Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.12.2009
OLG Düsseldorf (treu und glauben, auf lebenszeit, wohnrecht, mutter, höhe, kläger, wohnung, vertrag, vereinbarung, auszug)
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-12 U 30/09
Datum:
10.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-12 U 30/09
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 2 O 260/07
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.12.2008 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer – Einzelrichter - des Landgerichts Duisburg
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) 5.113,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basis-
zinssatz ab Klagezustellung zu zahlen;
b) ab August 2007 monatlich im Voraus bis zum 3.Werktag eines jeden
Mo-
nats 255,65 € zu zahlen, jedoch begrenzt auf die vom Kläger seit dem
01.11.2005 erbrachten Sozialhilfeleistungen für Frau W. A...,
wohnhaft im Alten- und Pflegeheim St. L... in R. und be-
schränkt auf die Lebensdauer von Frau W. A....
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
I.
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Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand
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des angefochtenen Urteils nebst der darin wiedergegebenen Anträge Bezug
genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die
Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage fänden keine Anwendung, weil der
Umstand, dass die Wohnberechtigte infolge Krankheit oder Pflegebedürftigkeit ihr Recht
nicht bis zu ihrem Tode würde ausüben können, nicht unvorhersehbar gewesen sei.
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Die Beklagte habe mit ihrer Großmutter auch nicht im Wege ergänzender
Vertragsauslegung selbst eine Regelung getroffen. Es könne nicht davon ausgegangen
werden, dass die Beklagte mit Frau W. A... eine Zahlungsvereinbarung als Reaktion auf
deren Auszug aus der dem Wohnrecht unterliegenden Wohnung getroffen habe.
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Der Kläger trage nichts dazu vor, in wieweit die Beklagte in die Vereinbarung zwischen
Frau W. und Frau M. C. A… einbezogen gewesen sei.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers mit welcher dieser seine erstinstanzlichen Klageanträge
weiterverfolgt.
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Er meint, entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Übertragungsvertrag vom
07.06.1990 ergänzend dahin ausgelegt werden müssen, dass die Beklagte verpflichtet
sei, zumindest eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 255,65 € an die
Hilfeempfängerin zu zahlen.
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Der Vertrag enthalte insofern eine Regelungslücke, als er nicht regele, was in dem Falle
gelten solle, in dem die Wohnungsberechtigte das Wohnrecht nicht in Anspruch nehme
und die Eigentümerin die Nutzung vertraglich einer anderen Person zur Verfügung
stelle. Die Beklagte habe durch den Vertrag mit ihrer Mutter vom 14.11.1995 bewirkt,
dass die Wohnung nach dem Auszug der Wohnungsberechtigten nicht leer stand. Diese
ergänzende Vertragsauslegung sei in der Laiensphäre durchaus nachvollzogen
worden, indem die Mutter der Beklagten aufgrund der Vereinbarung im
Nießbrauchvertrag, wonach sie verpflichtet war, unter anderem die privaten Lasten zu
tragen, eine Nutzungsentschädigung an die Großmutter zahlte. Die Heimaufnahme
derselben habe hieran nichts geändert.
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Hinsichtlich der Höhe hätten sich die Berechtigten ersichtlich an den Wertangaben in
dem notariellen Übertragungsvertrag orientiert, was nicht als unangemessen betrachtet
werden könne.
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Die Beklagte erstrebt die Zurückweisung der Berufung. Sie ist der Auffassung, die
Subsumtion des Landgerichts entspreche der Rechtslage.
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Im Hinblick auf den Inhalt der Überleitungsanzeige gehe es nur um Ansprüche aus der
Urkunde vom 07.06.1990.
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Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Grundsätze des § 313 BGB seien nicht
dargetan. Es liege nahe, dass das Wohnrecht mit der Überlassung der Wohnung an die
Nießbrauchberechtigte erloschen sei.
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Die Nießbrauchbestellung vom 14.11.1995 sei nicht kausal für die Nutzung der
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Wohnung zu Lebzeiten der Wohnungsberechtigten.
Der Einzug ihrer, der Beklagten, Mutter sei ohne ihre Beteiligung erfolgt. Ebenso wenig
habe sie Kenntnis von den Zahlungen gehabt.
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II.
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Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen gemäß Überleitungsanzeige vom 03.02.2006
übergegangenen Anspruch, § 93 SGB XII, aus ergänzender Auslegung des Vertrages
vom 07.06.1990.
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Zutreffend führt die Berufungsbegründung aus, dass dieser Vertrag eine
Regelungslücke enthält. Mit Recht hebt die Berufungsbegründung entgegen den
Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil darauf ab, dass das Wohnrecht zunächst
nicht wegen eines Ausübungshindernisses infolge Alters nicht mehr ausgeübt wurde.
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Wie die Berufung mit ihrem Schriftsatz vom 29.04.2009 – nicht mehr substantiiert
bestritten – ausführt, hatte die Großmutter die Ausübung ihres Wohnrechtes bereits im
Jahre 1991 aufgegeben. Aber auch erstinstanzlich war bereits vorgetragen worden,
dass Frau W. A... ab 1999 das Wohnrecht nicht mehr ausübte (Klageschrift Bl. 5 d.A.),
wohingegen sie erst seit Anfang 2004 in einem Altenheim wohnte
(Berufungserwiderung Bl. 18 d.A.).
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Die Berufungserwiderung berücksichtigt nicht, dass es für die ergänzende
Vertragsauslegung nicht zwingend darauf ankommt, was die durch den Vertrag vom
07.06.1990 verbundenen Parteien in Anbetracht der auftretenden Lücke tatsächlich
vereinbart haben. In Ermangelung einer solchen Vereinbarung ist vielmehr darauf
abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke
nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen
Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. In diesem Zusammenhang ist
auch die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse zu beachten. Hier ist nicht zu
übersehen, dass das von der Klägerin geschilderte Dreiecksverhältnis entstanden ist.
Die Beklagte hat M. C. A... das Recht bestellt, sämtliche Nutzungen aus dem
Vertragsgegenstand zu ziehen. Letztere hat sich verpflichtet, die auf dem
Vertragsgegenstand ruhenden privaten Lasten zu tragen und hat Zahlungen an die
Berechtigte des Wohnrechts in der Höhe erbracht, mit der der Wert des Wohnrechtes in
dem Notarvertrag vom 07.06.1990 angesetzt war.
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Vernünftigerweise und redlicher Weise hätten die Parteien des Vertrages vom
07.06.1990 vereinbart, dass an Frau W. A... eine Ablösung zu zahlen war, wenn diese
von ihrem Wohnrecht keinen Gebrauch machte und das Vertragsobjekt anderweitig
genutzt wurde. Dies hätten sie auch für den Fall getan, dass die Nichtausübung des
Wohnungsrechtes und die dadurch tatsächlich ermöglichte Nutzung aufgrund des
Nießbrauchrechtes erst ab dem Jahre 1999 statt- fand. Da das Wohnungsrecht auf
Lebenszeit ausgelegt war, ist nicht anzunehmen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die
Belastung der Beklagten als erledigt gelten sollte.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.
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Wert der Berufung: 15.850,30 €
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Sch. O. Dr. Sch.
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