Urteil des OLG Frankfurt vom 30.07.2008

OLG Frankfurt: nominierung, einstweilige verfügung, erfüllung, vorschlag, gleichbehandlung, wettkampf, präsidium, athlet, erlass, härtefall

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 58/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, Art 3 Abs 1 GG
Anspruch auf Nominierung zu den Olympischen Spielen
Leitsatz
Zur Überprüfbarkeit der Nominierungsgrundsätze des Deutschen Olympischen
Sportbundes im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eines Athleten, der seine
Nominierung zu den Olympischen Sommerspielen 2008 durchsetzen will
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluss des
Landgerichts Frankfurt am Main – 19. Zivilkammer – vom 22.07.2008 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 50.000 €.
Gründe
I. Der Verfügungskläger, 15-maliger deutscher Meister – zuletzt 2008 – in der
Leichtathletikdisziplin Dreisprung, begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die
Verpflichtung des Verfügungsbeklagten, ihn für den Leichtathletikwettbewerb
Dreisprung zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking zu nominieren, die von
dem Verfügungsbeklagten mit der Begründung verweigert worden ist, der
Verfügungskläger habe die sportlichen Nominierungskriterien nicht erfüllt.
Nach Ziffer 2.2 der von dem Verfügungsbeklagten im vergangenen Jahr
beschlossenen Nominierungsgrundsätze setzt die namentliche Benennung für die
Olympiamannschaft in Peking den Leistungsnachweis einer „begründeten
Endkampfchance“ bei den olympischen Wettkämpfen voraus. Entsprechend Ziffer
3. der genannten Nominierungsgrundsätze hat der Verfügungsbeklagte die mit
dem DLV e.V. abgestimmten und ausgearbeiteten sportspezifischen Kriterien in
den Nominierungsrichtlinien 2008 am 06.12.2007 beschlossen. Als DLV-
Olympianorm in der Disziplin Dreisprung für Männer ist darin als Erstnorm eine
Weite von 17,10 Meter und als Zweitnorm eine Weite von 2 x 17 Meter
vorgesehen. In Ziffer 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien 2008 heißt es weiter:
„Die Olympianorm ist dann erfüllt, wenn in den Disziplinen, in denen die erste und
zweite Norm benannt ist, beide Normen mindestens je einmal in einer der unter
3.1.1 benannten Veranstaltungen erreicht wurden. … Im Hoch-, Weit- und
Dreisprung gilt die Olympianorm auch dann als erfüllt, wenn nicht die höhere
Normanforderung …, sondern die alternativ benannte Normanforderung erfüllt
wurde.“
Innerhalb des vorgesehenen Nominierungszeitraums vom 01.03. bis 06.07.2008
erzielte der Verfügungskläger allein auf dem 14. Weseler Springermeeting bei
zulässigen Versuchen nur zweimal Werte, mit denen die Zweitnorm erfüllt wurde
(im Vorkampf 17 Meter und im Endkampf 17,04 Meter). Bei einem innerhalb der
vom DLV bis zum 13. Juli 2008 verlängerten Frist in Tanger absolvierten
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vom DLV bis zum 13. Juli 2008 verlängerten Frist in Tanger absolvierten
Wettbewerb erzielte der Verfügungskläger bei allerdings unzulässigem Rückenwind
von 2,3 Meter pro Sekunde eine Weite von 17,09 Meter.
Nachdem der DLV den Verfügungskläger nicht dem Verfügungsbeklagten zur
Nominierung vorschlagen wollte, erwirkte der Verfügungskläger einen Beschluss
des Deutschen Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008, durch welchen der DLV zu
einem entsprechenden Vorschlag verpflichtet wurde. Das Schiedsgericht vertrat
die Auffassung, die Erfüllung der Zeitnorm erfordere entgegen der Ansicht des
DLV nicht die Erreichung der Weite von 17 Metern in zwei verschiedenen
Wettkämpfen; es genüge vielmehr, wenn die Norm innerhalb eines Wettkampfs
zweimal erfüllt werde. Nachdem trotz des daraufhin erfolgten Vorschlags seitens
des DLV der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger nicht hat nominieren
wollen, hat der Verfügungskläger das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren
angestrengt.
Erstinstanzlich hat der Verfügungskläger geltend gemacht, ein
Verfügungsanspruch ergebe sich aus der von ihm anlässlich der Deutschen
Meisterschaften 2008 unterzeichneten Athletenvereinbarung mit dem
Verfügungsbeklagten, weil er sämtliche Nominierungsvoraussetzungen erfüllt
habe. Ein eventuelles Nominierungsermessen des Verfügungsbeklagten sei unter
Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung, des Fairplays, seiner
Berufsfreiheit sowie der durch eine Nichtnominierung begründeten Diskriminierung
auf Null reduziert. Ein Nominierungsanspruch folge daher gleichermaßen sowohl
aus § 826 BGB als auch aus Kartellrecht.
Das Landgericht hat – ohne mündliche Verhandlung – den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 22.07.2008 zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass es an einem Verfügungsanspruch fehle. Ein
sich eventuell aus der Athletenvereinbarung ergebender vertraglicher Anspruch
des Verfügungsklägers scheitere daran, dass der Verfügungsbeklagte das ihm bei
der Nominierung der Athleten eingeräumte Ermessen nicht verletzt habe. Der
Verfügungsbeklagte sei an den Vorschlag des DLV nicht gebunden. Die
Nominierungsgrundsätze des Verfügungsbeklagten sähen einen solchen
Automatismus nicht vor, sondern würden ihm ein eigenes Bewertungsrecht
erhalten. Der Verfügungsbeklagte habe mit der Nichtnominierung auch
keineswegs gegen die von ihm selbst gesetzten Richtlinien verstoßen. Es sei
bereits zweifelhaft, ob die Auslegung des Sportschiedsgerichts, wonach die
Nominierungsvoraussetzungen bereits dann erfüllt seien, wenn bei nur einem
Wettkampf in verschiedenen Durchgängen zweimal die zweite Norm erreicht
werde, zutreffend sei. Aber selbst wenn die Voraussetzungen für einen Vorschlag
zur Nominierung erfüllt worden seien, habe der Verfügungsbeklagte dem
Vorschlag nicht unbedingt folgen müssen. Die Entscheidung der Nichtnominierung
beruhe auf keinen sachfremden Erwägungen des Verfügungsbeklagten.
Gegen diese Entscheidung hat sich der Verfügungskläger mit der noch am
gleichen Tag eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er sein ursprüngliches
Rechtsschutzbegehren weiter verfolgt, gewendet. Der Verfügungskläger hält an
seiner Auffassung, seine Nichtnominierung durch den Verfügungsbeklagten sei
willkürlich, fest. Er habe bei Normerfüllung einen eigenen, unmittelbaren
Nominierungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten aus der von ihm
unterzeichneten Athletenvereinbarung. Der Verfügungsbeklagte habe sich an die
in Abstimmung mit dem DLV als dem zuständigen Spitzenverband
verabschiedeten eigenen Nominierungsrichtlinien zu halten. Ein der
Verfügungsbeklagten verbleibendes Nominierungsermessen sei im vorliegenden
Fall auf Null reduziert. Die bei pflichtgemäßer Ermessensausübung für eine
Nichtnominierung erforderlichen besonderen Gründe seien von dem
Verfügungsbeklagten nicht dargelegt worden. Er habe aus den im Beschluss des
Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008 dargelegten Gründen die Leistungskriterien
der Nominierungsrichtlinien erfüllt. Im Übrigen habe er auch ohne Normerfüllung
einen Anspruch auf Nominierung aus Gründen der Gleichbehandlung. Andere
Athleten, z.B. A, seien ohne jede Erfüllung von Nominierungsanforderungen als
Härtefall zu den Olympischen Spielen in Peking gemeldet worden.
Der Verfügungsbeklagte hat unter Bezugnahme auf die erstinstanzlich vorgelegte
Schutzschrift die landgerichtliche Entscheidung verteidigt und beantragt, den
Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt sowie den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Der
Verfügungsbeklagte macht geltend, die einstweilige Verfügung sei bereits
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Verfügungsbeklagte macht geltend, die einstweilige Verfügung sei bereits
unzulässig, weil eine Meldung des Verfügungsklägers beim IOC nicht mehr möglich
sei. Die dort verbindliche Meldefrist sei abgelaufen und eine Nachnominierung
nicht möglich.
Der Nominierungsanspruch könne keineswegs aus der Athletenvereinbarung
hergeleitet werden, weil ein vom Verfügungskläger unterzeichnetes
Vertragsexemplar ihm nicht vorliege und von ihm auch keinesfalls angenommen
worden sei.
Auch auf andere Rechtsgründe könne ein Verfügungsanspruch nicht gestützt
werden, weil ihm ein eigenes Auswahlrecht für die endgültige Nominierung
zustehe. Der Verfügungskläger habe die verbindlichen
Nominierungsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil er die 17 Meter nicht in zwei
verschiedenen Wettkämpfen erzielt habe. Gemäß der Regel 180.21 der
Wettkampfregeln des Internationalen Leichtathletikverbandes, die als Grundlage
für alle offiziellen Wettkämpfe heranzuziehen sei, falle lediglich die beste Leistung
eines Wettkämpfers in die offizielle Wettkampfwertung. Daher könnten keineswegs
die beiden Sprünge bei dem Weseler Springermeeting, mit welcher die Norm
erreicht worden sei, als Normerfüllung gewertete werden. Dies sei vom
Verfügungskläger zunächst ebenso gesehen worden, habe er sich doch ohne
Weiteres auf die vom DLV eingeräumte Fristverlängerung eingelassen.
Unabhängig von diesen Überlegungen habe der Verfügungskläger keine
begründete Endkampfchance. Mit der Leistung von 17,04 Meter belege er in der
bereinigten Weltbestenliste derzeit lediglich Rang 27. Außerdem fehle es
angesichts der im Jahr 2008 erzielten Wettkampfergebnisse an der für eine
begründete Endkampfchance notwendigen Konstanz.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die
Berücksichtigung und Umsetzung einer Nominierung seitens der
Verfügungsbeklagten durch das IOC zweifelhaft erscheint. Auch wenn die Meldefrist
beim IOC bereits am 23.07.2008 abgelaufen war, ist nicht ausgeschlossen, dass
das IOC gleichwohl eine eventuelle Nachnominierung seitens des
Verfügungsbeklagten noch akzeptiert und entgegennimmt. Es kann unter diesem
Gesichtspunkt daher weder das Rechtschutzbedürfnis des Verfügungsklägers an
dem beantragten vorläufigen Rechtschutz noch der Verfügungsgrund verneint
werden.
In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde aber ohne Erfolg. Der
Verfügungskläger hat gegen den Verfügungsbeklagten keinen rechtlich
durchsetzbaren Anspruch auf seine Nominierung zu den Olympischen Spielen
2008 in Peking.
Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage des
Zustandekommens einer Athletenvereinbarung zwischen ihnen beiden, besteht im
Hinblick auf die im Raum stehende Nominierung zu den Olympischen Wettkämpfen
zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits eine vorvertragliche
Sonderverbindung, die die Vertragsfreiheit des Verfügungsbeklagten als
Monopolverband einschränkt und ihn zur Gleichbehandlung nicht nur seiner
Mitglieder, sondern auch seiner potentiellen Vertragspartner verpflichtet
(Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 162 Rn.
128). Ein sich daraus ergebender möglicher Nominierungsanspruch des
Verfügungsklägers aus § 242 BGB in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz
in Verbindung mit den Nominierungsgrundsätzen und den Nominierungsrichtlinien
des Verfügungsbeklagten scheitert daran, dass der Verfügungskläger die in den
Richtlinien festgelegten Leistungskriterien nicht erfüllt hat.
Der Verfügungsbeklagte hat das ihm zustehende Ermessen bei der
Nominierungsentscheidung mit den von seinem Präsidium auf den Sitzungen vom
13.03. und 24.07.2007 beschlossenen „Nominierungsgrundsätzen“ konkretisiert
und sich insoweit einer Selbstbindung unterworfen. Er muss sich an diese von ihm
eigenverantwortlich in freier Entscheidung getroffenen Regelungen auch
gegenüber dem Verfügungskläger festhalten lassen (BGHZ 110, 323, 326).
Mit den in den auf der Basis der Ziffer 2.2 und Ziffer 3. der
Nominierungsgrundsätze erstellten Nominierungsrichtlinien 2008 benannten
Leistungswerten hat der Verfügungsbeklagte sich dahingehend gebunden, dass
bei Normerfüllung der nach Ziffer 2.2 der Nominierungsgrundsätze erforderte
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bei Normerfüllung der nach Ziffer 2.2 der Nominierungsgrundsätze erforderte
„Leistungsnachweis einer begründeten Endkampfchance“ bei den Olympischen
Spielen Peking 2008 indiziert wird. Die für die Prognose der begründeten
Endkampfchance maßgeblichen Leistungskriterien sind gemäß der vorstehend
genannten Ziffer 2.2 und Ziffer 3. der Nominierungsgrundsätze gemeinsam
zwischen dem Geschäftsbereich Leistungssport des Verfügungsbeklagten, den
Spitzenverbänden und den betreffenden Aktivensprechern der
Verbände/Disziplinen sportartspezifische erarbeitet und abgestimmt worden.
Ergebnis dieser gemeinsamen Arbeit sind die unter Ziffer 3. der
Nominierungsrichtlinien 2008 zusammengestellten DLV-Olympianormen. Gemäß
Ziffer 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien ist die Olympianorm dann erfüllt, wenn in
den Disziplinen, in denen die erste und zweite Norm benannt ist, beide Normen
mindestens je einmal in einer der unter Ziffer 3.1.1 benannten Veranstaltungen
erreicht wurde. Im Dreisprung gilt die Olympianorm bereits auch dann als erfüllt,
wenn die alternativ benannte Normanforderung (hier: 2 x 17 Meter) erreicht wurde.
Die Indizierung der „begründeten Endkampfchance“ bei Normerreichung und die
daraus resultierende Selbstbindung der Verfügungsbeklagten spiegelt sich auch in
der Präambel zu den Nominierungsrichtlinien 2008 wieder. In dem dortigen Absatz
4 ist geregelt, dass Abweichungen von den festgeschriebenen Normen möglich
sind, wenn das internationale Leistungsbild zum Nominierungszeitpunkt (hier:
23.07.2008) eine veränderte Prognose der Endkampfchance ergibt. Ohne die von
dem Verfügungsbeklagten darzulegende und bislang nicht vorgetragene Änderung
des internationalen Leistungsbildes kann im Falle der Normerfüllung die
Nominierung des Athleten nicht mit der Begründung der fehlenden
Endkampfchance verweigert werden.
Der aus dieser Selbstbindung der Verfügungsbeklagten resultierende Anspruch
des Verfügungsklägers auf Nominierung zu den Olympischen Spielen scheitert
jedoch daran, dass dieser die in Ziffer 3.1.2 in Verbindung mit Ziffer 3.1.9 der
Nominierungsrichtlinien 2008 vorgegebene Leistungserfordernisse nicht erfüllt hat.
Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers ist in der Frage der
Normerfüllung durch den Beschluss des Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008
keine Bindungswirkung eingetreten. Der schiedsgerichtliche Beschluss hat allein
den darin verpflichteten deutschen Leichtathletikverband verpflichtet. Der
Verfügungsbeklagte ist demgegenüber in seiner Vereinsautonomie nicht an die
Vorgaben seines Mitglieds, des DLV, gebunden. Zwar mag es entsprechend dem
Vorbringen des Verfügungsklägers zutreffen, dass nach eigenem Bekunden das
Präsidium des Verfügungsbeklagten sportrechtliche Fragen im Wege der
Schiedsgerichtsbarkeit geklärt wissen will und das deutsche Sportschiedsgericht
wesentlich von dem Verfügungsbeklagten mit initiiert und mitgeschaffen worden
ist. Infolge dessen mag der Verfügungskläger auch darauf vertraut haben, dass
der Verfügungsbeklagte den genannten Beschluss des deutschen
Sportschiedsgerichts annimmt. Für den Verfügungsbeklagten kann der Beschluss
des Sportschiedsgerichts aber bereits allein wegen dessen fehlender Teilhabe an
dem Schiedsgerichtsverfahren nicht rechtlich bindend sein.
Die mit der ersten Norm vorgegebene Weite von 17,10 Meter ist der
Verfügungskläger im hier maßgeblichen, ihm gegenüber verlängerten
Nominierungszeitraum vom 01.03. bis 13.07.2008 nicht gesprungen. Entgegen
seiner Auffassung kann der von ihm in Wesel absolvierte Sprung von 17 Meter
ohne Balken nicht effektiv als 17,14 Meter gewertet werden. Für die
Weitenmessung gibt es einschlägige und dem Verfügungskläger bekannte
international geltende Bestimmungen, die bei der Frage der Erfüllung der
Leistungskriterien der Nominierungsrichtlinien zugrunde zu legen sind. Dass ein
Sprung tatsächlich, weil einige Zentimeter vor dem Balken bereits abgesprungen,
weiter als nach den verbindlichen Regeln gemessen erfolgt ist, kann dabei keine
Rolle spielen.
Der Verfügungskläger hat auch nicht die für eine Olympianominierung genügende
zweite Norm erfüllt, wonach zwei Sprünge von mindestens 17 Meter ausreichen.
Die zweimalige Normerfüllung erfordert, entgegen der Auffassung des
Verfügungsklägers, dass die Leistungen auf zwei verschiedenen Veranstaltungen
an verschiedenen Tagen erbracht worden sind. Dieses Verständnis folgt einer an
Sinn und Zweck der Regelung der Ziffer 3.1.2 in Verbindung mit Ziffer 3.1.9 der
Nominierungsrichtlinien 2008 orientierten Auslegung. Der Wortlaut der
Nominierungsrichtlinien unter Ziffer 3.1.2 S. 1 liefert – insoweit folgt der Senat der
in dem sportsschiedsgerichtlichen Beschluss niedergelegten Auffassung – keinen
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in dem sportsschiedsgerichtlichen Beschluss niedergelegten Auffassung – keinen
eindeutigen Anhaltspunkt dafür, dass die Normen zwingend auf zwei
verschiedenen Veranstaltungen erfüllt sein müssen. Eine an Sinn und Zweck der
Regelung unter Beachtung des Empfängerhorizontes orientierte Auslegung ergibt
jedoch, dass mit der zweiten Norm insbesondere dem für die Auswahl der Athleten
maßgeblichen Kriterium der „Konstanz der Leistungen“ Rechnung getragen
werden soll. Die eigenständige und wesentliche Bedeutung dieses Kriteriums für
die Athletennominierung folgt unmittelbar aus der Formulierung in Absatz 3 der
Präambel der Nominierungsrichtlinie 2008. Danach sollen grundsätzlich „für den
jeweiligen internationalen Jahreshöhepunkt diejenigen Athletinnen und Athleten
nominiert werden, die zum Nominierungszeitpunkt die bestmöglichste Platzierung
zum Saisonhöhepunkt erwarten lassen. Dabei werden die absolute
Jahresbestleistung, die Leistungsentwicklung in der Saison, die Konstanz der
Leistungen und … zum Nominierungszeitpunkt bewertet“.
Die Bedeutung der Konstanz der Leistungserbringung für die
Nominierungsentscheidung erschließt sich unmittelbar auch den betroffenen
Athleten. Nur wenn der Athlet wiederholt in der Lage ist eine Spitzenleistung
abzurufen, besteht eine für die Prognose der begründeten Endkampfchance
hinreichende Gewähr, dass ihm dies auch im Rahmen des olympischen
Wettkampfs gelingen wird. Außerdem würde unter dem Gesichtspunkt der
Konstanz der Leistung das grundsätzliche Erfordernis der Erfüllung der ersten und
zweiten Norm gemäß Ziffer 3.1.2 der Nominierungsrichtlinien für die Nominierung
keinen Sinn ergeben. Die Mehrfacherfüllung der Nominierungsvoraussetzung im
Rahmen eines einzelnen Wettkampfs belegt allein die „Topform“ des Athleten an
dem einen Wettkampftag, lässt jedoch eine Aussage über die Konstanz seines
Leistungsvermögens nicht zu. Ruft der Athlet demgegenüber eine Höchstleistung
nicht nur in einem, sondern wiederholt in einem weiteren Wettkampf ab, so stützt
sich die Prognose der begründeten Endkampfchance im olympischen Wettkampf
auf eine fundiertere Grundlage.
Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass noch in den
Nominierungsrichtlinien 1997 für die damaligen Weltmeisterschaften in den DLV-
Richtlinien unter Ziffer 3.1.1 ausdrücklich folgende Regelung enthalten war: „Als
zweimalige Normerfüllung wird nur anerkannt, wenn diese in zwei Veranstaltungen
an zwei verschiedenen Tagen erfolgt“. Das Fehlen einer entsprechenden –
sicherlich wünschenswerten – ausdrücklichen klarstellenden Regelung in den hier
maßgeblichen Nominierungsrichtlinien indiziert nicht, dass eine zweimalige
Normerfüllung im Rahmen eines Wettbewerbes genügen sollte. Zum einen
betreffen die angeführten Richtlinien 1997 die Nominierung der Athleten für die
damals anstehende Weltmeisterschaft, was nicht zwingend mit der Nominierung
für die Olympischen Spiele vergleichbar ist. Bezeichnenderweise hat der
Verfügungskläger den Wortlaut von Nominierungsrichtlinien für vergangene
Olympiaden nicht vorgetragen. Außerdem ist nach eigenem Vortrag des
Verfügungsklägers die noch in den Nominierungsrichtlinien 1997 enthaltene
Regelung später entfallen, um insbesondere den Athleten der Laufdisziplinen eine
vereinfachte Qualifizierung zu ermöglichen. Auch aus diesem Gesichtspunkt lässt
sich für den hier maßgeblichen Dreisprungwettbewerb keine zwingende
Schlussfolgerung ziehen.
Die im schiedsgerichtlichen Beschluss vom 19.07.2008 ausgeführte Überlegung,
dass mit der Zweitnorm nicht zwingend die Nachhaltigkeit und Konstanz von
erzielten Leistungen überprüft werden sollte, kann angesichts der hier in der
Präambel der Nominierungsrichtlinien hervorgehobenen Bedeutung des Kriteriums
der Konstanz der Leistungserbringung nicht überzeugen.
Entgegen der vom Verfügungskläger unter Berufung auf die Ausführungen in dem
schiedsgerichtlichen Beschluss vorgetragenen Auffassung kann die von ihm
vertretene Auslegung auch nicht mit einer Analogie zur Unklarheitenregelung in §
305 c Abs. 2 BGB begründet werden. Eine entsprechende Anwendung der AGB –
rechtlichen Unklarheitenregelung ist im vorliegenden Fall nach Sinn und Zweck
nicht geboten. Zwar werden die Leistungskriterien im vorliegenden Fall zwischen
dem Athleten und dem Verfügungsbeklagten nicht individuell ausgehandelt.
Entgegen der für die Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen
typischen einseitigen Vorgabe von Regelungen sind hinsichtlich der
sportartspezifischen Nominierungskriterien die Interessen der Sportler durchaus
berücksichtigt worden. Gemäß Ziffer 3. der Nominierungsgrundsätze sind nämlich
inhaltlich die Kriterien gemeinsam zwischen dem Geschäftsbereich Leistungssport
des Verfügungsbeklagten, den Spitzenverbänden und – hier wesentlich – den
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des Verfügungsbeklagten, den Spitzenverbänden und – hier wesentlich – den
betreffenden Aktivensprechern der Verbände/Disziplinen ausgearbeitet worden.
Durch die Mitwirkung der Aktivensprecher kann keineswegs von einem einseitigen
Diktat der sportartspezifischen Nominierungskriterien seitens des
Verfügungsbeklagten ausgegangen werden.
Die Voraussetzung von zwei Sprüngen von jeweils mindestens 17 Meter im
Rahmen von unterschiedlichen Veranstaltungen an verschiedenen Tagen hat der
Verfügungskläger nicht erfüllt. Allein auf dem 4. Weseler Springmeeting am 25. Juni
2008 erreichte der Verfügungskläger mit Sprüngen von 17 Meter (Vorkampf) und
17,04 Meter (Endkampf) die 17-Meter-Grenze.
Die beim Wettbewerb in Tanger am 13.07.2008 erzielte Weite von 17,09 Meter
kann wegen eines unzulässigen Rückenwindes von 2,3 Meter pro Sekunde nicht
berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers ist eine
entsprechende Herunterrechnung der Leistung auf das erlaubte Rückenwindmaß
von 2 Meter pro Sekunde nicht üblich und entspräche auch nicht den in den
Nominierungsrichtlinien vorgegebenen Werten.
Hat der Verfügungskläger somit die Leistungsanforderungen gemäß den Ziffern
3.1.2 in Verbindung mit Ziffer 3.1.9 der Nominierungsrichtlinien nicht erfüllt, fehlt
es hinsichtlich des für die Nominierungsentscheidung maßgeblichen Kriteriums der
begründeten Endkampfchance an einer durch die Normerfüllung des Athleten
eingetretenen Selbstbindung des Verfügungsbeklagten und kann demzufolge nicht
zur Begründung eines Rechtsanspruchs des Verfügungsklägers auf Nominierung
führen.
Ohne Erfüllung der besagten Nominierungskriterien verbleibt dem
Verfügungskläger gegen den Verfügungsbeklagten lediglich ein Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dass der Verfügungsbeklagte diesen
Anspruch verletzt hat, ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der
Erörterungen in der mündlichen Verhandlung am 30.07.2008 nicht anzunehmen.
Weder die untadelige Sportkarriere des Verfügungsklägers, die unter anderem in
dem im Jahr 2007 verliehenen Rudolf-Harbig-Preis ihren Ausdruck gefunden hat,
noch die wiederholten Sprünge des Verfügungsklägers im Bereich der 17-Meter-
Grenze, noch die ohne jede Erfüllung einer Anforderung als Härtefall erfolgte
Nominierung der 40-jährigen A lassen im vorliegenden Fall eine Unbilligkeit der
Ermessensentscheidung erkennen. Der Verfügungskläger hat nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen, dass unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung er
im Hinblick auf die Nominierung von A ebenfalls zu den Olympischen Spielen in
Peking hätte gemeldet werden müssen.
Fehlt es aber an einer unbilligen Ermessensentscheidung so kann vorliegend auch
von keiner einen Anspruch aus § 826 BGB stützenden vorsätzlichen sittenwidrigen
Schädigung des Verfügungsklägers durch die Nichtnominierung seitens der
Verfügungsbeklagten ausgegangen werden. Dass der alleinige tatsächliche
Beweggrund der starren Haltung des Verfügungsbeklagten sei, den Schiedsspruch
des Deutschen Sportschiedsgerichts des Deutschen Leichtathletikverbandes zu
unterlaufen bzw. dem darin unterlegenen Präsidium des DLV zu helfen, hat der
Verfügungskläger nicht hinreichend mit verifizierbaren Tatsachen untermauert.
Ein weiterhin in Betracht zu ziehender Anspruch aus den §§ 20 Abs. 1, 33 GWG
entfällt, weil aus den vorstehend genannten Gründen von der darin
vorausgesetzten Unbilligkeit oder Grundlosigkeit der
Nichtnominierungsentscheidung des Verfügungsbeklagen nicht ausgegangen
werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.