Urteil des OLG Frankfurt vom 17.12.2001

OLG Frankfurt: grundstück, deponie, bebauungsplan, amtspflicht, rückübertragung, altlasten, gefährdung, gemeinde, bergbau, eigentümer

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 133/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 34 S 1 GG, § 839 Abs 1 S 1
BGB
(Amtspflichtverletzung der Gemeinde bei Zuweisung eines
Neugrundstückes im Umlegungsverfahren innerhalb eines
nicht bebaubaren Bebauungsplanbereiches)
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 25.05.1998 verkündete Urteil der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Gießen abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an
die Kläger 369.750,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 19.01.1998 zu zahlen Zug
um Zug gegen Rückübertragung des Grundstücks W.-J,-Ring ..., Flur ..., Flurstück ...
der Gemarkung B. N.. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung
von 450.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in
entsprechender Höhe leisten. Der Wert der Beschwer wird für die Beklagte auf
369.750,-- DM und für die Kläger auf 250,-- DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz aus dem rechtlichen
Gesichtspunkt der Amtshaftung und des enteignungsgleichen Eingriffs, weil die
Beklagte bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ,,, "Im S..." schuldhaft eine
altlastenverdächtige Fläche einbezogen habe und das den Klägern im
Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück kontaminiert und deshalb unbebaubar
sei.
Die Kläger waren seit 1976 zu je ½ Eigentümer des Ackergrundstücks Flur ...,
Flurstück ... "Am S..." in der Gemarkung B. N.. Dieses Grundstück lag innerhalb des
Gebietes "Im S...", für das die Beklagte am 06.05.1969 die Aufstellung eines
Bebauungsplanes beschloss. Dieser Bebauungsplan trat jedoch nicht in Kraft.
Wegen der Anforderungen durch das neue Hessische Naturschutzgesetz fasste
die Beklagte am 02.09.1982 erneut einen Aufstellungsbeschluss. Im Oktober 1984
legte ein durch die Beklagte beauftragtes Planungsbüro den Entwurf des
Bebauungsplanes Nr. ..."Im S..." mit integriertem Landschaftsplan vor. Der
Bebauungsplan wurde vom 08.10.1984 bis 09.11.1984 öffentlich ausgelegt, am
28.02.1984 von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten als Satzung
beschlossen und mit Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom
25.06.1985 genehmigt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes gab
die Beklagte u.a. folgenden Hinweis: "Ehemalige Bergbau- und
Abbaugebiete/deponieren. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist in der
Vergangenheit der Bergbau umgegangen. Örtlich befanden sich diese
Abbaugebiete, die zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Die Bergbau- und
Abbaugebiete sind nicht mehr lokalisierbar. Für die Gründung baulicher Anlagen
sind qualifizierte Baugrunduntersuchungen anzustellen und geeignete
Sicherungsmaßnahmen zu treffen" (Anlage B 3).
Zur besseren Erschließung des Plangebietes wurde durch Beschluss der Beklagten
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Zur besseren Erschließung des Plangebietes wurde durch Beschluss der Beklagten
vom 17.11.1986 das Umlegungsverfahren eingeleitet. Bei Erörterungsterminen im
Rahmen des Umlegungsverfahrens am 13.05.1987 und am 06.06.1987 wünschten
die Kläger zunächst die Zuteilung von Bauland in Block 32, Nordostspitze, später
eine Zuteilung im Block 21 (Endreihenhausbauplatz mit ca. 17 m Breite). Der
Umlegungsplan wurde von der Beklagten am 15.12.1987 beschlossen. Am
10.03.1988 wurde seine Unanfechtbarkeit bekannt gemacht. Durch den
Umlegungsplan wurde den Klägern zu jeweils hälftigem Eigentum das Grundstück
Gemarkung B. N., Flur ... Nr...., Gebäude und Freifläche W.-J.-Ring ..., 493 qm,
zugeteilt. Da die Kläger einen Anspruch auf Zuteilung von 553 qm Bauland hatten,
wurde ihnen wegen der Minderzuteilung von 60 qm ein Betrag von 18.000,-- DM
(300,-- DM/qm) gezahlt.
Nachdem bei den Erschließungsarbeiten Abfall-Auffüllungen sichtbar geworden
waren, gab die Beklagte ein geo-wissenschaftliches Gutachten zur
Gründungsbeurteilung der ehemaligen Kiesgruben in B. N. "Im S..." in Auftrag. Das
daraufhin erstellte Gutachten der Fa. Ge. vom 20.09.1989 stellte u.a. fest, dass die
in den Bodenaufschlüssen angetroffene Auffüllungszusammensetzung Hinweise
auf eine mögliche Umweltgefährdung durch Ausgasungen ergebe, da schwarze,
stark organische Einlagerungen angetroffen worden seien (Anlage A 4). Daraufhin
beauftragte die Beklagte das Ingenieurbüro B./G./S. GmbH mit einer Untersuchung
zur Untergrundbelastung des Baugebietes "Im S...". In der Untersuchung (Stand
Dezember 1992, Anlage A 6) wird u.a. ausgeführt, dass sich in dem insgesamt
384000 qm umfassenden Baugebiet eine als Altablagerung bekannte Fläche von
etwa 27.000 qm befinde, die eine Bodenbelastung insbesondere durch Arsen und
Blei aufweise. Die Änderung des Bebauungsplanes wird als unumgänglich
bezeichnet. Das den Klägern im Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück
befindet sich im Gebiet der altlastenverdächtigen Fläche.
Das Regierungspräsidium Darmstadt setzte die Kläger mit Schreiben vom
19.10.1990 von der Absicht in Kenntnis, das Gebiet "Im S..." zur Altlast gemäß § 18
HabfAG zu erklären (Anlage A 7). Mit Schreiben vom 06.06.1995 (Bl. 41 - 44 d.A.)
teilte das Regierungspräsidium Darmstadt den Klägern mit, dass das Grundstück
Flur ... Flurstück ... im Bereich der ehemaligen Deponie "Im S..." in B. N. liege, die
der Überwachung durch das Regierungspräsidium nach §11 Abfallgesetz
unterliege. Da die Fläche als altlastenverdächtig einzustufen sei, könne einer
Bebauung nicht zugestimmt werden.
Auf ihre Bauvoranfrage vom 16.07.1996 erteilte der Kreisausschuss des Wetterau-
Kreises den Klägern am 18.11.1996 den Bescheid, dass das geplante Vorhaben
bauplanungsrechtlich unzulässig sei, weil das Baugrundstück im Bereich von
Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege, so dass das Baugrundstück
nach Lage und Beschaffenheit für die beabsichtigte Bebauung nicht geeignet sei
(Bl. 45 - 46 d.A.). Mit Schreiben vom 18.12.1996 legten die Kläger gegen den
versagenden Bauvorbescheid Widerspruch ein, nahmen den Widerspruch jedoch
mit Schreiben vom 29.04.1997 zurück, weil sie ihn als aussichtslos ansahen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte habe schuldhaft ihre
Amtspflichten verletzt, indem sie die altlastenverdächtige Fläche des ehemaligen
Deponiegeländes im Bebauungsplan als Baugebiet ausgewiesen und den Klägern
im Umlegungsverfahren ein nicht bebaubares Grundstück zugewiesen habe.
Wegen der früheren Nutzung als Mülldeponie bestehe die konkrete Gefahr, dass
bei einer Bebauung des ihnen zugewiesenen Grundstückes
gesundheitsbeeinträchtigendes Deponiegas austrete. Das Grundstück sei nicht
sanierungsfähig. Die Beklagte habe die fehlende Bebaubarkeit der ehemaligen
Deponiefläche schuldhaft nicht erkannt. Da die Beklagte in früherer Zeit Aschen
und Schlacken aus ihrem ehemaligen Gaswerksbetrieb im Gebiet der ehemaligen
Deponiefläche abgelagert habe und ihr bekannt gewesen sei, dass die ehemaligen
Kies- und Sandgruben wild verfüllt worden seien, hätte sie die hierdurch
verursachte Gefahrenlage aufklären müssen. Der den Klägern entstandene
Schaden bestehe darin, dass das von ihnen in die Umlegung eingeworfene
Altgrundstück einen Wert von 377.000,-- DM gehabt habe, das ihnen zugeteilte
Grundstück hingegen entsprechend der Grundsteuerfestsetzung einen Wert von
0,-- DM habe, weil es nicht nutzbar sei.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Klägern Zug um Zug gegen Rückübertragung
des kontaminierten unbebaubaren Grundstücks W.-J.-Ring..., Flur..., Flurstück ...in
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des kontaminierten unbebaubaren Grundstücks W.-J.-Ring..., Flur..., Flurstück ...in
der Gemarkung B. N. ein bebaubares Grundstück gleichwertiger Lage und Größe
zu übertragen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit
dem 19.01.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, vor und bei Aufstellung des Bebauungsplanes und
während des Umlegungsverfahrens keine Kenntnis von einer Kontamination des
Bodens gehabt zu haben. Es fehle deshalb jedenfalls an einem Verschulden ihrer
Mitarbeiter. Auch sei die Schadensberechnung der Kläger unzutreffend, da das von
ihnen in das Umlegungsverfahren eingebrachte Alt-Grundstück erheblich
arsenbelastet und deshalb nur nach kostenaufwendiger Sanierung bebaubar sei.
Das Landgericht hat die Klage durch am 25.05.1998 verkündetes Urteil
abgewiesen (Bl. 95 - 105 d.A.). Die Kläger haben gegen das ihnen am 10.06.1998
zugestellte Urteil am 10.07.1998 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach
Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.09.1998 an diesem Tage
begründet.
Mit ihrer Berufung wiederholen die Kläger ihre Auffassung, die Beklagte habe bei
der Aufstellung des Bebauungsplanes und auch durch Zuteilung eines nicht
bebaubaren Grundstückes im Umlegungsverfahren schuldhaft ihre Amtspflichten
verletzt. Zusätzlich stützen sie die Klage auf einen Entschädigungsanspruch
wegen enteignungsgleichen Eingriffs.
Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Unkenntnis der
Beklagten von der Kontamination der Grundstücke im Bereich der mit Müll
verfüllten Flächen nicht schuldhaft gewesen sei. Die Hessische Landesanstalt für
Umwelt habe schon 1981 Kenntnis von den Altablagerungen erlangt. Ferner sei
den Bediensteten der Beklagten bekannt gewesen, dass im Bereich des
Plangebietes ehemalige Kiesgruben mit Hausmüll verfüllt worden seien. Ebenfalls
sei bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass auch Industrieabfälle
eingelagert worden waren, da die ehemaligen Kiesgruben als Deponie für Abfälle
aus dem städtischen Gaswerk genutzt worden seien. Aufgrund dieser Umstände
sei die Beklagte verpflichtet gewesen, im Rahmen des Aufstellungsverfahrens des
Bebauungsplanes Bodenuntersuchungen wegen des konkreten Verdachtes auf
gesundheitsgefährdende Altlasten vorzunehmen. Die vorgefundene Belastung des
Bodens mit Arsen beruhe in erheblichem Umfang auf der Ablagerung
gaswerkspezifischer Schlacken. Das Spektrum der im Altablagerungskörper
nachgewiesenen Verunreinigungen sei jedoch wesentlich größer als die
Verunreinigungen mit Arsen.
Zu Unrecht habe das Landgericht die Abweisung der Klage damit begründet, dass
der Anspruch der Kläger wegen des unterlassenen Rechtsbehelfs gegen den
ablehnenden Bauvorbescheid ausgeschlossen sei. Der Widerspruch gegen den
Vorbescheid sei kein Rechtsbehelf im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB. Außerdem sei
er offensichtlich aussichtslos gewesen, weil der negative Vorbescheid rechtmäßig
ergangen sei. Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten wäre allein der Bereich
der ehemaligen Deponie aus dem Plangebiet herausgenommen worden. Die
Arsenbelastung des Alt- Grundstückes der Kläger sei so gering gewesen, dass sie
einer Einbeziehung dieses Grundstückes in den Bebauungsplan nicht entgegen
gestanden hätte. Das ergebe sich daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger
inzwischen - unstreitig - mit einem Doppelhaus bebaut worden ist und die
Arsenbelastung entsprechend einer Auflage der Bauaufsichtsbehörde lediglich das
Aufbringen einer 35 cm starken Humusschicht erforderte. Bei pflichtgemäßem
Verhalten der Beklagten wäre den Klägern im Umlegungsverfahren ein 553 qm
großes nicht kontaminiertes Baugrundstück zugewiesen worden. Deshalb sei der
Hauptantrag auf Übertragung eines bebaubaren Grundstückes gleichwertiger Lage
und Größe gerechtfertigt. Ausnahmsweise könne hier Naturalrestitution verlangt
werden, weil diese nicht zur Rückgängigmachung der inzident zu prüfenden
Verwaltungsentscheidung führe, sondern die Lieferung eines anderen
Gegenstandes beinhalte. Zumindest könne Schadensersatz oder eine
Entschädigung in Höhe von 370.000,-- DM beansprucht werden. Die Höhe ergebe
sich daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger nach der Bodenrichtwertkarte
zum Stichtag 31. Dezember 1999 (Bl. 216 - 218 d.A.) einen Wert von 750,-- DM
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zum Stichtag 31. Dezember 1999 (Bl. 216 - 218 d.A.) einen Wert von 750,-- DM
pro Quadratmeter gehabt habe.
Die Kläger beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte
zu verurteilen,
1. den Klägern Zug um Zug gegen Rückübertragung des kontaminierten
unbebauten Grundstücks W.-J.-R. ..., Flur ..., Flurstück ... in der Gemarkung B. N.
ein bebaubares Grundstück gleichwertiger Lage und Größe zu übertragen,
2. hilfsweise an die Kläger 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit 19.01.1998 zu
zahlen,
3. höchst hilfsweise an die Kläger Zug um Zug gegen Rückübertragung des
kontaminierten unbebaubaren Grundstückes W.-J.-R. ..., Flur ..., Flurstück ... in der
Gemarkung B. N. 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit dem 18.01.1998 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurück zu weisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Zu Recht habe das Landgericht ein Verschulden der Mitarbeiter der Beklagten
verneint. Bei den Vorarbeiten im Bauplanungsverfahren sei die Stellungnahme des
Hessischen Landesamtes für Bodenforschung vom 26.07.1993 (Bl. 35 d.A.)
eingeholt und von dem beauftragten Planungsbüro ausgewertet worden, dessen
Ergebnisse und Untersuchungen im Oktober 1984 in einer Broschüre dargestellt
worden seien. Entsprechend dem Ergebnis dieser Untersuchungen sei im Textteil
des Bebauungsplanes auf die Gründungsproblematik hingewiesen worden.
Anhaltspunkte für eine gesundheitsgefährdende Bodenkontamination seien
hingegen nicht vorhanden gewesen. Entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung
seien nicht eingegangen. Das der Beklagten bekannt gewesene Gutachten Dr. Tr.
vom 28.02.1967 (Anlage A 3) betreffe ebenfalls allein Gründungsschwierigkeiten.
Erstmals aus dem Gutachten der Fa. Ge. vom 20.09.1989 (Anlage A 4) seien
Anhaltspunkte für eine mögliche Bodenbelastung erkennbar geworden. Auch die
Hessische Landesanstalt für Umwelt habe nicht schon 1981, sondern erst
1988/1989 Kenntnis von Altablagerungen erlangt.
Eine Haftung der Beklagten scheide auch deshalb aus, weil es an der
erforderlichen Drittbezogenheit der geltend gemachten Amtspflichtverletzung
fehle. Denn es sei unklar, ob von dem konkreten Grundstück der Kläger Gefahren
für die Gesundheit am Menschen ausgehen. Ein eventueller Schaden der Kläger
aus dem Umstand, dass Nachbargrundstücke verseucht seien, werde nicht vom
Schutzbereich der Amtspflicht umfasst.
Schließlich sei den Klägern auch kein Schaden entstanden. Wenn die
Altablagerung bei Aufstellung des Bebauungsplanes untersucht worden wäre,
hätte der Bereich der ehemaligen Sand- und Kiesgrube aus der Planung
herausgenommen werden müssen. Auch das Alt-Grundstück der Kläger wäre nicht
in den Geltungsbereich einbezogen worden, weil es nahe am Gebiet der
Altablagerungen liege, deren Begrenzungen nicht sicher feststellbar seien.
Deshalb wäre als südliche Grenze des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes
eine Linie in Betracht gekommen, die etwa die Höhe der auf dem überreichten
Bebauungsplan gelb markierten Straße "Am St." parallel zur nördlichen Grenze der
Altablagerung verlaufe. Für eine solche Linienführung hätte auch die hohe Arsen-
Belastung des Alt-Grundstückes der Kläger gesprochen. Dann hätten die Kläger
nicht am Umlegungsverfahren teilgenommen, sondern weiterhin ein Grundstück
der Qualität "Ackerland" gehabt. Der heutige Wert des den Klägern im
Umlegungsplan zugewiesenen Grundstückes betrage 120,-- DM pro
Quadratmeter.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger hat hinsichtlich des Hilfsantrages Erfolg.
Allerdings ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem die Kläger
Übertragung eines bebaubaren Grundstückes verlangen, das nach Lage und
Größe ihrem Alt- Grundstück gleichwertig ist, unbegründet. Dieser Klageantrag ist
unzulässig, weil er dem Erfordernis der Bestimmtheit nicht entspricht. Ihm fehlt der
erforderliche Maßstab, an dem die Gleichwertigkeit von Lage und Größe eines
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erforderliche Maßstab, an dem die Gleichwertigkeit von Lage und Größe eines
Ersatzgrundstückes beurteilt werden kann. Auf eine Konkretisierung dieses
Antrages hinzuwirken war nicht veranlasst, weil der Hauptantrag selbst in einer
hinreichend konkreten Fassung keinen Erfolg haben kann. Unterstellt man, dass
der geltend gemachte Schaden - die Zuweisung eines zur Bebauung und Nutzung
zu Wohnzwecken ungeeigneten Grundstückes im städtebaulichen
Umlegungsverfahren - auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung der
Amtsträger der Beklagten beruht, könnte er im Wege der Naturalrestitution nur
durch Abänderung des Umlegungsplanes ausgeglichen werden. Ein solcher
Anspruch ist deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte, auf die die Verpflichtung
des Beamten zum Schadensersatz nach Artikel 34 GG übergeleitet ist, nur im
Rahmen der Ersatzpflicht des Beamten haftet, der Beamte persönlich jedoch nicht
auf Vornahme einer Amtshandlung in Anspruch genommen werden. Davon gehen
wohl auch die Kläger aus. Dementsprechend handelt es sich bei der von ihnen
erstrebten privat-rechtlichen Übertragung eines Ersatzgrundstückes auch nicht
um Naturalrestitution im eigentlichen Sinne, sondern um eine andere Form des
Schadensersatzes, die § 251 Abs. 1 BGB je- doch nicht vorsieht. Nach dieser
Bestimmung können die Kläger - da Naturalrestitution ausgeschlossen ist -
allenfalls Schadensersatz in Geld verlangen.
Erfolg hat die Berufung der Kläger hingegen mit dem auf Schadensersatz in Geld
gerichteten Hilfsantrag. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Kläger aus dem
rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (Artikel 34 GG i.V.m. § 839 BGB)
369.750,-- DM zu zahlen.
Die Amtsträger der Beklagten haben ihre Amtspflichten bei der Aufstellung des
Bebauungsplanes "Im S..." verletzt, indem sie die Anforderungen, die an gesunde
Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, nicht mit der gebotenen Sorgfalt
ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Planung eingebracht
haben (BGH NJW 1989, 676, 977). Es ist Aufgabe des Planungsträgers, die künftige
Wohnbevölkerung vor Umweltbelastungen und Gefahren zu schützen, die von dem
Grund und Boden des Plangebietes selbst ausgehen (BGH a.a.O.).
Hier haben die Amtsträger der beklagten Gemeinde die Auswirkungen der
Verfüllungen im Bereich der als wilde Deponie genutzten Kiesgruben für die
bauliche Nutzung des Gebietes als Wohngebiet nicht hinreichend berücksichtigt.
Die gebotene Untersuchung des Bodens in diesem Bereich auf Schadstoffe wurde
unterlassen. Infolge dessen verkannte die Stadtverordnetenversammlung der
Beklagten bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan, dass das
Plangebiet im Bereich der ehemaligen Kiesgrube altlastenverdächtig und zur
Bebauung nicht geeignet war.
Allerdings erfordert der von der Gemeinde bei der Planung einzuhaltende
Sorgfaltsstandard nicht eine uferlose Überprüfung des zu beplanenden Areals
gleichsam "ins Blaue hinein". Was die planende Stelle "nicht sieht" und was sie
nach den ihr zur Verfügung stehenden Kenntnisquellen auch nicht zu "sehen"
braucht, kann von ihr nicht berücksichtigt werden und braucht von ihr auch nicht
berücksichtigt zu werden. Überzogene Anforderungen an die Prüfungspflicht dürfen
nicht gestellt werden (BGH NJW 1994, 253, 255 m.w.N.). Hier indes lagen
Umstände vor, die der Beklagten zu eingehenden Bodenuntersuchungen auf
Schadstoffbelastungen im Bereich der verfüllten Kiesgruben hätten Anlass geben
müssen. Bereits die Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für
Bodenforschung vom 26.07.1983 (Bl. 35 d.A.) an die Beklagte wies darauf hin,
dass im Plangebiet alte verfüllte Sand-/Kiesgruben nicht auszuschließen seien.
Nach den Untersuchungen des von der Beklagten mit der Planung beauftragten
Ingenieurbüros war im Plangebiet in der Vergangenheit Bergbau betrieben worden,
örtlich befanden sich Kiesabbaugebiete, die zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Nach
dem zweiten Bericht der Fa. G. GmbH vom 20.09.1989 war die Lage der
ehemaligen Kiesgruben innerhalb des Plangebietes bekannt. Wegen der Kenntnis
von der Verfüllung der ehemaligen Kiesgruben mit Müll hätte sich für die Beklagte
der Rückschluss ergeben müssen, dass demgemäß in diesem Bereich ganz
allgemein mit der Gefahr von Bodenverseuchungen zu rechnen war. Es musste die
Möglichkeit in Rechnung gestellt werden, dass auf den Deponieflächen - zumal es
keine offizielle, sondern eine "wilde" Deponie war - auch Abfälle gelagert wurden,
die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefährdung
schufen (vgl. BGH NJW 1992, 1953, 1955). Die möglichen Gefahren, die von einer
"wilden" Deponie ausgehen konnten, waren bei Planaufstellung auch bekannt. Der
Hessische Minister für Landwirtschaft und Forst hatte mit Runderlass vom
19.11.1970 (Staatsanzeiger für das Land Hessen Seite 2403 ff.) ein Merkblatt
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19.11.1970 (Staatsanzeiger für das Land Hessen Seite 2403 ff.) ein Merkblatt
bekannt gemacht, das im Auftrag von Bund und Ländern vom
Bundesgesundheitsamt aufgestellt worden war. Darin wird unter Nr. 6.2
ausgeführt, dass bei Bebauung eines Deponiegeländes zu beachten ist, dass noch
mehrere Jahre nach Abschluss der Ablagerung sich im Deponiekörper
biochemische Prozesse vollziehen und die Ursache für ungleichmäßige Setzungen
und Gasaustritte sein können. Ferner wird auf die Gefährdung von Mensch und Tier
durch schädliche Gase sowie mögliche Korrosion an Baukörpern, Kabeln und
Rohrleitungen hingewiesen (Anlage A 5). In Anlage 2 zu diesem Merkblatt wird
unter Nr. 1.3 ausgeführt, dass bei der Nutzung abgeschlossener Deponien zu
beachten ist, dass aus dem Deponiekörper ausgetretene gesundheitsschädigende
Zersetzungsgase nicht in Räume eindringen dürfen, die zum vorübergehenden
oder dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Es wird empfohlen,
unmittelbar nach Beendigung der Ablagerung Setzungspegel zu errichten und
laufend Messungen durchzuführen.
Im vorliegenden Fall boten die von der Beklagten im Planverfahren getroffenen
Feststellungen keine hinreichend tragfähige Grundlage dafür, dass eine
Gesundheitsgefährdung bei den zukünftigen Bewohnern des Plangebietes
auszuschließen ist. Weder die Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für
Bodenforschung vom 26.07.1983 noch der Untersuchungsbericht des mit der
Planung beauftragten Ingenieurbüros nahmen zu den Fragen einer etwaigen
Gefährdung von Mensch und Tier durch biochemische Prozesse Stellung. Vielmehr
beschränkten sie sich auf die Bebaubarkeit des Geländes aus gründungs-
technischer Sicht. Nichts anderes gilt für das Gutachten des Erdbaulaboratoriums
Dr. Topp vom 28.02.1967 (Anlage A 3), welches der Beklagten ebenfalls bei der
Planaufstellung bekannt war. Die Beklagte war deshalb wegen ihrer Kenntnis von
der Nutzung der früheren Kies- und Sandgruben als wilde Mülldeponie verpflichtet,
sich gezielt über das bio-chemische Gefährdungspotential dieser Flächen Klarheit
zu verschaffen. Zu diesem Zweck hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt
werden müssen darüber, ob der beabsichtigten Nutzung des Plangebietes zu
Wohnzwecken Bedenken wegen Gesundheitsgefahren entgegen stehen. Danach
haben die Amtsträger der Beklagten ihre Amtspflichten bei der Aufstellung des
Bebauungsplanes verletzt, indem sie die Anforderungen, die an gesunde Wohn-
und Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, nicht mit der gebotenen Sorgfalt
ermittelten.
Diese Amtspflicht oblag der Beklagten auch gegenüber den Klägern. Das folgt
allerdings nicht bereits daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger im Planbereich
liegt. Der Kreis der geschützten Dritten bei Verletzung der Amtspflicht, bei der
Aufstellung von Baulandplänen die Anforderungen, die an gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, mit der gebotenen Sorgfalt zu ermitteln und
mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Planung einzubringen, ist dahin
einzugrenzen, dass Personen, bei denen eine Gefährdung von Leben und
Gesundheit nicht besteht und die auch nicht die Verantwortung dafür tragen, dass
die von ihnen errichteten Bauten von Gesundheitsgefahren frei sind, nicht in den
Schutzbereich der hier in Rede stehenden Amtspflicht fallen (BGH NJW 1990, 1038,
1040). Deshalb sind Schadensersatzansprüche eines Planbetroffenen nicht bereits
dann begründet, wenn sein Grundstück selbst von Schadstoffen unbelastet ist, die
Wohnqualität aber dadurch beeinträchtigt wird, dass es in der Nachbarschaft oder
Umgebung schadstoffbelasteter Grundstücke liegt (BGH a.a.O.). Das Alt-
Grundstück der Kläger liegt außerhalb des Bereiches der früheren wilden Deponie.
Von diesem Grundstück gingen Gesundheitsgefahren unstreitig nicht aus. Die
Arsenbelastung des Alt-Grundstückes der Kläger ist geogenen Ursprungs. Sie
steht einer Bebauung und Nutzung des Grundstückes zu Wohnzwecken nicht
entgegen. Demgemäß wurde die Bebauung dieses Grundstückes genehmigt und
auch ausgeführt. Die Arsenbelastung machte lediglich die Überdeckung des
Bodens mit einer 35 Meter mächtigen Humusschicht erforderlich.
Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass das den Klägern im
Umlegungsverfahren zugewiesene Neu-Grundstück im nicht bebaubaren Bereich
der Altablagerung liegt. Dieses Grundstück ist zur Bebauung und Nutzung zu
Wohnzwecken nicht geeignet. Da es den Klägern im Wege der Surrogation (§ 63
BauGB) dem Eigentumsrecht am Grundstück "untergeschoben" wird (BGHR
Bundesbaugesetz § 72, Rechtsänderung 1; NJW 1983, 1661, 1662), sind die Kläger
in den Kreis der geschützten Dritten einbezogen. Bereits bei Aufstellung des
Bebauungsplanes war klar, dass sich ein Umlegungsverfahren anschließen werde.
Die Eigentümer unbelasteter Alt-Grundstücke, denen im Umlegungsverfahren
dann ein belastetes Neu-Grundstück zugewiesen wird, können nicht anders
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dann ein belastetes Neu-Grundstück zugewiesen wird, können nicht anders
behandelt werden als ein "Ersterwerber", der das Grundstück erst nach Aufstellung
und Änderung des in Rede stehenden Bebauungsplanes erworben hat (BGH NJW
1989, 976, 978). Für die Beklagte war bereits bei Aufstellung des Bebauungsplanes
erkennbar, dass die Ausweisung eines Wohngebietes, das den allgemeinen
Anforderungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht genügt, über den
Kreis der damaligen Grundstückseigentümer im Bereich der altlastenverdächtigen
Fläche hinaus auch deren Rechtsnachfolger oder obligatorisch
Nutzungsberechtigte, ebenso aber auch diejenigen Eigentümer nachteilig
berühren wird, denen nach dem Umlegungsplan ein Grundstück im Bereich der
altlastenverdächtigen Fläche zugewiesen wird. In all diesen Fällen werden die
möglichen Adressaten der Amtspflicht durch ihre Beziehung zu dem geplanten
Grundstück im altlastenverdächtigen Bereich individualisiert und aus der
Allgemeinheit herausgehoben. Demgemäß ist die Drittbezogenheit der verletzten
Amtspflichten zu Gunsten der Kläger zu bejahen.
Die Amtsträger der Beklagten handelten fahrlässig. Nach dem Textteil des
Bebauungsplanes war ihnen bekannt, dass sich im Planbereich Kiesabbaugebiete
befanden, die in der Vergangenheit zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Bereits
deshalb hätten sie erkennen müssen, dass zum Schutz der künftigen
Wohnbevölkerung vor Umweltbelastungen und Gefahren ein Bodengutachten zur
Ermittlung von Altlasten erforderlich war. Dem gemäß kann offen bleiben, ob sich
die Nutzung der früheren Kiesgruben als wilde Deponie auch auf Abfälle aus dem
städtischen Gaswerk und Industrieabfälle erstreckte und die Amtsträger der
Beklagten hiervon Kenntnis hatten.
Aufgrund der schuldhaften Amtspflichtverletzung der Beklagten ist den Klägern ein
Schaden in Höhe von 369.750,-- DM entstanden. Bei pflichtgemäßem Verhalten
der Amtsträger der Beklagten wären die Kläger Eigentümer eines bebaubaren
Grundstückes geworden, dessen Wert heute der Schadenssumme entsprochen
hätte.
Die Kläger können beanspruchen so gestellt zu werden, wie sich ihre
Vermögenslage bei pflichtgemäßem Handeln der Amtsträger der Beklagten
entwickelt hätte. Bei pflichtgemäßem Handeln hätten die Amtsträger der
Beklagten bereits im Planaufstellungsverfahren ein Bodengutachten zur
Feststellung von Altlasten im Bereich der ehemaligen wilden Mülldeponie
eingeholt. Aus einem derartigen Gutachten hätten sich für die Amtsträger der
Beklagten bereits im Planaufstellungsverfahren die Erkenntnisse ergeben, die in
dem Untersuchungsbericht des von der Beklagten nachträglich beauftragten
Ingenieurbüros B.-G.-S. GmbH vom Dezember 1992 (Anlage A 6) enthalten sind.
Dieser Untersuchungsbericht bestätigt für den Bereich der ehemaligen wilden
Mülldeponie eine signifikant hohe Bodenbelastung durch Arsen, darüber hinaus
aber auch durch Blei und Zink, Magnesium und Mangan (Gutachten Seite 2.1),
wobei die Arsenbelastung auch außerhalb des Kernbereichs der Altablagerungen
anzutreffen war (Seite 2.5). Für den Fall einer Bebauung wird in den Flächen im
Bereich der Altablagerungen ein wesentlich größeres Risiko als bei den Flächen des
übrigen Bebauungsplangebietes gesehen, weil das Spektrum der im
Altablagerungskörper nachgewiesenen Verunreinigungen wesentlich größer sei.
Hier seien nachweislich Abfälle unterschiedlicher Herkunft abgelagert worden,
deren Langzeitwirkung grundsätzlich nicht absehbar sei. Deshalb sei vor einer
Bebauung des Ablagerungskörpers zu warnen, da dadurch die nachträgliche
Eingriffs- und Sanierungsmöglichkeit grundsätzlich eingeschränkt werde. Da die
Ablagerungsform der Schadstoffe durch eine nachträgliche Untersuchung nicht
vollständig zu erfassen sei, bleibe immer ein großes Risiko bezüglich künftiger
Mobilisierung (z.B. nach Durchrosten von Fässern und Gebinden) zurück. Sollten
die Grundwassermessstellen entsprechende Schadstoffausträge anzeigen, seien
geo-technische Sicherungsmaßnahmen unverzichtbar. Eine Bebauung würde
entsprechende Maßnahmen stark behindern und in ihrer Effektivität einschränken
(Untersuchungsbericht Seite 3.1). Dementsprechend kommt der
Untersuchungsbericht zu dem Ergebnis, dass zur Sanierung der Kernbereich der
Altablagerungen mit Ausnahme der bereits bebauten Flächen entlang der H-str. 1
- 9 von der Bebauung frei zu halten sei (Seite 2.10), und dass außerhalb des
Kernbereichs der Altablagerungen eine Bebauung hingegen grundsätzlich möglich
sei bei einer Überdeckung bzw. Austausch von 50 cm Bodenmaterial, und dass
das Schadstoffspektrum hier im Wesentlichen auf die Schwermetalle Arsen und
Blei beschränkt sei, eine Gasproblematik jedoch nicht zu besorgen sei (Seite 3.1).
Auf der Grundlage eines derartigen Untersuchungsberichtes hätten die
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Auf der Grundlage eines derartigen Untersuchungsberichtes hätten die
Amtsträger der Beklagten den Kernbereich der Altablagerungen nicht in den
Bebauungsplan aufgenommen und auch nicht als Umlegungsgebiet ausgewiesen.
Hierfür spricht nicht nur das Ergebnis des Untersuchungsberichtes des
Ingenieurbüros B.-G.-S. GmbH vom Dezember 1992, sondern auch die damit
übereinstimmende Beurteilung der (zu verneinenden) Bebaubarkeit durch das
Regierungspräsidium Darmstadt gemäß Schreiben vom 06.06.1995 (Bl. 41 d.A.).
Danach befindet sich das von den Klägern im Umlegungsverfahren erlangte Neu-
Grundstück im Bereich der ehemaligen Deponie "Im S...", die als
altlastenverdächtige Fläche in der nach dem Hessischen Altlastengesetz geführten
Datei geführt wird. Es wird in diesem Schreiben ausgeführt, dass nach wie vor die
Besorgnis bestehe, dass von der Altfläche eine wesentliche Beeinträchtigung des
Wohles der Allgemeinheit ausgehe, weil die Altablagerungen mit 27.000 qm Fläche
und 10 Meter Tiefe erheblich sei und außer Hausmüll, Asche und Schlacken auch
gaswerkspezifische Stoffe enthalte. Sie sei des weiteren Ursache einer leichten
Grundwasserverunreinigung mit steigender Tendenz bei einigen Parametern. Einer
Bebauung der Altablagerungen könne aus Sicht der nach dem Hessischen
Altlastengesetz zu wahrenden Belange nicht zugestimmt werden. Das vorhandene
System der Altablagerung sei derzeit stabil, werde jedoch im Fall von Eingriffen wie
Auskoffern, Bodenaustausch, Pfahlgründungen, Herstellung von
Versorgungstrassen und Aufbringen von Belastungen durch Gebäude und
Straßenverkehr gestört. Die Folgen seien im Hinblick auf die abgelagerten Stoffe
17 nicht kalkulierbar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich durch
Eingriffe das zur Zeit relativ abstrakte Risiko zu einer konkreten Gefahrenlage
aktualisiere. Ebenso wie das Regierungspräsidium in Darmstadt im Schreiben vom
06.06.1995 kam auch die Bauaufsichtsbehörde des Wetteraukreises zu der
Überzeugung, dass die Flächen im Kernbereich der Altablagerungen für eine
Bebauung mit Wohngebäuden objektiv ungeeignet sind. Das ergibt sich aus den
Gründen des ablehnenden Vorbescheides des Wetterau-Kreises vom 18.11.1996.
Danach führte die Beklagte als Träger der Planungshoheit in ihrer Stellungnahme
zur Bauanfrage aus, dass das Baugrundstück im festgestellten Bereich von
Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege und die Erschließung nicht
gesichert sei. Das Wasserwirtschaftsamt Friedberg sah aus wasserwirtschaftlicher
und abfalltechnischer Sicht keine Möglichkeit, einer Bebauung des Grundstückes
zuzustimmen, weil sich das Grundstück der Kläger innerhalb des eigentlichen
Altablagerungsbereiches der altlastenverdächtigen Fläche befinde und weil das
Regierungspräsidium in Darmstadt mit Verfügung vom 06.06.1995 für diese
Altablagerung eine Bebauung ausgeschlossen habe (Bl. 45, 46 d.A.). Danach
vertreten die genannten Behörden übereinstimmend die Auffassung, dass nicht
nur das den Klägern zugewiesene Neu-Grundstück, sondern der Kernbereich der
Altablagerungen mit einer Fläche von 27.000 qm innerhalb des Plangebietes
wegen des bestehenden Altlastenverdachtes für eine Bebauung mit
Wohngebäuden objektiv ungeeignet ist. Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel
daran bestehen, dass die zuständigen Amtsträger der Beklagten bei
pflichtgemäßem Verhalten die altlastenverdächtige Teilfläche von etwa 27.000 qm
nicht in das Plangebiet und demzufolge auch nicht in das Umlegungsgebiet
einbezogen hätten.
Die Reduzierung des Plangebietes bei der Aufstellung und Entschließung über den
Bebauungsplan und des Umlegungsgebietes im Umlegungsverfahren im Falle
pflichtgemäßen Verhaltens der Amtsträger der Beklagten hätte nicht dazu geführt,
dass auch das Alt-Grundstück der Kläger (Flur 14, Flurstück 117/2 "Am St." in der
Gemarkung B. N.) außerhalb des Plangebietes und des Umlegungsgebietes
gelegen hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses Grundstück bei
pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten in das Bebauungsplangebiet und
demgemäß auch in das Umlegungsgebiet aufgenommen worden wäre. Mit
Rücksicht auf die Komplexität der Planung eines Baugebietes in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht sowie mit Rücksicht auf die damit einhergehenden
Schwierigkeiten bei der Darlegung einer hypothetischen Planungsalternative sind
keine hohen Anforderungen an die Darlegung der Kläger zu stellen, sondern eine
gewisse Wahrscheinlichkeit der alternativen Planung zu Gunsten der Kläger als
ausreichend anzusehen (BGH NJW 2000, 427, 430). Bei Anwendung dieses
Maßstabes ist davon auszugehen, dass das Alt-Grundstück der Kläger - wie auch
die übrigen an den A.-W.-Weg angrenzenden Grundstücke - im Plangebiet gelegen
hätte. Diese Grundstücke befinden sich außerhalb der altlastenverdächtigen
Fläche, wie aus dem als Anlage B 3 vorliegenden Bebauungsplan ersichtlich ist, der
die Grenzen der altlastenverdächtigen Fläche grün markiert. Allerdings grenzt die
östliche Schmalseite des Alt- Grundstückes unmittelbar an die Westgrenze der
altlastenverdächtigen Fläche an. Dieser Umstand spricht jedoch nicht dafür, dass
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altlastenverdächtigen Fläche an. Dieser Umstand spricht jedoch nicht dafür, dass
das Grundstück bei der hypothetischen Planung der Beklagten nicht in das
Plangebiet einbezogen worden wäre. Unsicherheiten bei der Bestimmung des
altlastenverdächtigen Gebietes bestehen in erster Linie bei der Bestimmung des
Grenzverlaufs in nördlicher und südlicher Richtung, nicht aber auf der Westseite.
Auch die nur mäßiggradige Arsenbelastung des Bodens im Bereich des Alt-
Grundstückes der Kläger und der anderen im A.-W.-Weg gelegenen Grundstücke
spricht für deren Einbeziehung in das Plangebiet bei der alternativen Planung. Aus
dem Plan des Ingenieurbüros B.-G.-S. (Anlage B 4) ergeben sich in diesem Bereich
Arsengehalte von mehr als 50 mg/kg bzw. mehr als 100 bis 200 mg/kg. Nur an der
Südspitze dieses Teilbereiches befindet sich ein Grundstück mit einer Teilfläche,
die einen Arsengehalt von mehr als 200 und bis zu 300 mg/kg aufweist. Das Alt-
Grundstück der Kläger mit einem Arsengehalt von bis zu 200 mg/kg war jedenfalls
bebaubar und erforderte lediglich das Aufbringen einer 35 cm mächtigen
Humusschicht. Es liegt nahe, dass bebaubare Flächen aus dem ursprünglichen
Plangebiet auch im Falle einer alternativen Planung nicht herausgenommen
worden wären. Außerdem ist aus dem Bebauungsplan und der Luftaufnahme des
Gebietes (Lichtbild Bl. 257 d.A.) ersichtlich, dass sich westlich des A-W-Weges
bereits eine erhebliche Anzahl bereits bebauter Grundstücke befanden und sich
die neue Bebauung im Bereich des A-W-Weges als sinnvolle Ergänzung der bereits
vorhandenen Bebauung und der Bebauung im nord-westlichen Bereich des
Plangebietes einfügt. Danach ist davon auszugehen, dass die alternative Planung
der Beklagten im Falle pflichtgemäßen Verhaltens das Alt-Grundstück der Kläger
einbezogen hätte.
Nach der genannten hypothetischen Planungsalternative wären den Klägern im
Umlegungsverfahren 493 qm Bauland zugeteilt worden. Es besteht kein
Anhaltspunkt dafür, dass sich bei der alternativen Planung ein anderer
Flächenabzug ergeben hätte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass den
Klägern ein Bauplatz von 553 qm Größe ohne eine Minderzuteilung von 60 qm bei
einer Ausgleichszahlung von 18.000,-- DM zugewiesen worden wäre.
Für die Schadensbemessung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen
Tatsachenverhandlung maßgebend. Der Wert des den Klägern hypothetisch
zugewiesenen Grundstückes von 493 qm würde heute 369.750,-- DM betragen (§
287 ZPO). Der Wertberechnung liegt ein Quadratmeterpreis von 750,-- DM
zugrunde. Er ergibt sich aus der Bodenrichtwertkarte zum Stichtag 31. Dezember
1999 (Bl. 216 - 218 d.A.). Danach betragen die Bodenrichtwerte im Plangebiet
750,-- DM/qm oder 800,-- DM/qm. Nur im Plangebiet östlich der R.str. beträgt der
Bodenrichtwert 600,-- DM/qm. Da dieses Teilgebiet bei der Planaufstellung bereits
vollständig oder nahezu vollständig bebaut war, kann der hierfür ermittelte
Bodenrichtwert außer Betracht bleiben. Die hypothetische Zuweisung eines
Baugrundstückes in diesem Teilgebiet erscheint fernliegend. Der Grundstückswert
mindert sich nicht um die Kosten für das Aufbringen einer Humusschicht. Denn es
kann nicht festgestellt werden, dass das den Klägern hypothetisch zugewiesene
Grundstück arsenbelastet gewesen wäre oder dass sich eine möglicherweise
vorhandene mäßige Arsenbelastung wertmindernd ausgewirkt hätte. Die Karte
über die Arsengehalte im Boden (Anlage B 4) lässt erkennen, dass sich im Plan-
und Umlegungsgebiet eine erhebliche Anzahl von Grundstücken befindet, bei
denen eine Arsenbelastung nur gering ist oder gänzlich fehlt. Selbst wenn das den
Klägern hypothetisch zugewiesene Grundstück arsenbelastet gewesen wäre,
könnten die Kosten für das Aufbringen einer Humusschicht bei der Feststellung
des Grundstückwertes unberücksichtigt bleiben. Der von den Parteien mitgeteilte
Kostenaufwand beliefe sich auf nicht mehr als etwa 1 % des Bodenpreises ohne
Berücksichtigung einer Arsenbelastung und ist demnach zu vernachlässigen.
Danach ist den Klägern durch die schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten
ein Schaden von 369.750,-- DM entstanden.
Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zum Ausgleich dieses Schadens besteht
unstreitig nicht.
Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht wegen schuldhaften Unterlassens eines
Rechtsmittels der Kläger zur Schadensabwendung nach § 839 Abs. 3 BGB
ausgeschlossen. Vor Feststellung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplanes
hatten die Kläger keine Kenntnis von Altlasten im Bereich des Plangebietes.
Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Umlegungsverfahren haben sie deshalb
nicht schuldhaft unterlassen.
Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bauvorbescheid der Bauaufsichtsbehörde
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Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bauvorbescheid der Bauaufsichtsbehörde
vom 18.11.1996 unterfallen nicht § 839 Abs. 3 BGB. Denn sie wären weder auf die
Überprüfung der beanstandeten Amtshandlung noch auf die Abwendung des
Schadens gerichtet. Da der Schaden vielmehr bereits eingetreten war, handelte es
sich bei dem zunächst eingelegten Widerspruch gegen den ablehnenden
Bauvorbescheid um ein selbständiges Verfahren, um durch die Entscheidung einer
anderen Behörde den bereits eingetretenen Schaden durch Erwerb eines
altlastenverdächtigen Grundstückes zu vermindern. Im übrigen war der
Widerspruch gegen die Versagung eines positiven Bauvorbescheides auch
aussichtslos, so dass den Klägern die Rücknahme ihres Rechtsmittels nicht
vorgeworfen werden kann. Die Beklagte bringt selbst keine Gesichtspunkte dafür
vor, dass die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde unrichtig gewesen sei.
Schließlich trug sie ja auch selbst dadurch zur Ablehnung der Bauvoranfrage bei,
dass sie gegenüber der Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren dahin
Stellung nahm, dass das Baugrundstück im festgestellten Bereich von
Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege und die Erschließung nicht
gesichert sei.
Danach können die Kläger von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der
Amtshaftung Schadensersatz in Höhe von 369.750,-- DM beanspruchen. Zum
Zwecke des Vorteilsausgleiches haben sie der Beklagten jedoch Zug-um-Zug das
ihnen im Umlegungsverfahren zugewiesene Grundstück zurück zu übertragen. Das
Grundstück Flur ..., Flurstück ..., das die Kläger infolge der Amtspflichtverletzung
erlangten, ist nicht ohne jeden Wert, obgleich es als altlastenverdächtige Fläche
nicht bebaubar ist. Der Wert dieses Grundstückes mag gering sein. Er ist aber
nicht deshalb mit Null zu bemessen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass
die Kläger zukünftig als Zustandsstörer wegen der Kosten für die Beseitigung von
Altlasten in Anspruch genommen werden könnten. Das Risiko einer möglichen
zukünftigen Inanspruchnahme muss als denkbar gering eingestuft werden, da das
Regierungspräsidium Darmstadt gemäß Schreiben vom 06.06.1995 ein
Sanierungserfordernis verneinte. Für eine zwischenzeitlich eingetretene Erhöhung
der Gefahrenlage ist nichts ersichtlich. Die Feststellung des Wertes des den
Klägern zugewiesenen Grundstückes Flur ... Flurstück ... ist nicht erforderlich, da
der Vorteilsausgleich wegen der fehlenden Gleichartigkeit von Ersatzanspruch und
Vorteil nicht durch Anrechnung eines Geldwertes, sondern durch Zahlung des
Schadensersatzes Zug-um-Zug gegen Rückgewähr des Vorteils stattzufinden hat
(Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., BGB vor § 249 Rn. 123 m.w.N.).
Den Klägern steht gegen die Beklagte außer dem Amtshaftungsanspruch auch ein
Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen
Eingriffs durch Zuweisung des Grundstückes Flur 14, Flurstück 206 im
Umlegungsverfahren zu. Da der gesetzliche Umlegungszweck (§ 45 BauGB) nicht
erreicht werden kann, soweit das Umlegungsgebiet im Bereich der
altlastenverdächtigen Fläche nicht be-baubar ist, war die Umlegung rechtswidrig.
Soweit der Umlegungsplan die Kläger betrifft, verstieß er auch gegen den
Grundsatz der wertgleichen Abfindung in Land. Dem gemäß ging die Zuweisung
des Neu-Grundstückes über den dem Umlegungsverfahren immanenten Zweck
hinaus und nahm enteignenden Charakter an. Dadurch werden grundsätzlich
Entschädigungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen
Eingriffs ausgelöst (BGH NJW 1981, 2123; NJW 1983, 1661, 1662).
Die Höhe der den Klägern wegen enteignungsgleichen Eingriffes zustehenden
Entschädigung entspricht dem entstandenen Schaden, dessen Ausgleich sie
wegen Amtshaftung beanspruchen können. Auf die vorstehenden Ausführungen
wird Bezug genommen.
Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an können die Kläger Prozesszinsen in Höhe
von 4 % beanspruchen. Die weitergehende Zinsforderung ist unbegründet, weil sie
einen den gesetzlichen Zins übersteigenden Schaden nicht dargelegt haben.
Der Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2001 kann nicht berücksichtigt werden,
weil er nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangen ist (§ 296 a ZPO).
Die Wiedereröffnung der Verhandlung ist nicht veranlaßt, da die in diesem
Schriftsatz vorgebrachten Verteidigungsmittel keine andere Entscheidung
rechtfertigen.
Trotz der teilweisen Abweisung der Klage und Zurückweisung der Berufung hat
allein die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 92 Abs. 2 ZPO). Die
Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Geld ist im Verhältnis zu dem
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Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Geld ist im Verhältnis zu dem
abgewiesenen Hauptantrag lediglich eine andere Art des Schadensausgleichs, die
eine anteilige Belastung der Kläger mit den Kosten des Rechtsstreits nicht
rechtfertigt. Auch die Zug-um- Zug-Einschränkung des Urteils rechtfertigt eine
anteilige Kostenbelastung der Kläger nicht, weil die Kläger das Grundstück ohnehin
nicht behalten wollten, sondern der Beklagten die Rückübertragung anboten.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO. Die Wertfestsetzung erging nach § 546 Abs. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.