Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.04.2007
OLG Düsseldorf: foto, käufer, fahrzeug, mangelhaftigkeit, auslieferung, wasserablauf, erheblichkeit, sachmangel, wagen, gebrauchstauglichkeit
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 U 252/06
Datum:
30.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-1 U 252/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Oktober 2006
verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg
abgeändert; die Klage wird abge-wiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.000,-
€ ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e : I.
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Der Kläger nimmt das beklagte Autohaus auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über
ein Gebrauchtfahrzeug in Anspruch. Die Parteien streiten vor allem darüber, ob der
Wagen bei Auslieferung mangelhaft war und ob eine etwaige Mangelhaftigkeit den
erklärten Rücktritt vom Kauf rechtfertigt.
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Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Beklagte verkaufte Ende Juni/Anfang Juli 2004 an den Kläger für 12.150 € einen
gebrauchten Geländewagen vom Typ Range Rover. Der Wagen war im April 1996
erstmals zum Straßenverkehr zugelassen worden; der Kilometerstand im Zeitpunkt der
Auslieferung an den Kläger betrug 101.500.
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Schon bald nach Auslieferung am 2. Juli 2004 reklamierte der Kläger u.a., dass Wasser
in das Innere des Fahrzeugs eintrete. Nach Absprache mit der Beklagten brachte er den
Wagen zur Firma W. in Marl, um die Mängel beseitigen zu lassen. Die dabei
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anfallenden Kosten sollten im Verhältnis 75:25 zu Lasten der Beklagten verteilt werden.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2004 (Bl. 5) unterrichtete der Kläger die Beklagte über die
Diagnose des Autohauses W.. Einige Instandsetzungsarbeiten ließ er durchführen. Von
dem Austausch der gesamten Mechanik mit Schiebedach nahm der Kläger zunächst
Abstand, allerdings nur, wie er mit Schreiben vom 23. August 2004 mitteilte, unter der
Voraussetzung, dass das Schiebedach jetzt dicht bleibe.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2005 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass wieder
Wasserundichtigkeit im Bereich des rechten vorderen Fußraumes und im Bereich des
rechten Rücksitzes vorhanden sei. Er forderte die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf
und kündigte für den Fall des Fehlschlagens die Rückgabe des Fahrzeuges an. Erklärt
wurde sodann der Rücktritt mit Schreiben vom 1. Juni 2005 (Bl. 8).
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Das Landgericht hat über die Mängelrügen des Klägers Beweis erhoben durch
Einholung eines schriftlichen Gutachtens. Darauf gestützt hat es der Klage im
wesentlichen stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt:
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Der Kläger sei zum Rücktritt berechtigt, weil das Fahrzeug bei Auslieferung mangelhaft
gewesen sei. Ein Mangel liege in der Knickstelle der Kunststoffablaufleitung des
hinteren linken Abwasserablaufs vom Schiebedachdeckel unmittelbar vor der
Steckverbindung in die Kunststoffhülle. Wie der Sachverständige T. überzeugend
ausgeführt habe, handele es sich hierbei um einen konstruktionsbedingten
Einbaufehler. Das Hinzutreten von Verschmutzungen mit zunehmenden Alter des
Fahrzeugs führe zum Wassereintritt. Allein dieser Mangel genüge, um dem Kläger ein
Recht zum Rücktritt zu geben. Die Nachbesserung sei insoweit fehlgeschlagen. Die
Beklagte habe mehrfach erfolglos versucht, den Wasserschaden zu beheben.
Abgesehen davon habe sie weitere Mängelbeseitigung abgelehnt.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht
eingelegten Berufung. Sie steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der Kläger kein
Recht zum Rücktritt habe. Wenn überhaupt ein Sachmangel im Sinne des Gesetzes
vorliege, handele es sich um einen Bagatellfall, der einen Vertragsrücktritt nicht
rechtfertigen könne. Die Mängelbeseitigungskosten lägen bei ca. 200 €. Insoweit
verweist die Beklagte auf einen Kostenvoranschlag (Bl. 115).
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Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das angefochtene Urteil
nach Maßgabe seiner Erwiderungsschrift vom 9. Februar 2007 (Bl. 132 d.A.).
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II.
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Die zulässige Berufung führt unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur
Klageabweisung. Denn der Kläger ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht
berechtigt, vom Kauf zurückzutreten.
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1. Im Ausgangspunkt stimmt der Senat allerdings mit dem Landgericht darin überein,
dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft war. Indes geht es nicht um
Mangelhaftigkeit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, sondern um einen Anwendungsfall des
§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Hiernach ist eine Sache mangelhaft, wenn sie sich nicht
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei
Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten
kann. Die so definierte (Soll-)Beschaffenheit hatte das Fahrzeug im Zeitpunkt der
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Übergabe nicht. Denn es war innen feucht. Feuchtigkeit zeigte sich an mehreren Stellen
und infolge unterschiedlicher Ursachen.
a) Feuchtigkeit Beifahrerfußraum
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Während der Beifahrerfußraum nach dem ersten Beregnungsversuch des
Sachverständigen trocken geblieben war, konnte nach dem zweiten Versuch festgestellt
werden, dass nunmehr Feuchtigkeit im Beifahrerfußraum vorhanden war. Aufschluss
darüber geben die Lichtbilder Nr. 31-33 der Fotoanlage zum
Sachverständigengutachten. Um die Ursache zu ermitteln, hat der Sachverständige den
Windlauf und den Pollenfilterkasten auf der rechten Fahrzeugseite frei gelegt. Es
handelt sich dabei um diejenigen Teile, die in der Anlage 1 zum Gutachten näher
dargestellt sind. Von der Konstruktion her ist vorgesehen, dass eindringender
Niederschlag um den Rand des Pollenfilterkastens herumgeführt und in separaten
Abläufen auf der linken und rechten Fahrzeugseite in das jeweilige Radhaus abgeleitet
wird. In diesem Zusammenhang spricht der Sachverständige von einem nicht
"untypischen Problem" für Fahrzeuge des hier in Rede stehenden Modells.
Undichtigkeiten träten mit zunehmendem Alter häufiger und üblicherweise auch an den
beiden Pollenfilterkästen auf.
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Sollte es sich insoweit um einen fahrzeugtypischen Konstruktionsmangel handeln, wäre
dies nach der Rechtsprechung des Senats kein Grund, einen Sachmangel i.S.d. § 434
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu verneinen. Denn die Üblichkeit der Beschaffenheit im Sinne
dieser Vorschrift ist auch an dem Qualitätsstandard zu messen, den vergleichbare
Produkte anderer Herstelle erreicht haben und der die Markterwartung prägt. Auch ein
gebrauchtes Kraftfahrzeug ist nicht allein deshalb frei von einem Sachmangel, weil es
einen Defekt hat, der auch anderen Fahrzeugen derselben Marke und desselben Typs
als sogenannter Serienfehler oder "konstruktive Schwäche" anhaftet (grundlegend
Senatsurteil vom 19.06.2006, I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858 = DAR 2006, 634; ebenso
OLG Stuttgart, Urteil vom 15.08.2006, 10 U 84/06, NJW-RR 2006, 1720 – jeweils
Getriebedefekte).
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Wenn eine derartige "konstruktive Schwäche" – die Rede ist auch von
"produktspezifischer Besonderheit" – vorzeitig zu einem Defekt oder einen sonstigen
Störung führt, handelt es sich in der Regel nicht um einen Fall von normalem
(gewöhnlichem) Verschleiß bzw. Alterung. Was üblich und gewöhnlich ist, ist auch an
dem faktischen Niveau zu messen, das vergleichbare Produkte anderer Hersteller
erreicht haben und das inzwischen die Markterwartung prägt (Senat, a.a.O.).
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Zugunsten des Klägers geht der Senat davon aus, dass Geländewagen anderer
Hersteller so konstruiert sind, dass im Frontscheibenbereich anfallender Niederschlag
auf Dauer korrekt abgeführt wird. Die vom Sachverständigen vermutete
Undichtigkeitsstelle der Unterseite des rechten Pollenfilterkastens muss demnach –
auch unter Berücksichtigung des Fahrzeugalters - als Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 BGB angesehen werden. Allerdings hat der Sachverständige die exakte
Wassereintrittsstelle nicht "identifizieren" können. Zur Begründung hat er darauf
hingewiesen, dass das obere metallische Abschirmblech wegen einer Verklebung nicht
problemlos auszubauen sei. Insoweit ist die Untersuchung des Sachverständigen also
nicht vollständig abgeschlossen, worauf der Kläger bei seiner Anhörung im
Senatstermin zutreffend hingewiesen hat.
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Der Senat konnte von einer ergänzenden Beauftragung des Sachverständigen
absehen. Er unterstellt zugunsten des Klägers einen Fall vertragswidriger
Beschaffenheit bei Übergabe.
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b) Wasserabläufe Schiebedach
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Auch im Bereich des Schiebedachausschnittes konnte bei dem ersten
Beregnungsversuch kein in den Innenraum eindringendes Wasser festgestellt werden.
Gleiches gilt für den zweiten Versuch am 1. Juni 2006, bei dem auch der Dachbereich
einbezogen war. Bei der Freilegung der Wasserabläufe des Schiebedaches im
Autohaus K. und G. hat der Sachverständige jedoch bemerkenswerte Feststellungen
getroffen. Im einzelnen:
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aa) Die hintere rechte Ablauftülle war verunreinigt. Dies hatte zur Folge, dass ein
korrekter Wasserablauf vom Schiebedach in das hintere rechte Radhaus nicht
gewährleistet war. Der Sachverständige T. sieht auch hier ein "bekanntes Problem" des
Modells Range Rover. Der schlitzförmige Wasserablauf in der Kunststofftülle (vgl. Foto
Bl. 23 der Fotoanlage zum Gutachten) verstopfe nach gewisser Zeit, so dass durch
wiederkehrende Reinigungsarbeiten Abhilfe zu schaffen sei. Zur Verbesserung der
auftretenden Undichtigkeiten werde seitens des Herstellers empfohlen, die Spitzen der
Gummitüllen der Wasserabläufe abzuschneiden.
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Genau dies hat der Sachverständige getan. Dadurch hat er zumindest vorübergehend
einen korrekten Wasserablauf an dieser Stelle sichergestellt.
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bb) Bei der Freilegung des hinteren linken Wasserablaufs hat der Sachverständige eine
Knickstelle der Schlauchführung unmittelbar vor der Steckverbindung in die
Kunststoffhülle entdeckt. Festgehalten ist dies auf dem Foto mit der Nr. 27. Der
Sachverständige sieht hier einen "konstruktionsbedingten Einbaufehler". Ablaufendes
Regenwasser (Leckwasser) habe in der ersten Zeit durch den verbleibenden
Restquerschnitt der Knickstelle ablaufen können. Mit zunehmendem Fahrzeugalter sei
diese Knickstelle jedoch durch Verschmutzungen verunreinigt worden, so dass ein
Wasserablauf nicht mehr möglich gewesen sei. In einer bestimmten Fahrzeugposition
bilde sich dann eine Wassersäule in der Ablaufleitung, die bis in den
Schiebedachdeckel hineinreiche. Da Regenwasser an der hinteren linken Stelle des
Schiebedachdeckels nicht mehr abgeführt werde, komme es dann nach Füllung des
Dachdeckelrahmens zum Überlaufen. Dadurch laufe Regenwasser in den
Schiebedachausschnitt hinein und hierbei unter die Innenverkleidungen des
Schiebedachausschnittes/Dachleuchte hinein.
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Der Sachverständige hat die besagte Knickstelle provisorisch durch Einsatz eines
Kunststoffformteils beseitigt. Anschließend konnte bei Beregnungsversuchen festgestellt
werden, dass sämtliche vier Wasserabläufe des Schiebedachdeckels einwandfrei
funktionierten und kein Wasser mehr in den Innenraum des Fahrzeugs eindrang.
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c) Feuchtigkeit in anderen Bereichen
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Zumindest ursprünglich hat der Kläger auch Wasser in der Reserveradmulde
beanstandet. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war die Reserveradmulde
jedoch trocken. Nach Angaben des Klägers sei es der Beklagten gelungen, die
Reserveradmulde trocken zu bekommen. Feuchtigkeit hat der Sachverständige T.
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indessen bereits bei seiner Erstbesichtigung, noch vor den Beregnungsversuchen,
rechts neben der Reserveradmulde unterhalb des angehobenen
Isolationsmaterials/Teppichs festgestellt.
Schließlich hat der Sachverständige auch den Bodenbereich des Fahrzeugs unter der
Rückbank untersucht. Im Bereich der hinteren linken Stoßdämpferaufnahme konnte
unterhalb des Teppichbodens gleichfalls Feuchtigkeit festgestellt werden (siehe Foto
Nr. 9).
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Bei dem ersten Beregnungsversuch stellte sich heraus, dass im Kofferbodenbereich
unter der Isolierung/Teppichboden links der Reserveradmulde Feuchtigkeit
eingedrungen war. Zuvor war dieser Bereich trocken.
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2. Die festgestellten Feuchtigkeitserscheinungen und deren Ursachen geben dem
Kläger – auch in ihrer Gesamtheit betrachtet – keinen Grund, vom Kaufvertrag
zurückzutreten. Der Rücktritt ist nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Nach
dieser Vorschrift kann der Gläubiger im Fall vertragswidriger Leistung vom Vertrag nicht
zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. So liegen die Dinge hier.
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Der zur Vertragsauflösung führende Rücktritt soll als tief einschneidender Rechtsbehelf
nur dann zur Verfügung stehen, wenn.die Pflichtverletzung erheblich ist. Unter welchen
Voraussetzungen das der Fall ist, sagt das Gesetz nicht.
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a)
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Höchstrichterlich ist diese Frage gleichfalls bislang ungeklärt. Erst in einer einzigen
Entscheidung hat der BGH zur sog. Bagatellklausel in § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB
grundsätzlich Stellung genommen (vgl. NJW 2006, 1960 – Immobilienkauf mit arglistiger
Täuschung). Soweit der 8. Zivilsenat des BGH sich zur Erheblichkeitsfrage bisher
geäußert hat (NJW 2005, 3490 – Blechschäden an einem Vorführwagen; Urteil vom
29.11.2006, VIII ZR 92/06, noch unveröffentlicht), kann der Senat diesen
Entscheidungen keine verbindlichen Leitlinien entnehmen, die für die Lösung des
Streitfalles herangezogen werden könnten. Mit Rücksicht darauf lässt er – wie schon in
der Neuwagenkaufsache I-1 U 177/06 (ZGS 2007, 157) – die Revision zu.
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b) Wie der Senat in der vorerwähnten Entscheidung ausgeführt hat, bestimmt sich in
einem Fall der Mangelhaftigkeit im Sinne der objektiven Kriterien des § 434 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 BGB die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung bzw. des Sachmangels
nach objektiven Gesichtspunkten, insbesondere nach dem objektiven Ausmaß der
Qualitätsabweichung und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigung des
Äquivalenzinteresses des Käufers. Dabei sind die Kriterien der Wertminderung und der
Gebrauchsbeeinträchtigung heranzuziehen, freilich nicht, wie im früheren Kaufrecht,
ausschließlich. Wie der Senat ferner entschieden hat, ist die Schwelle der
unerheblichen Pflichtverletzung nicht mit der des geringfügigen Mangels i.S.d. § 459
Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. identisch. Sie muss deutlich höher angesetzt werden (Urteil vom
08.01.2007, I- 1 U 177/06, ZGS 2007, 157).
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c) Bei technischen Mängeln, die sich beheben lassen, wird in der Rechtsprechung,
zumal in Fällen aus dem Bereich des Gebrauchtwagenkaufs, vielfach darauf abgestellt,
mit welchem Aufwand und insbesondere mit welchen Kosten die Mängelbeseitigung
verbunden ist. Der Reparaturkostenaufwand wird dann in ein Verhältnis zum Kaufpreis
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gesetzt. In den bisher bekannt gewordenen Entscheidungen liegt die Bagatellgrenze
zwischen 3 und 10 %. So hat sich das Oberlandesgericht Bamberg – allerdings in einer
nichttragenden Erwägung – dafür ausgesprochen, bei Mängeln an gebrauchten
Fahrzeugen die Erheblichkeitsgrenze erst bei einem Kostenaufwand von mehr als 10 %
des Kaufpreises als überschritten anzusehen (DAR 2006, 456 = MDR 2007, 87).
Dieser Grenzwert ist im vorliegenden Fall bei weitem nicht erreicht.
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Ausdrücklich abgelehnt wird die 10%-Grenze vom OLG Köln (vgl. Urteil vom
12.12.2006, 3 U 70/06, Revision zugelassen). Der 3. Senat des OLG Düsseldorf hat
sich, gleichfalls in einem Gebrauchtwagenfall, dafür ausgesprochen, bei
Reparaturkosten von weniger als 3 % des Kaufpreises kein Recht zum Rücktritt zu
geben (NJW-RR 2004, 1060 = DAR 2004, 392). Unerheblichkeit ist nach Ansicht des
LG Kiel zu bejahen, wenn die Mängelbeseitigungskosten nur 4,5 % des Kaufpreises
ausmachen (DAR 2005, 38). Nach einer Entscheidung des BGH (8. Zivilsenat) sollen
Mängelbeseitigungskosten von nur knapp 1 % des Kaufpreises eindeutig unterhalb der
Bagatellgrenze liegen (NJW 2005, 3490 – Vorführwagen mit Blechschäden). Schmidt-
Räntsch nimmt einen Schwellenwert von 8 bis 10 % der Gegenleistung an (FS für
Wenzel, 2005, Seite 409, 424).
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d) Auch der erkennende Senat sieht in den Mängelbeseitigungskosten ein grundsätzlich
taugliches Kriterium, um das Merkmal der Unerheblichkeit zu konkretisieren. Auf einen
bestimmten Prozentsatz hat er sich bislang nicht festgelegt. In einem Neuwagenfall
allein auf die Höhe der Reparaturkosten abzustellen, hält er für verfehlt (a.a.O.). Für den
Gebrauchtwagenkauf kann im Grundsatz nichts Anderes gelten. Auch hier kann die
Höhe der Mängelbeseitigungskosten nur einer von mehreren Gesichtspunkten der
Erheblichkeitsprüfung sein. Jede schematische Beurteilung nach Prozentsätzen
verbietet sich.
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In Fällen ohne jegliches Fehlverhalten des Verkäufers und auch ohne schuldlosen
Bruch einer Beschaffenheitsgarantie oder einer einfachen Beschaffenheitsvereinbarung
nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, also bei Mangelhaftigkeit – wie hier - allein nach den
objektiven Kriterien des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, ist vor allem auf das objektive
Ausmaß der Qualitätsabweichung abzustellen. Zu fragen ist vorrangig, ob und in
welchem Maße die Verwendung der Kaufsache gestört und/oder ihr Wert gemindert ist.
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e) Im Vordergrund der Prüfung steht im Streitfall der Gesichtspunkt der
Gebrauchstauglichkeit. In Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung ist auf die
gewöhnliche Gebrauchstauglichkeit abzustellen. Dabei ist im konkreten Fall zu
berücksichtigen, dass der Kläger ein Gebrauchtfahrzeug erworben hat. Es war bereits
rund 8 Jahre alt und zudem schon über 100.000 km gelaufen. Hinzu kommt, dass es
sich nicht um eine normale Limousine, sondern um einen Geländewagen handelt. Der
Range Rover gilt zwar als Pkw, gehört jedoch zur Kategorie der Geländewagen. Diese
Zugehörigkeit hält der Senat für durchaus bedeutsam. Denn es macht einen
Unterschied, ob Feuchtigkeit in eine normale Limousine oder in einen Geländewagen
eintritt, mag letzterer auch im gewöhnlichen Straßenverkehr benutzt werden. Der
verständige Durchschnittskäufer wird bei einem Geländewagen eher als zu einem
normalen PKW dazu bereit sein, Abstriche zu machen, was die Abdichtung gegen das
Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere angeht. Der Kläger muss sich gefallen
lassen, dass die Toleranzgrenze bei ihm anders gezogen wird als beispielsweise bei
dem Käufer eines normalen Pkw der Oberklasse (vgl. dazu OLG Karlsruhe DAR 2005,
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31 – Wassereintritt bei einem Mercedes Benz Typ 240 Limousine).
Feuchtigkeitserscheinungen im Bereich des Beifahrerfußraums bei einem gebraucht
gekauften Skoda Octavia Kombi hat das LG Kiel angesichts eines Kostenaufwands von
340 € (= ca. 4,5 % des Kaufpreises) für unerheblich erachtet (DAR 2005, 38). Um
eindringende Feuchtigkeit geht es auch in der Entscheidung des Brandenburgischen
OLG vom 21.02.2007, 4 U 121/06. Dass beim Durchfahren einer Waschstraße
Wassertropfen an den Innenscheiben entlang laufen, hat das Gericht zwar als Mangel
angesehen, diesen jedoch als nicht erheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB eingestuft
(Citroen C 3 Pluriel/Neuwagen). Die Grenzziehung zwischen erheblichen und
unerheblichen Mängeln sei nach der Verkehrsanschauung und unter Würdigung der
Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Ein Ansatz zur Abgrenzung zwischen
erheblichen und unerheblichen Mängeln sei die von Reinking/Eggert (Der Autokauf, 9.
Aufl., Rdnr. 426) formulierte Testfrage, ob ein durchschnittlicher Käufer das Fahrzeug in
Kenntnis des Mangels zu einem niedrigeren Preis erworben oder vom Kauf Abstand
genommen hätte.
Feuchtigkeit im Innern eines Gebrauchtfahrzeugs wird für viele, wenn nicht gar für die
meisten Interessenten ein Grund sein, vom Kauf Abstand zu nehmen. Dies jedenfalls in
denjenigen Fällen, in denen die Ursache für das Auftreten von Feuchtigkeit nicht
sogleich erkannt und dem Kaufinteressenten plausibel erklärt werden kann. Erfährt er,
dass der Feuchtigkeitsschaden eine eng begrenzte Ursache hat, die mühelos zu
beseitigen ist, wird dies, zumal bei einem älteren Geländewagen, häufig kein Grund
sein, vom Kauf abzusehen. Derartige Erscheinungen sind erfahrungsgemäß Anlass,
den Kaufpreis zu drücken.
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Im vorliegenden Fall waren immerhin zwei Kfz-Betriebe nicht in der Lage, das
Eindringen von Feuchtigkeit nachhaltig und dauerhaft zu verhindern. Nur punktuell
hatten die Nachbesserungsversuche Erfolg . Das spricht für eine Erheblichkeit. Erst dem
Sachverständigen T. gelang es, auf ebenso wie schnellem wie einfachem Wege
wenigstens die Feuchtigkeitserscheinungen zu bekämpfen, die auf die unzureichenden
Wasserabläufe vom Schiebedach zurückzuführen waren.
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Der Senat hat – wie im Termin erörtert - vor der Frage gestanden, welchen Einfluss
diese Art der Mängelbeseitigung auf den Rücktritt des Klägers und das daraus
abgeleitete Verlangen nach Rückabwicklung des Kaufvertrages hat. Was die
Berechtigung des Rücktritts und insbesondere die Frage der Erheblichkeit der
Pflichtverletzung angeht, ist nach Ansicht des Senats auf den Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung abzustellen. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel kann nicht
dadurch unerheblich werden, dass es einem gerichtlich bestellten Sachverständigen
gelingt, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen.
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Auf der anderen Seite steht das Rücktrittsbegehren und damit die Klageforderung, wie
jedes andere Recht, unter dem Vorbehalt des § 242 BGB. Insoweit kann es im Einzelfall
durchaus treuwidrig sein, wenn ein Käufer an einem – wirksam erklärten – Rücktritt
festhält, nachdem der ursprünglich vorhandene Mangel in seiner Ursache und/oder
seiner Auswirkung ganz oder teilweise beseitigt worden ist. Eine eigenmächtige
Mängelbehebung nach erklärtem Rücktritt darf dem Verkäufer zwar nicht zugute
kommen. Anders liegen die Dinge jedoch, wenn der Käufer die Beseitigung des
Mangels selbst veranlasst oder jedenfalls darin eingewilligt hat (vgl. Senat, ZGS 2004,
393). Im Streitfall ist ein gerichtlich bestellter Sachverständiger quasi als Monteur tätig
geworden. Dass dies gegen den Willen des Klägers geschehen ist, kann der Senat
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nicht feststellen.
Die verbliebenen Feuchtigkeitserscheinungen (insbesondere Beifahrerfußraum) haben
nach Ansicht des Senats nicht genügend Gewicht, um der Rücktrittsklage stattgeben zu
können. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach dem ersten
Beregnungsversuch Feuchtigkeit im Beifahrerfußraum nicht festgestellt werden konnte.
Hierbei war das Fahrzeug ca. eine ¾ Stunde aus Richtung von vorne beregnet worden,
so dass der gesamte Dach- und Frontscheibenbereich permanent benetzt wurde (Foto
Nr. 15/16). Es handelt sich hierbei um eine Stellung des Fahrzeugs, in welcher es beim
Kläger im Freien geparkt sein soll. Erst bei umgekehrter Position vor der
Besprühungsanlage (2. Beregnungsversuch Foto Nr. 22) gelangte Feuchtigkeit in den
Beifahrerfußraum.
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Um dieses Problem zu beheben, ist nach Ansicht des Sachverständigen T. kein großer
Aufwand erforderlich, weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht. Nach
Einschätzung des Senats dürfte die Abdichtung im Bereich des rechten
Pollenfilterkastens nicht mehr als 200 € kosten. Auch in Verbindung mit den übrigen –
sehr geringen – Feuchtigkeitserscheinungen außerhalb des Wageninneren kann die nur
sporadisch und nur unter bestimmten Bedingungen auftretende Feuchtigkeit im
Beifahrerfußraum hiernach nicht als Rücktrittsgrund anerkannt werden. Mit einer
Minderung des Kaufpreises ist dem berechtigten Interesse des Klägers hinreichend
Rechnung getragen. Dies selbst dann, wenn man die – inzwischen weitgehend
behobenen - Unzulänglichkeiten bei der Abführung des Leckwassers/Schiebedach in
die Wertung einbezieht. Die Kosten einer ordnungsgemäßen Mängelbeseitung liegen
bei ca. 200 Euro (siehe auch Kostenvoranschlag Bl. 115).
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III.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Zulassung der Revision hat ihre Grundlage in § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Kläger: 11.376,61 €.
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Dr. E. K. E.
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