Urteil des OLG Düsseldorf vom 12.11.2003

OLG Düsseldorf: firma, cmr, urkunde, künftige forderung, lex fori, grobe fahrlässigkeit, schlüssiges verhalten, guter glaube, grobes verschulden, taiwan

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 38/00
Datum:
12.11.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 38/00
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. Dezember 1999 verkün-
dete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düssel-
dorf abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.919,08 EUR nebst 5 %
Zinsen seit dem 24.09.1996 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebeninter-
vention veranlassten Kosten, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwen-
den, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin macht als Transportversicherungsassekuradeur der Streithelferin aus
abgetretenem Recht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen des Verlusts
eines Pakets, das Computerbauteile enthielt, geltend.
2
Die Streithelferin kaufte von der Firma A. I. T. Inc. in Taiwan (nachfolgend: AIT) 1.251
Computerbauteile. Diese wurden in 2 Pakete verpackt und zunächst per Luftfracht von
Taipeh nach Amsterdam und sodann von der Beklagten per LKW von Amsterdam nach
Düsseldorf transportiert.
3
Die AIT beauftragte hierzu die in Taiwan ansässige Firma A. I. F. Co. Ltd. mit der
Durchführung des Transports gemäß House Air Waybill vom 18.05.1996, Nr. AIF-
915620. In diesem Luftfrachtbrief ist die Streithelferin als Empfängerin und die AIT als
4
Absenderin aufgeführt. Die Firma A. I. F. Co. Ltd. beauftragte mit dem Lufttransport nach
Amsterdam die China Airlines. Entsprechend wurde von der China Airlines ein Master
Air Waybill ausgestellt (Bl. 43 d.A.), der die A. I. F. Co. Ltd. als Absenderin und die in
Ratingen ansässige Firma U. T. GmbH als Empfängerin ausweist. Hinsichtlich des
Transportweges ist als "First Carrier to AMS" die China Airlines und als weiterer
Beförderer die Beklagte für die Strecke von Amsterdam nach Düsseldorf angegeben.
Hierbei besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass der Transport von Amsterdam
nach Düsseldorf auch per LKW erfolgen durfte.
In Düsseldorf wurde festgestellt, dass eines der Pakete, das Computerbauteile im Wert
von 27.900,00 US-$ enthielt, verschwunden war.
5
Am 28.05.1996 zeigte die Firma U. T. "namens und im Auftrag" der Streithelferin den
Verlust des Pakets bei der Beklagten an. Gleichzeitig teilte sie der Beklagten mit, dass
sie "alle Rechte und Pflichten, die auf dieser Ware ruhen", an den Endempfänger abtritt
(Bl. 44 d.A.). Eine Durchschrift dieses Schreibens übersandte sie an die Streithelferin.
6
Die Klägerin zahlte an die Streithelferin einen Betrag von DM 42.870,00 zur Abgeltung
des Transportschadens. Die Streithelferin unterzeichnete sodann am 12.09.1996 eine
"Schaden-Quittung und Abtretungserklärung", in der sie auch alle Rechte aus dem
Verlust und/oder der Beschädigung der Güter, einschließlich Ansprüche gegen Dritte an
die Klägerin abtrat.
7
Infolge der Abtretung machte die Klägerin mit Schreiben vom 20.09.1996, bei der
Beklagten am 24.09.1996 eingegangen, gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche
geltend, die diese mit Schreiben vom 14.10.1996 zurückwies, wobei sie eine Zahlung
von 374,00 US-$ anbot.
8
Neben der Schadensregulierung in Deutschland erfolgte ebenfalls eine Regulierung in
Taiwan.
9
So hatte die Streithelferin bereits mit Schreiben vom 28.05.1996 (Bl. 254, 255 d.A.)
"sämtliche Rechte, Titel und Interessen bezüglich der Waren an die AIT" abgetreten und
ihr die Erlaubnis erteilt, gegen F. I. Co. Ltd. Klage zu erheben. Die AIT machte
Ansprüche gegen die F. I. Co. Ltd. geltend, wobei sie von dieser ausweislich eines
undatierten "Loss subrogation receipt", von dem die Beklagte angibt, dieser sei am
18.06.1996 ausgestellt worden und echt, einen Betrag von NTD 840.292,00 erhielt und
im Gegenzug sämtliche Ansprüche aufgrund des Schadensfalles an die F. I. Co. Ltd.
abtrat. Die Erklärung gab die AIT ausweislich des Inhalts des Schreibens namens der
Streithelferin ab. Ob die ausgezahlte Summe an die Streithelferin weiter geleitet worden
ist, ist zwischen den Parteien streitig. Am 18.06.1996 gab die AIT gegenüber der F. I.
Co. Ltd. eine Garantieerklärung dahingehend ab, sie werde den ausgezahlten
Schadensersatzbetrag zurück erstatten, sollten die verloren gegangenen Waren wieder
aufgefunden werden.
10
Am 25.03.1997 nahm die F. I. Company über ihre Rechtsanwälte in Taiwan die
Beklagte an deren Niederlassung in Taiwan aus abgetretenem Recht auf
Schadensersatz wegen des Verlusts des Paketes in Anspruch. Mit Schreiben vom
14.04.1998, d.h. nach Klageerhebung im vorliegenden Fall, kündigte die Beklagte die
Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von TWD 18.700,00 an. Dieser Betrag wurde
an die F. I. Company ausgezahlt, die mit der Beklagten im April 1998 eine
11
entsprechende Abfindungsvereinbarung abschloss (Bl. 313 d.A.).
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden aufgrund der am 12.09.1996 erfolgten
Abtretung trotz der in Taiwan erfolgten Regulierung Schadensersatzansprüche in Höhe
des von der Streithelferin geleisteten Kaufpreises für die Computerbauteile in Höhe von
27.900,00 US-$ (entsprechend im Zeitpunkt des Schadenseintritts DM 42.870,00, jetzt
21.919,08 EUR) zu. Diesen Betrag macht sie mit der Klage geltend.
12
Die Klägerin hat vorgetragen:
13
Die Beklagte hafte als nachfolgender Luftfrachtführer von A. I. F. und/oder China Airlines
selbständig und auch summenmäßig unbegrenzt, da sie keine näheren Angaben über
den Verlust des Transportgutes machen könne, weshalb ihr grobe Fahrlässigkeit
vorzuwerfen sei.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.870,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem
24.09.1996 zu zahlen.
16
Die Beklagte hat beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Die Beklagte hat vorgetragen:
19
Sie sei nicht passiv legitimiert, da sie Unterfrachtführerin gewesen sei. Auch sei die
Klägerin nicht aktiv legitimiert, da D. die streitgegenständlichen Ansprüche bereits am
28.05.1996 an die AIT abgetreten habe, die wiederum die Ansprüche nach Regulierung
an ihren Versicherer abgetreten habe. Von dieser Abtretung seien auch die
Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte erfasst gewesen. Im übrigen hafte die
Beklagte allenfalls beschränkt, weil sie alle erforderlichen Sicherheitsregeln eingehalten
habe.
20
Das Landgericht Düsseldorf hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage
mit Urteil vom 23.12.1999 abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt,
die Klägerin sei unabhängig davon, ob Ansprüche gegen die Beklagte überhaupt
gegeben sind, jedenfalls zu keinem Zeitpunkt Inhaberin dieser Ansprüche geworden.
Die Abtretung vom 12.09.1996 sei fehlgeschlagen, da D. zu diesem Zeitpunkt nicht
mehr Inhaberin der Forderung gewesen sei. Vielmehr habe sie ihre Ansprüche schon
am 28.05.1996 an die AIT in Taipeh abgetreten. Diese Abtretung sei wirksam gewesen.
Auch habe sie die hier gegenständlichen Forderungen umfasst. Ausweislich des Inhalts
des Abtretungsschreibens sei nicht ersichtlich, dass bestimmte Forderungen
ausgenommen sein sollten. Selbst wenn der D. die Abtretung seitens Universal
Transport am 28.05.1996 noch nicht bekannt gewesen sein sollte, habe die Abtretung
auch diese - künftige - Forderung umfasst. Die Forderung sei auch durch die
Bezeichnung der verkauften Waren ausreichend bestimmt gewesen.
21
Gegen dieses Urteil hat die Streithelferin, die gleichzeitig dem Rechtsstreit auf Seiten
der Klägerin beigetreten ist, Berufung eingelegt. Dieser hat sich die Klägerin
angeschlossen.
22
Die Klägerin und die Streithelferin tragen vor, die Klägerin sei durch Abtretung wirksam
Inhaberin der Schadensersatzforderung geworden. So sei die am 28.05.1996 an die AIT
erfolgte Abtretung wieder rückgängig gemacht worden. Die Streithelferin habe mit Fax
vom 14.06.1996 die Rückabtretung der Forderung verlangt, was mit Schreiben vom
17.06.1996 durch die AIT erfolgt sei. Die vorgelegten Schreiben seien auch echt und
authentisch. Grund für die Rückabtretung sei gewesen, dass die Streithelferin
festgestellt habe, dass sie in Deutschland ihre Versicherung in Anspruch nehmen
könne. Von den Vorgängen in Taiwan habe sie keine Kenntnis gehabt. Die Streithelferin
sei daher am 12.09.1996 Inhaberin der Forderung gewesen und somit berechtigt, diese
an die Klägerin abzutreten. Die Abtretung sei nach dem maßgeblichen
niederländischen Recht auch wirksam.
23
Die Klägerin und die Streithelferin tragen des weiteren vor, die Klägerin hafte für den
eingetretenen Schaden nach Maßgabe des CMR unbeschränkt. Eine
Haftungsbegrenzung komme nicht in Betracht, da die Beklagte nicht ausreichend
dargetan habe, dass ihre Sicherheitsmaßnahmen ausreichend seien. So habe auch bei
der von der Beklagten am Düsseldorfer Flughafen eingesetzten Firma C. eine
Diebesbande, die sich aus deren Mitarbeitern zusammengesetzt habe, operiert,
weswegen seit dem Jahr 1999 ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft
Düsseldorf anhängig ist, anlässlich dessen auch Telefonüberwachungsmaßnahmen
duchgeführt worden sind. Zur Beurteilung der Frage des Umfangs der Darlegungs- und
Beweislast sei auch das deutsche Prozessrecht, das eine erweiterte Darlegungslast des
Frachtführers statuiert, maßgeblich.
24
Mit Schriftsatz vom 05.01.2001 hat die Streithelferin die von ihr eingelegte Berufung
zurück genommen. Dem hat die Klägerin widersprochen.
25
Die Klägerin und die Streithelferin beantragen,
26
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 21.919,08 EUR (vormals: 42.870,00 DM) nebst 5 % Zinsen seit dem
24.09.1996 zu zahlen.
27
Die Beklagte beantragt,
28
29
die Berufung zurückzuweisen.
30
Die Beklagte trägt vor, die an die Klägerin erfolgte Abtretung vom 12.09.1996 sei unter
Berücksichtigung des maßgeblichen niederländischen Rechts unwirksam. Die
Abtretung der Universal Transport an die Streithelferin vom 28.05.1996 sei weder in
einer den niederländischen Bestimmungen entsprechenden Urkunde niedergelegt
worden, noch sei ihr - Beklagten - bekannt gegeben worden, ob eine ordnungsgemäße
Urkunde errichtet worden sei und ob die Streithelferin die Abtretung angenommen habe.
Dadurch sei auch die zeitlich darauf folgende Abtretung der Forderung am 28.05.1996
durch die Streithelferin an AIT mangels Berechtigung der Streithelferin unwirksam
gewesen. Aber auch wenn diese Abtretung wirksam gewesen sein sollte, behauptet die
Beklagte, die erstmals in der Berufungsinstanz und somit verspätet vorgelegten
Schreiben vom 14.06.1996 und 17.06.1996 seien gefälscht bzw. zurückdatiert worden.
31
Das nach den Angaben der Streithelferin per Fax übersandte Schreiben vom
14.06.1996 weise keine Faxkennung auf und es sei auch kein Sendeprotokoll zu den
Akten gereicht worden. Die Zurückabtretung am 14. bzw. 17.06.1996 sei auch in der
übrigen vorgelegten Korrespondenz aus dem Zeitraum nicht erwähnt und sie mache
unter Berücksichtigung der sonstigen Korrespondenz keinen Sinn, da die AIT ihrerseits
Ansprüche am 18.06.1996 weiter an die F. I. Co. Ltd. abgetreten hat. Angesichts dieses
Umstandes könne die Zurückabtretung nur dazu gedient haben, eine betrügerische
doppelte Inanspruchnahme von Versicherungsgesellschaften zu erreichen, mithin sei
die Zurückabtretung sittenwidrig.
Die Beklagte macht ferner geltend, sie sei durch die Inanspruchnahme in Taiwan durch
die F. I. Co. Ltd. sowie durch die Abfindungserklärung der F. I. Co. Ltd. vom April 1998
von der Leistungspflicht befreit worden. Sie habe aufgrund einer ihr vorgelegten
Abtretungsurkunde, dem "loss subrogation receipt", auf dessen Bestand sie vertraut
habe, gezahlt, was nach niederländischem Recht die Schuldbefreiung zur Folge habe.
Sie habe aus vernünftigem Grund annehmen können, dass die F. I. Co. Ltd.
Anspruchsinhaberin gewesen sei. Sie habe darauf vertrauen können, dass aufgrund
des ihr übermittelten Schreibens der Streithelferin vom 23.05.1996 eine
Schadensregulierung durch die F. I. Co. Ltd. erfolgt sei und dass infolge dessen die
Schadensersatzansprüche auf die F. I. Co. Ltd. sei es durch Abtretung oder im Wege
des Forderungsübergangs nach taiwanesischem Recht übergegangen seien. Von der
nunmehr vorgetragenen Rückabtretung habe sie demgegenüber keine Kenntnis gehabt.
Sie habe vielmehr an die nach ihrer Auffassung berechtigte gezahlt. Die Beklagte
behauptet des weiteren, die Streithelferin habe die an die AIT ausgezahlte
Entschädigungssumme von dieser erhalten, so dass sie nicht mehr geschädigt sei.
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Die Beklagte trägt darüber hinaus vor, die Frage des Umfangs der Darlegungslast zur
groben Fahrlässigkeit richte sich nach niederländischem Recht. Dieses kenne eine dem
deutschen Recht entsprechende erweiterte Darlegungslast des Frachtführers nicht. Im
übrigen habe sie aber auch nach deutschem Prozessrecht ihrer Darlegungslast genügt.
Sie behauptet, die Ladung sei am 21.05.1996 am Aufbewahrungsort 77 CO in
Amsterdam Schiphol eingelagert worden. Hierbei handele es sich um ein Lager der
Beklagten, das 24 Stunden am Tag von Sicherheitspersonal überwacht werde. Die
Ladung sei sodann kurz vor der Beladung auf LKW's zu der Stelle gebracht worden, wo
die Paletten für die LKW's zusammen gestellt werden. Sie sei mit einem codierten
Anhänger versehen worden, der in zweifacher Ausfertigung vorhanden sei. Nach der
Platzierung auf der Palette PMC 4167 KL sei ein Anhänger abgenommen und in einen
Palettenumschlag getan worden. Dieser werde 1 Jahr lang bei der Beklagten
aufbewahrt und sei daher nunmehr nicht mehr existent. Nach der Beladung des LKW's
werde die Ladung mit einem Netz versehen und mit Plastik bedeckt. Der LKW werde
sodann durch die niederländische Zollbehörde versiegelt. Da Änderungen aus den
Registrierungsunterlagen nicht ersichtlich seien, sei davon auszugehen, dass die
Ladung auf dem LKW vollständig gewesen sei. Der LKW sei sodann ohne
Zwischenstopp nach Düsseldorf gefahren, wo er ca. 30 Minuten später als vorgesehen
angekommen sei. In Düsseldorf sei der Zollsiegel vom deutschen Zoll entfernt worden.
Beim Ausladen sei dann festgestellt worden, dass 1 Karton fehle. Hierbei könne nicht
berücksichtigt werden, dass gegen Mitarbeiter der C. wegen Bandendiebstahls ermittelt
werde. Dies sei erst im Jahr 1999 geschehen und lasse keine Rückschlüsse auf das
Jahr 1996 zu.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
34
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das erstinstanzliche Urteil
verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
sowie durch mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. M.. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. M. vom 26.02.2003 sowie auf das Protokoll vom 08.10.2003
verwiesen.
35
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
37
A.
38
Das Berufungsverfahren ist nicht durch die von der Streithelferin erklärte Rücknahme
der Berufung beendet worden, da die Streithelferin die Rücknahme nicht entgegen dem
Willen der Klägerin, die sie unterstützt, erklären konnte, § 67 ZPO. Zwar kann der
Streithelfer selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen. Er hat aber
keine prozessuale Dispositionsbefugnis, d.h. er darf sich nicht in Widerspruch zu
Erklärungen der unterstützten Partei im Prozess stellen, insbesondere keine
Prozesshandlungen vornehmen, denen ein gegenteiliger Wille der Hauptpartei
entgegen steht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 67 RdN 9; BGH NJW-RR
1999, 285, 286). Dies war aber, da die Klägerin der Berufungsrücknahme ausdrücklich
widersprochen hat, der Fall. An diesen Widerspruch der Klägerin war die Streithelferin
gebunden, so dass der Prozess fortzusetzen war.
39
B.
40
Die Berufung ist auch begründet.
41
Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte ein Anspruch auf
Zahlung von 21.919,08 EUR (vormals DM 42.870,00) aus Art. 34, 13 Abs. 1 Satz 2, 17
CMR zu.
42
I.
43
Der ursprünglichen Zedentin, der Firma U. T., stand gegen die Beklagte ein
Schadensersatzanspruch aus den vorgenannten Vorschriften zu.
44
Der streitgegenständliche Transport unterliegt den Regelungen der CMR. Zwar war
Grundlage des Transports der 2 Kartons aus Taipeh der von der China Airlines
ausgestellte Master Air Waybill Nr. 297 6550 2194. Aus diesem ist jedoch als weiterer
Frachtführer die Beklagte für den Transportabschnitt von Amsterdam nach Düsseldorf
vorgesehen. Dieser Transport durfte - was zwischen den Parteien unstreitig ist - auch
auf dem Landwege per LKW durchgeführt werden. Auf diesem Abschnitt ist auch
unstreitig der Verlust des Pakets eingetreten. Nach den Grundsätzen des multimodalen
Transports ist daher das Recht, das für die Teilstrecke gilt, anzuwenden (vgl. MüKo-
Transportrecht/Basedow, Art. 1 CMR RdN 19), mithin da es sich um einen
grenzüberschreitenden Transport handelte, das CMR. Hiervon gehen auch die Parteien
übereinstimmend aus. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR stand somit der Firma U. T. als
45
ausgewiesene Empfängerin der Ladung ein eigenes Forderungsrecht gegen die
Beklagte, die im durchgehenden Luftfrachtbrief als weiterer Frachtführer im Sinne von
Art. 34 CMR ausgewiesen ist und die Pakete in ihre Obhut übernommen hat, zu.
Dass eine Obhutshaftung der Beklagten aus Art. 17 CMR für den Verlust des Pakets
grundsätzlich gegeben ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat auch
keine Umstände vorgetragen, die deren Haftung gemäß Art. 17 Abs. 2 bzw. Abs. 4 CMR
ausschließen würden.
46
II.
47
Der vorgenannte Anspruch ist wirksam an die Klägerin abgetreten worden.
48
1. Für die Beurteilung der Frage der Wirksamkeit der Abtretung ist das niederländische
Recht maßgebend.
49
Da das CMR keine Regelung im Hinblick auf die Abtretung einer aus einem
Transportvertrag resultierenden Schadensersatzforderung vorsieht, kommt insoweit das
nationale Recht, das nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts zu
ermitteln ist, zur Anwendung (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., 2000, RdN 5 vor Art. 1
CMR m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall gemäß Art. 28 Abs. 1, 4; 33 Abs. 2 EGBGB
das niederländische Recht.
50
Der dem Transport zu Grunde liegende Beförderungsvertrag weist die stärksten
Verbindungen zu den Niederlanden auf, Art. 28 Abs. 1, 4 EGBGB, da die zu
befördernden Pakete in den Niederlanden von der Beklagten, einer Gesellschaft
niederländischen Rechts, deren Hauptniederlassung sich in den Niederlanden befindet,
übernommen wurden. Entsprechend richtet sich auch die Frage der Wirksamkeit der
Abtretung und deren Rechtswirkungen gegenüber dem Schuldner nach
niederländischem Recht, Art. 33 Abs. 2 EGBGB.
51
2. Die Abtretung der Forderung durch die Firma U. T. an die Streithelferin am
28.05.1996 und die weitere Abtretung der Forderung durch die Streithelferin an die
Klägerin am 12.09.1996 sind auch unter Anwendung des niederländischen Rechts
wirksam.
52
a. Der Senat folgt hinsichtlich des Inhalts des niederländischen Rechts den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. im Gutachten vom
26.02.2003, die dieser zudem im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert hat. Der
Sachverständige hat die hier relevanten Vorschriften des niederländischen Rechts
nachvollziehbar und überzeugend anhand der niederländischen Gesetzesvorschriften
und Gesetzesmaterialien dargestellt. Er hat zudem - wie er berichtet hat - Juristen aus
der Wissenschaft und Praxis in den Niederlanden zu den hier relevanten
Fragestellungen befragt, um einen Eindruck von der Rechtspraxis in den Niederlanden
zu erhalten. Hierbei musste er jedoch feststellen, dass die hier relevanten Fragen in der
niederländischen Rechtspraxis und in der Rechtslehre nicht problematisiert werden.
Rechtsprechung zu den hier aufgeworfenen Fragen ist, da die hier relevanten
Vorschriften erst seit dem Jahr 1992 gelten, noch nicht vorhanden, so dass der
Sachverständige letztlich zur Interpretation der Vorschriften lediglich auf den
Gesetzestext und die Materialien zur Gesetzgebung zurückgreifen konnte.
53
Demnach gilt folgendes:
54
Forderungen werden in den Niederlanden nach den güterrechtlichen Vorschriften
übertragen. Voraussetzung für eine wirksame Übertragung ist gemäß art. 3:84 lid 1
NWB (Nieuw Burgerlijk Wetboek) die Leistung des Gutes, ein gültiger Rechtsgrund für
die Übertragung sowie die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Hierbei zerfällt die
Leistung des Gutes in zwei Komponenten, die dingliche Übertragung und eine
Leistungshandlung. Die Leistungshandlung ist regelmäßig ein äußerlich
wahrnehmbarer Vorgang, der die Publizität des Übergangs sichern soll.
55
b. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen war die am 28.05.1996 erfolgte
Abtretung an die Streithelferin durch die Firma U. T. wirksam.
56
aa) Die Abtretung ist mit Rechtsgrund erfolgt. Ob und welcher Rechtsgrund bestanden
hat, richtet sich, da diese Frage selbständig nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB anzuknüpfen
ist, nach deutschem Recht, da beide Unternehmen ihren Sitz in Deutschland haben und
somit die engste Verbindung zum deutschen Recht besteht. Unabhängig davon, ob eine
vertragliche Verpflichtung der U. T. gegenüber der Streithelferin bestand, etwaige
Schadensersatzansprüche abzutreten, ergab sich diese jedenfalls nach den
Grundsätzen der Drittschadensliquidation.
57
bb) Die Firma U. T. war auch als Empfängerin der Ware gemäß Art. 13 Abs. 1 CMR
Inhaberin der Schadensersatzforderung und somit verfügungsbefugt.
58
cc) Die Forderung ist auch mittels einer Leistung von der Firma U. T. an die Streithelferin
übertragen worden.
59
Die Leistung stellt den dinglichen Übertragungsvertrag dar und besteht aus einer
Vereinbarung, die auf die Übertragung des Rechts aus dem Vermögen des Veräußerers
in das Vermögen des Erwerbers gerichtet ist, sowie aus einer Leistungshandlung, d.h.
dem Übertragungsakt.
60
Die Firma U. T. hat ihre Willenserklärung, die auf eine Abtretung ihrer Forderungen an
die Streithelferin gerichtet war, an die Streithelferin übermittelt. Diese hat die ihr günstige
Abtretung zumindest konkludent angenommen.
61
Die Firma U. T. hat auch eine Leistungshandlung vorgenommen, um die Forderung zu
übertragen.
62
Das niederländische Recht sieht unterschiedliche Leistungshandlungen vor, je
nachdem ob es sich bei der zu übertragenden Forderung um eine Inhaber-, Order- und
Namensforderung handelt. Für die vorliegend gegebene Namensforderung, bei der
63
es sich um eine Sammelkategorie für gewöhnliche Forderungen handelt, sieht art. 3:94
lid 1 NWB vor, dass die Übertragung der Forderung durch privatschriftliche Urkunde und
Mitteilung an den Schuldner erfolgt.
64
Diese Voraussetzungen erfüllt die Abtretung vom 28.05.1996. Es liegt eine Urkunde
über die Abtretung vor, die die Schadensersatzforderung ausreichend individualisiert.
Es ist aus dem Schreiben der Firma U. T. vom 28.05.1996 erkennbar, dass "alle Rechte
und Pflichten, die auf der Ware ruhen" übertragen werden sollen. Zu diesen gehört
65
unzweifelhaft auch eine aus dem Verlust der Waren resultierende
Schadensersatzforderung. Zwar enthält das Schreiben lediglich die auf die
Forderungsübertragung gerichtete Erklärung der Firma U. T., nicht aber die
Annahmeerklärung durch die Streithelferin. Dies ist jedoch sowohl nach dem Wortlaut
des Gesetzes als auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den
Niederlanden, der sich die Literatur angeschlossen hat, ausreichend.
Die Abtretung ist auch der Schuldnerin im Sinne von art. 3:37 lid 1 NBW mitgeteilt
worden. Die Mitteilung kann nach dieser Vorschrift in jeder beliebigen Weise, auch
durch schlüssiges Verhalten, geschehen. Streitig ist jedoch in der niederländischen
Literatur - Rechtsprechung hierzu gibt es nach den Angaben des Sachverständigen
Prof. Dr. M. noch nicht, da die Regelung erst seit dem Jahr 1992 existiert - welche
Anforderungen an den Inhalt der Anzeige art. 3:94 lid 1 NBW aufstellt. Hierzu werden 3
Auffassungen vertreten:
66
Nach der ersten Ansicht muss die Mitteilung nur aus der Information bestehen, dass die
Forderung gegen den betreffenden Schuldner abgetreten wird und wie dies geschieht.
Begründet wird diese Auffassung damit, dass nach den Gesetzgebungsmaterialien die
Mitteilung sogar vor Errichtung der Urkunde wirksam vorgenommen werden kann, so
dass es auf die Übermittlung der Urkunde nicht ankommen kann. Eine zweite
Auffassung fordert dagegen, dass die Tatsache der Errichtung einer Urkunde mitzuteilen
ist. Legt man diese Auffassungen zu Grunde, wäre eine wirksame Anzeige der
Abtretung durch die Übermittlung des Schreibens vom 28.05.1996 von der Firma U. T.
an die Beklagte erfolgt.
67
Nach einer dritten vertretenen Auffassung muss neben dem Inhalt der Urkunde auch die
Annahme durch den Erwerber angezeigt werden. Dies ist mit der Übermittlung der
Urkunde, in der eine Annahmeerklärung der Streithelferin nicht enthalten war, nicht
geschehen. Allerdings ist es - wie der Sachverständige Prof. Dr. M. in seinem Gutachten
ausführt - nicht erforderlich, dass die Übermittlung der Annahme der Abtretung
gleichzeitig mit der Übermittlung der Urkunde erfolgt. Vielmehr kann die Mitteilung der
Annahme nachfolgen. Dies ist vorliegend dadurch geschehen, dass die Klägerin die
Beklagte im September 1996 unter Beifügung aller maßgeblichen Schadensunterlagen
in Anspruch genommen hat.
68
Ohnehin ist aber der ersten Auffassung, die die Mitteilung, dass eine Forderung gegen
den Schuldner abgetreten wird und wie dies geschieht, ausreichen lässt, zu folgen. Eine
Auseinandersetzung hinsichtlich dieser Frage in der niederländischen juristischen
Literatur oder eine Klärung dieser Rechtsfrage in der Rechtsprechung ist bislang nicht
erfolgt. Vielmehr werden die in der Literatur vertretenen Auffassungen, wie der
Sachverständige ausgeführt hat, ohne das Thema zu problematisieren und ohne sich
mit den anderen Auffassungen auseinander zu setzen, dargestellt. Für diese Auffassung
spricht, dass nach den Gesetzgebungsmaterialien die Mitteilung sogar vor Errichtung
der Urkunde vorgenommen werden kann, so dass es weder auf die Übermittlung der
Urkunde noch auf die Übermittlung der Annahmeerklärung ankommen kann. Dafür,
dass die Übermittlung der Annahmeerklärung nicht erforderlich ist spricht auch, dass
das Gesetz von der Mitteilung der Urkunde spricht und diese gerade nicht notwendiger
weise die Annahmeerklärung des Erwerbers enthalten muss. Zudem sieht das Gesetz
mit art. 6:34 NBW eine Vorschrift vor, die den Schuldner schützen würde, der nach der
Mitteilung, dass eine Abtretung im Gange ist, an den vermeintlich neuen Gläubiger zahlt;
der Schutz greift ein, wenn sich später herausstellt, dass die Übertragung mangels
69
Annahme des Erwerbers nicht wirksam ist. Auch diese Vorschrift spricht dafür, dass
lediglich die Abtretung in beliebiger Weise anzuzeigen ist. Denn würde es auf die
Mitteilung der Annahmeerklärung des Zessionars ankommen, wäre diese Vorschrift
überflüssig, da ein Gutglaubensschutz ohne Mitteilung der Annahmeerklärung ohnehin
mangels einer wirksamen Mitteilung über die Abtretung nicht Platz greifen könnte.
c. Auch die Weiterübertragung der Forderung durch die Streitverkündete an die Klägerin
am 12.09.1996 war nach niederländischem Recht wirksam.
70
aa.) Die Streitverkündete hat die Forderung, da sie eine Leistung aufgrund des
Versicherungsvertrags erhalten hat, an die Klägerin abgetreten, mithin mit Rechtsgrund.
Die Abtretung ist in der schriftlichen Erklärung vom 12.09.1996 schriftlich niedergelegt,
wobei die Klägerin die Abtretung spätestens mit der Geltendmachung der Forderung mit
Schreiben vom 20.09.1996 konkludent angenommen hat. Mit diesem Schreiben hat die
Klägerin die Abtretung der Beklagten auch nach der hier vertretenen Auffassung in
wirksamer Weise mitgeteilt.
71
bb) Die Streithelferin war auch zur Abtretung der Forderung an die Klägerin berechtigt.
72
Ihr war die Forderung von der Firma U. T. abgetreten worden, so dass sie über diese
verfügen konnte (s.o.). Diese Verfügungsbefugnis hat die Streithelferin unabhängig von
der Frage, ob eine Rückabtretung der Forderung am 14.06.1996 erfolgt ist, nicht durch
die Abtretung vom 28.05.1996 an die AIT verloren. Denn die Abtretung war mangels
einer Mitteilung an die Schuldnerin nicht wirksam geworden. Die Abtretung der
Forderung durch die Streithelferin an AIT wurde der Beklagten erst am 25.03.1997
angezeigt, d.h. später als die am 12.09.1996 erfolgte Abtretung an die Klägerin. Wird
aber eine Forderung mehrfach abgetreten wird diejenige Abtretung wirksam, die zuerst
mitgeteilt wird, d.h. im vorliegenden Fall die Forderungsabtretung an die Klägerin.
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3. Die Beklagte ist auch nicht aufgrund der im April 1998 erfolgten Leistung an die F. I.
Co. und der darauf abgeschlossenen Abfindungsvereinbarung von der Leistungspflicht
befreit worden.
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Zwar sieht auch das hier gemäß Art. 33 Abs. 2 und 3 EGBGB maßgebliche
niederländische Recht einen Schuldnerschutz vor. Gemäß art. 6:34 lid 1 NBW kann der
Schuldner, der an jemanden geleistet hat, der nicht berechtigt war, die Leistung
entgegen zu nehmen, demjenigen, an den geleistet werden musste, entgegen halten,
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dass er befreiend geleistet hat, wenn er aus vernünftigem Grund angenommen hat, dass
der Empfänger der Leistung als Gläubiger Anspruch auf die Leistung hatte oder dass
aus einem anderen Grund an ihn geleistet werden musste.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Aufgrund der bereits mit
Schreiben vom 20.09.1996, das bei der Beklagten am 24.09.1996 eingegangen ist,
erfolgten Mitteilung der Abtretung an die Klägerin war die Beklagte nicht mehr
gutgläubig, so dass sie nicht mit vernünftigem Grund annehmen konnte, dass die AIT als
Gläubigerin Anspruch auf die Leistung hatte oder aus einem anderen Grund an sie
geleistet werden musste.
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Gemäß art. 3:11 NBW mangelt es am guten Glauben einer Person, der für eine
Rechtsfolge erforderlich ist, nicht nur dann, wenn sie die Tatsachen oder das Recht, auf
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die bzw. das sich ihr guter Glaube beziehen muss, kannte, sondern auch, wenn sie sie
bzw. es unter den gegebenen Umständen kennen musste. Die Unmöglichkeit der
Nachforschung steht nicht dem Umstand entgegen, dass derjenige, der guten Grund
hatte, zu zweifeln, als jemand angesehen wird, der die Tatsachen oder das Recht
kennen musste.
Demnach hätte die Beklagte nach Erhalt des Schreibens von der Klägerin am
24.09.1996 Zweifel an der Berechtigung der AIT haben müssen. Die Beklagte war
bereits im September und Oktober 1996 mit der Inanspruchnahme aus dem Transport
befasst gewesen, wobei sie eine Haftung abgelehnt hatte. Die erneute
Inanspruchnahme durch einen anderen Zessionar hätte bei ihr Zweifel an dessen
Berechtigung hervorrufen müssen bzw. sie zu Nachforschungen veranlassen müssen.
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Zwar beruft sich die Beklagte darauf, dass sie bereits mit Schreiben vom 23.05.1996
durch die Streithelferin darüber informiert worden sei, dass die Schadensabwicklung
über die F. I. Co. Ltd. erfolgen würde, weswegen sie darauf vertraut habe, dass die
Inanspruchnahme durch die F. I. Co. Ltd. nach deren Erhalt und Vorlage der "loss
subrogation receipt" zu Recht erfolgt sei. Diese Inanspruchnahme ist jedoch erst
25.03.1997, d.h. zeitlich später als die Inanspruchnahme durch die Klägerin erfolgt.
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Die Zahlung durch die Beklagte an die F. I. Co. ist sogar nach Klageerhebung im
vorliegenden Verfahren erfolgt. Zwar beruhte die Inanspruchnahme der Beklagten auf
einer zeitlich vorrangigen Abtretungserklärung vom 28.05.1996. Diese Abtretung war
der Beklagten aber nach deren eigenem Vorbringen erst nach Kenntniserlangung von
der Abtretung an die Klägerin, am 25.03.1997, bekannt gegeben worden. Dies musste
bei der Beklagten Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretung hervorrufen und ihren guten
Glauben an die Berechtigung der F. I. Co. Ltd. erschüttern, zumal das Schreiben der
Streithelferin vom 23.05.1996 (Bl. 407 d.A.) lediglich eine Ankündigung der Streithelferin
enthält, den Schaden über die F. I. Co. Ltd. abwickeln zu wollen. Die Beklagte wäre
auch, da sie aus vernünftigen Gründen Zweifel hatte, an wen sie leisten musste, gemäß
art. 6:37 NBW berechtigt gewesen, die Erfüllung der Verbindlichkeit zu verweigern.
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Nach alledem ist die Klägerin zur Geltendmachung der Forderung aktivlegitimiert.
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III.
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Die Beklagte haftet für den Verlust des Pakets unbeschränkt gemäß Art. 29 CMR.
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Die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um
den Verlust von Paketen zu verhindern, so dass die unstreitigen und die von der
Klägerin dargelegten Umstände auf ein grobes Verschulden der Beklagten hinsichtlich
des Verlusts des Pakets schließen lassen.
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Es ist allgemein anerkannt, dass sich das in Art. 29 CMR vorausgesetzte qualifizierte
Verschulden des Frachtführers und seiner Hilfspersonen auch aus einer mangelhaften
Organisation des Betriebsablaufs ergeben kann, der keinen hinreichenden Schutz der
zu befördernden Frachtgüter gewährleistet (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 29
CMR, RdN 7; OLG Stuttgart, TranspR 1999, 66).
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Ebenso ist allgemein anerkannt, dass der Geschädigte die materielle Beweislast für die
Voraussetzungen des Art. 29 CMR trägt. Der Geschädigte erfüllt jedoch die ihm
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obliegende Darlegungslast für ein grob fahrlässiges Verschulden des Frachtführers
bereits dann, wenn der Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein grob
fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der
Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens zumutbarer
weise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich die Anhaltspunkte für das Verschulden
aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. In diesem Fall darf sich der
Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken,
den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit
des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebs und den
ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen (vgl. BGH, Urt. vom 21.09.2000,
zitiert nach juris, m.w.N.).
Diese Grundsätze finden auch im vorliegenden Fall Anwendung. Zwar ist, wie erörtert,
auf den streitgegenständlichen Frachtvertrag niederländisches Recht anwendbar, das
nach den Ausführungen der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast des
Frachtführers nicht kennt. Die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast trägt, ist
jedoch nicht dem materiellen Recht, sondern dem Prozessrecht, das sich nach der lex
fori, und somit nach deutschem Recht richtet (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 61. Aufl.,
2002, Art. 32 EGBGB RdN 9), zuzuordnen.
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Nach den oben genannten Grundsätzen hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht
genügt. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass gegen Mitarbeiter der Firma C., die
die Waren an der Entladestelle am Düsseldorfer Flughafen im Empfang nimmt, im Jahr
1999 ein Ermittlungsverfahren wegen Bandendiebstahls anhängig war, mit der Folge,
dass auch Telefonüberwachungsmaßnahmen angeordnet wurden. Zwar war das hier
streitgegenständliche Paket bereits im Jahr 1996 abhanden gekommen. Es ist aber
nichts dafür ersichtlich und vorgetragen, dass bereits 3 Jahre nach dem Vorfall lediglich
andere Personen bei der C. angestellt waren als im Zeitpunkt des Verlusts des Pakets.
Zudem spricht der Vorwurf des Bandendiebstahls dafür, dass Diebstähle bereits über
einen geraumen Zeitraum vor der Entdeckung der Taten verübt worden waren. Der
Begriff der Bande setzt einen Zusammenschluss mehrerer Personen für einen gewissen
Zeitraum voraus, um in der Zukunft eine unbestimmte Anzahl von Straftaten zu begehen.
So hat auch der Klägervertreter anlässlich der erstinstanzlichen Beweisaufnahme
erklärt, nach seiner aus Presseberichten gewonnenen Erkenntnis habe die
Diebesbande bereits vor 1997 gewirkt. Ferner hat die Be-
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klagte nichts dazu vorgetragen, welche Sicherheitsmaßnahmen sie bei der Entladung
des Gutes getroffen hat. Hierzu hat auch der Zeuge v. d. B. im Rahmen seiner
erstinstanzlichen Vernehmung keine Angaben gemacht.
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Die Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, welche Maßnahmen sie getroffen hat,
um Informationen über den Verbleib des Pakets zu erhalten, nachdem festgestellt
worden war, dass dieses verschwunden ist. Im Gegenteil hat sie bereits nach ihren
Angaben nicht dafür Sorge getragen, dass der bei ihr verbleibende codierte Anhänger,
der nach der Beladung der Ware in Amsterdam entfernt und in einem Umschlag
verwahrt wird, im vorliegenden Fall bis zur Klärung des Verbleibs des Pakets und der
Haftungsfrage aufbewahrt wurde. Vielmehr hat die Beklagte erklärt, diesen nach Ablauf
der üblichen Aufbewahrungsfrist von 1 Jahr vernichtet zu haben. Nachdem der
Beklagten aber bereits mit Schreiben vom 23.05.1996 mitgeteilt worden war, dass das
Paket nicht angekommen war, hätte es für die Beklagte nahe gelegen, nach dem
Verbleib des Pakets zu forschen und die entsprechenden Unterlagen hierüber zu
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verwahren. Dass sie dies nicht getan hat, ist ebenfalls als schwerwiegender
Organisationsmangel zu werten (vgl. OLG Stuttgart, TranspR 1999, 66).
Hat die Beklagte somit den von der Klägerin erhobenen Vorwurf des groben
Verschuldens durch substantiierten Vortrag entkräftet, trifft sie der Vorwurf des groben
Verschuldens mit der Folge der summenmäßig unbegrenzten Haftung.
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Der Wert der Waren beträgt unstreitig DM 42.870,00, was jetzt einem Betrag von
21.919,08 EUR entspricht.
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Soweit die Beklagte vorträgt, die Streithelferin habe keinen Schaden erlitten, da sie
bereits von AIT entschädigt worden sei, kommt es auf dieses - im übrigen pauschale-
Vorbringen nicht an, da die behauptete Zahlung aufgrund der Unwirksamkeit der
erfolgten Abtretung ohne Rechtsgrund erfolgt ist, so dass diese nicht der Beklagten zu
Gute kommen kann.
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C.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus Art. 27 CMR.
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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91, 101 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz und
100
Beschwer der Beklagten: 21.919,08 EUR
101
a.
102
a. S.
103
104
105