Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.11.2005

OLG Düsseldorf: Freitext:, prüfer, lehrmittel, öffentliche ausschreibung, dokumentation, sozialarbeiter, ermessensausübung, zahl, bekanntgabe, wagnis

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 65/05
Datum:
30.11.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 65/05
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der
1. Vergabekammer des Bundes vom 30. August 2005, VK 1-89/05, wird
zu-rückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens - ein-
schließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs.1 Satz 3 GWB -
sowie die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der
Antragsgegnerin zu tragen.
Der Gegenstandswert beträgt bis zu 50.000 €.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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Die Antragsgegnerin führte eine öffentliche Ausschreibung zur Konzeption und
Durchführung Ausbildungsbegleitender Hilfen "AbH" nach §§ 240 ff. SGB III und/oder §
16 Abs. 1 SGB i.V.m. §§ 240 ff SGB III (Nr. 155-05-19057) für ca. 7.492 Teilnehmer im
Bezirk des Regionalen Einkaufzentrums H. (Vergabestelle) durch. Die Ausschreibung
war in 61 Lose aufgeteilt, wobei ein Los die ausbildungsbegleitende Hilfe für eine
bestimmte Anzahl von Teilnehmern an einem bestimmten Maßnahmeort und in einem
bestimmten Maßnahmegebiet umfasste.
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Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben innerhalb der Angebotsfrist Angebote
auf das Los Nr. 10 ab, dessen Maßnahmebeginn in F. für den 1. September 2005 bei
einer Vertragsdauer von 12 Monaten und einem Optionsrecht zugunsten der
Antragsgegnerin für ein weiteres Jahr vorgesehen war. Das Los Nr. 10 umfasste 216
Teilnehmerplätze, davon 27 Teilnehmer mit Behinderung. Vorgegeben war ein
Betreuungsschlüssel von 6,75 Sozialpädagogen und 6,00 Lehrkräften.
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Die Verdingungsunterlagen bestanden aus einem Teil A Hinweise zur Angebotsabgabe
und einem Teil B Leistungsbeschreibung. Im Teil A.5 Prüfung und Wertung der
Angebote war die Vergabe von Leistungspunkten auf einer Skala von 0 bis 3
Wertungspunkten anhand einer Bewertungsmatrix vorgesehen. Drei Wertungspunkte
sollten vergeben werden, wenn das Leistungsangebot des Bieters der Zielerreichung in
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besonderer Weise dienlich war, zwei Wertungspunkte dann, wenn das
Leistungsangebot des Bieters den Anforderungen entsprach. Die Bewertung der
Angebote erfolgte unter Anwendung der Formel UfAB III nach der erweiterten
Richtwertmethode. In Teil B Leistungsbeschreibung war im Abschnitt B.1.1. die
Zielsetzung der ausbildungsbegleitenden Hilfen beschrieben und unter Abschnitt B.1.2.
der förderungsfähige Personenkreis. Unter Abschnitt B.2 waren u.a. die
Wertungsbereiche Stütz- und Förderunterricht und sozialpädagogische Arbeit
dargestellt und im Abschnitt B.2.2. als Qualitätsbereich der Stütz- und Förderunterricht in
tabellarischer Form nebst der jeweiligen Zielsetzung, die Wertungskriterien Inhalt,
zeitlicher Umfang, Methoden und Lehrmittel beschrieben. Auf den weiteren Inhalt der
Leistungsbeschreibung wird Bezug genommen.
Die fachliche Wertung der zu Los Nr. 10 eingegangenen Angebote erfolgte durch eine
aus mehreren Bediensteten der Antragsgegnerin bestehende Prüfergruppe. Sowohl das
Angebot der Beigeladenen als auch das Angebot der Antragstellerin wurden von
derselben Prüfergruppe, aber von unterschiedlichen Prüfern bewertet. Die Vergabe von
0, 1 oder 3 Punkten versahen die Prüfer mit einer Begründung. Im Anschluss an die
Wertung der Angebote durch zwei Prüfer fand im Rahmen der Prüfergruppe ein
"Quervergleich" der Angebote statt, soweit die Prüfer - abweichend von einer Bewertung
mit 2 Punkten - 0, 1 oder 3 Punkte vergeben hatten.
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Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass
der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle, da ihr, der
Antragstellerin, Angebot nicht das wirtschaftlichste sei; es liege zwar innerhalb des
festgelegten Kennzahlenkorridors, die höchste Leistungspunktzahl habe es nicht
erreicht. Im Laufe des Nachprüfungsverfahrens teilte die Antragsgegnerin –
unwidersprochen von der Antragstellerin - mit, dass bei korrekter Berechnung der
Leistungspunkte das Angebot der Antragstellerin außerhalb des Kennzahlkorridors
liege.
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Mit Schreiben vom 10. Juni 2005 wandte sich die Antragstellerin gegen die Wertung
ihres Angebotes und des Angebots der Beigeladenen. Die Antragsgegnerin half den
Rügen nicht ab.
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Mit ihrem Nachprüfungsantrag begehrte die Antragstellerin die Wiederholung der
Angebotswertung unter Behebung der gerügten Vergaberechtsverstöße. Die
Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig, teilweise als
unbegründet zurück.
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Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr ursprüngliches Begehren
weiter und macht geltend:
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Die Anforderungen der Leistungsbeschreibung seien unklar. Es gebe keine Vorgaben
zur Sicherstellung einer einheitlichen Bewertung in den Wertungsbereichen 1, 2 und 3
Punkte. Es sei nicht erkennbar, unter welchen Voraussetzungen eine Bewertung mit 2
oder 3 Punkten erfolgt sei. Die Wertungskriterien seien zu allgemein gefasst.
Insbesondere hätte es hinsichtlich der Methoden und Lehrmittel der Aufstellung von
Mindestanforderungen bedurft, wie sie auch bei Nebenangeboten erforderlich sei. Den
Prüfern sei kein Wertungsleitfaden an die Hand gegeben worden. Infolgedessen hätten
diese über keine einheitlichen Wertungsmaßstäbe verfügt. Darin liege ein Verstoß
gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung. Die
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Antragsgegnerin habe subjektive Wertungen der Prüfer in Kauf genommen.
Ihr eigenes Angebot und das Angebot der Beigeladenen seien außerdem fehlerhaft
bewertet worden. Die Prüfer hätten die Prüfungsmaßstäbe nicht richtig verstanden. Das
konkrete Wertungsverfahren der vierten Wertungsstufe sei vergaberechtsfehlerhaft
ausgestaltet gewesen, weil die zu einem Los eingegangenen Angebote durch
verschiedene Prüfer bewertet worden seien. Der angeblich durchgeführte Quervergleich
der Bewertungen sei vergaberechtlich unzulässig gewesen. Die Bewertung ihres
eigenen Angebots mit nur 2 Wertungspunkten sei fehlerhaft, weil es als zu "knapp
ausgefallen" bewertet worden sei und es bei bestimmten Wertungskriterien mit 3
Punkten habe bewertet werden müssen.
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Das Angebot der Beigeladenen sei, soweit das Unterrichtskonzept 3 Punkte in
einzelnen Wertungsbereichen erreicht habe, fehlerhaft gewertet worden.
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Im Übrigen leide das gesamte Verfahren unter Dokumentationsmängeln, nämlich
insoweit, als die Vergabe von 2 Wertungspunkten nicht begründet und die Ergebnisse
des Quervergleiches nicht dokumentiert worden seien.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss der Vergabekammer vom 30. August 2005 aufzuheben
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und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebote in dem
Ausschreibungsverfahren mit der Ausschreibungs-Nr. 155-05-19057 –AbH- § 240
SGB III des Regionalen Einkaufszentrums H., Los Nr. 10, unter Behebung der
geltend gemachten Vergabeverstöße neu zu werten und die Bieter über das
Ergebnis der neuen Wertung gemäß § 13 VgV erneut zu unterrichten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die Vorgaben der Leistungsbeschreibung, die Ausgestaltung des
Verfahrens der Angebotswertung und die konkrete Wertung der Angebote als
vergaberechtsfehlerfrei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf
die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer
ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
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Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Soweit der
Nachprüfungsantrag als unzulässig mangels Antragsbefugnis (§ 107 Abs.2 GWB) der
Antragstellerin zurückgewiesen worden ist, ist der Beschluss der Vergabekammer in
Bestandskraft erwachsen. Die Beschwerde hat diese für sie insoweit formell und
materiell ungünstige Entscheidung nicht angegriffen.
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Der Nachprüfungsantrag ist im Übrigen unbegründet.
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1. Die Leistungsbeschreibung (Teil B der Verdingungsunterlagen) ist
vergaberechtskonform. Ihre Anforderungen sind weder inhaltlich unbestimmt oder unklar
(vgl. § 8 Abs. 1 VOL/A), noch waren hinsichtlich des Inhalts, der Methoden und der
Lernmittel Mindestanforderungen durch die Antragsgegnerin in der
Leistungsbeschreibung festzulegen. Zudem war die vorherige Aufstellung eines
Wertungsleitfadens für die Prüfer nicht erforderlich.
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Die Leistungsbeschreibung war funktional ausgestaltet, das heißt der Zweck der
Ausbildungsbegleitenden Hilfen (AbH) war beschrieben. In den Abschnitten B.2
Wertungsbereiche und B.2.1 der Leistungsbeschreibung (S.27 ff.) war die Zielsetzung
der Leistungen, die sich an Ausbildungssuchende und Auszubildende wenden, im
Einzelnen genannt. Ziel der AbH war es, durch Stütz- und Förderunterricht sowie durch
sozialpädagogische Arbeit den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung
lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Personen zu erreichen. Während der
Stütz- und Förderunterricht den Bildungszielen der Teilnehmer diente, sollten
insbesondere durch die sozialpädagogische Arbeit die Schlüsselkompetenzen
(persönliche, soziale, methodische, lebenspraktische, interkulturelle und IT- und
Medienkompetenz) gefördert werden. Durch welche Mittel (Inhalte, zeitlicher Umfang,
Methode und Lehrmittel) die zum Ziel gesetzte Bildung der Teilnehmer erreicht werden
sollte, war in die Beurteilung der fachkundigen Bieter gestellt. Daraus folgte indes nicht,
dass die Anforderungen der Leistungsbeschreibung unklar oder unbestimmt waren,
denn im Abschnitt B.2.2.1 Stütz- und Förderunterricht der Leistungsbeschreibung waren
die (konkretisierten) Zielsetzungen des Förder- und Stützunterrichtes und unter den
Wertungskriterien Inhalt, zeitlicher Umfang, Methode und Lernmittel – z.T. beispielhaft,
z.T. als Mindestanforderung - die einzusetzenden Mittel benannt. Danach diente der
Stützunterricht dem Ziel der Vermittlung der fachtheoretischer und allgemeinbildender
Inhalte und der Förderunterricht dem Ziel der Eröffnung neuer Lernmöglichkeiten.
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Soweit die Leistungsbeschreibung keine bindenden Vorgaben hinsichtlich der
einzusetzenden Methoden und Lernmittel enthielt, sind die gestellten Anforderungen
nicht als unbestimmt zu qualifizieren. Zum einen ergab sich aus der beispielhaften
Aufzählung der Methoden und Lehrmittel, dass, wie die Antragstellerin selbst erklärt hat,
"Standardprodukte" im angesprochenen Dienstleistungsbereich abgefragt wurden, also
bewährte Unterrichtsmethoden sowie Lehrmittel eingesetzt werden sollten. Zum
anderen war entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine funktionale
Leistungsbeschreibung im Dienstleistungsbereich, in dem ein bestimmter Erfolg nicht
geschuldet ist, zulässig. Im Streitfall war der Gegenstand des Angebotes nicht die
Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden und Lehrmittel, sondern die Erbringung von
standardisierten Unterrichtsleistungen. Die zu erbringenden Leistungen entzogen sich
zwar einer objektiven Erfolgsmessung. Geschuldet war lediglich der Unterricht, also
eine Dienstleistung. Diese war der Maßstab für die zu erbringende Vergütung.
Gleichwohl folgt daraus nicht, dass funktionale Leistungsbeschreibungen nur dort
zulässig wären, wo ein bestimmter Erfolg geschuldet ist. In dem Rahmen der
nachgefragten Leistungen war den Bietern durch die Funktionalität der
Leistungsbeschreibung ein kreativer Spielraum eingeräumt, der nicht hinter dem
(vorrangigen) Wettbewerb und dem Gedanken der Vergleichbarkeit der angebotenen
Leistungen zurückzutreten hatte, weil die Bieter sich bewährter Leistungsmittel
bedienen konnten. Infolgedessen war die Vergleichbarkeit der Leistungen gewahrt. Es
war daher nicht erforderlich, in der Leistungsbeschreibung weitere Festlegungen zu
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treffen, damit im Ergebnis von allen Bietern dieselben Leistungen angeboten wurden.
Folgerichtig sollte die Wahrnehmung des Spielraums eigener Kreativität mit einer
Vergabe von bis zu 3 Wertungspunkten gewürdigt werden
Es war aus Rechtsgründen nicht erforderlich, hinsichtlich der einzusetzenden Methoden
und Lehrmittel Mindestanforderungen für die Angebote festzulegen. Die
Leistungsbeschreibung enthielt insoweit bereits Mindestanforderungen, als sie
zwingend vorschrieb, welche Zielsetzungen der Unterricht zu erfüllen hatte und in
welchen Fächern Unterricht in welchem zeitlichen Umfang zu erteilen war. Darüber
hinaus bedurfte es der Festlegung weiterer Mindestanforderungen der für den Stütz- und
Förderunterricht einzusetzenden Methoden und Lehrmittel nicht, weil es sich bei den zu
unterbreitenden Angeboten um Hauptangebote und nicht um Nebenangebote handelte.
Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH,
Urt. v. 14.6.1993, Rs. C-421/01, Rdnr. 32 - Traunfellner) zu den von Nebenangeboten zu
erfüllenden und in den Verdingungsunterlagen zu veröffentlichenden
Mindestanforderungen betrifft nur Nebenangebote.
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Die Leistungsbeschreibung ist nicht deshalb unklar, weil die zu vermittelnden
Lerninhalte für den im Sinne einer Mindestanforderung vorzusehenden Unterricht in den
Fächern Deutsch- und Mathematik nicht näher bestimmt wurden. Die Lehrinhalte des
Unterrichts ergaben sich bereits daraus, dass die AbH-Maßnahme sich an
Ausbildungssuchende und Auszubildende richtete und Stütz- und Förderunterricht erteilt
werden sollte. Aus der Tatsache, dass die Teilnehmer in die Lage versetzt werden
sollten, einen Berufsabschluss zu erwerben, ging hervor, dass der Unterricht
Hauptschulniveau aufweisen sollte. Darüber hinaus sollte sich die weitere inhaltliche
Ausgestaltung des Mathematik- oder des Deutschunterrichtes nach dem spezifischen
individuellen Ausbildungs- und Entwicklungsstand der Teilnehmer an der
Ausbildungsmaßnahme richten. Den konkreten Schulungsbedarf konnte und musste die
Antragsgegnerin nicht kennen. Er sollte vom Auftragnehmer individuell festgestellt und
zum Gegenstand eines Förderplans gemacht werden.
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Auch hinsichtlich der einzusetzenden Methoden bedurfte es keiner weiteren Festlegung
durch die Antragsgegnerin. Die anzuwendenden Methoden sollten sich nach den
künftigen Bedürfnissen der Zielgruppe, der Teilnehmerzahl und nach dem
vorgegebenen Personalschlüssel bezüglich der Lehrkräfte und Sozialarbeiter sowie
nach den angegebenen Stundenzahlen richten. Diese Parameter bildeten natürliche
Grenzen, innerhalb derer der Stütz- und Förderunterricht zu erteilen sein sollte. In
diesem Rahmen blieb es nach Maßnahmebeginn den Bietern vorbehalten zu
entscheiden, ob Gruppen- oder Einzelunterricht erteilt werden kann. Dadurch wurde den
Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A), denn die
Bieter hatten nur die vorgesehenen Lehrkräfte und Sozialarbeiter vorzuhalten.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die vorherige Aufstellung und
Bekanntgabe eines fachlichen Wertungsleitfadens für die Prüfer nicht erforderlich, um
vermeintliche Unklarheiten der Leistungsbeschreibung auszugleichen. Die
Anforderungen an die Angebote und die Wertungskriterien waren hinreichend klar
vollständig unter B.2 der Leistungsbeschreibung wiedergegeben. Die Prüfer, bei denen
es sich um Bedienstete der Regionalzentren der Antragsgegnerin handelte, waren
fachlich versiert und vermochten auf Grund dessen die eingesetzten "Standardmittel"
auf ihre Tauglichkeit zur Erreichung der angestrebten Ziele zu beurteilen, ohne dass
ihnen ein fachlicher Wertungsleitfaden an die Hand gegeben wurde. Dass rein
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subjektive Wertungen zur Geltung kamen, war in den vorgegebenen
Wertungsmaßstäben und -kriterien nicht angelegt. Im Übrigen besteht kein Anspruch der
Bieter darauf, dass der öffentliche Auftraggeber sich in seiner Ermessensausübung
durch die Aufstellung eines Wertungsleitfadens bindet.
2. Die vierte Wertungsphase weist ebenfalls keinen die Antragstellerin in ihren Rechten
verletzenden Vergaberechtsfehler auf.
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a) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Antragstellerin geltend macht
- die Prüfer die Prüfungsmaßstäbe bei der Bewertung der Angebote nicht richtig
verstanden haben. Bei den Prüfern handelte es sich um Bedienstete der
Antragsgegnerin, die bei der Bewertung von Dienstleistungsangeboten der
vorliegenden Art erfahren sind. Der dahingehende Vortrag der Antragsgegnerin ist
unwiderlegt.
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b) Nicht als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden ist der Umstand, dass die zu einem
bestimmten Los vorgelegten Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht
von identischen Prüfern bewertet wurden. Die Prüfer gehörten derselben Prüfergruppe
an, die die zu einem Los eingegangenen Angebote bewertet haben. Bei der im Streitfall
hohen Zahl abgegebener Angebote war für die Vergabestelle ein Einsatz identischer
Prüfer bei jedem zu einem Los eingegangenen Angebot personell nicht zu bewältigen.
Darum ist zugelassen worden, dass die zu einem Los eingegangenen Angebote - so
auch in Bezug auf die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen zu Los 10 –
von verschiedenen Prüfern bewertet wurden. Dies ist – wie außer Streit steht - indes
durch einen "Quervergleich" der Angebotswertungen, sofern diese von einer
durchschnittlichen Bewertung (mit 2 Punkten) abwichen, ausgeglichen worden. Das
verfahrensrechtliche Gebot, die eingegangenen Angebote gleich zu behandeln, ist
infolgedessen gewahrt worden. Dazu mussten bei der Prüfung der zu einem Los
vorgelegten Angebote nicht dieselben Prüfpersonen eingesetzt werden.
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Soweit die Antragstellerin ferner beanstandet hat, dass die Angebote auch insoweit dem
"Quervergleich" hätten unterzogen werden müssen, als sie 2 Punkte erhalten haben,
liegt in der entsprechenden Unterlassung der Vergabestelle ebenso wenig ein
Vergaberechtsverstoß, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Ein
"Quervergleich" der Angebote, bei denen in einzelnen Wertungsbereichen von den
Prüfern mehr oder weniger als 2 Punkte vergeben wurden, war geeignet sicherzustellen,
dass bei gleichwertigen Angeboten eine Korrektur erfolgen konnte. Der "Quervergleich"
bildete das Korrelat dafür, dass eine Identität der Prüfer bei der Prüfung der Angebote
eines Loses faktisch nicht hergestellt werden konnte. Er gab zugleich Gelegenheit, eine
durchschnittliche Bewertung zu überprüfen und ggf. (nach oben oder nach unten) zu
korrigieren. Es sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, dass der "Quervergleich"
nicht hierauf erstreckt worden ist.
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c) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht vergaberechtsfehlerhaft mit 3
Wertungspunkten bewertet worden. Ausweislich der Wertung hat das Angebot der
Beigeladenen lediglich im Wertungsbereich B.2.2.1 Lehrmittel 3 Wertungspunkte
erhalten. Als Begründung ist dort vermerkt:
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"Umfangreiche Materialien, Literatur, PC-Programme, früherer Realprüfungsvorlagen."
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Auch die Vergabe von 3 Wertungspunkten kann von den
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Vergabenachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden, ob Ermessenfehler
vorliegen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Bewertung nicht
ermessensfehlerhaft, weil nicht ersichtlich sei, dass diese der Zielerreichung in einer
besonderen Weise dienlich seien. Dem ist nicht zu folgen. Es ist nicht die umfangreiche
Darstellung der Lehrmittel im Konzept der Beigeladenen mit 3 Wertungspunkten
bewertet worden, sondern die Vielzahl der damit verbundenen Auswahlmöglichkeiten
unter den von der Beigeladenen tatsächlich vorgehaltenen Lehrmitteln. Es liegt auf der
Hand, dass eine Bandbreite von Lehrmitteln es den Lehrkräften erlaubt, unmittelbar dem
jeweiligen Bildungsbedarf der Teilnehmer angepasste Lehrmittel einzusetzen. Dass
dies der Zielerreichung in besonderem Maße dienlich ist, bedurfte keiner weiteren
Erläuterung durch den Prüfer. Ein Ermessensfehler der Vergabestelle ist in dieser
Wertung nicht zu sehen.
d) Das Angebot der Antragstellerin ist ebenso wenig fehlerhaft bewertet worden. Es sind
keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass ihr Angebot aus Sicht der Prüfer als
sprachlich und/oder inhaltlich zu knapp ausgefallen bewertet worden ist. Die
Antragsgegnerin hat unwiderlegt erklärt, eine aus Sicht der Prüfer kurz gefasste
Darstellung eines Angebotspunktes habe auf die Bewertung keinen Einfluss gehabt. Für
eine Bewertung mit 3 Wertungspunkten bestand nach den Verdingungsunterlagen nur
dann Raum, wenn das Angebot der Antragstellerin "eine besondere Dienlichkeit für die
Zielerreichung" aufwies. Eine "besondere Dienlichkeit" ihres Unterrichtskonzeptes hat
die Antragstellerin weder durch ihren Vortrag noch durch Vorlage der im
Beschwerdeverfahren eingereichten Anlage BF 2 aufgezeigt. Im Gegenteil: Sie begehrt
mit der Anlage BF 2 eine Vergabe von 3 Wertungspunkten in den Wertungskriterien
Methoden, Förderplan, Qualitätssicherung, Kooperation und Netzwerke,
Netzwerkbeziehungen, Strategien bereits deshalb, weil ihr Angebotskonzept eine
"detaillierte, praxisnahe und profunde Darstellung" der Wertungskriterien enthalte. Eine
besondere Dienlichkeit ihres Konzeptes für die Zielerreichung ist damit nicht schlüssig
dargetan. Auch bei der Vergabe von nur 2 Wertungspunkten stand der Antragsgegnerin
im Übrigen ein Ermessensspielraum, das heißt eine Bandbreite möglicher und nicht zu
beanstandender Beurteilungen zu. Die Bewertung mit 2 Punkten kann nicht mit Erfolg
mit der Begründung beanstandet werden, es sei eine Bewertung als
überdurchschnittlich geboten. Den von der Vergabestelle eingesetzten Prüfern war auch
bei der Bewertung mit 2 oder 3 Punkten ein Spielraum einzuräumen, der nach der einen
oder anderen Seite (2 oder 3 Wertungspunkte) ihre Entscheidung als hinzunehmen
erscheinen lässt.
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Soweit das Angebot der Antragstellerin beim Wertungskriterium B.2.2.3. Förderplan für
die sehr gute Darstellung des Gesamtprozesses 3 Wertungspunkte erhielt, ist die
Antragstellerin durch eine vergaberechtsfehlerhafte, für sie aber günstige Wertung nicht
beschwert.
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e) Die unterlassene Dokumentation des "Quervergleiches" und der Gründe für die
Vergabe von 2 Wertungspunkten ist nicht ursächlich für eine Verletzung der
Antragstellerin in ihren Rechten geworden. Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe
für die Fehlerhaftigkeit einer Wertung mit 2 Punkten vorgetragen. Ein Bieter kann seinen
Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichenden Dokumentation
stützen, wenn die diesbezüglichen Mängel sich gerade auch auf seine Rechtsstellung
im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben (vgl. Senat, Beschl. v. 17. März 2004,
VII-Verg 1/04, VergabeR, 2004, 513, 514). Im Streitfall ist es für die Geltendmachung der
Verletzung in eigenen Rechten nicht von Bedeutung, ob die Vergabe von 2 Punkten
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hinreichend anhand der Dokumentation nachvollzogen werden kann. Die
Antragstellerin ist durch die unterlassene Dokumentation des Quervergleiches sowie
der Gründe für die Vergabe von nur 2 Wertungspunkten nicht gehindert, die
entsprechenden Wertungen als vergaberechtsfehlerhaft zu beanstanden. Sie hat nur
schlüssig vorzutragen, dass ihr Angebot mit 3 Punkten zu bewerten war. Allerdings
rechtfertigt ihr dahingehender auf die als Anlage BF 2 gestützter Vortrag aus den bereits
dargelegten Gründen die Vergabe von 3 Wertungspunkten nicht. Auch insofern ist das
Wertungsermessen des öffentlichen Auftraggebers zu respektieren.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 Abs. 6 VgV analog (5% des
Bruttoauftragswertes x 2 Jahre).
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D.
W.
D.-B.
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