Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.05.2003

OLG Düsseldorf: kündigung, vermieter, mietsache, abrechnung, vertragsklausel, kaution, prozess, beendigung, nachzahlung, pacht

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 99/02
Datum:
06.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 99/02
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 10 O 213/01
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16. April 2002 verkündete
Teilurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf -
Einzelrichterin- wird zurück-gewiesen mit der Maßgabe, dass der
Kostenausspruch, der der künftigen Schlussentscheidung des
Landgerichts vorbehalten bleibt, entfällt und dass Zinsen "von je 1.320
DM" (statt 1.300 DM) zu zahlen sind.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
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I. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Landgericht ein (verdecktes) Teilurteil
erlassen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 30. Oktober 2001 hat die Klägerin
nicht nur den Zahlungsantrag aus dem Schriftsatz vom 10. August 2001, sondern ferner
den Leistungsantrag auf Herausgabe des Schlüssels zum Panzerriegel der Tür im
Mietobjekt verlesen. Entschieden hat das Landgericht aber nur über den
Zahlungsantrag.
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Das Teilurteil wäre allerdings aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, wenn es
unzulässig wäre im Sinne des § 301 Abs. 1 ZPO. Unzulässig ist ein Teilurteil dann,
wenn die Gefahr bestünde, dass die Teilentscheidungen zueinander in Widerspruch
treten, wobei ein solcher Widerspruch im Instanzenzug und in rechtlichen Vorfragen
ausreicht.
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Eine solche Gefahr besteht hier nicht. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte das
Mietverhältnis wirksam gekündigt hat, ist die Frage nach der Herausgabe des in Rede
stehenden Schlüssels zu beantworten. Denn der Beklagte hat das von der Klägerin
gemietete Büro zurückgegeben, um ihr die Möglichkeit der Anschlussvermietung zu
geben. Dann aber ist die Frage nach der Herausgabepflicht nicht (mehr) abhängig von
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der Frage der wirksamen Beendigung des Mietvertrags durch die Kündigung, sondern
nur von der Frage, ob die vereinbarte Rückgabe der Mieträume vollständig oder
unvollständig erfüllt worden ist.
II. Zu Unrecht wehrt sich der Beklagte gegen seine Verurteilung zu den Mieten der
Monate Juni 2000, Oktober bis Dezember 2000 und Januar bis Juli 2001 in Höhe von
jeweils 1.320 DM monatlich (nicht, wie das Landgericht im Rahmen des Zins-auspruchs
irrtümlich tenoriert hat, 1.300 DM monatlich, was der Senat gemäß § 319 ZPO zu
berichtigen hat), insgesamt in Höhe von 14.250 DM.
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1. Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Sie hat dargelegt und urkundlich belegt, dass sie
nach dem Tod ihres Ehegatten als dessen Alleinerbin (Erbschein vom 19. Juni 2002, 92
VI 137/00 AG Düsseldorf) seit dem 19. Januar 2000 alleinige Nießbraucherin des
vermieteten Grundstücks auf der Grundlage des im Grundbuch von Pempelfort (AG
Düsseldorf Bl. 6787 Abt. II) eingetragenen Rechts ist. Gemäß § 1030 BGB stehen ihr die
Grundstückserträgnisse zu. Die Übertragung des Grundstücks auf die Töchter unter
gleichzeitigem Vorbehalt des Nießbrauchs führt, wenn der Nießbraucher wie hier zuvor
Vermieter und (Mit-)Eigentümer des Grundstücks gewesen ist, nicht gemäß § 571 Abs. 1
BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB n.F.) zu einem Vermieterwechsel (vgl. Palandt/Weidenkaff,
BGB, 61. Aufl., § 566 Rn. 3 und ders./Bassenge, § 1030 Rn. 5 m.w.N).
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Dem steht nicht entgegen, dass es unter Nr. III.2 des notariellen Übertragungsvertrags
u.a. heißt:
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"Miet- und Pachtverhältnisse sind bekannt und werden übernommen."
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Entgegen der im Senatstermin vertretenen Auffassung der Berufung haben die
Vertragsparteien damit keine Vereinbarung geschlossen, mit welcher das Mietverhältnis
auf Vermieterseite schuldrechtlich auf die Töchter der Klägerin übertragen werden
sollte. Eine solche Vereinbarung kann ohne Mitwirkung des Beklagten als Mieter nicht
wirksam getroffen werden (vgl. dazu Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-
, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 1365, 1367, 1371 m. zahlr. Rspr.-Nachw.). Die
Vertragsklausel hat vielmehr rein deklaratorischen Charakter. Sie greift auf, was das
Gesetz in § 571 BGB a.F. (§ 566 BGB n.F.) regelt: Mit dem Eigentumsübergang des
Grundstücks tritt der Erwerber kraft Gesetzes in ein vom Veräußerer eingegangenes und
vollzogenes Mietverhältnis als Vermieter ein. Im Streitfall ist dieser Hinweis, wie bereits
ausgeführt worden ist, indes falsch.
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Auch nicht gefolgt werden kann der Berufung in der im Senatstermin geäußerten
Auffassung, die in Rede stehende Vertragsklausel sei ein Angebot von Veräußerer und
Erwerberinnen an den Beklagten als Mieter, dem Vermieterwechsel zuzustimmen. Es
liegt schon kein annahmefähiges Angebot der Erwerberinnen vor. Auf die vorstehenden
Ausführungen zur Qualifizierung der Vertragsklausel wird Bezug genommen. Zudem
fehlt es an rechtzeitiger Annahme im Sinne von § 147 Abs. 2 BGB.
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2. Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass die vom Beklagten ausgesprochene
Kündigung gemäß § 542 Abs. 2 BGB a.F.(§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F.) nicht zur
Beendigung des Mietverhältnisses geführt hat. Dabei kann zu Gunsten des Beklagten
unterstellt werden, dass er in der Vergangenheit angeblich schon seit 1994 bestehende
Mängel konkret und wiederholt gerügt hat und schließlich dazu übergegangen ist, einen
Teil der Miete einzubehalten. Mit der kompletten Nachzahlung des einbehaltenen
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Mietteils im Juni 2000 hat der Beklagte nachträglich auf den Vorbehalt der
Gewährleistung verzichtet, § 539 BGB a.F. analog. Einen anderen Erklärungsinhalt
kann dieser Nachzahlung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht beigelegt werden (vgl. Senat
NJW-RR 2003, 153). Mit dem nachträglichen Verzicht auf den Mängelvorbehalt ist der
Beklagte wie der Mieter zu behandeln, der in Kenntnis des Mangels den Mietvertrag
vorbehaltlos abschließt oder trotz eines im Laufe des Mietverhältnisses auftretenden
Mangels die Miete vorbehaltlos über einen längeren Zeitraum fortentrichtet (vgl. BGH
NJW 1997, 2674 m.w.N., zuletzt ZMR 2000, 666). Dem Beklagten nützt es deshalb
nichts, dass er die Junimiete 2000 wiederum einbehalten hat und dieses Recht auf
dieselben Mängel stützt, auf deren gewährleistungsrechtliche Geltendmachung er bis
Mai 2000 nachträglich verzichtet hat. Seine Gewährleistungsrechte hat er damit nicht
nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft verloren (vgl. BGH NJW 1997,
2674).
3. Aus dem Verlust der Gewährleistungsrechte folgt, dass der Beklagte nicht nur das
Kündigungsrecht aus § 542 Abs. 1 BGB a.F. gemäß § 543 BGB a.F. verloren hat (BGH
ZMR 2000, 666), sondern auch das Recht, nur eine geminderte Miete zu zahlen, § 537
Abs. 1 S. 1 BGB a.F.. Die Mieten für die gesamte hier streitige Zeit sind deshalb
ungekürzt zu zahlen.
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4. Diese Rechtsfolge kann der Beklagte nicht dadurch umgehen, dass er die Kündigung
hilfsweise auf § 554a BGB a.F. stützt. Diese Bestimmung ist nicht einschlägig. Die
Voraussetzungen der Kündigung wegen der Nichtgewährung des vertragsgemäßen
Gebrauchs ergeben sich (allein) aus § 542 Abs. 1 BGB a.F. mit den dort geregelten
Einschränkungen (vgl. BGH MDR 1988, 137 sub. lit. b; OLG Düsseldorf - 10. ZS- ZMR
1990, 57; OLG Koblenz MDR 1997, 1113).
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5. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob der Beklagte wegen des behaupteten
Herstellungsanspruchs aus § 536 BGB a.F. ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320
Abs. 1 BGB haben könnte. Zwar geht dieses Recht als Erfüllungsanspruch nicht gemäß
§ 539 BGB a.F. analog nach vorbehaltloser Zahlung der Miete über längere Zeit
verloren. Verloren geht es aber dann, wenn der Mieter sein Interesse an der Herstellung
der Mietsache durch (berechtigte oder unberechtigte) Kündigung und durch die
Rückgabe der Mietsache dementiert (BGH NJW 1982, 874). So verhält es sich im
Streitfall. Der Beklagte hatte das Mietverhältnis (unberechtigt) im August 2000 gekündigt
und hat mit Ablauf des Monats September 2000 die Mietsache an die Klägerin
zurückgegeben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat er ein
Leistungsverweigerungsrecht eingebüßt.
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II. Der Beklagte ist auch zu Recht zur Zahlung der Salden aus den
Betriebskostenabrechnungen der Jahre 1997 bis 2000 verurteilt worden (insgesamt
1.731,78 DM). Die Einwendungen gegen die Abrechnungen sind unbegründet.
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1. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Nachzahlungssalden aus den
Betriebskostenabrechnungen fällig. Fällig sind Betriebskostennachzahlungen mit dem
Zugang einer für den Mieter nachvollziehbaren Abrechnung, §§ 130, 259 BGB.
Nachvollziehbar sind die Abrechnungen dann, wenn aus ihnen die Gesamtkosten, der
Verteilungsschlüssel, der Kostenanteil des belasteten Mieters und die davon
abzusetzenden Vorauszahlungen hervorgehen (BGH NJW 1982, 573 und MDR 2003,
382). Diesen Anforderungen genügen die hier umstrittenen Abrechnungen in
Verbindung mit den dem Beklagten überreichten Heizkostenabrechnungen. Unter
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diesen Umständen ist es dem Mieter versagt, pauschal die Richtigkeit der Abrechnung
und der Einzelkosten zu bestreiten. Jeder Mieter hat das Recht, die Belege jeder
einzelnen Kostenposition einzusehen (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen
Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 524; BGH NJW 1982, 573). Dieses Recht
steht ihm zu, um die Richtigkeit jeder Kostenposition überprüfen zu können. Daraus folgt
zugleich, dass nur konkrete Angriffe einzelner Kostenpositionen außergerichtlich und
auch im Prozess wirksame Rügen darstellen. Verzichtet ein Mieter darauf, die
Kostenbelege einzusehen und kann er deshalb konkrete Rügen nicht erheben, ist ihm
auch im Prozess der Einwand unrichtiger Kostenabrechnung abgeschnitten (vgl. OLG
Düsseldorf -10. ZS- NJW-RR 2001, 299 und OLGR 2001, 286). Dass die Klägerin sich
geweigert hätte, einem Begehren des Beklagten auf Belegeinsicht nachzukommen,
behauptet der Beklagte nicht.
2. Ohne Erfolg rügt der Beklagte ferner, die Abrechnungsperiode (jeweils 01.Juni eines
Jahres bis 31.Mai des Folgejahres) sei unzutreffend. Ist wie im Streitfall Beginn und
Ende der Abrechnungsperiode nicht vereinbart (gemäß § 4 Nr. 3 Mietvertrag ist nur
jährliche Abrechnung vereinbart), bedeutet das nicht, wie der Beklagte meint, dass der
Beginn der Abrechnungsperiode mit dem Beginn des Mietverhältnisses zusammenfällt.
Das wäre nicht praktikabel, weil das dazu führen würde, dass in einem
Mehrparteienmietshaus ganz unterschiedliche Abrechnungsperioden herrschen
würden. Für den Vermieter würde das zu einem ganz erheblichen
Abrechnungsmehraufwand führen. Vielmehr hat der Vermieter gemäß § 315 Abs. 2 BGB
ein Leistungsbestimmungsrecht, das nur auf Angemessenheit überprüfbar ist (vgl. BGH
NJW 1993, 1061). Im Streitfall beruht die Wahl der Abrechnungsperiode offenbar auf
dem Ende der Heizperiode (üblicherweise im Mai eines jeden Jahres). Dass diese Wahl
der Klägerin unangemessen ist, kann nicht festgestellt werden.
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III. Das Landgericht hat schließlich auch den mit der Widerklage geltend gemachten
Anspruch auf Rückzahlung der Kaution (3.481,47 DM) zu Recht abgewiesen.
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Die Kaution ist noch nicht fällig. Sie dient dem Vermieter zur Absicherung aller
Ansprüche aus dem Mietverhältnis und dessen Abwicklung. Im Streitfall ist zwischen
den Parteien noch nicht geklärt, ob der Klägerin aus dem Einbau des Panzerriegels
Schadensersatzansprüche erwachsen. Das kann dann der Fall sein, wenn sich der
Beklagte weigern sollte, den dazu gehörenden Schlüssel an die Klägerin heraus zu
geben oder wenn die Klägerin dessen Herausgabe nicht durchzusetzen vermag. In
diesem Fall müsste der Panzerriegel entfernt werden mit der nicht ausschließbaren
Folge, dass dann die Eingangstür zur Mietsache ausgetauscht werden müsste. Zur
Sicherung dieses jedenfalls nicht ausschließbaren Anspruchs kann die Klägerin die
Kaution behalten. Dass sie übersichert wäre, kann nicht festgestellt werden.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Kostenentscheidung des
Landgerichts entfällt. Sie kann einheitlich erst ergehen, wenn das Landgericht in der
noch zu treffenden Schlussentscheidung über den noch nicht beschiedenen
Leistungsantrag urteilt. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2
ZPO n.F.
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Berufungsstreitwert: 10.089,45 EUR (19.733,25 DM)
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