Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.12.2002
OLG Düsseldorf: zucker, diabetes mellitus, verbraucher, kausalität, hersteller, werbung, kakao, ernährung, zivilrechtliche verantwortlichkeit, gefahr
Oberlandesgericht Düsseldorf, 14 U 99/02
Datum:
20.12.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 U 99/02
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 3 0 217/01
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 24.4.2002 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
1
A.
2
Bei dem 1955 geborenen Kläger wurde im Jahr 1998 ein Diabetes mellitus Typ II b,
sogenannte Altersdiabetes, festgestellt. Nach einer Akutbehandlung ist die Erkrankung
seit Oktober 1998 diätetisch eingestellt. Der Kläger ist nach wie vor chronischer
Diabetiker.
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Die Beklagte vertreibt von ihr hergestellte Schokoriegel, unter anderem "M." und "S.",
die in etwa zur Hälfte aus raffiniertem Zucker bestehen. Für diese Schokoriegel wirbt sie
unter anderem mit Slogans wie "M. macht mobil, bei Arbeit, Sport und Spiel", "M. bringt
verbrauchte Energie sofort zurück", oder "S.: Immer wenn der kleine Hunger kommt".
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Der Kläger hat Schmerzensgeld - beziffert mit mindestens 11.000,00 DM - sowie unter
Berufung auf drohende Folge- und Spätschäden die Feststellung begehrt, dass die
Beklagte seine künftigen auf der Diabetes-Erkrankung beruhenden materiellen und
immateriellen Schäden zu ersetzen habe. Zudem hat er im Wege der Teilklage
Schadensersatz in Höhe von 800,00 EUR wegen Zahnschäden begehrt.
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Der Kläger hat behauptet, seine Erkrankung an Diabetes sei allein auf den Konsum der
Schokoriegel der Beklagten, hilfsweise auf den Genuss der Riegel neben C.
zurückzuführen, deren Herstellerin er in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht
Essen auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Auch die - von der Beklagten
bestrittenen - Zahnschäden hätten hierin ihre Ursache. Bereits seit seiner Kindheit habe
er regelmäßig die Produkte der Beklagten zu sich genommen. Mit seinem Wechsel an
das Landgericht N. im Jahr 1994 habe er, bedingt durch Zeitdruck und
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Arbeitsüberlastung, bei Zwischenmahlzeiten pro Arbeitstag wenigstens zwei Riegel der
Marke "M." oder "S." verzehrt und zudem täglich etwa einen Liter C. getrunken. Dies
bedeute eine Zuckeraufnahme von etwa 39,5 Kilogramm pro Jahr, die ursächlich für
seine Erkrankung geworden sei.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagten sei sowohl ein Konstruktions- als
auch ein Instruktionsfehler anzulasten. Die von ihr vertriebenen Schokoladenriegel
wiesen einen unvertretbar hohen Zuckergehalt auf, verursachten Stoffwechselstörungen
und enthielten zudem suchtauslösende Komponenten, die einen kontrollierten Verzehr
unmöglich machten. Zudem sei die Darreichungsform zu beanstanden, da diese dazu
zwinge, die Riegel sogleich vollständig und nicht portionsweise zu verzehren. Die
Beklagte hätte darauf hinweisen müssen, dass der Verzehr ihrer Riegel Diabetes,
Karies und Parodontose verursache. In der Bevölkerung seien diese Zusammenhänge
nicht bekannt. Eine Warnpflicht bestehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass die
Beklagte in der Werbung ihre Riegel als Nahrungsmittelersatz darstelle und zu
übermäßigem Verzehr verführe, ferner sie die von dem Verzehr der Produkte
ausgehenden Gefahren verharmlose und Forschungen über die Gefahren sowie deren
Veröffentlichung verhindere. Der Kläger hat weiter vorgetragen, ihm seien die
gesundheitsschädigenden Folgen des Konsums der Produkte der Beklagten nicht
bekannt gewesen. Er hätte die Riegel nicht mehr zu sich genommen, wenn er
entsprechend informiert und gewarnt worden wäre.
7
Die Beklagte hat den von dem Kläger behaupteten Verzehr ihrer Produkte und die
vorgetragenen Zahnschäden mit Nichtwissen bestritten sowie in Abrede gestellt, dass
ein etwaiger Verzehr kausal für die Erkrankung des Klägers geworden sei. Für eine
Erkrankung an Diabetes Typ II b kämen verschiedene Faktoren als ursächlich in
Betracht, die bei dem Kläger sämtlich vorlägen; insbesondere sei er über einen
längeren Zeitraum übergewichtig gewesen. Die Beklagte hat ferner bestritten, dass
Inhaltsstoffe ihrer Produkte suchtauslösend seien, und die Auffassung vertreten, der
hohe Zuckergehalt sei nicht als Konstruktionsfehler zu bewerten. Auch Instruktionsfehler
seien ihr nicht anzulasten, weil die Gefahren einer Fehlernährung allgemein bekannt
seien. Bezüglich der behaupteten Zahnschäden hat sie hilfsweise die Einrede der
Verjährung erhoben.
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Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge
wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, bezüglich
der Diabetes-Erkrankung könne der Kläger Schadensersatz schon deshalb nicht
beanspruchen, weil wegen der bereits seit Januar 1992 bei ihm vorliegenden Adipositas
ausgeschlossen werden könne, dass die Krankheit durch Produkte der Beklagten
verursacht worden sei. Es sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass der Verzehr von
Zucker ursächlich für Diabetes Typ II b sei. Vielmehr seien vorrangig genetische
Prädisposition, Adipositas, Stress und körperlicher Bewegungsmangel entscheidende
Faktoren bei deren Entstehung; diese lägen sämtlich bei dem Kläger vor.
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Ein Anspruch wegen der Zahnbehandlungskosten stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu,
da die Beklagte - dies auch im Hinblick auf die Diabeteserkrankung - nicht rechtswidrig
gehandelt habe. Ihr sei weder eine Konstruktions- noch eine
Instruktionspflichtverletzung vorzuwerfen. Die Beklagte vertreibe ein an sich erlaubtes
Produkt, bei dem es sich um ein Genussmittel handele. Sie sei nicht gehalten, den
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Zuckergehalt der Riegel zu vermindern, weil diese dann ihren Charakter als Süßigkeit
verlören und als solche abgeschafft würden. Eine derart weitreichende
Verkehrssicherungspflicht käme einem Vertriebsverbot gleich und sei unzumutbar,
zumal nicht das Produkt als solches gefährlich sei, sondern allenfalls dessen
übermäßiger Verzehr. Der Kläger habe auch nicht substantiiert dargetan, dass
raffinierter Zucker oder der verwendete Kakao Suchtstoffe enthalte, die es dem
Verbraucher unmöglich machten, sein Konsumverhalten zu steuern.
Auch eine Hinweispflicht bezüglich etwa von ihren Produkten ausgehender Gefahren
treffe die Beklagte nicht. Dass übermäßiger Zuckerkonsum Zahnschäden verursache,
sei allgemein bekannt. Ebenso gehöre es zum allgemeinen Erfahrungswissen, dass die
Produkte der Beklagten in erheblichem Umfang Zucker enthielten und dessen
übermäßiger Verzehr zu Übergewicht und den damit verbundenen allgemeinen
Gesundheitsgefahren, wie Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Arteriosklerose und
eben auch Typ-II-Diabetes führe. Hierauf müsse die Beklagte daher nicht hinweisen.
Auch wenn man die mit Übergewicht einhergehenden Gefahren nicht zum allgemeinen
Erfahrungswissen rechnete, bestehe keine Warnpflicht, weil jede Form der
Fehlernährung in Form übermäßiger Kalorienzufuhr zu Übergewicht führe und es zu
weit gehe, jedes Lebensmittel mit einer Warnung über die mit Übergewicht
einhergehenden Gesundheitsrisiken zu versehen. Auch die Werbung der Beklagten
rechtfertige keine andere Beurteilung, da die Produkte der Beklagten als Genussmittel
erkennbar blieben.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er unter
Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags sein Begehren weiter
verfolgt. Er macht insbesondere geltend, das Landgericht habe die Kausalität des
Verzehrs von "M." und "S." für die bei ihm festgestellte Diabetes nicht aus eigener
Sachkunde verneinen dürfen; sein Sachvortrag hierzu sei genügend. Zudem trage die
Beklagte die Beweislast für fehlende Kausalität, weil sie ihr obliegenden
Überprüfungspflichten nicht nachkomme, sondern im Gegenteil Ursachenforschung und
deren Veröffentlichung verhindere. Jedenfalls aber greife zu seinen Gunsten ein
Anscheinsbeweis ein, da Stoffwechselstörungen und insbesondere Zuckerkrankheiten
typische Folge des Konsums von Schokoriegeln seien. Die Beklagte habe entgegen der
Auffassung des Landgerichts auch rechtswidrig gehandelt. Ihr sei vorzuwerfen, dass auf
ihren Produkten nicht auf deren genaue Zusammensetzung hingewiesen und der
Verbraucher nicht über die gesundheitlichen Folgen wiederholten und
langandauernden Verzehrs informiert werde. Der Kläger beruft sich zudem erneut
darauf, dass die Produkte der Beklagten suchtverursachend seien. Deshalb und weil die
Werbung der Beklagten für die betreffenden Produkte irreführend - die
Schokoladenriegel würden als Nahrungs- und nicht als Genussmittel dargestellt - und
verharmlosend sei, seien an deren Instruktionspflicht besonders hohe Anforderungen zu
stellen. Vor den von den Riegeln ausgehenden Gefahren müsse die Beklagte detailliert
und konkret warnen. Der Beklagten seien diese Gefahren seit langem bekannt,
allerdings verhindere sie, dass entsprechende Forschungsergebnisse an die
Öffentlichkeit drängen. Die von Zucker im allgemeinen und den Produkten der
Beklagten im besonderen ausgehenden Gesundheitsrisiken seien schließlich nicht
allgemein bekannt; Übergewicht werde überwiegend nur als ästhetisches Problem
gesehen. Zudem könne sich die Beklagte auf eine etwaige Allgemeinkundigkeit nicht
berufen, weil sie durch aggressive Vermarktungsstrategien dazu beitrage, dass
Konsumenten entgegen ihrer besseren Einsicht handelten.
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Der Kläger rügt schließlich, das Landgericht habe gebotene Hinweise, insbesondere zu
seiner Auffassung, die Klage sei nicht schlüssig, unterlassen, sowie gegen Art. 103
Abs.1 GG und das Gebot eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens verstoßen.
Ferner habe es nicht in der Besetzung entschieden, in der die abschließende Beratung
erfolgt sei.
14
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 24.4.2002 abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts
gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.624,21 EUR nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.7.2000 an ihn zu
zahlen,
17
2. die Beklagte zu verurteilen, 800,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
der Europäischen Zentralbank seit dem 16.1.2002 an ihn zu zahlen,
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen materiellen und
immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass seiner im Jahre 1998 festgestellten
Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2 zu ersetzen, soweit ein öffentlich-
rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.
19
Hilfsweise beantragt der Kläger,
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1. die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der C. GmbH, vertreten durch die
Geschäftsführer S. u.a. , E., zu verurteilen, ein der Höhe nach in das Ermessen des
Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.624,21 EUR nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.7.2000 an
ihn zu zahlen,
21
2. die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der C. GmbH, vertreten durch die
Geschäftsführer S. u.a., zu verurteilen, 800,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.1.2002 an ihn zu zahlen,
22
3. festzustellen, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der C. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer S. u.a., verpflichtet ist, ihm allen materiellen und
immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass seiner im Jahre 1998 festgestellten
Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2 zu ersetzen, soweit ein öffentlich-
rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.
23
Weiter beantragt er, das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 24.4.2002
aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
24
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere ihre
Auffassung, der Kläger habe den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht schlüssig
dargelegt. Zudem habe das Landgericht zu Recht die Klage auch deshalb abgewiesen,
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weil die Produkte der Beklagten nicht fehlerhaft seien.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.11.2002, Bl.
1408 ff. d.A., verwiesen.
28
B.
29
Die Berufung des Klägers ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden. In der Sache hat sie hingegen keinen Erfolg. Dem Kläger stehen die
geltend gemachten Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche gegen die
Beklagte nicht zu.
30
I.
31
Ein Schadensersatzanspruch besteht nicht aus § 823 Abs.1 BGB unter dem
Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
32
1.
33
Voraussetzung einer Haftung der Beklagten auf Schadensersatz ist zunächst, dass ihr
Verhalten kausal für die von dem Kläger vorgetragenen Gesundheitsschäden geworden
ist. Darlegungs- und beweispflichtig für diesen Ursachenzusammenhang ist der Kläger
als der Geschädigte (vgl. nur BGHZ 116, 60, 76; v. Westfalen,
Produkthaftungshandbuch, 2. Auflage, § 30 Rdn. 95). Entgegen der Auffassung des
Landgerichts hat der Kläger schlüssig vorgetragen, Herstellung und Vertrieb der
fraglichen Riegel durch die Beklagte seien kausal für seine Diabetes-Erkrankung
geworden. Bezüglich der behaupteten Zahnschäden ist dagegen schon die Kausalität
nicht hinreichend dargetan.
34
a)
35
Die Frage der Kausalität von Produktmängeln, insbesondere bei mehreren möglichen
Verursachungsbeiträgen, ist zunächst ausgehend von der auch im bürgerlichen Recht
anzuwendenden sog. conditio sine qua non-Formel zu beurteilen, d.h. die pflichtwidrige
Handlung darf nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele (vgl. nur
BGHZ 2, 138, 141; MüKo-Oetker, BGB, 3. Auflage, § 249 Rdn. 97). Ein
Kausalzusammenhang zwischen dem Verzehr der Riegel und der Erkrankung des
Klägers läge damit vor, wenn der Kläger nicht an Diabetes erkrankt wäre bzw.
Zahnschäden erlitten hätte, wenn er nicht - wie vorgetragen - bereits seit seiner Kindheit
in kleineren Mengen und später über einen längeren Zeitraum zwei der fraglichen
Riegel pro Tag an 5 Tagen die Woche verzehrt hätte. Die Tätigkeiten der Beklagten
wären ferner auch dann kausal für die Erkrankung des Klägers, wenn der Verzehr von 2
Riegeln pro Tag nicht für sich allein gesehen, sondern erst in kumulativer Verbindung
mit dem behaupteten Konsum von C. oder mit sonstigen Faktoren (Ernährung im
übrigen, Bewegungsmangel o.ä.) die Diabetes verursacht hätte. Soweit jeweils - etwa
bezüglich C. - auch die weiteren Voraussetzungen einer Haftung vorlägen, wäre ein Fall
des § 840 Abs.1 BGB gegeben. Wenn nämlich feststeht, dass der Schaden nur durch
eine Summierung mehrerer gefährdender Handlungen entstanden ist, liegt
Nebentäterschaft i.S.v. § 840 Abs.1 BGB vor und die Beteiligten haften als
Gesamtschuldner (BGHZ 66, 70, 76; 72, 289, 298). Kämen schließlich sowohl die
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Produkte der Beklagten als auch C. jeweils als allein ursächlich in Betracht, fände § 830
Abs.1 Satz 2 BGB Anwendung.
b)
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Bezüglich der behaupteten Zahnschäden hat der Kläger danach bereits nicht in einer
eine Beweisaufnahme ermöglichenden Weise vorgetragen, dass der Verzehr der von
der Beklagten produzierten Riegel für diese Schäden kausal geworden ist. Zunächst
geht aus den vorgelegten Rechnungen über zahnärztliche Behandlungsmaßnahmen
schon nicht hervor, welche konkreten Zahnschäden den jeweiligen Behandlungen
zugrunde lagen. Schon deshalb lässt sich eine Aussage dazu, auf welchen Ursachen
die Zahnschäden beruhten, kaum treffen. Zwar ist davon auszugehen, dass Zucker und
damit auch die Riegel der Beklagten geeignet sind, Zahnschäden zu verursachen.
Daraus folgt aber noch nicht, dass gerade die von dem Kläger vorgetragenen
Zahnschäden nicht entstanden wären, wenn der Beklagte die Riegel der Beklagten
nicht konsumiert hätte. Weiterhin behauptet der Kläger selbst zumindest nicht
ausdrücklich, ohne den Konsum von "M." und "S." die ausweislich der Rechnungen
behandelten Zahnschäden sämtlich nicht erlitten zu haben, und er legt auch nicht
ansatzweise dar, woraus sich darauf schließen lassen sollte. Die Produkte der
Beklagten wären aber nicht kausal für die Zahnschäden, wenn und soweit der Kläger
diese etwa aufgrund seiner Prädisposition, seiner Lebensweise, seiner sonstigen
Ernährung etc. unabhängig von dem Konsum der Riegel der Beklagten und unabhängig
von sonstigen die Ersatzpflicht Dritter begründenden Verursachungsbeiträgen (zu deren
Unbeachtlichkeit BGH, NJW 1958, 705; 1967, 551, 552) ohnehin erlitten hätte (vgl.
BGH, NJW 1985, 676, 677; VersR 1965, 491, 493; Palandt/Heinrichs, a.a.O. Rdn. 99; v.
Westfalen, a.a.O., § 42 Rdn. 25). Vor dem Hintergrund, dass bekanntermaßen der
Verzehr zahlreicher, insbesondere Kohlenhydrate und Säure enthaltender
Nahrungsmittel die Zähne belastet und zu Zahnschäden beitragen kann und der Kläger
sich nicht ausschließlich von den Riegeln der Beklagten ernährt hat, zudem etwa auch
die von dem Kläger zu verantwortende Art der Zahnpflege eine maßgebliche Rolle bei
der Entstehung von Zahnschäden spielt, also eine Vielzahl von Ursachen für die
vorhandenen Zahnschäden ebenso wie der Verzehr der Riegel in Betracht kommen,
hätte es dem Kläger oblegen substantiiert darzutun, warum gerade die Produkte der
Beklagten die fraglichen Zahnschäden verursacht haben sollen. Es handelt sich hier
nicht um den Ausschluss hypothetisch gebliebener Reserveursachen, für deren
Realisierung der Schädiger nach ganz herrschender Auffassung (vgl. nur BGHZ 78,
209, 214 m.w.N.) darlegungs- und beweisbelastet ist. Die typische Konstellation für den
Einwand einer Reserveursache ist die, dass die von dem Schädiger eingeleitete
Ursachenkette zwar für den Schaden ursächlich geworden ist, indes die schon früher
oder auch später in Gang gekommene Reserveursache sonst ursächlich geworden
wäre, die hypothetische Ursache also von der realen "überholt" wurde (vgl. BGH,
a.a.O.). Vorliegend geht es indessen darum, auf welches von mehreren Ereignissen, die
tatsächlich eingetreten sind, der Schaden zurückzuführen ist. Das ist die "normale"
Beweisfrage für die Kausalität, für welche den Geschädigten die Beweislast trifft (vgl.
BGH, VersR 1987, 179, 180). Auf die Bemerkung der als Zeugin benannten Ärztin, was
der Kläger eigentlich esse, kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht
stützen, dies schon deshalb nicht, weil aus der Bemerkung allenfalls hervorgeht, dass
die Ärztin von primär ernährungsbedingten Zahnschäden ausging.
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Wie die behandelnde Ärztin oder ein Sachverständiger die Kausalität gerade der Riegel
für die - zwischenzeitlich zudem behobenen - Zahnschäden feststellen soll, ist
39
schließlich nicht ersichtlich. Nicht möglich ist es in diesem Zusammenhang, zumindest
einen gem. § 287 ZPO zu schätzenden Teil der Zahnschäden der Beklagten als
ursächlich mit der Begründung zuzurechnen, dass wegen der bekannten Gefahren von
Zucker für Zähne und Zahnfleisch im Wege des Anscheinsbeweises jedenfalls von
einer anteiligen Mitursächlichkeit ausgegangen werden könne. Denn es liegen schon
keine hinreichenden Anknüpfungspunkte vor, die es ermöglichten, den Anteil der Riegel
an den vorgetragenen Zahnschäden im Wege der Schätzung zu ermitteln.
Ein gerichtlicher Hinweis an den Kläger war in diesem Zusammenhang nicht
erforderlich, dies schon deshalb nicht, weil bereits die Beklagte aufgezeigt hat, dass der
klägerische Vortrag zu der Kausalität ihrer Produkte für die vorgetragenen Zahnschäden
nicht genügt (SS vom 29.1.2002, S. 3). Auch nach der Neufassung des § 139 ZPO muss
das Gericht nicht auf solche Gesichtspunkte hinweisen, die bereits der Gegner
eingeführt hat (Musielak, ZPO, 3. Auflage, § 139 Rdn. 6;
Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Auflage, § 139 Rdn. 55). Zudem scheidet
eine Haftung der Beklagten für etwa verursachte Zahnschäden auch mangels
Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aus (hierzu unter 4.), so dass auch ergänzende
Ausführungen zu der Frage der Kausalität der Klage nicht zum Erfolg verholfen hätten.
Hinweise zu im Ergebnis nicht entscheidungserheblichen Gesichtspunkten, die - wie
hier - nur im Rahmen einer Hilfsbegründung von Bedeutung sind, sind nicht geboten
(vgl. Musielak, a.a.O., Rdn. 21).
40
c)
41
Dass der behauptete und unter Beweis gestellter Konsum der Riegel für seine Diabetes-
Erkrankung im vorstehenden Sinne ursächlich geworden ist, hat der Kläger dagegen
schlüssig dargelegt. Er hat mehrfach explizit ausgeführt, die in den Riegeln der
Beklagten enthaltenen Zuckermengen hätten seine Diabetes-Erkrankung allein,
hilfsweise im Zusammenhang mit dem weiter behaupteten Genuss von C. verursacht.
Jedenfalls mittelbar trage regelmäßiger Verzehr größerer Mengen raffinierten Zuckers,
wie er unstreitig in den von der Beklagten produzierten Schokoriegeln enthalten ist, zur
Entstehung von Diabetes Typ II b bei. Ansonsten lägen bei ihm keine maßgeblichen
Faktoren vor, die für eine Entstehung seiner Erkrankung in Betracht kämen,
insbesondere habe eine Adipositas zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Zur Darlegung der
Kausalität ist dies genügend. Da anders als bezüglich der vorgetragenen Zahnschäden
nicht feststeht, dass sonstige Ursachen mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit wie der
Konsum der Riegel als ursächlich für die Erkrankung in Betracht kommen, war der
Kläger nicht gehalten, den behaupteten Ursachenzusammenhang näher zu
substantiieren. Wie wahrscheinlich es ist, dass der Vortrag sich beweisen lässt,
inwieweit insbesondere wissenschaftliche Erkenntnisse den klägerischen Vortrag
stützen, ist schließlich keine Frage der Schlüssigkeit (vgl. BGH, NJW 1972, 249, 250).
42
2.
43
Der Kläger ist gehalten, den Beweis zu führen, dass der Konsum der Schokoladenriegel
für seine Diabetes-Erkrankung kausal geworden ist. Von einem solchen
Ursachenzusammenhang kann wegen der verschiedenen vom Landgericht zutreffend
erwähnten Risikofaktoren nicht bereits im Wege des Anscheinsbeweises ausgegangen
werden. Nach Anscheinsbeweisgrundsätzen kann auf einen Kausalablauf geschlossen
werden, wenn ein Schadensereignis nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine
typische Folge der als ursächlich in Betracht kommenden Handlung darstellt (vgl. BGHZ
44
51, 91, 104; 104, 323, 330 f.). Vorliegend ist aber gerade streitig, ob ein gesicherter
Erfahrungssatz des Inhalts besteht, dass der Konsum der fraglichen Riegel - im
allgemeinen bzw. in den von dem Kläger behaupteten Mengen - das Risiko der
Erkrankung an Diabetes Typ II b birgt, ob also ein typischer Geschehensablauf vorliegt,
der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf eine bestimmte Ursachenkette zulässt.
Ebenso wie die Kausalität selbst ist auch ein derartiger Erfahrungssatz von dem Kläger
als dem Geschädigten zu beweisen.
Zugunsten des Klägers greift bezüglich der Frage der Kausalität des Verzehrs der
Riegel für die Erkrankung an Diabetes auch keine Beweislastumkehr ein, weil die
Beklagte, wie der Kläger meint, ihr obliegenden Überprüfungspflichten nicht
nachgekommen sei, nicht selbst intensiv die Gefahren ihrer Produkte erforsche, sondern
sie im Gegenteil entsprechende Forschungen und Veröffentlichungen hierzu behindere.
Zwar hat der Bundesgerichtshof verschiedentlich Beweiserleichterungen bis hin zur
Beweislastumkehr bei schuldhafter Verletzung von Befundsicherungspflichten in
Betracht gezogen. Diese Rechtsprechung betrifft aber in erster Linie die Frage, ob ein
Produktmangel dem Bereich der Herstellung zuzuordnen ist (so BGH, NJW 1993, 528,
529; NJW 1995, 2162, 2164; BGHZ 129, 353, 361; 104, 323, 326 ff.); zugrunde lagen
Fälle, in denen nachweislich ein Schaden durch ein Gefahren bergendes Produkt
entstanden war und lediglich zweifelhaft war, ob der Produktmangel in der Sphäre des
Herstellers entstanden ist. Da der Geschädigte hier vor kaum überwindbaren
Beweisschwierigkeiten steht, auf der anderen Seite von demjenigen, der ein Risiken
bergendes Produkt herstellt, verlangt werden kann, innerhalb des Produktionsvorgangs
durch pflichtgemäße Untersuchungen Produktrisiken möglichst zu minimieren, mögen
Beweiserleichterungen hinsichtlich der Zuordnung eines Produktmangels zum
Verantwortungsbereich des Herstellers vertretbar sein, wenn keine derartige
Befundsicherung vorgenommen wurde. Ist jedoch - wie vorliegend - schon streitig, ob
von dem fraglichen Produkt überhaupt eine Gefahr ausgeht, wie sie sich in dem
streitgegenständlichen Schaden verwirklicht hat, besteht kein Anknüpfungspunkt für
eine Befundsicherungspflicht, die gerade voraussetzt, dass es sich um ein Produkt mit
einer besonderen Schadenstendenz handelt (vgl. BGH, NJW 1988, 2611, 2613 f.). Auch
der Vorwurf des Klägers, die Beklagte betreibe keine hinreichenden Forschungen zu
dem Gefahrenpotential ihrer Produkte, könnte allenfalls dann eine Haftung der
Beklagten begründen, wenn feststünde, dass die fragliche Gefahr - Verursachung von
Diabetes Typ II b - tatsächlich besteht. Den Hersteller trifft zwar eine
Produktbeobachtungspflicht; er ist gehalten, Hinweisen auf von seinem Produkt
ausgehenden Gefahren eigenverantwortlich nachzugehen (vgl. nur v. Westfalen, a.a.O.,
§ 24 Rdn. 290 ff.). Allein das Unterlassen derartiger Nachforschungen rechtfertigte es
aber nicht, dem Hersteller die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass ein mutmaßlich
schadenverursachender Kausalverlauf in einem konkreten Fall nicht vorliegt. Hinzu
kommt, dass die Riegel der Beklagten jedermann für Untersuchungen zur Verfügung
stehen. Auch der Gesichtspunkt der Aufklärungserschwernis, der es rechtfertigen kann,
dem Hersteller die Darlegungs- und Beweislast für die seiner Sphäre zuzuordnenden,
von außen nicht einsichtigen Umstände aufzuerlegen, kommt vorliegend mithin nicht
zum Tragen.
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Soweit der Kläger schließlich vorträgt, die Beklagte vereitele die Schädlichkeit ihrer
Produkte betreffende Forschungen und verhindere deren Veröffentlichung, ist sein
Vorbringen zu pauschal und spekulativ, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein
(dazu auch unten im Zusammenhang mit etwaigen Instruktionspflichten). Der Kläger
beschreibt im wesentlichen Marketingstrategien international arbeitender Firmen, die
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man für kritikwürdig halten mag, ohne dass diese indessen rechtlich zu beanstanden
wären, solange nicht von Seiten des Gesetzgebers - wie im Falle der Werbung für
Zigaretten - Grenzen gesetzt werden. Zudem werden die erhobenen Vorwürfe weithin
nicht der Beklagten unmittelbar, sondern allgemein der Zuckerindustrie o.ä. zugeordnet.
Beispielhaft angeführt sei etwa der Vortrag, Verbände der Beklagten manipulierten
vorsätzlich die wissenschaftliche Meinung (S. 14 der Klageschrift, Bl. 32), die
Zuckerlobby verheimliche und beschönige die Gefahren des Zuckers (S. 10 des
Schriftsatzes vom 31.12.2001, Bl. 595), die gesamte Genussmittelindustrie betreibe
flächendeckend Verharmlosung und Verdunkelung der Produktgefahren
(Berufungsbegründung vom 20.8.2002, S. 33, 46, Bl. 1255, 1268). Aus welchem Grund
der Beklagten aufgrund der bloßen Kenntnis werbender oder auch
gefahrverharmlosender Maßnahmen ihrer "Interessenvertreter" deren Verhalten
zurechenbar sein soll, ist nicht ersichtlich. Eine Beweislastumkehr zu Lasten der
Beklagten ließe sich allenfalls rechtfertigen, wenn dieser selbst konkret
beweisvereitelnde Handlungen anzulasten wären. Hierfür gibt der Vortrag des Klägers
nichts her. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der auch die Behauptung einer
vermuteten Tatsache zulässig sein soll, soweit es sich um innere Tatsachen,
Kausalabläufe bei einer anderen Partei oder Absprachen Dritter handelt (vgl. BGH, NJW
1995, 1160, 1161; NJW-RR 1988, 1529). Denn auch bezüglich vermuteter Tatsachen
muss der unter Beweis gestellte Sachverhalt hinreichend konkret dargelegt werden, um
eine Beweisaufnahme zu ermöglichen, die nicht allein in Ausforschung besteht. Hieran
fehlt es vorliegend.
Eines gerichtlichen Hinweises an den Kläger zu der vorstehenden Problematik bedurfte
es nicht, da bereits die Beklagte mehrfach die fehlende Substantiierung der fraglichen
Vorwürfe des Klägers gerügt hatte.
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3.
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Ob der Kläger seinen Vortrag, durch den Verzehr der Riegel der Beklagten an Diabetes
erkrankt zu sein, in geeigneter Weise unter Beweis gestellt hat, kann letztlich offen
bleiben, da eine Beweisaufnahme schon deshalb nicht erforderlich ist, weil das Handeln
der Beklagten nicht rechtswidrig ist. Angemerkt sei hierzu aber folgendes:
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Zivilrechtliche Haftung muss an vorhandene naturwissenschaftliche Erkenntnisse
anknüpfen. Nur wenn ein Ursachenzusammenhang auch in der jeweiligen
Fachwissenschaft als hinreichend sicher feststehend angesehen wird, kann die
Verwirklichung eines solchen Kausalverlaufs die Haftung des - erst dann als solcher
feststehenden - Verursachers auf Schadensersatz begründen. Entsprechend wird auch
in der strafrechtswissenschaftlichen Lehre ganz überwiegend die Auffassung vertreten,
die Feststellung physischer - in Abgrenzung zu psychisch vermittelter - Kausalität
komme nur in Betracht, wenn das fragliche Kausalgesetz naturwissenschaftlich
gesichert, d.h. in den maßgeblichen Fachkreisen allgemein anerkannt sei. Sei dies nicht
der Fall, sei auch für eine eigene richterliche Überzeugungsbildung kein Raum (vgl. nur
Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 26. Auflage, Vorbem §§ 13 ff., Rdn. 75 m.w.N.). Die
staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs.2 Satz 1 GG verlangt es dagegen von Gerichten
nicht - wie dies dem Kläger offenbar vorschwebt, vgl. etwa Schriftsätze vom 25.2.2002,
S. 13 f., Bl. 983 f.; 25.11.2002, S. 4 f., Bl. 1414), auf wissenschaftlich ungeklärter
Tatsachengrundlage zur Vermeidung möglicher Gesundheitsgefahren tätig zu werden.
Hier könnte allenfalls der Gesetzgeber eingreifen, wenn er dies für nötig erachtet.
50
Ebenso wenig ist es Aufgabe von Gerichten, ungesicherten wissenschaftlichen
Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen (vgl. BVerfG,
NJW 2002, 1638, 1639). Dem widerspricht es entgegen der Auffassung des Klägers
nicht, dass Ziel der Beweisaufnahme nach § 286 ZPO die Wahrheit ist. Denn diese lässt
sich in Fällen, in denen Fragestellungen naturwissenschaftlicher Art in Rede stehen, nur
vermittelt über den jeweiligen Stand der Wissenschaft finden. Wie ein Gericht über
diesen hinaus selbständig Erkenntnisse gewinnen soll, die näher an der "Wahrheit"
liegen, ist nicht ersichtlich. Die dem entgegenstehende Aussage des Bundesgerichtshof
in einer - die Strafbarkeit wegen des Vertriebs eines Holzschutzmittels betreffenden -
Entscheidung, der Tatrichter könne auch rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangen,
ein Kausalzusammenhang liege in einem konkreten Fall vor, wenn in den
Naturwissenschaften keine Einigkeit über die Existenz eines derartigen Kausalverlaufs
bestehe (BGHSt. 41, 206, 214 ff. = BGH, NJW 1995, 2930, 2932), ist vereinzelt
geblieben und war zudem für die Entscheidung nicht erheblich, da die konkrete zu
einem derartigen Schluss kommende Beweiswürdigung gerade beanstandet und das
ergangene Urteil aufgehoben wurde.
Vorliegend hatte der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mehrfach
schriftsätzlich ausgeführt, dass die Ursächlichkeit von Zucker für die Entstehung von
Diabetes derzeit nicht erwiesen sei. So hat er etwa mit Schriftsatz vom 25.2.2002 (S. 13,
Bl. 983) dargelegt, es lägen keine quantitativen Analysen zur Ursächlichkeit einzelner
Stoffe für Diabetes Typ IIb vor, als gesichert festhalten ließe sich nur, dass von der
Beklagten verursachte Fehlernährung für Gesundheitsschäden weltweit ursächlich sei.
Mit der Berufungsbegründung hat er ausgeführt (S. 11, Bl. 1233), der Kausalitätsbeweis
könne und solle mit den Mitteln der überkommenen Lehre der Diabetologie nicht geführt
werden, weil diese die genauen Ursachen der Diabetes nicht kenne, und in den
Parallelverfahren vor dem Landgericht E. hat er die Bestellung eines Diabetologen
ausdrücklich abgelehnt. Vor dem Hintergrund dieses Vortrags war nicht ersichtlich, wie
mithilfe eines Sachverständigengutachtens der Kausalitätsbeweis hätte geführt werden
sollen. Dass vereinzelte Sachverständige entgegen der in den maßgeblichen
Fachkreisen bestehenden Auffassung Zucker für ursächlich bei der Entstehung von
Diabetes Typ II b erachten, hätte angesichts des von dem Kläger selbst vorgetragenen
ungesicherten Erkenntnisstandes für eine Überzeugungsbildung nicht genügt, zumal
der Kläger nicht dargetan hatte, dass die von ihm favorisierten Sachverständigen
gegenüber den von ihm kritisierten "Schulmedizinern" über überlegene
Forschungsmittel verfügten (so die Voraussetzung für die Anhörung weiterer
Sachverständiger gem. § 244 Abs.4 StPO, der auch im Zivilprozessverfahren
rechtsähnlich anzuwenden ist, BGHZ 53, 245, 258).
51
Nachdem der Kläger zwischenzeitlich klarstellend ausgeführt hat, er habe durchaus
behaupten wollen, dass sein Sachvortrag dem Stand der Wissenschaft entspreche,
mögen die Bedenken hinsichtlich der Eignung seines Beweisantritts - ungeachtet der
Verspätungsfrage (§§ 530, 520, 296 Abs.1, 4 ZPO) - ausgeräumt sein. Soweit sich der
Kläger allerdings auf neue Erkenntnisse nach 1998 beruft, kommen diese für eine
Begründung der - verschuldensabhängigen - Haftung der Beklagten nicht in Betracht, da
insoweit entscheidend ist, welchen Kenntnisstand die Beklagte in dem fraglichen
Zeitraum bis 1998 hätte haben können und müssen.
52
4.
53
Die Beklagte haftet für etwa durch ihre Produkte verursachte Gesundheitsschäden bei
54
dem Kläger nicht, weil ihr keine Pflichtverletzung anzulasten ist, sie mithin nicht
rechtswidrig gehandelt hat. Es ist nicht festzustellen, dass die Beklagte bei der
Herstellung oder der Inverkehrgabe der Riegel die objektiv gebotene Sorgfalt verletzt
und daher gegen eine Verkehrspflicht verstoßen hätte - dies auch dann nicht, wenn sich
die Riegel als kausal für die von dem Kläger vorgetragenen Gesundheitsschäden
erweisen sollten.
Der Warenhersteller hat die Maßnahmen zu treffen, die im konkreten Fall zur
Vermeidung von Gefahren, die von seinem Produkt ausgehen, sowohl erforderlich als
auch zumutbar sind. Klassifiziert man die typischen Herstellerpflichten nach
Fehlerkategorien (so etwa BGH, NJW 1981, 1603, 1604; NJW 1995, 2162, 2163 f.),
kommt vorliegend ein Konstruktions- oder ein Instruktionsfehler in Betracht. Unter
keinem dieser Gesichtspunkte ist der Beklagten indessen eine Pflichtverletzung
anzulasten.
55
a)
56
Ein Produkt ist fehlerhaft konzipiert, wenn es schon seiner Konzeption nach unter dem
gebotenen Sicherheitsstandard bleibt, etwa weil unnötig gefährliche Materialien
verwandt werden oder eine unnötig gefährdende Bauweise gewählt wird (vgl. v.
Westfalen, a.a.O., § 24 Rdn. 59). Der Kläger hat der Beklagten erstinstanzlich einen
derartigen Konstruktionsfehler vorgeworfen und zur Begründung ausgeführt, die
fraglichen Riegel wiesen einen unvertretbar hohen Zuckergehalt auf, verursachten
Stoffwechselstörungen und enthielten zudem suchtauslösende Komponenten, die einen
kontrollierten Verzehr der Riegel unmöglich machten. An diesen Vorwurf will er
ausweislich seiner in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung auch in der
zweiten Instanz weiter festhalten, obwohl er mit der Berufungsbegründung ausdrücklich
ausgeführt hatte, von der Beklagten sei nicht zu verlangen, dass sie die
Zusammensetzung ihrer Produkte ändere, indem sie etwa deren Kakao- oder
Zuckergehalt reduziere (S. 5 der Berufungsschrift, Bl. 1227, in diese Richtung auch S.
42, Bl. 1264). Vielmehr gehe es allein um die der Beklagten obliegenden Warn-,
Informations- und Hinweispflichten.
57
Ein Konstruktionsfehler ist der Beklagten indessen nicht anzulasten. Bei den zur
Herstellung der Riegel verwendeten Zutaten, insbesondere raffiniertem Zucker und
Kakao, handelt es sich unstreitig um lebensmittelrechtlich nicht zu beanstandende
Stoffe. Zwar genügt ein Hersteller den Anforderungen an seine Verkehrspflicht nicht
schon dann, wenn er geltende sicherheitstechnische oder sonstige gesetzlich
vorgegebene Anforderungen erfüllt. Denn die auf der allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht beruhende zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers
eines Erzeugnisses ist durch derartige Regeln nicht auf deren Einhaltung beschränkt.
Solche Vorschriften konkretisieren lediglich die Sorgfaltspflichten des Herstellers, sie
stellen jedoch keine abschließende Festlegung seiner Verantwortlichkeit dar (BGH,
NJW 1999, 2816, 2817). Die Verwendung von raffiniertem Zucker und Kakao in den
Riegeln der Beklagten ist jedoch auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger
behaupteten, von diesen Stoffen ausgehenden Gefahren nicht zu beanstanden.
Raffinierter Zucker und Kakao werden bei der Herstellung einer Vielzahl von
Nahrungsmitteln verwendet. Sie sind nicht nur Bestandteil allgemein anerkannter und
tolerierter Genussmittel wie Kuchen, Pralinen, Schokolade u.ä., sondern auch in
zahlreichen Nahrungsmitteln enthalten, die nicht im engeren Sinne als Genussmittel
anzusehen sind. Dabei sind jedenfalls einige der von Kakao und insbesondere
58
raffiniertem Zucker ausgehenden Gefahren - etwa in Bezug auf Übergewicht und
Zahnschäden, insbesondere bei häufigem Verzehr - weithin seit langem bekannt. Auch
für andere Nahrungsmittelbestandteile gilt indessen, dass deren Verzehr in größeren
Mengen der Gesundheit - ebenso wie jede einseitige, unausgewogene Ernährung -
abträglich sein kann. Es liegt deshalb grundsätzlich in der Selbstverantwortung des
Einzelnen, seine Ernährung entsprechend seinen Bedürfnissen und Wünschen
zusammenzustellen und zu entscheiden, ob er sich dabei vorwiegend an
Gesundheitsbelangen oder am Genuss orientiert. Die Hersteller von Nahrungsmitteln
sind nicht gehalten, diese von vorneherein so zu konstruieren, dass sie in möglichst
hohem Maße der Gesundheit zugute kommen, etwa den Fettgehalt in Wurstwaren
möglichst gering zu halten, auf den Erhalt von Vitaminen zu achten, Vollkorn- statt
Weißmehl zu verwenden o.ä.. Eine Rechtsordnung, die es sich im vermeintlichen
Interesse des einzelnen zur Aufgabe macht, jede auch freiwillig in Kauf genommene
Gefährdung von vorneherein unmöglich zu machen, schränkt Freiheit und
Selbstverantwortlichkeit in unvertretbarer Weise ein. Auch Nahrungsmittel mit einem
hohen Zucker-, Fett- und/oder Kakaogehalt sind daher konstruktiv nicht zu beanstanden.
Eine andere Beurteilung wäre vorliegend auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die
Riegel tatsächlich die von dem Kläger vorgetragen Gefahren für den Stoffwechsel
begründeten, wenn Zucker zur Entstehung von Diabetes beitrüge und die von dem
Kläger beschriebene suchtauslösende Wirkung feststellbar wäre. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die fraglichen Gesundheitsschäden auch nach dem klägerischen
Vortrag nicht unmittelbar, sondern erst bei längerem Konsum der Riegel auftreten sollen,
und der suchtauslösende Mechanismus unter Zugrundelegung des klägerischen
Beschreibung seines eigenen Konsumverhaltens zumindest in der Weise beherrschbar
ist, dass tageweise auf den Verzehr verzichtet und der Konsum auch ohne weiteres
insgesamt eingestellt werden kann (näher zu der Suchtgefahr unten unter b). Vor dem
Hintergrund, dass es sich bei raffiniertem Zucker und Kakao um gesellschaftlich
tolerierte Bestandteile zahlreicher Nahrungsmittel handelt, die Verwendung der
genannten Zutaten insbesondere häufig Produkte als Süßigkeit und damit als ein
Nahrungsmittel kennzeichnet, bei dessen bestimmungsgemäßem Gebrauch der
Durchschnittsverbraucher ohnehin nicht erwartet, es handele sich um den Bestandteil
einer ausgewogenen Ernährung, würde allein die Zusammensetzung der Riegel auch
dann nicht den Vorwurf einer Verkehrspflichtverletzung begründen, wenn das Ausmaß
der von raffiniertem Zucker und Kakao ausgehenden Gefahren größer wäre als ohnehin
bekannt.
59
Ebenso wenig ist die Darreichungsform zu beanstanden. Der Vorwurf des Klägers, ein
portionsweiser Verzehr werde nicht ermöglicht, ist nicht geeignet, eine
Verkehrspflichtverletzung zu begründen. Der Hersteller eines Produkts ist nicht
gehalten, durch die Art der Verpackung den Konsum des Verbrauchers im Sinne eines
vernünftigen Verhaltens zu steuern. Vielmehr handelt es sich hier um einen im
Verantwortungsbereich des Verbrauchers liegenden Umstand. Die Art der Verpackung
und die Form des Riegels sind von außen ohne weiteres erkennbar. Wer kleinere
Einheiten problemlos verzehren möchte, kann zu anderen Produkten greifen. Ob es
tatsächlich unmöglich ist, die Riegel nach teilweisem Verzehr wieder zu verschließen,
kann daher offen bleiben.
60
Soweit der Kläger weiter geltend macht, die Beklagte habe die Riegel schleichend
vergrößert und dem Verbraucher so die Kontrolle über seine Verzehrmengen
genommen, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen, dies schon deshalb nicht,
61
weil die Vergrößerung durch den Zusatz "King Size" bzw. "The big one" auf der
Verpackung deutlich als solche erkennbar ist.
b)
62
Der Beklagten ist auch keine Instruktionspflichtverletzung anzulasten.
63
Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines Erzeugnisses
nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation
beruhen. Er ist vielmehr grundsätzlich auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die
dadurch eintreten, dass er die Verbraucher nicht auf Gefahren des Produkts
hingewiesen hat, die sich trotz einwandfreier Herstellung aus dessen Verwendung
ergeben (BGH, NJW 1999, 2815). Auch im Bereich der Instruktionspflichten gilt, dass
die Einhaltung der für das Produkt geltenden gesetzlichen Anforderungen nicht stets
genügen muss. Ist für einen Produzenten trotz Einhaltung der technischen Regeln und
Wahrung etwaiger behördlicher Zulassungsvoraussetzungen eine von seinem
Erzeugnis ausgehende Gefahr erkennbar, so hat er die darüber in Unkenntnis
befindlichen Benutzer zu warnen (BGHZ 99, 167, 176; 106, 273, 280). Der Zweck der
Warnpflicht besteht typischerweise darin, dem Warenbenutzer die Möglichkeit zu geben,
sich auch vor solchen Gefahren zu schützen, mit denen er nicht rechnet (v. Westfalen,
a.a.O., § 24 Rdn. 173).
64
Warnpflichten bestehen nicht nur in Bezug auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch
des Produkts; sie erstrecken sich innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks auch
auf einen naheliegenden Fehlgebrauch (BGHZ 105, 346, 351; 106, 273, 280; 116, 60,
65; BGH, NJW 1999, 2815 m.w.N.). Dagegen trifft den Hersteller keine Warnpflicht,
wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen
oder leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben (BGH, NJW 1981, 2514; NJW 1999, 2815,
2816). Voraussetzung von Warnpflichten des Herstellers ist schließlich nicht stets, dass
von dem Produkt ausgehende Gefahren feststehen; sie können abhängig von dem
gefährdeten Rechtsgut und der Größe der Gefahr schon dann eingreifen, wenn aufgrund
eines zwar nicht dringenden, aber ernst zu nehmenden Verdachts zu befürchten ist,
dass Gesundheitsschäden entstehen können (vgl. BGHZ 80, 186, 191 f.; 106, 273, 283;
die Haftung wegen Verletzung der Instruktionspflicht setzt aber auch in solchen Fällen
den Nachweis der Kausalität voraus).
65
Instruktionspflichten bestehen schließlich nur im Rahmen der vernünftigen
Verbrauchererwartung. Was auf dem Gebiete allgemeinen Erfahrungswissens der in
Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt, braucht nicht zum Inhalt einer
Gebrauchsanweisung oder einer Warnung gemacht zu werden (BGH, NJW 1986, 1863,
1864). Dabei sind die durchschnittlichen Kenntnisse und Erwartungen derjenigen
Verbraucher maßgebend, für die das Produkt bestimmt ist (v. Westfalen, a.a.O., § 24
Rdn. 4, 178 m.w.N.; BGH, NJW 1988, 2611, 2612).
66
Orientiert an diesen Grundsätzen war die Beklagte nicht gehalten, ihre Riegel mit
Warnhinweisen über von dem Verzehr drohende Gesundheitsgefahren zu versehen.
67
Wie bereits im Zusammenhang mit der Frage eines Konstruktionsfehlers ausgeführt
wurde, ist die individuelle Nahrungsmittelzusammenstellung grundsätzlich der
Eigenverantwortung des Konsumenten überlassen. Es handelt sich um einen
vielgestaltige Variationsmöglichkeiten bietenden Bereich der Lebensgestaltung,
68
innerhalb dessen
- wie dies auch für andere Lebensbereiche, etwa die Freizeitgestaltung gilt -
gesundheitliche Belange in mehr oder minder starkem Umfang Berücksichtigung finden
können. Dabei kommt der Verbraucher, dem daran gelegen ist, sich auf gesunde Weise
zu ernähren und der Gesundheit abträgliche Lebensmittel oder
Nahrungsmittelzusammenstellungen zu meiden, nicht umhin, sich gewisse Kenntnisse
über die Grundlagen einer ausgewogenen Ernährung zu verschaffen. Hierzu stehen ihm
eine Vielzahl allgemein zugänglicher Informationsquellen - Zeitschriften, Bücher,
Internetangebote etc. - zur Verfügung. Der Konsument kann grundsätzlich nicht
erwarten, dass er hierzu schon seitens der Hersteller der einzelnen Nahrungsmittel
umfassende Hinweise und Warnungen erhält. Es genügt im Regelfall, wenn ein Produkt
den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Anforderungen entspricht und seine
Zusammensetzung entsprechend § 6 Abs.1 der Lebensmittel-KennzeichnungsVO
(Aufzählung der Zutaten in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils) bezeichnet
und damit erkennbar ist. In die Sphäre des Verbrauchers fällt es sodann zu entscheiden,
wie er individuell seine Ernährung gestaltet.
69
Etwas anderes kann in Einzelfällen gelten, so etwa wenn es sich um Gefahren handelt,
die wegen ihres Wirkungsmechanismus nur schwer erkennbar sind. Eine derartige
Situation war in den sog. "Kindertee-Entscheidungen" (BGHZ 116, 60 ff.; BGH, NJW
1994, 932 ff.; NJW 1995, 1286 ff.) gegeben. Eine Gefahr ging hier weder von dem
Kindertee bzw. den verabreichten Fruchtsäften als solchen noch von den Trinkflaschen
oder den Saugern aus. Erst häufiges oder andauerndes Umspülen der Milchzähne mit
zuckerhaltigen Getränken konnte zu den aufgetretenen Zahnschäden führen, wobei die
Gefahr erheblich vergrößert wurde, wenn kieferorthopädisch geformte Sauger benutzt
wurden, durch welche der Strahl an die Rückseite der Frontzähne und damit an eine
Stelle gelangte, an der nur wenig Speichelfluss stattfindet. Diese für Laien nicht
erkennbare Wirkungsweise gerade des modernen Saugers im Zusammenhang mit
"Dauernuckeln" war der maßgebliche Gesichtspunkt zur Begründung einer Warn- und
Hinweispflicht der Hersteller der genannten Produkte (vgl. etwa BGHZ 116, 60, 67;
BGH, NJW 1994, 932, 933). Dementsprechend hat es der Bundesgerichtshof als
erforderlich erachtet, gerade die Art der drohenden Gefahr deutlich herauszustellen, den
Funktionszusammenhang - warum ist das Produkt gefährlich - klarzumachen (BGHZ
116, 60, 68; BGH, NJW 1994, 932, 933). Wenn die Hersteller zusätzlich durch die
Gefahren verharmlosende Werbung Bedenken der Verbraucher zerstreuten - etwa durch
den Hinweis, der Tee sorge für eine ungestörte Nachtruhe und schmecke zur
Abendmahlzeit oder als "Gute-Nacht-Trunk" -, soll dies die Anforderungen an den
Gefahrenhinweis noch verschärfen; Voraussetzung für eine Hinweispflicht sind derartige
verharmlosende Angaben aber nicht (so ausdrücklich BGH, NJW 1994, 932, 933).
70
Eine diesen "Kindertee-Fällen" vergleichbare Situation liegt hier nicht vor. Die von den
Riegeln der Beklagten nach dem Vortrag des Klägers ausgehenden Gefahren haben
ihre Ursache allein darin, dass ihr regelmäßiger Verzehr zu einer dem Stoffwechsel und
damit der Gesundheit insgesamt abträglichen Nahrungsmittelzusammensetzung führt.
Dies ist indessen bekanntermaßen die Folge einer jeden unausgewogenen,
zuckerbetonten Ernährungsweise. Es ist damit kein schwer durchschaubarer
Funktionszusammenhang erst in ihrer Kombination schädlicher Faktoren gegeben, der
es rechtfertigen würde, durch eine Fehlernährung etwa eintretende Schäden der
Risikosphäre des Herstellers zuzuordnen. Die Riegel der Beklagten sind schon
geschmacklich ohne weiteres als stark zuckerhaltig erkennbar. Die wahrnehmbare
71
Zusammensetzung der Riegel ist so geartet, dass Zucker, Kakao und Karamellmasse
dominieren und dem Verbraucher beim Verzehr nicht verborgen bleiben kann, dass er
eine Süßigkeit, ein Genussmittel zu sich nimmt. Auch aus den Angaben zu der
Zusammensetzung der Riegel, die auf der Verpackung aufgebracht sind, geht hervor,
dass die Riegel primär aus Zucker, Glukosesirup und verschiedenen Fetten, mithin aus
für Süßigkeiten typischen Bestandteilen bestehen. Eine wie von dem Kläger geforderte
ins einzelne gehende Aufschlüsselung der Zutaten brächte daneben für den
durchschnittlichen Verbraucher keinen Erkenntnisgewinn. Dass der häufige Konsum
derart zusammengesetzter Nahrungsmittel der Gesundheit nicht zugute kommt, ist
allgemein bekannt. Sowohl Übergewicht als auch Zahnschäden werden von
Durchschnittsverbrauchern allgemein u.a. mit dem regelmäßigen Verzehr zuckerhaltiger
Produkte in Zusammenhang gebracht. Auch ist ohne weiteres einsichtig, dass
derjenige, der seine Ernährung regelmäßig mit stark zuckerhaltigen Nahrungsmitteln
bestreitet, entweder seinen Nährstoffbedarf im übrigen nur unzureichend deckt oder sich
insgesamt zu viele Kalorien zuführt. Ob Übergewicht, wie der Kläger vorträgt,
vorwiegend nur als kosmetisches Problem wahrgenommen wird, ist in diesem
Zusammenhang unerheblich. Vor den Gefahren von einseitiger Ernährung und
Übergewicht für die Gesundheit wird immer wieder auch öffentlich gewarnt. Ein
Mindestmaß an eigenständiger Information über grundlegende Fragen der gesunden
Lebensführung ist von jedem Verbraucher zu erwarten.
Der Einwand des Klägers, ein Übermaßkonsum könne dem Verbraucher nur
entgegengehalten werden, wenn der Hersteller die Grenzen maßvollen Konsums
deutlich mache (in diese Richtung BGHZ 116, 60, 66 f.), dringt demgegenüber nicht
durch. Der Verbraucher kann den Gefahren stark zuckerhaltiger Nahrungsmittel nur
begegnen, indem er sich insgesamt eine zuckerreduzierte Ernährungsweise aneignet.
Allenfalls hierauf könnte die Beklagte auf ihren Riegeln sinnvoll hinweisen; isolierte
Mengenbegrenzungen für den maßvollen Genuss gerade ihrer Riegel kommen
dagegen vor dem Hintergrund dessen, dass die Riegel in aller Regel neben einer
Vielzahl weiterer Nahrungsmittel konsumiert werden, nicht in Betracht.
Gefahrbegründend ist nicht ein Übermaßverzehr, ein Fehlgebrauch speziell der
beanstandeten Riegel, sondern Fehlernährung als solche. Hierfür ist die Beklagte nach
dem zuvor Gesagten nicht verantwortlich und dementsprechend auch nicht
hinweispflichtig.
72
Ob der Konsum raffinierten Zuckers unmittelbar oder mittelbar gerade auch Diabetes
Typ II b verursachen kann, ist für die Frage einer Instruktionspflicht der Beklagten
unerheblich. Wie vorstehend dargelegt ist die Kernproblematik der von dem
regelmäßigen Verzehr stark zuckerhaltiger Nahrungsmittel ausgehenden Gefahren
allgemein bekannt. Daneben ist eine Aufklärung seitens der Beklagten über
medizinische Details weder geboten, noch könnten solche über einen Warnhinweis, der
im vorliegenden Fall auf die Nahrungsmittelzusammenstellung insgesamt abzielen
müsste, seriös vermittelt werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Zuviel an
Warnpflichten das Gefahrenpotential eher verstärkt, da die Aufmerksamkeit, die der
Verbraucher Warnhinweisen widmet, umso geringer wird, je häufiger solche auftreten
und je mehr sie infolge dessen nur noch als Formalie erscheinen (vgl. Steffen, NJW
1996, 3062). Die Eigenverantwortung für den Selbstschutz vor den allgemein bekannten
und den leicht erkennbaren Gefahren, die Selbstverantwortung für die eigene
Lebensführung kann so aus dem Blickfeld geraten.
73
Im Ergebnis vermag auch das weitere Vorbringen des Klägers, die Riegel enthielten
74
verdeckte Suchtstoffe, eine Instruktionspflicht der Beklagten nicht zu begründen. Der
Kläger trägt vor, Zucker - besonders im Zusammenspiel mit Kakao - wirke dergestalt auf
den Stoffwechsel ein, dass bei dem Konsumenten etwa zwei Stunden nach einer
Mahlzeit ein Bedürfnis entstehe, erneut Zucker bzw. kohlenhydratreiche Nahrung zu
sich zu nehmen. Die Sucht nach Zucker äußere sich in Durst und Hunger und damit in
kaum beherrschbaren Gefühlen. Wer konzentrierten Zucker konsumiere, werde
veranlasst, seinen Blutzuckerspiegel konstant hoch zu halten. Stress und sonstige
negative Stimmungslagen förderten das Verlangen nach Zucker noch; Zucker
beeinflusse nachhaltig die Psyche und mache abhängig. Die klägerische Beschreibung
des Wirkungsmechanismus von Zucker lässt sich indessen schon mit seinem eigenen
Konsumverhalten nicht in Einklang bringen, wie er es für die Zeit ab 1994 vorträgt. Der
Kläger will neben den üblichen Mahlzeiten an Arbeitstagen jeweils gegen 10.00 Uhr
und gegen 15.00 Uhr einen Riegel "M." oder "S." zu sich genommen haben. Er hat sich
mithin gerade nicht entsprechend dem vorgetragenen Kreislauf verhalten, sondern im
Verlauf des Tages im Abstand von etwa 5 Stunden die stark zuckerhaltigen Riegel
konsumiert, dazwischen jedoch "gewöhnliche" Mahlzeiten zu sich genommen und sich
damit dem von ihm beschriebenen "Befehl zum sofortigen Verzehr von raffinierten
Kohlenhydraten" widersetzt. Zudem war er sowohl am Wochenende als auch zu
Ferienzeiten offenkundig in der Lage, ohne die Riegel auszukommen, und dass es ihm
schwer gefallen wäre oder er gar unter (welchen?) Entzugserscheinungen gelitten hätte,
als er bei Auftreten der Diabetes-Erkrankung den Verzehr der Riegel insgesamt
einstellte, hat er nicht vorgetragen. Ein unwiderstehlicher, nicht beherrschbarer
Mechanismus, wie er bei Alkohol- oder Zigarettenabhängigkeit vorliegt, ist damit nicht
schlüssig dargetan. Jedenfalls aber hat sich eine etwaige Suchtgefahr bei dem Kläger
nicht verwirklicht, ist mithin - was entscheidend ist (vgl. BGH, NJW 1994, 932, 933 f.) - in
dem individuellen Fall nicht kausal geworden.
Handelt es sich schließlich um einen von dem einzelnen beherrschbaren Ablauf, lassen
sich Hinweis- oder Warnpflichten der Hersteller zuckerhaltiger Nahrungsmittel nicht
daran knüpfen, dass der Genuss von Zucker ein Bedürfnis nach weiteren zuckerhaltigen
Nahrungsmitteln auslösen und dieser Mechanismus im Zusammenhang mit negativen
Stimmungslagen verstärkt auftreten kann ("Essen aus Stress"). Es gehört zur
Verantwortung für die eigene Lebensführung, sich derartiger Mechanismen bewusst zu
werden und sich gegebenenfalls eine insgesamt gesundere Lebensweise anzueignen.
75
Auch die Produktdarbietung der Beklagten rechtfertigt es schließlich nicht, ihr eine
Warnpflicht über die (möglichen) Folgen des Verzehrs ihrer Riegel aufzuerlegen. Der
Kläger macht hierzu geltend, die Werbung der Beklagten sei verharmlosend und
irreführend, sie preise "M." und "S." als Nahrungsmittelersatz an und gaukele vor, der
Verbraucher tue sich mit dem Verzehr etwas Gutes. Die Beklagte stelle ihre Produkte
als "Fit- und Gesundmacher" dar. Selbst wenn einem Konsumenten grundsätzlich
bewusst sei, dass es sich bei Zucker im allgemeinen oder bei den fraglichen Riegeln im
besonderen um der Gesundheit abträgliche Nahrungsmitteln handele, bewirke die
Beklagte durch ihre die Gefahren verschleiernde Werbung, dass er sich hiervon nicht
leiten ließe.
76
Dieser Argumentation, die eine deutliche Überinterpretation der Werbeaussagen der
Beklagten enthält, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Anpreisungen der Beklagten
("M. macht mobil, bei Arbeit, Sport und Spiel"; "M. bringt verbrauchte Energie sofort
zurück"; "M. und das Leben geht weiter", "S.: Immer wenn der Hunger kommt") zielen
primär darauf ab, die - nicht unzutreffende - Tatsache aufzuzeigen, dass die fraglichen
77
Riegel geeignet sind, bei auftretendem Hunger oder
Energiebedarf kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Über die Tatsache hinaus, dass sie den
Verbraucher wie jede werbende Maßnahme zum Erwerb und Verzehr des Produkts
veranlassen sollen, haben die Slogans nicht die Tendenz, speziell das Bewusstsein
des Verbrauchers über die Gefahren stark zuckerhaltiger Lebensmittel zu beeinflussen
oder eine gesundheitsfördernde Wirkung der Riegel in den Vordergrund zu stellen.
Insoweit liegt der Fall anders als in dem Kindertee-Fall (BGHZ 116, 60, 66 f.), wo gerade
auf die Eignung des Tees zum - besonders schädlichen - Konsum am Abend vor dem
Schlafengehen hingewiesen wurde. Die Anpreisungen der Beklagten sind insgesamt so
allgemein gehalten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher daraus nicht ernsthaft
schließen kann, es handele sich um einen Nahrungsmittelersatz in dem Sinne, dass
vollwertige Mahlzeiten durch den Verzehr eines Riegels ersetzt werden können. Wer
"M." oder "S." zu sich nimmt, erkennt die Produkte unmittelbar als Süßigkeit. Hieran
vermag die beanstandete Werbung der Beklagten nichts zu ändern, dies auch dann
nicht, wenn im Zusammenhang mit "S." der Slogan "die gesunde Hand voller Erdnüsse"
gebraucht worden sein sollte. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass Erdnüsse als
solche gesundheitlich bedenklich wären, und ein Schluss von den "gesunden"
Erdnüssen auf die gesundheitsfördernde Wirkung des gesamten Produkts ist vor dem
Hintergrund des erkennbar hohen Zucker- und Schokoladenanteils fernliegend. Es
bleibt die allgemeine Gefahr, durch Werbeaussagen zum Konsum eines
möglicherweise wenig sinnvollen Produkts verleitet zu werden; diese ist der Sphäre er
eigenen Lebensführung zuzuordnen.
78
Daraus, dass die Riegel regelmäßig in Kantinen, Bahnhöfen, an Tankstellen etc.
angeboten werden, kann ein verständiger Verbraucher ebenfalls keine Schlüsse auf die
Unschädlichkeit der Produkte ziehen, dies schon deshalb nicht, weil an den genanten
Orten eine Vielzahl von Nahrungs- und Genussmitteln nebeneinander vertrieben
werden.
79
Das weitere Vorbringen des Klägers, die Beklagte verleite Verbraucher "durch eine
bespiellose Werbekampagne, durch Vertuschen von Gefahren und die öffentliche
Diskreditierung von Kritikern, durch Einflussnahme auf Wissenschaft und Politik etc." (so
beispielhaft Schriftsatz vom 15.1.2002, S. 8, Bl.904) zum regelmäßigen und
80
übermäßigen Konsum ihrer Riegel, ist wie bereits oben im Zusammenhang mit der
Frage einer Beweislastumkehr angesprochen, zu allgemein und pauschal gehalten, um
zur Begründung rechtlicher Schlussfolgerungen, etwa im Sinne einer Instruktionspflicht,
zu genügen. Dabei kann unterstellt werden, dass es dem Interesse der Beklagten
entspricht, die von stark zuckerhaltigen Nahrungsmitteln ausgehenden Gefahren
möglichst nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen und insgesamt eine
"zuckerfreundliche" Stimmung zu schaffen. Soweit der Kläger aber dahingehende
"Kampagnen" der Beklagten bzw. der Zuckermittelindustrie etc. beanstandet,
überschreiten die vorgetragenen, aus Sicht des Klägers manipulativen Maßnahmen der
Beklagten weithin nicht die Grenzen des Erlaubten. Insbesondere ist Werbung als
solche, auch mit großem Aufwand und Etat betriebene, auch dann rechtlich nicht zu
beanstanden, wenn es um vermeintlich "unsinnige" Produkte geht. Darüber hinaus
erhebt der Kläger lediglich in pauschaler Form ohne Bezugnahme auf konkrete der
Beklagten zurechenbare Verursachungsbeiträge allgemeine Manipulationsvorwürfe -
die Genussmittelindustrie nehme weltweit Einflussnahme auf die Wissenschaft und "die
Politik", betreibe in einem Netzwerk eine "gemeinsame Vertuschungs- und
81
Verharmlosungsstrategie" und verhindere die Verbreitung umsatzschädigender
Forschungsergebnisse - die einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sind. Hierauf hat
die Beklagte mehrfach hingewiesen, so dass sich weitere gerichtliche Hinweise
erübrigten.
5.
82
Ob der Kläger - was weitere Voraussetzung einer Haftung der Beklagten wegen einer
Instruktionspflichtverletzung wäre (BGH, NJW 1994, 932, 933 m.w.N.) - die Gefahren
nicht kannte, vor denen gegebenenfalls hätte gewarnt werden müssen, kann nach
alledem ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die behaupteten Gesundheitsschäden
durch eine ausreichende Warnung vor dem Risiko vermieden worden wären (vgl. hierzu
BGHZ 99, 167, 181; 106, 273, 284) und ob die Beklagte ein Verschulden trifft..
83
II.
84
Die geltend gemachten Ansprüche lassen sich auch aus anderen Anspruchsgrundlagen
nicht herleiten.
85
Ansprüche gem. § 1 Abs.1 Satz 1 ProdHaftG sind nicht gegeben. Da der Kläger auch im
Rahmen einer Haftung nach dieser Vorschrift sowohl hinsichtlich des Fehlers als auch
der Kausalität darlegungs- und beweisbelastet ist (§ 1 Abs.4 ProdHaftG), kann insoweit
auf die Ausführungen unter I. verwiesen werden. Ebenso wenig haftet die Beklagte aus
§ 823 Abs.2 BGB i.V.m. §§ 223, 229 StGB, da auch hiernach neben der Kausalität der
Beklagten für den Schaden des Klägers rechtswidriges Handeln des
Schadensverursachers erforderlich wäre.
86
Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB sind ebenfalls nicht gegeben.
Der Kläger hat schon nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte ihn, soweit die
Verursachung von Diabetes in Rede steht, mit ihren Produkten vorsätzlich geschädigt
hat. Vor dem Hintergrund des kontroversen Meinungsstandes in der Forschung zu den
Ursachen von Diabetes und der Wirkung von Zucker in diesem Zusammenhang kann
nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe billigend in Kauf genommen, dass
Konsumenten ihrer Produkte an Diabetes erkranken. Dass ihre Produkte zu
Zahnschäden beitragen können, mag die Beklagte dagegen bewusst in Kauf
genommen haben; insoweit liegen aber die übrigen Voraussetzungen einer Haftung
nicht vor. Weder Herstellung noch Vertrieb der fraglichen Riegel stellen sittenwidriges
Verhalten dar; insbesondere bewegte sich die Beklagte auch mit ihren
Werbemaßnahmen noch im Bereich des Erlaubten (s.o.). Die weiteren Vorwürfe des
Klägers, die Beklagte beteilige sich an die Gefahren ihrer Produkte verharmlosenden
Kampagnen, manipuliere und verhindere insbesondere wissenschaftliche Forschungen
und Veröffentlichungen hierzu, sind, wie oben bereits ausgeführt, nicht hinreichend
substantiiert, um ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten schlüssig zu begründen.
87
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht aus § 823 Abs.2
BGB i.V.m. § 18 Abs.1 Nr. 1 LMBG begründet. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei
§ 18 LMBG um ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs.2 BGB handelt und ob der Schaden
vorliegend auf einem Verstoß gegen die Vorschrift beruht. Denn die Werbung der
Beklagten ist im Hinblick auf § 18 Abs.1 Nr.1 LMBG nicht zu beanstanden. Danach ist
es verboten, in der Werbung für Lebensmittel Aussagen zu verwenden, die sich auf die
Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen. Es soll der Eindruck
88
verhindert werden, ein Lebensmittel als solches sei geeignet, im Rahmen von
Krankheiten positiv, wie ein Arzneimittelersatz zu wirken (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht,
§ 18 LMBG Rdn. 8 f.). Eine Aussage bezieht sich dann auf die Verhütung, Linderung
oder Heilung von Krankheiten, wenn sie eine bestimmte Krankheit oder ein
Krankheitsbild direkt oder indirekt durch Hinweise auf körperliche Zustände oder auf
Wirkungen des Lebensmittels anspricht, welche die Verbraucher mit bestimmten
Krankheiten in Verbindung bringen können (Zipfel, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 19). Dies ist
vorliegend nicht der Fall. Die Werbung der Beklagten ist allgemein gehalten und betont
lediglich die Wirkung der Riegel als Energiespender; sie hat keinerlei Bezug zu
irgendwelchen Krankheiten. Der allgemeine Hinweis "gesund" - dessen Verwendung
die Beklagte bestreitet - ist aus dem Gesichtspunkt des § 18 LMBG nicht zu
beanstanden (Zipfel, a.a.O., § 18 LMBG Rdn. 24).
III.
89
Eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht entsprechend dem klägerischen
Antrag kommt nicht in Betracht. Ob das landgerichtliche Verfahren die gerügten Mängel
aufweist, kann offen bleiben, da solche eine Zurückverweisung nur rechtfertigten, wenn
aufgrund des Mangels eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig
wäre (§ 538 Abs.2 Nr.1 ZPO). Dies ist nicht der Fall.
90
IV.
91
Die Rüge des Klägers, zweitinstanzlich habe keine genügende "Schlusserörterung"
stattgefunden, weil der Senat sich nicht zu sämtlichen entscheidungserheblichen
Fragestellungen - etwa des Eingreifens von Beweiserleichterungen - geäußert und
seine Rechtsauffassung im einzelnen dargelegt habe, ist nicht begründet und rechtfertigt
keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. In dem Rechtsstreit ist von beiden
Parteien in Bezug auf sämtliche erheblichen Gesichtspunkte ausführlich vorgetragen
und sind die maßgeblichen Aspekte wiederholt hervorgehoben worden. Vor diesem
Hintergrund war der Senat auch nach § 139 ZPO n.F. nicht gehalten, den Stand der
Beratung zu jeder einzelnen Detailfrage mitzuteilen und zu erörtern. Auf einen noch
nicht angesprochenen Gesichtspunkt, zu dem der Beklagte bei einem entsprechenden
Hinweis ergänzend hätte vortragen können, ist die Entscheidung nicht gestützt.
92
V.
93
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
94
Streitwert für den Berufungsrechtszug: 21.424,21 EUR
95
(Klageantrag zu 1): 5.624,21 EUR;
96
Klageantrag zu 2): 800,00 EUR;
97
Klageantrag zu 3): 15.000,00 EUR)
98
Die Zulassung der Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO n.F. veranlasst, da die Sache
weder von grundsätzlicher Bedeutung ist, noch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
99
Revisionsgerichts erfordern. Die Entscheidung beruht auf höchstrichterlich bereits
entwickelten Kriterien der Produkthaftung, denen der Senat sich anschließt; eine noch
klärungsbedürftige Frage grundsätzlicher Art stellt sich danach nicht.