Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.05.2003
OLG Düsseldorf: vertretung bei der stimmabgabe, vollmachten, treu und glauben, miteigentümer, verwalter, bevollmächtigung, geschäftsführer, firma, inhaber, widerruf
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Wx 391/02
Datum:
05.05.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Wx 391/02
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 10 T 32/02
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren
Beschwerde fallen der Beteiligten zu 1 zur Last. Außergerichtliche
Kosten werden nicht erstattet.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 10.000,00 Euro.
G r ü n d e :
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I.
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Die Beteiligten zu 2 bis 35 bilden die im Rubrum genannte Eigentümergemeinschaft.
Die Wohnungen wurden seinerzeit veräußert durch die Firma D..., deren Inhaber Herr
U... D... war. Dieser ist gleichzeitig Geschäftsführer der Beteiligten zu 1, die in der
Teilungserklärung vom 05.03.1996 für die Dauer von fünf Jahren zur ersten Verwalterin
bestellt wurde.
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In der Eigentümerversammlung vom 12. September 2001 stimmten die Miteigentümer
darüber ab, ob die Beteiligte zu 1 weiterhin für sie als Verwalterin tätig sein sollte oder
der Beteiligte zu 36.
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Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinschaftsordnung, die Anlage der notariellen
Teilungserklärung ist, entscheiden die Eigentümer mit einfacher Mehrheit nach
Miteigentumsanteilen. § 8 Abs. 3 Satz 6 der Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass
Vertretungsvollmachten dem Verwalter schriftlich vorzulegen sind.
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In den notariell beglaubigten Kaufverträgen zwischen dem Verkäufer, der Fa. D...,
Inhaber U... D..., und den Erwerbern des Wohnungseigentums ist folgende Klausel
enthalten:
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"Der Verkäufer ermächtigt hiermit den Käufer, bereits ab dem Tag des
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Besitzübergangs an seiner Stelle das Stimmrecht in den
Eigentümerversammlungen nach seinem eigenen Ermessen auszuüben. Soweit
eine Verwaltervollmacht bisher bestand, wird sie vom Käufer mit dem gleichen
Inhalt erteilt. Umgekehrt bevollmächtigt hiermit der Käufer den Verkäufer, auch
nach Erwerb den Käufer in den Eigentümerversammlungen umfassen zu vertreten,
sofern nicht der Käufer als neuer Eigentümer selbst an den
Eigentümerversammlungen teilnimmt, insoweit also das Stimmrecht auch weiterhin
umfassend auszuüben, insbesondere auch den Verwalter zu bestellen oder
abzuberufen. Diese Bevollmächtigung ist zeitlich befristet auf die Dauer von 5
Jahren ab Vollzug der Auflassung..."
Die Miteigentümer Z..., K..., J..., F..., K..., R..., P..., D..., N..., S...und K... hatten der
Miteigentümerin D... für die Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 schriftliche
Vollmachten erteilt. Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 war durch
Einzelvollmachten der Miteigentümer B..., R... und O... mit der Vertretung beauftragt.
Darüber hinaus nahm er aufgrund der vorgenannten Klausel in den Kaufverträgen die
Vertretung der oben genannten Eigentümer mit Ausnahme der Eigentümer J..., F... und
S... ebenfalls in Anspruch.
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In der Eigentümerversammlung entstand unter den Anwesenden Streit über die Frage,
wer zur Vertretung der nicht anwesenden Miteigentümer bei der Abstimmung berechtigt
sei. Um zu einem Ergebnis zu gelangen, einigte man sich darauf, dass zunächst die
persönlich anwesenden Miteigentümer abstimmen sollten. Danach entfielen auf den
Beteiligten zu 36/255,06/1000 Stimmanteile. Sodann stimmte Frau D... für die von ihr
allein vertretenen Eigentümer J..., F... und S... ab, womit der Beteiligte zu 36 weitere
95,94/1000 Stimmanteile erhielt. Weiterhin stimmte sie für den Beteiligten zu 36
aufgrund der ihr von den Miteigentümern Z..., K..., K..., R..., P..., D..., N... und K... erteilten
Vollmachten ( 260,56/1000 Anteile ). Im Anschluss daran stimmte auch der
Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 aufgrund der Vollmachten in den Kaufurkunden im
Namen der vorgenannten Miteigentümer ab, und zwar für die D... GmbH. Die Beteiligte
zu 1 erhielt darüber hinaus 388,44/1000 Stimmanteile.
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Die Beteiligte zu 1 hat im vorliegenden Verfahren beantragt, festzustellen, dass sie
durch die Wahl vom 12. September 2001 zur Verwalterin bestellt worden sei. Sie hat
geltend gemacht, die aufgrund der Doppelvertretung abgegebenen Stimmen seien
ungültig. Sie habe daher die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können.
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Die Beteiligten zu 2 haben demgegenüber beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte
zu 36 als neuer Verwalter gewählt worden sei.
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Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und dem Antrag
der Beteiligten zu 2 stattgegeben. Die Beteiligte zu 1 hat sofortige Beschwerde
eingelegt, die beim Landgericht ohne Erfolg geblieben ist. Gegen den Beschluss des
Landgerichts wendet sich die Beteiligten zu 1 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.
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Die Beteiligten zu 2 und 3 bis 19 sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.
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In der Eigentümerversammlung vom 15.02.2003 fassten die Wohnungseigentümer
einstimmig folgenden Beschluss:
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"Aus Gründen äußerster Vorsorge für den Fall einer von den Vorinstanzen
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abweichenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem anhängigen
Verfahren zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Firma D... GmbH wird erklärt:
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist den anwesenden Wohnungseigentümern
nach Treu und Glauben die Fortsetzung einer Zusammenarbeit mit der Firma D... GmbH
als Verwalterin nicht mehr zuzumuten; das Vertrauensverhältnis ist nachhaltig zerstört.
Aus diesen Gründen wird die Firma als Verwalterin abberufen."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist gemäß §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1
WEG, §§ 27, 22 FGG zulässig. Insbesondere ist nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis
durch den Beschluss der Eigentümer vom 15.02.2003 entfallen. Dieser sollte nach dem
ausdrücklich erklärten Willen der Eigentümer lediglich hilfsweise für die Zukunft
Wirkung entfallen, sofern der von der Beteiligten zu 1 im vorliegenden Verfahren zur
Entscheidung gestellte Feststellungsantrag Erfolg haben würde. Ein solcher Beschluss
lässt das Rechtsschutzbedürfnis für das Feststellungsbegehren der Beteiligten zu 1
unberührt.
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Das Rechtsmittel ist indes sachlich nicht begründet, denn die Entscheidung des
Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar sei der
Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 aufgrund der notariell beurkundeten Kaufverträge
berechtigt gewesen, die nicht anwesenden Miteigentümer in der
Eigentümerversammlung vom 12. September 2002 zu vertreten, denn er habe als
Inhaber der Fa. D..., der Nachfolgefirma der Verkäuferin, gehandelt. Aber auch Frau D...
sei aufgrund der ihr ausdrücklich erteilten Vollmachten zur Vertretung bei der
Stimmabgabe berechtigt gewesen. Die Stimmabgabe durch Herrn D... habe indes keine
Rechtswirkung entfaltet, da Frau D... bereits zuvor von dem Stimmrecht Gebrauch
gemacht hätte und dieses damit verbraucht war. Jeder Eigentümer dürfe nur ein Mal
abstimmen und nicht zweimal nacheinander und gegensätzlich. Insgesamt seien somit
auf den Beteiligten zu 36/611, 56/1000 Stimmanteile entfallen, so dass er mehrheitlich
zum neuen Verwalter der Eigentumsanlage bestellt worden sei.
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2. Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung im
Ergebnis stand.
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Das Landgericht hat zunächst zu Recht festgestellt, dass die in den notariell
beurkundeten Kaufverträgen enthaltenen Vollmachten dem Inhaber der Verkäuferfirma,
Herrn D..., grundsätzlich wirksam erteilt worden waren und bis zur
Eigentümerversammlung vom 12.9.2001 auch nicht widerrufen waren. Insbesondere
liegt kein stillschweigender Widerruf in der Erteilung gesonderter Vollmachten an die
Miteigentümerin D..., da es insoweit an einem Erklärungsbewusstsein der betroffenen
Eigentümer fehlte. Auch die Frau D... erteilten Vollmachten waren wirksam erteilt. Die im
Kaufvertrag erteilte Bevollmächtigung an den Veräußerer schließt eine anderweitige
Bevollmächtigung nicht aus. Nach dem Sinn und Zweck der dortigen Regelung sollte
die ordnungsgemäße Durchführung der Eigentümerversammlungen gesichert und
insbesondere vermieden werden, dass diese wegen fehlender Beschlussfähigkeit nicht
abgehalten werden können. Weder ein genereller Widerruf noch eine anderweitige
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Bevollmächtigung für einen Einzelfall sind danach ausgeschlossen. Folgerichtig hat die
Beteiligte zu 1 auch die ihr ( nach der Eigentümerversammlung vom 11.09.2001 )
zugegangenen Widerrufserklärungen ausdrücklich akzeptiert und nicht etwa die
Auffassung vertreten, dass die Vollmachten bis zum Ablauf der in den Kaufverträgen
genannten Frist ( fünf Jahre ab Eintragung ) unwiderruflich seien.
Die der Miteigentümerin D... für die Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 erteilten
Vollmachten haben nach Ansicht des Senats gemäß § 8 der zur Teilungserklärung
gehörenden Gemeinschaftsordnung Vorrang vor den in den schuldrechtlich
abgeschlossenen Kaufurkunden enthaltenen Vollmachten. Nach dieser Bestimmung
sind dem Verwalter schriftliche Vertretungsvollmachten für die Eigentümerversammlung
vorzulegen. Wenn aber eine Vertretung aufgrund schriftlich erteilter Vollmacht
ausdrücklich und ohne weitere Einschränkungen vorgesehen ist, kann diese Regelung
im Zusammenhang mit den Vollmachten in den Kaufurkunden nur so verstanden
werden, dass die im Einzelfall erteilten Vollmachten vorrangig sind und die in den
Kaufurkunden enthaltenen Bevollmächtigungen lediglich - subsidiär - dann zum Zuge
kommen sollten, wenn die in einer Eigentümerversammlung nicht anwesenden
Miteigentümer keine besondere Vollmacht erteilt hatten. Damit ist einerseits dem
Interesse des Verwalters an der Beschlussfähigkeit einer Eigentümerversammlung
genüge getan, andererseits aber auch die Möglichkeit einer nach der
Gemeinschaftsordnung ausdrücklich vorgesehenen Bevollmächtigung eines anderen
Vertreters gewährleistet. Eine solche Auslegung der in der Teilungserklärung
enthaltenen Bestimmung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbständig
vorzunehmen hat, berücksichtigt schließlich auch die Tatsache, dass grundsätzlich in
der Erteilung einer neuen Vollmacht ein stillschweigender Widerruf früher erteilter
Bevollmächtigungen liegt.
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Damit hat die Miteigentümerin D... in der Eigentümerversammlung vom 12.09.2001 die
Miteigentümer Z..., K..., K..., R..., P..., D..., N... und K... bei der Abstimmung über die Wahl
des Verwalters wirksam vertreten, so dass der Beteiligte zu 36 mehrheitlich als neuer
Verwalter bestellt worden ist.
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Amts- und Landgericht haben somit den Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1 zu
Recht zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde konnte danach keinen Erfolg
haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für eine Erstattungsanordnung
hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten war kein
Raum.
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