gewesen.
Für die Qualifikation der Vertragsbedingungen als AGB kann allerdings nicht allein
darauf abgestellt werden, dass die Ausschreibung der Klägerin betreffend das
Bauvorhaben grundhafte Erneuerung der X-brücke einschließlich Behelfsbrücke
gegenüber mehreren Bietern erfolgt ist, denn die Ausschreibung in einem
Vergabeverfahren zielt auf den Abschluss nur eines Vertrages ab, stellt also für
sich betrachtet noch keine Vorformulierung für viele Verträge dar (vgl. BGH, NJW
1997, 135). Die in I. Instanz und anfangs auch in der Berufungsinstanz noch
umstrittene Verwendung der Regelungen in Ziff. 3.47 (Sicherheitsleistungen) und
Ziff. 3.48 (Bürgschaften) des mit "Vertragsbestandteile" überschriebenen
Abschnitts II des nach dem Vordruck der Klägerin erstellten Angebots der ARGE X-
Brücke und des Formulars der Klägerin für die Bürgschaftsverpflichtung bei
mehreren anderen Bauvorhaben ist von der Klägerin jedoch inzwischen
zugestanden worden. Da auch einzelne Klauseln AGB sein können (vgl. Palandt-
Heinrichs, BGB, § 305 Rn. 15), genügt schon die einheitliche Verwendung der
Vertragsbestimmungen der Ziffern 4.37 und 3.48; es kommt es nicht etwa darauf
an, ob die mit "Vertragsbestandteile" überschriebenen Abschnitte II der jeweiligen
Vertragsformulare der Klägerin auch anderen oder in allen übrigen Punkten
übereinstimmten.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist im Bauvertrag auch
vorgeschrieben, dass eine Ablösung des nach Ziff. 3.47 - Sicherheitsleistungen -
(S. 230 [B 1: 41]) vereinbarten Gewährleistungseinbehalts von 5 % der
Abrechnungssumme nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern möglich sein
sollte.
Für die Auslegung der Vertragsbedingungen in diesem nach wie vor umstrittenen
Punkt sind nach den vorrangig vereinbarten "Ergänzungen des Auftraggebers zu
den Allgemeinen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen" unter Ziff. 3 des Teils II
des Angebots der ARGE X-Brücke - s. zur Rangfolge der Regelungssysteme die
Geltungsvereinbarung der Ziff. 3.5 des Angebots (S. 203, Bl. 85 = 132 d.A.) -
zunächst die Bestimmungen in Ziff. 3.47 (Sicherheitsleistungen) und Ziff. 3.48
(Bürgschaften) einschlägig. Nachrangig gelten die Regelungen der VOB/B (hier
insbesondere der § 17 betreffend Sicherheitsleistungen) sowie die Bestimmungen
über Sicherheitsleistungen und Bürgschaften in Ziff. 47 und 48 ZVB-StB 88 (B 1.2:
83 = 103). Danach war vom Auftragnehmer zunächst eine Sicherheit für die
Vertragserfüllung in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu leisten (Ziff. 47.1 und
47.3 ZVB-StB 88) und zwar zwingend in Form einer Vertragserfüllungsbürgschaft
(Ziff. 47.3 ZVB-StB 88) auf erstes Anfordern (Angebot Ziff. 3.48.1und Ziff. 48.4
ZVB-StB 88). Für die Abwicklung der Vertragsbeziehung nach der durch die
Abnahme gebildeten Zäsur war vereinbart, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft
in eine Gewährleistungsbürgschaft umgewandelt werden könne (Angebot Ziff.
3.48.2 und Ziff. 47.3 ZVB-StB 88), deren Höhe abweichend von Ziff. 47.3 ZVB-StB
88 (2 % der Abrechnungssumme) mit 5 % der Abrechnungssumme vereinbart
wurde (Angebot Ziff. 3.47.2 und 3.48.2).
Die Gewährleistungsbürgschaft musste nach Ziff. 48.4 ZVB-StB 88 - anders als
etwa die Vertragserfüllungsbürgschaft - keine Bürgschaft auf erstes Anfordern
sein. Die vorrangige Bestimmung in Ziff. 3.48.1 des Angebots
In der Bürgschaftsurkunde hat der Bürge sich zur Zahlung auf erstes Anfordern
bereit zu erklären....
sah eine der Regelung in Ziff. 48.4 ZVB-StB 88 entsprechende Differenzierung
danach, ob eine Bürgschaften für Vertragserfüllung, Abschlagszahlungen oder
Vorauszahlungen oder eine Gewährleistungsbürgschaft zu stellen war, gerade
nicht vor. Nach ihr musste somit jede nach dem Vertrag in Betracht kommende
Bürgschaft eine Bürgschaft auf erstes Anfordern sein, auch eine
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Bürgschaft eine Bürgschaft auf erstes Anfordern sein, auch eine
Gewährleistungsbürgschaft. Der Senat vermag der Auffassung der Klägerin, die
Klausel in Ziff. 3.48.1 des Angebots betreffe lediglich
Vertragserfüllungsbürgschaften, nicht zu folgen. Dies Ergebnis lässt sich auch
nicht damit begründen, dass von der Gewährleistungsbürgschaft erst in Ziff. 3.48.2
des Angebots die Rede ist. Die Wirkung dieser Klausel wurde im übrigen bestätigt
und verstärkt durch das Erfordernis der Verwendung von Formblättern der
Auftraggeberin für die Bürgschaften (Ziff. 48.1 ZVB-StB 88).Der Senat vermag
auch dem Argument der Klägerin, die Modalitäten der Ausgestaltung einer
Gewährleistungsbürgschaft seien in Ziff. 3.48.2 des Angebots nicht festgelegt,
weshalb hierfür ergänzend die Bestimmungen der ZVB-StB 88 heranzuziehen
seien, nicht zu folgen. Dies verkennt, dass die Bestimmung der Ziff. 3.48.1 des
Angebots den Charakter eines gegenüber der ZVB-StB 88 vorrangigen Obersatzes
hat. Nicht zu folgen war auch dem Argument, die Regelung in Ziff. 3.48.1 des
Angebots belaste den Auftragnehmer gar nicht, weil dort das Erfordernis der
Stellung einer Bürgschaft gar nicht bestimmt sei; die Regelung betreffe deshalb
nur den Fall, dass der Auftragnehmer sich aus freien Stücken für die Ablösung des
Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft entscheide. Diese
Argumentation verkennt, dass das Erfordernis einer Ablösung des
Sicherheitseinbehalts gerade und nur durch eine Gewährleistungsbürgschaft an
anderer Stelle bestimmt ist, nämlich in Ziff. 3.48.2 des Angebots und Ziff. 47.3
ZVB-StB 88 (s.o. Ziff. 3.c des Votums).
Die Klägerin hat auf Grund ihres Unterliegens die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen (§ 91 I ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Entscheidung nicht von
klärungsbedürftigen Rechtsfragen allgemeiner Bedeutung abhing und die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II ZPO); die
Entscheidung steht insbesondere nicht im Gegensatz zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr.10 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.