Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.03.2003
OLG Düsseldorf: plastische chirurgie, angemessene entschädigung, kosmetische operation, schmerzensgeld, eingriff, einwilligung, klinik, patient, ermessen, anhörung
Oberlandesgericht Düsseldorf, 8 U 18/02
Datum:
20.03.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 18/02
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 3 O 471/99
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. November 2001 ver-
kündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.180,67 EUR
(= 16.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
sämtliche weitergehenden materiellen Schäden, die ihr aufgrund der am
12. Februar und am 31. Oktober 1996 durchgeführten Liposukti-onen
entstanden sind und zukünftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit
diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige
Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - in beiden Instanzen - haben die Klägerin
zu 46 % und der Beklagte zu 54 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die 1948 geborene Klägerin informierte sich am 22. Januar 1996 bei dem Beklagten -
einem niedergelassenen Art für kosmetische Chirurgie - über die Möglichkeit einer
Fettabsaugung (Liposuktion) im Bereich von Bauch, Hüfte, Taille und Oberschenkeln.
Nach einem ersten Gespräch unterzeichnete sie eine schriftliche Erklärung, wonach sie
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in die von dem Beklagten vorgeschlagene Operation einwilligte. Der Beklagte führte die
Liposuktion am 12. Februar 1996 ambulant durch. Die Klägerin zahlte ihm hierfür 6.000
DM. Zur Verbesserung des erreichten Ergebnisses nahm der Beklagte am 31. Oktober
1996 eine Korrekturliposuktion vor, für die die Klägerin weitere 2.000 DM bezahlte.
Weil die Klägerin mit ihrem aufgrund der Maßnahmen des Beklagten erreichten
Erscheinungsbild unzufrieden war, begab sie sich in die Behandlung des Chefarztes
der Abteilung für plastische Chirurgie und Handchirurgie des KH Köln, Dr. E., der im
Rahmen eines im März 1997 durchgeführten weiteren Eingriffs wegen der Erschlaffung
des Hautweichteilmantels im Bereich der Bauchdecke und wegen der Erschlaffung der
Bauchmuskulatur eine Bauchdeckenplastik durchführte.
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Die Klägerin bat vorprozessual die Gutachterkommission für ärztliche
Behandlungsfehler um Überprüfung des Vorgehens des Beklagten. Nach Einholung
eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. O. kam die Kommission in ihrem
Bescheid vom 30. Oktober 1998 zu dem Ergebnis, dass die von dem Beklagten
vorgenommene Liposuktion nicht indiziert war; auch sei nach der Dokumentation des
Beklagten von einer nicht ausreichenden Risikoaufklärung der Klägerin auszugehen.
Die Gutachterkommission vertrat im übrigen die Ansicht, der Vorwurf eines
behandlungsfehlerhaften Vorgehens des Beklagten sei wegen ihm vorzuwerfender
Dokumentationsmängel ernstlich in Betracht zu ziehen.
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Gestützt auf den Bescheid der Gutachterkommission nimmt die Klägerin den Beklagten
auf Rückzahlung des Behandlungshonorars, Zahlung von Schmerzensgeld sowie
Feststellung seiner weiteren Ersatzpflicht in Anspruch.
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Die Klägerin hat behauptet, angesichts ihres Alters hätte eine Liposuktion überhaupt
nicht durchgeführt werden dürfen; indiziert gewesen sei vielmehr von vorneherein eine
Abdominolipektomie, wie sie Dr. E. später durchgeführt habe. Im übrigen hat sie geltend
gemacht, der Eingriff selbst sei nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend
erfolgt. Aufgrund der Fettabsaugung hätten sich wegen einer unregelmäßigen
Volumenverteilung dauerhafte Entstellungen ergeben; ferner sei es zu
Nervbeeinträchtigungen gekommen. Schließlich hat die Klägerin dem Beklagten eine
unzureichende Aufklärung über die mit der Behandlung verbundenen Risiken
vorgeworfen. Wegen des ihres Erachtens von dem Beklagten zu vertretenden negativen
Erscheinungsbildes hat sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens
25.000 DM verlangt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld wegen
fehlerhafter und rechtswidriger Behandlung zu zahlen, dessen Höhe in das
pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 25.000 DM
nebst 8 % Zinsen seit dem 31.3.1999;
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2.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 8.000 DM nebst 8 % Zinsen seit dem
31.3.1999 zu zahlen;
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3.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitergehenden
materiellen Schäden, die ihr aus der dortigen fehlerhaften Behandlung entstanden
sind, derzeit entstehen und zukünftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind oder übergehen werden.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist den Vorwürfen der Klägerin entgegengetreten. Er hat geltend gemacht,
die Liposuktion sei bei der Klägerin indiziert gewesen und von ihm sachgerecht
durchgeführt worden. Nach der von ihm gewählten - anerkannten - Methode werde - wie
erfolgt - in einem ersten Schritt Fett abgesaugt. Erst später werde entschieden, ob unter
Umständen außerdem eine Hautstraffung erforderlich sei. Dieses stufenweise Vorgehen
sei mit der Klägerin ausdrücklich besprochen worden, und sie habe sich damit
einverstanden erklärt. Nur weil die Klägerin die Behandlung vorzeitig abgebrochen
habe, habe er nicht die von ihm selbst vorgesehene Bauchstraffung vornehmen können.
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Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat ein Gutachten des Direktors der
Klinik für plastische Chirurgie des Klinikums M. Prof. Dr. Dr. S. eingeholt und den
Beklagten sodann durch Urteil vom 15. November 2001 unter Abweisung der Klage im
übrigen zur Zahlung von 16.000 DM (8.000 DM Honorarrückforderung sowie 8.000 DM
Schmerzensgeld) nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1999 verurteilt.
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Gegen die Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt.
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Der Beklagte macht mit seinem Rechtsmittel geltend, das Landgericht habe zu Unrecht
eine unzureichende Risikoaufklärung angenommen und nicht berücksichtigt, dass die
Klägerin ausdrücklich mit einem stufenweisen Vorgehen einverstanden gewesen sei.
Aus dem Erscheinungsbild der Klägerin könnten Rückschlüsse auf mögliche
Behandlungsfehler im übrigen bereits deshalb nicht gezogen werden, weil Fotos über
das Aussehen der Klägerin vor der ersten Fettabsaugung nicht vorlägen. Im übrigen
behauptet der Beklagte, die von ihm vorgenommene Behandlung habe nicht zu
negativen Folgen geführt, sondern eine deutliche Verbesserung des
Erscheinungsbildes der Klägerin bewirkt, weshalb ihr auch ein Schmerzensgeld nicht
zustehe.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. November 2002 abzuändern und
die Klage abzuweisen;
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;
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darüber hinaus unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie ein weiteres - über den bereits ausgeurteilten
Betrag in Höhe von 8.000 DM hinausgehendes - angemessenes Schmerzensgeld
wegen fehlerhafter rechtswidriger Behandlung zu zahlen, dessen Höhe in das
pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch insgesamt
25.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.3.1999;
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2.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weitergehenden
materiellen Schäden, die ihr aus der dortigen fehlerhaften Behandlung entstanden
sind, derzeit entstehen und zukünftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind oder übergehen werden.
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Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit es eine Haftung des Beklagten
annimmt. Mit ihrem Rechtsmittel erstrebt sie unter Bezugnahme auf ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag eine Erhöhung des Schmerzensgeldes. Im übrigen meint
sie, das Landgericht habe im Hinblick auf mögliche Folgeerscheinungen den
Feststellungsantrag nicht abweisen dürfen.
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Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2003 Beweis erhoben
durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. I. und durch Vernehmung der Klägerin
als Partei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33
A.
34
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Dem gegenüber hat das
Rechtsmittel der Klägerin hinsichtlich des von ihr weiter verfolgten
Feststellungsantrages Erfolg; die Berufung der Klägerin ist allerdings zurückzuweisen,
soweit sie eine Erhöhung des von dem Landgericht mit 8.000 DM (= 4.090,34 EUR)
zuerkannten Schmerzensgeldes fordert.
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I.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten sowohl aus dem Gesichtspunkt der positiven
Forderungsverletzung des Behandlungsvertrages (§§ 611, 242, 276, 249 ff BGB (a.F.))
als auch nach § 823 Abs. 1 BGB (a.F.) einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten
Behandlungshonorars. Ferner ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den ihr durch
seine Behandlung entstandenen bzw. noch entstehenden materiellen Schaden zu
ersetzen. Darüber hinaus schuldet der Beklagte nach § 847 BGB (a.F.) die Zahlung
eines angemessenen Schmerzensgeldes. Die am 12. Februar und am 31. Oktober 1996
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von dem Beklagten mittels Liposuktion durchgeführten Behandlungen waren mangels
wirksamer Einwilligung der Klägerin rechtswidrig, denn der Beklagte hatte es
pflichtwidrig unterlassen, die Klägerin über die Erfolgsaussicht der Eingriffe und die mit
ihnen verbundenen besonderen Risiken hinreichend aufzuklären. Im übrigen sind dem
Beklagten Fehler bei der Fettabsaugung selbst vorzuwerfen,
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und des erkennenden Senates ist der
behandelnde Arzt vor einem vorgesehenen Eingriff zu einer sog. Grundaufklärung
verpflichtet, bei der dem Patienten ein zutreffender Eindruck von der Schwere des
Eingriffs und den damit - auch für die später Lebensführung - verbleibenden
Belastungen vermittelt werden muss. Dabei ist anerkannt, dass ein Patient umso
ausführlicher und eindringlicher über die Erfolgsaussichten eines Eingriffs und etwaiger
schädlicher Folgen zu informieren ist, je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch
geboten ist, was im besonderen Maße für kosmetische Operationen gilt, die - wie hier -
nicht medizinisch indiziert sind, sondern in erster Linie einem ästhetischen Bedürfnis
des Patienten entsprechen. Der Patient muss in einem solchen Fall darüber unterrichtet
werden, welche Verbesserungen er günstigenfalls erwarten kann, und ihm müssen
etwaige Risiken deutlich vor Augen gestellt werden, damit er genau abwägen kann, ob
er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffs und darüber
hinaus sogar bleibende Entstellungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf
nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als eine Folge des Eingriffs in Betracht
kommen. Dabei ist anerkannt, dass der Arzt, der eine kosmetische Operation durchführt,
seinem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen vor Augen zu stellen hat.
Deswegen stellt die Rechtsprechung an die Aufklärung des Patienten vor einer
kosmetischen Operation strenge Anforderungen (BGH NJW 1991, 2349).
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2. Um den dargestellten Anforderungen Genüge zu tun, reichte für die Aufklärung der
Klägerin nicht die von dem Beklagten behaupteten üblichen Hinweise auf
operationsbedingt mögliche Komplikationen und das Erfordernis einer späteren
Hautstraffung in dem Fall, dass sich die nach der Fettabsaugung überschüssige Haut
nicht von alleine zurückbilden würde. Eine solche - von der Klägerin bestrittene -
Aufklärung reichte nicht aus, um ihr die erforderliche Kenntnis der tatsächlichen
Chancen einer kosmetischen Verbesserung durch eine Liposuktion und deren
gesundheitliche Risiken zu vermitteln. Die von dem Beklagten behauptete Aufklärung
der Klägerin kann daher im Ergebnis unterstellt werden; einer Vernehmung der von dem
Beklagten zu diesem Punkt benannten Zeugin M. H. bedurfte es daher nicht.
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Prof. Dr. I., der als Direktor einer Klinik für plastische und für ästhetische Chirurgie über
umfassende praktische und wissenschaftliche Erfahrung zur Beurteilung des
streitgegenständlichen medizinischen Sachverhalts verfügt, hat bei seiner Anhörung
deutlich gemacht, dass die von der Klägerin gewünschte Verbesserung ihres
Erscheinungsbildes im Bauchbereich alleine durch die von dem Beklagten
durchgeführte Liposuktion nicht erreicht werden konnte, sondern dass es - von vorne
herein erkennbar - sowohl einer Hautstraffung als auch einer Straffung des
Muskelgewebes im Bereich der Bauchdecke bedurfte, was im März 1997 durch den
Chefarzt der Abteilung Plastische Chirurgie des KH in Köln Dr. E. erfolgte. Aufgrund der
Beschaffenheit ihrer Haut und des - auch altersbedingt - nicht mehr ausreichend straffen
Gewebes war nach Darstellung des Sachverständigen bei der Klägerin mit einem nach
der Fettabsaugung verbleibenden Hautüberschuss zu rechnen, der sich - wie sich im
übrigen später zeigte - nicht von alleine zurückbildete. Hinzu kam, dass die gewünschte
Verschlankung im Bauchbereich in jedem Fall auch eine operative Straffung des bei der
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Klägerin anatomisch veränderten Bauchmuskelgewebes, das zu einer Vorwölbung der
Bauchdecke geführt hatte, erforderlich machte. Auf die Notwendigkeit dieser Maßnahme
zur Erreichung des gewünschten Erfolgs haben sowohl Prof. Dr. I. als auch Prof. Dr. S.
in seinem für das Landgericht erstatteten Gutachten hingewiesen. Der Beklagte hatte
die Klägerin unter diesen Umständen darüber aufzuklären, dass eine bloße
Fettabsaugung (Liposuktion) in keinem Fall ausreichen würde, weil eine Rückbildung
der überschüssigen Haut nicht zu erwarten war; er hatte ferner darauf hinzuweisen, dass
es hierzu eines weiteren operativen Eingriffes bedurfte. Vor allem hatte der Beklagte
deutlich zu machen, dass eine kosmetische Verbesserung darüber hinaus eine
Bauchdeckenstraffung erforderte, weil alleine eine Fettabsaugung mit nachträglicher
Hautstraffung zu keiner wesentlichen kosmetischen Verbesserung führen konnte. Eine
solche Aufklärung der Klägerin behauptet der Beklagte selbst nicht: Er trägt lediglich
vor, die Klägerin über das von ihm praktizierte - von Prof. Dr. I. diesbezüglich nicht
beanstandete - stufenweise Vorgehen aufgeklärt zu haben, wonach entsprechend der
Beschreibung in der von ihm vorgelegten Broschüre "LIPOSUKTION
(FETTABSAUGUNG) SAYLAN" zunächst die Fettabsaugung und nur in Fällen, in
denen sich die überschüssige Haut nicht zurückbildet, zu einem späteren Zeitpunkt eine
Hautstraffung erfolgt. Darauf, dass bei der Klägerin angesichts ihrer Hautverhältnisse in
jedem Fall eine gesondert zu honorierende Hautstraffung notwendig war und dass das
Erscheinungsbild nur durch eine zusätzliche Bauchdeckenstraffung verbessert werden
konnte, hat er demgegenüber nicht hingewiesen. Im Gegenteil zeigen seine
Ausführungen, wonach - entgegen der Beurteilung des Sachverständigen - eine reelle
Möglichkeit bestanden habe, die Angelegenheit durch ein einmaliges Absaugen zu
erledigen (Berufungsbegründung, GA 136), dass er bei der Klägerin hinsichtlich des zu
erreichenden Erfolges falsche Vorstellungen erweckt hat.
3. Dem Beklagten ist ferner vorzuwerfen, die Klägerin nicht darüber aufgeklärt zu haben,
dass die Liposuktion für die von ihr gewünschten großflächigen Korrekturen im Bereich
der Hüfte, der Oberschenkel und der Glutealregionen nur eingeschränkt geeignet war.
Prof. Dr. I. hat deutlich gemacht, dass das von dem Beklagten gewählte Verfahren für
großflächige Fettentfernungen - wie hier - nicht zu empfehlen ist, weil sich hierdurch nur
schwer gleichmäßige Formen erzielen lassen. Dies wird eindrucksvoll dadurch belegt,
dass bei der Klägerin nach der Fettabsaugung unregelmäßige Konturen und
großflächige Eindellungen entstanden sind. Unter diesen Umständen hätte der Beklagte
die Liposuktion nur vornehmen dürfen, wenn er die Klägerin auch über das damit
verbundene erhöhte Risiko eines nur unzulänglichen kosmetischen Erfolges sowie über
die Gefahr postoperativer Entstellungen deutlich aufgeklärt hätte, was - gleichfalls - nicht
geschehen ist.
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4. Aufgrund der unzureichenden Aufklärung des Beklagten war die von der Klägerin
gegebenen Einwilligung in die am 12. Februar und 31. Oktober 1996 durchgeführten
Eingriffe nicht wirksam. Damit haftet der Beklagte mangels rechtfertigender Einwilligung
für den sich aufgrund der Operationen ergebenden materiellen und immateriellen
Schaden.
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5. Dem Beklagten ist im übrigen vorzuwerfen, dass er die Liposuktion im Bereich des
Rückens, der Hüfte und der Oberschenkel nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Prof.
Dr. I., der die Klägerin vor der Gutachtenerstattung untersucht hat, hat - wie im übrigen
auch Prof. Dr. S. - keinen Zweifel daran gelassen, dass die in den genannten Bereichen
auch heute noch feststellbaren Deformierungen auf eine ungleichmäßige und damit
nicht sachgemäße Fettabsaugung zurückzuführen sind. Der Sachverständige hat
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deutlich gemacht, dass diese kosmetischen Entstellungen bei einem hinreichend
sorgfältigen Vorgehen in jedem Fall vermeidbar gewesen wären.
6. Das von dem Landgericht mit 8.000 DM zuerkannte Schmerzensgeld ist nicht zu
beanstanden. Dieser Betrag stellt eine angemessene Entschädigung für die
immateriellen Beeinträchtigungen der Klägerin dar. Eine mit der Berufung verlangte
Erhöhung dieses Betrages kommt nicht in Betracht: Bei der Bemessung des
Schmerzensgeldes sind neben der Erduldung der rechtswidrigen Eingriffe und ihrer
Folgewirkungen in erster Linie die von Prof. Dr. S. in seinem Gutachten und von Dr. E. in
seiner schriftlichen Zeugenaussage im einzelnen beschriebenen negativen
kosmetischen Folgeerscheinungen im Rücken-, Flanken- und Hüftbereich der Klägerin
durch unregelmässige Konturen und starke Eindellungen zu berücksichtigen. Dabei
handelt es sich um Deformierungen, die nach Darstellung von Prof. Dr. I. als
Dauerschaden anzusehen sind, der allenfalls durch eine von Dr. E. beschriebene
spätere Operation gemildert werden könnte. Andererseits kann nicht außer Betracht
bleiben, dass das Ergebnis der von Dr. E. durchgeführten Bauchdeckenplastik
zufriedenstellend ist. Was den Bereich des Bauches betrifft, hat die Klägerin also keine
bleibenden Schäden durch die Behandlung des Beklagten davongetragen; sie hat im
Gegenteil aufgrund der Operation durch Dr. E. insoweit letztlich eine kosmetische
Verbesserung erfahren. In der Gesamtschau der verbliebenen Beeinträchtigungen stellt
das von dem Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von 8.000 DM unter diesen
Umständen eine angemessene Entschädigung dar, wobei sich die von der Klägerin
behaupteten zeitweisen Kribbelparästhesien im Bereich der Beine, die nach der
Beurteilung von Prof. Dr. S. ohnehin in keinem Zusammenhang mit der Behandlung
durch den Beklagten stehen, auf die Bemessung des Schmerzensgeldes im Ergebnis
nicht entscheidend auswirken.
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7. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Erstattung des an ihn gezahlten
Behandlungshonorars von insgesamt 8.000 DM (= 4.090,34 EUR) verurteilt. Die
Behandlung des Beklagten erfolgte - wie dargestellt - mangels hinreichender Aufklärung
der Klägerin rechtswidrig. Die Klägerin hat im übrigen plausibel vorgetragen, dass sie
bei Kenntnis der Tatsache, dass alleine eine Liposuktion bei ihr nicht geeignet war, eine
kosmetische Verbesserung zu erreichen, diesen Eingriff von dem Beklagten nicht hätte
durchführen lassen. Der Beklagte ist daher verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als
wäre die Behandlung durch ihn nicht erfolgt.
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8. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet,
ihr auch den weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der auf die von ihm
durchgeführten Liposuktionen zurückzuführen ist. Dabei genügt für die Begründetheit
des Antrages die ernsthafte Möglichkeit der Entstehung entsprechender Schäden. Dass
diese Möglichkeit besteht, erscheint - entgegen der Auffassung des Landgerichts -
angesichts der dargestellten Folgen der Behandlung des Beklagten und der von Dr. E.
beschriebenen Möglichkeit einer weiteren operativen Revision nicht fernliegend.
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B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Die Beschwer der Klägerin und des Beklagten liegt jeweils unter 20.000 EUR.
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