Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.05.2005

OLG Düsseldorf: schutz der kinder und jugendlichen, zugang, anbieter, neues vorbringen, besondere gefahr, restriktive auslegung, irreführende werbung, post, minderjähriger, daten

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 143/04
Datum:
24.05.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 143/04
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Juli 2004 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
es zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Rechts ein
Jugend-schutzsystem für pornografische Internetinhalte im Sinne der §§
184 StGB, 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV in Verkehr zu bringen,
anzubieten, zugänglich zu machen, zu bewerben sowie insbesondere
gegenüber denjenigen Kun-den, die bisher Zugang zu pornografischen
Inhalten über das Jugend-schutzsystem der Beklagten - sogenannte
Bestandskunden - erlangen, zu betreiben und/oder zu betreuen, das
nutzerseitig auf der Eingabe der Per-sonalausweisnummer oder
Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer
Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Post-leitzahl - sowie der
hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei eine
persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nut-zers, etwa im
Rahmen des Post-Ident-Verfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 1/4 und hat die
Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 250.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicher-heit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien sind jeweils Anbieter von sogenannten Altersverifikationssystemen (AVS),
welche sie unter anderem Betreibern von Internetseiten anbieten, die im Internet
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pornografische Abbildungen mit der Altersfreigabe "FSK 18" vertreiben. Das von der
Beklagten angebotene Altersverifikationssystem "ueber 18.de" schränkt den Zugang zu
Internetseiten in der Weise ein, dass vor der Zugangsgewährung eine Personalausweis-
oder Reisepassnummer angegeben werden muss. In der "Version 1" ist zusätzlich zu
der Angabe der Ausweisnummer die Angabe der Postleitzahl des Ausstellungsortes
erforderlich. In der "Version 2" ist des weiteren die Angabe eines Namens, einer
Adresse und die Angabe einer Kreditkartennummer oder einer Bankverbindung zum
Zwecke der Überweisung eines Betrags von 4,95 EUR erforderlich. Nach dem
Vorbringen der Klägerin existiert darüber hinaus eine "Version 0" des
Altersverifikationssystems, die ausschließlich die Eingabe einer Personalausweis- oder
Reisepassnummer erfordert.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Beklagte gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und gegen § 184 c StGB n.F. (§ 184 Abs.
1 Nr. 2 StGB a.F.) verstoße, wenn sie ihr Altersverifikationssystem Anbietern von
Internetseiten mit pornografischen Darstellungen zur Verfügung stelle. Da - wie
zwischen den Parteien unstreitig ist - bei der Abfrage der Ausweisnummern nicht
kontrolliert wird, ob diese tatsächlich an Erwachsene vergeben sind, sondern lediglich
ob diese in ihrer Zusammensetzung bestimmten Vorgaben entsprechen, die bei der
Vergabe von Personalausweisnummern an Erwachsene stets eingehalten werden,
könne sich jeder Jugendliche z.B. über im Internet frei zugängliche sogenannte
"Personalausweisnummer-Generatoren" eine Ausweisnummer verschaffen, welche den
formalen Kriterien entspreche und daher von dem AVS der Beklagten als gültig
angesehen werde. Überdies könnten sich Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld
Ausweise Erwachsener ausleihen und die entsprechenden Daten übertragen. Der in der
"Version 2" für den Zugang erforderliche Zahlungsvorgang des Kunden biete ebenfalls
keinen hinreichenden Schutz, weil Minderjährige durchaus Zugang zu eigenen oder
fremden Kreditkarten hätten oder über ein eigenes Girokonto verfügten. Werde das AVS
der Beklagten auf Internetseiten mit pornografischem Inhalt eingesetzt, werde daher
nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV "sichergestellt", dass diese nur
Erwachsenen zugänglich gemacht würden. Dass die Beklagte nicht selbst Anbieterin
pornografischer Telemedien und damit nicht unmittelbare Normadressatin des § 4 Abs.
2 Satz 2 JMStV sei, ändere nichts an ihrer Verantwortlichkeit für das Zugänglichmachen
von Internetseiten pornografischen Inhalts, auf denen ihr AVS eingesetzt werde. Denn
sie ermögliche den Anbietern dieser Seiten die Verbreitung ohne ausreichenden
Minderjährigenschutz, indem sie ihnen ihr AVS zur Verfügung stelle. Sie sei daher
"geradezu die Zentralgestalt der Zugangsgewährung" zu pornografischen Inhalten ohne
hinreichenden Minderjährigenschutz. Da die Beklagte - unstreitig - auf ihrer Homepage
"ueber 18.de" einen Katalog mit Anbietern, die ihr AVS einsetzten, zur Verfügung stelle,
werde die Wahrscheinlichkeit des Zugangs minderjähriger Nutzer durch Bündelung der
Angebote sogar erheblich erhöht.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, dass viele Pornografieanbieter im Internet aus
eigenem Interesse auf ihr Altersverifikationssystem zurückgriffen, um eine Strafbarkeit
wegen Zugänglichmachens von Pornografie an Minderjährige zu verhindern. Ihr AVS
sei hierzu auch tatsächlich geeignet. In der Version 1, in der neben der
Personalausweis- oder Reisepassnummer auch die Postleitzahl des Austellungsorts
angegeben werden müsse, überprüfe das System neben der Gültigkeit der Nummer
auch die Übereinstimmung zwischen Behördenkennzahl und Postleitzahl des
Ausstellungsorts. Soweit die Klägerin behaupte, dass bei der Abfrage der
Reisepassnummern die Postleitzahl des Ausstellungsorts nicht angegeben werden
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müsse, sei dies unzutreffend. Einzelne Nutzer ihres AVS hätten die Abfrage der
Postleitzahl bei der Eingabe der Reisepassnummer entgegen ihrer, der Beklagten,
Empfehlung von sich aus "abgestellt". In der Version 2 registriere ihr AVS, ob das von
dem Nutzer angegebene Konto oder die Kreditkarte tatsächlich existierten. Spätestens
bei Abbuchung des Betrags in Höhe von 4,95 EUR werde dem Nutzer bzw.
Kontoinhaber ein etwaiger Missbrauch seiner Daten durch Minderjährige bekannt. Die
angebliche "Version 0" existiere nicht. Hierbei handele es sich um eine Abwandlung der
Version 1, bei der sich der Nutzer nicht fest registrieren lassen müsse. Hierbei müsse er
seine Personalausweisnummer angeben. Ansonsten sei die Wirkungsweise mit der der
Version 1 identisch. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass Jugendliche das AVS
"ueber 18.de" in signifikanter Zahl umgangen hätten. Ihr, der Beklagten, sei lediglich ein
Einzelfall eines angeblichen Missbrauchs ihres Systems durch einen Minderjährigen
bekannt geworden, bei dem ein Erziehungsberechtigter von vier Kindern angegeben
habe, er könne es nicht völlig ausschließen, dass eines seiner Kinder seinen
Personalausweis entwendet habe, um diesen für die Eingabe von Daten in das AVS der
Beklagten zu benutzen. Sie, die Beklagte sei im übrigen nicht Normadressat der §§ 4
Abs. 2 Satz 2 JMStV, § 184 StGB. Die Auslegung des Begriffs des "Sicherstellens" in
den genannten Vorschriften, dürfe mit Blick auf die berührten Grundrechte aus Art. 5, 12
und 6 GG nicht zu restriktiv erfolgen. Hieraus ergebe sich, dass ihr System den
Anforderungen genüge, da es für Minderjährige im Normalfall ein tatsächliches
Hindernis dagegen aufbaue, an im Internet angebotene pornografische Darstellungen
zu gelangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird
auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die zwischen den Parteien in
dieser Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aus § 1
UWG a.F., der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Norm, folge
kein Verbot des Handelns mit einem Altersverifikationssystem ohne persönliche
Identifikation mit Altersprüfung des Nutzers. Der Begriff der Sittenwidrigkeit im Sinne des
§ 1 UWG a.F. sei wettbewerbsbezogen auszulegen. Der Vertrieb des beanstandeten
AVS stelle keine Maßnahme dar, von der eine besondere Gefahr für die Lauterkeit des
Wettbewerbs ausgehe. Die Anforderungen, die an Altersverifikationssysteme zu stellen
seien, seien gesetzlich nicht geregelt. Die Normen der §§ 184 StGB, 4 Abs. 2 Satz 2
JMStV seien nicht unmittelbar an die Beklagte gerichtet. Selbst wenn man unterstelle,
dass die von der Beklagten vertriebenen Altersverifikationssysteme unzureichend seien,
ergebe sich kein Verstoß gegen Jugendschutznormen. Die konkreten Anforderungen
seien insoweit gesetzlich nicht geregelt. Es sei nicht Sache des Wettbewerbsrechts,
einen vom Gesetzgeber belassenen Freiraum durch ein allgemeines Verbot zu
beschneiden oder den unbestimmten Rechtsbegriff einer Norm auszufüllen. Dass nur
die persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung eine effektive
Zugangsbeschränkung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV darstelle, könne nicht
festgestellt werden. Eine Anstiftung oder Beihilfe zur Verbreitung pornografischer
Schriften im strafrechtlichen Sinne könne der Beklagten bereits deshalb nicht
vorgeworfen werden, weil bei der Veräußerung der Systeme offen sei, wie und für
welche Angebote diese eingesetzt würden. Aus dem Umstand, dass die Beklagte ihr
AVS im Internet als kostenloses Jugendschutzsystem nach § 184 StGB vorgestellt habe,
folge nichts Gegenteiliges. Inwieweit dieser Internetauftritt eine irreführende Werbung
darstelle, habe die Kammer nicht zu entscheiden, da die Klägerin keinen Anspruch auf
Unterlassung einer bestimmten Werbemaßnahme begehre, sondern generell die
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Werbung für das Produkt verbieten wolle.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und
fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie unter Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens geltend macht, das Landgericht habe die Auslegung des
unbestimmten Rechtsbegriffs "sicherstellen" in § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV unterlassen.
Nach der Rechtsprechung des BGH greife § 1 UWG a.F. ohne weiteres bei Verstößen
gegen sittlich fundierte und wertbezogene Normen ein. In der Rechtsprechung sei
einhellig anerkannt, dass die Missachtung geltender Normen der Jugendschutzgesetze
zugleich einen Verstoß gegen Wettbewerbsvorschriften begründeten, weil es sich um
sittlich fundierte Normen handele, bei denen wegen des betroffenen
Allgemeininteresses der Wettbewerbsverstoß stets wesentlich sei. Das Landgericht
habe auch rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen § 184 Abs. 1 StGB verneint. Die
Beklagte sei durch den Vertrieb ihres AVS "Zentralgestalt" beim Anbieten
pornografischer Inhalte. Die Computersysteme, auf denen das "ueber 18.de"-System
laufe und auf denen die Nutzerdaten gespeichert bzw. verwaltet würden, werde nicht
etwa von den einzelnen Vertragskunden (Webmastern), sondern allein von der
Beklagten betrieben und administriert. Sie bestimme darüber, wer einen Zugriff auf
pornografische Inhalte erhalte. Sofern das pornografische Angebot kostenpflichtig sei,
ziehe die Beklagte die anfallenden Beträge der bei ihr registrierten Kunden ein und leite
einen Teil hiervon an den Anbieter der Inhalte weiter. Der "Löwenanteil" verbleibe bei
der Beklagten. Das Angebot der Beklagten bestehe also gerade nicht in dem
einmaligen Verkauf einer Software, die dann für beliebige Zwecke eingesetzt werden
könne. Sie kontrolliere vielmehr ständig und ohne Einfluss von einzelnen Homepage-
Betreibern den Zugang zu deren pornografischen Angeboten.
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Die Klägerin beantragt,
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1. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28.7.2004 - 12 O 19/04 - abzuändern
und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geltungsbereich des
deutschen Rechts ein Jugendschutzsystem für pornografische Internetinhalte im
Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV in Verkehr zu bringen,
anzubieten, zugänglich zu machen, zu bewerben sowie insbesondere gegenüber
denjenigen Kunden, die bisher Zugang zu pornografischen Inhalten über das
Jugendschutzsystem der Beklagten (sogenannte Bestandskunden) erlangen, zu
betreiben und/oder zu betreuen, das nutzerseitig auf der Eingabe der
Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit
Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl -
sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei eine
persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers, etwa im Rahmen des
Post-Ident-Verfahrens, bei einer Registrierung erfolgt, hilfsweise
2. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28.7.2004 - 12 O 19/04 - abzuändern
und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geltungsbereich des
deutschen Rechts durch das Inverkehrbringen, Betreiben, Anbieten, Betreuen und
Bewerben des Alterszugangskontrollsystems "ueber 18.de" oder eines anderen
Systems, das nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder
Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer
Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf
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beruhenden Verifikation des Alters basiert, pornografische Angebote nach § 184
Abs. 1 StGB im Internet zugänglich zu machen, ohne dass bei der
Zugangskontrolle eine persönliche Identifikation mit Volljährigkeitsüberprüfung
des Nutzers, etwa im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens, bei seiner Registrierung
erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens. Sie macht geltend, das neue Vorbringen der Klägerin betreffend ihre, der
Beklagten, Rolle im Zusammenhang mit dem Vertrieb von pornografischen
Darstellungen sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Es sei zudem unwahr,
denn die Schlüsselrolle beim Vertrieb pornografischer Inhalte im Internet hätten die
einzelnen Anbieter selbst. Diese entschieden frei darüber, ob und welches AVS sie
einsetzten. Pornografie sei im Internet allzeit leicht verfügbar und abrufbar, ohne dass
zuvor irgendein Jugendschutzsystem vorgeschaltet sei. Deshalb fehle es an der
Voraussetzung des § 3 UWG, dass der Wettbewerb "nicht nur unerheblich"
beeinträchtigt werde. Der Hilfsantrag der Klägerin sei unzulässig, da hiermit ein neuer
Streitgegenstand eingeführt werde. In "jüngster Zeit", nach Abschluss des
erstinstanzlichen Verfahrens habe sich herausgestellt, dass die Behauptung der
Klägerin, ihr AVS "X-Check" stelle durch das Post-Ident-Verfahren sicher, dass nur
Erwachsene Zugang zu den Internetseiten mit pornografischem Inhalt erhielten, unwahr
sei. Weder Alt- noch Neukunden der Klägerin seien durchgehend mittels des Post-Ident-
Verfahrens auf ihre Volljährigkeit überprüft worden.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr.
11 UWG n.F, den auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch
anwendbaren Vorschriften.
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a) Das Angebot und der Vertrieb des Altersverifikationssystems der Beklagten "ueber
18.de" verstößt, wenn es für die Gewährung des Zugriffs auf Internetseiten eingesetzt
wird, welche pornografische Darstellungen enthalten, in sämtlichen hier in Frage
stehenden Versionen, gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sowie § 184 c StGB n.F. (§ 184
Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.).
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Der zwischen den Bundesländern geschlossene Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
dient gemäß seinem § 1 dem einheitlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor
Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die ihre
Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden. Gemäß § 4 Abs. 2 JMStV
sind Angebote in diesen Medien unzulässig, wenn sie "in sonstiger Weise"
pornografisch - d.h. nicht in qualifizierter Weise gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 9-11 JMStV - sind,
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es sei denn, dass "von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur
Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe)". Gemäß §
184 c StGB n.F. (in Kraft seit dem 1. April 2004) wird bestraft, wer eine pornografische
Darbietung durch Rundfunk-, Medien- oder Teledienste verbreitet. In den Fällen der
Verbreitung "einfacher" pornografischer Darstellungen im Sinne des § 184 Abs. 1 Satz 1
StGB ist der Tatbestand des § 184 c Satz 1 StGB nicht erfüllt, wenn durch technische
oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass die pornografische Darbietung
Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich ist.
Ein "Sicherstellen" der Ausschließung Minderjähriger von pornografischen
Darbietungen im Internet wird durch Altersverifikationssysteme, wie sie die Beklagte
anbietet und vertreibt, nicht gewährleistet, da die hierdurch getroffenen Vorkehrungen
nicht ausreichend sind, um den Zugang Minderjähriger zu pornografischen Inhalten
regelmäßig zu verhindern.
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Der Senat schließt sich der in der bisherigen strafrechtlichen Judikatur (vgl. OLG
Düsseldorf MMR 2004, 409; KG Berlin MMR 2004, 478) sowie dem überwiegenden
Schrifttum (vgl. Döring, MMR 2004, 231; Liesching, MMR, Heft 2/2004, Seite VII;
Erdemir, MMR, Heft 2/2004, Seite VI) vertretenen Auffassung an, wonach ein
Zugänglichmachen im Sinne des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. (§ 184 c StGB n.F.) nur
dann nicht vorliegt bzw. ein "Sicherstellen" im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV nur
dann gewährleistet ist, wenn zwischen der pornografischen Darstellung und dem
Minderjährigen eine "effektive Barriere" besteht, die er überwinden muss, um die
Darstellung wahrnehmen zu können (so BGH NJW 2003, 2838 für
Automatenvideothek). Die Voraussetzungen, unter denen das Altersverifikationssystem
"ueber 18.de" in den Versionen 1 und 2 den Zugriff auf hierdurch geschützte
Internetinhalte gewährt, bilden keine solche effektive Barriere zwischen den Inhalten der
Internetseite und einem potentiellen minderjährigen Nutzer. Dabei kann es dahinstehen,
ob die Beklagte noch ein System anbietet, welches allein auf der Eingabe von
Personalausweis- oder Reisepassnummer basiert. Denn auch in Verbindung mit der
Angabe der Postleitzahl des Ausstellungsorts und der Überprüfung der
Übereinstimmung zwischen Behördenkennziffer und Ausstellungsort sowie in der
zusätzlichen Auslösung eines Zahlungsvorgangs durch Eingabe von Kontonummer und
Bankleitzahl oder Kreditkartennummer bietet das System der Beklagten keine
hinreichende Sicherheit vor dem Zugriff Minderjähriger auf die hierdurch geschützten
Internetseiten. Dass die Überprüfung der Personalausweis- oder Reisepassnummern
auf ihre "Gültigkeit", d.h. darauf, ob sie den Charakteristika, die tatsächlich vergebene
Nummern aufweisen, entsprechen, keine sichere Zugangskontrolle darstellt, ergibt sich
bereits daraus, dass derartige Nummern, wie die Beklagte nicht in Abrede stellt, über im
Internet ohne weiteres auffindbare, frei zugängliche Programme berechnet werden
können. Auch wenn, wie nach der Darstellung der Beklagten in der "Version 1" eine
Eingabe der Postleitzahl des Ausstellungsorts erforderlich ist und das System einen
Abgleich mit der in der Personalausweisnummer enthaltenen Behördenkennzahl
vornimmt, besteht zum einen die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Jugendliche sich
Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschaffen und mit deren Hilfe
das Altersverifikationssystem durch Eingabe "echter" Daten ohne weiteres überwinden.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin, die sich hierbei auf
veröffentlichte Rechtsliteratur (Liesching MMR 2004, 481 f.; Döring/Günter MMR 2004,
231, 233) stützen kann, ist eine Umgehung auch ohne "echte" Ausweispapiere möglich,
da im Internet Postleitzahlen mit den dazugehörigen Behördenkennziffern aufzufinden
sind.
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Auch in der Version 2 schließt das System der Beklagten den Zugriff Jugendlicher nicht
sicher aus. Es gibt eine Vielzahl von Jugendlichen, die über eigene Girokonten
verfügen. Ferner können Kinder und Jugendliche sich in ihrem Umfeld Kreditkarten oder
Bankunterlagen Dritter beschaffen. Dass in Fällen, in denen Jugendliche Bankdaten
z.B. ihrer Eltern ohne deren Zustimmung benutzen, der hierdurch ausgelöste
Zahlungsvorgang bei der entsprechenden Buchung auf dem Konto zutage tritt, ändert
nichts daran, dass die Notwendigkeit, einen Zahlungsvorgang auszulösen, kein
ausreichendes Zugangshindernis darstellt. Wie auch der 5. Strafsenat des OLG
Düsseldorf (MMR 2004, 410) ausgeführt hat, ist nach der Lebenserfahrung damit zu
rechnen, dass Kinder und Jugendliche ungeachtet der Gefahr der "Entdeckung"
durchaus nicht selten verhältnismäßig einfache Umgehungsmöglichkeiten nutzen, um
an Darstellungen mit Inhalten zu gelangen, von denen sie eigentlich ausgeschlossen
werden sollen, die aber gerade deshalb einen besonderen Reiz auf sie ausüben.
Angesichts des relativ geringfügigen Betrags, der für den Zugang abgebucht wird,
werden viele Kinder und Jugendliche darauf vertrauen, dass die Buchung nicht auffällt,
wenn sie sich überhaupt Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns machen,
wovon bei Kindern und Jugendlichen nicht regelmäßig ausgegangen werden kann. Bei
der Vielzahl von Jugendlichen, die über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig
kontrolliertes Girokonto verfügen, ist der Zahlungsvorgang von vornherein nicht
geeignet, eine gegenüber der bloßen Eingabe von Personalausweisnummern wirksame
Zugangsbeschränkung zu gewährleisten.
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Diese offensichtlichen Möglichkeiten für Minderjährige, über das AVS der Beklagten auf
die hierdurch geschützten Internetseiten zu gelangen, führt auch nach Auffassung des
Senats dazu, dass das AVS "ueber 18.de" keine effektive Barriere bildet, um Kinder und
Jugendliche von der Wahrnehmung von Internetseiten mit pornografischem Inhalt
fernzuhalten. Soweit die Beklagte im Anschluss an die Privatgutachten Berger
(veröffentlicht in MMR 2003, 773-778) sowie Schumann (nicht veröffentlicht) zu der
Einschätzung gelangt, jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung der
Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sowie § 184 c StGB seien die von ihr
angebotenen Altersverifikationssysteme geeignet, den Ausschluss Minderjähriger
"sicherzustellen", vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Dem Argument der Beklagten,
eine restriktive Auslegung der vorgenannten Vorschriften sei geboten, da nicht
bewiesen sei, dass pornografische Darstellungen jugendgefährdende Wirkung hätten,
überdies laufe angesichts der Vielzahl von im Internet frei zugänglichen pornografischen
Darbietungen ausländischer Anbieter eine Zugangsbeschränkung ohnehin ins Leere, ist
nicht zu folgen, weil der Gesetzgeber, wie u.a. die Neuregelung des § 184 c StGB zeigt,
von seiner Einschätzungsprärogative dahin Gebrauch gemacht hat, dass Jugendliche
von pornografischen Inhalten, auch wenn sie im Internet angeboten werden, im
Geltungsbereich deutscher Gesetz möglichst wirksam ausgeschlossen werden sollen.
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Auch mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält
der Senat eine andere Auslegung der vorgenannten jugendschutz- und strafrechtlichen
Bestimmungen nicht für geboten. Die Ansicht, eine Zugangsbeschränkung durch
persönliche Kontrolle etwa im Post-Ident-Verfahren sei bereits nicht geeignet, um
Jugendliche von Internet-Auftritten mit pornografischem Inhalt fernzuhalten, weil diese
ohne weiteres auf ausländische Angebote ohne jede Zugangsbeschränkung zugreifen
könnten, hält der Senat nicht für überzeugend. Dass über das Internet
jugendgefährdende Angebote vom Ausland aus betriebener Websites zugänglich sind,
die der deutsche Gesetzgeber nicht verhindern kann, ändert nichts an seiner Befugnis,
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dem deutschen Recht unterworfenen Anbietern aufzulegen, den Zugang Minderjähriger
zu pornografischen Darstellungen im Internet durch eine "effektive Barriere" zu
verhindern. Wie Döring, MMR 2004, 235 f zutreffend ausgeführt hat, ist deshalb der
Umstand, dass ausländische Internetangebote mit jugendgefährdendem Inhalt für
Jugendliche zugänglich sind, nicht geeignet, eine Freizeichnung von Anbietern im
Geltungsbereich der deutschen Jugendschutzbestimmungen zu rechtfertigen. Geeignet
für eine zuverlässige Alterskontrolle, die den Zugang Jugendlicher zu Internetseiten mit
pornografischem Inhalt, die von deutschen Anbietern betrieben werden, im Regelfall
verhindert, ist etwa die im Rahmen eines persönlichen Kontakts erfolgende Überprüfung
des Alters des Nutzers im Wege des Post-Ident-Verfahrens. Dass hierdurch die
Grundrechte Erwachsener aus Art. 5 Abs. 1 GG auf Wahrnehmung pornografischer
Inhalte im Internet in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, ist nicht
ersichtlich. Auch der Zugang zu Pornografiedarstellungen in anderen Medien wird erst
nach einer Altersüberprüfung im Rahmen eines persönlichen Kontakts gewährt. Die
Einschränkung, die hiermit für Erwachsene verbunden ist, ist wegen der überwiegenden
Belange des Jugendschutzes hinzunehmen.
Wie die Beklagte nicht bestritten hat, stellt sie Anbietern pornografischer Inhalte im
Internet nicht nur ihre Altersverifikationssysteme als Software einmalig zur Verfügung,
sondern ist sie an der Zugangsgewährung selbst beteiligt, indem sie die Seiten, auf
denen ihr AVS installiert ist, nach Eingabe der geforderten Angaben jeweils freischaltet
oder nicht: Sie ist deshalb unmittelbar an den hiermit verbundenen Verstößen gegen
jugendschutzrechtliche Bestimmungen beteiligt, wenn Jugendliche die vorstehend
aufgezeigten Möglichkeiten einer Umgehung des Systems nutzen. Der Vortrag der
Klägerin in der Berufungsinstanz, die Freischaltung der Seiten, auf denen das System
der Beklagten installiert ist, erfolge nicht durch den Anbieter der Seiten mit
pornografischem Inhalt, sondern durch die Beklagte selbst, ist nicht neu im Sinne des §
531 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass der Nutzer
nach der Überprüfung der eingegebenen Daten und nach Akzeptierung der allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse eine
Benutzerkennung zugeschickt erhält (Seite 5 der Klageschrift). Auch dass in der Version
2 die Abbuchung, die zusätzlich zur Abfrage der Personalausweisnummer oder
Reisepassnummer durchgeführt wird, von der Beklagten vorgenommen wird, hat sie
bereits auf Seite 11 der Klageschrift dargetan. In ihrem Schriftsatz vom 25. Juni 2004
(Seite 17 und 20) hat sie weiter ausgeführt, dass die Beklagte durch ihre Verifizierungen
von Personalausweisnummern rechtswidrig handele und geradezu als "Zentralgestalt
der Zugangsgewährung zu pornografischen Inhalten ohne hinreichenden
Minderjährigenschutz" anzusehen sei (Seite 20 des vorgenannten Schriftsatzes). Ob
das Landgericht, wie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nahelegen,
dieses Vorbringen der Beklagten dahin verstanden hat, dass nach dem einmaligen
Zurverfügungstellen der Software durch die Beklagte keine weitere Mitwirkung durch sie
an der Freischaltung der jeweiligen Seiten erfolgt, kann dahinstehen. Denn die Klägerin
hat in der Berufungsinstanz etwaige Unklarheiten in ihrem erstinstanzlichen Vortrag
ausgeräumt, indem sie deutlich gemacht hat, dass die Beklagte in die Freigabe der
durch ihr System geschützten Internetseiten unmittelbar eingebunden ist. Der Senat hat
im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass diese Klarstellung
kein neues Vorbringen im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist. Die Beklagte hat den
entsprechenden Vortrag aber weiterhin nicht konkret bestritten.
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b) Die Mitwirkung der Beklagten an einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. 2 JMStV, § 184
c StGB im Falle des Einsatzes ihres AVS auf Internetseiten mit pornografischem Inhalt
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ist als unlauter im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Denn die genannten Normen
sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu
regeln. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird die in der jüngeren Rechtsprechung des
BGH vorgenommene wettbewerbsbezogene Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit
aufgegriffen, wonach ein Marktverhalten grundsätzlich nicht schon unlauter ist, wenn es
Vorteile aus einem Verstoß gegen ein Gesetz ausnutzt, das - selbst wenn es
wertbezogen ist - keinen auch nur sekundären Marktbezug aufweist (BGH GRUR 2000,
1076 - Abgasemissionen; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl.,
§ 4 UWG; Rdnr. 11.5). Wenn das zu überprüfende Wettbewerbsverhalten zugleich
gegen ein Gesetz verstößt, das dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient,
indiziert die Verletzung einer derartigen wertbezogenen Norm nach dieser
Rechtsprechung des BGH grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit. Dies
hat seinen Grund darin, dass es auch dann, wenn die verletzte Norm selbst keinen
unmittelbar wettbewerbsbezogenen Zweck verfolgt, in der Zielsetzung des § 1 UWG
a.F. lag, zu verhindern, dass Wettbewerb unter Missachtung gewichtiger Interessen der
Allgemeinheit betrieben wird (BGH, a.a.O., 1078). Eine weitere Einschränkung unter
dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des § 1 UWG hat der BGH in der vorstehend
zitierten Entscheidung dann vorgenommen, wenn nicht das Wettbewerbsverhalten als
solches gegen ein dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienendes Gesetz
verstößt, sondern der Gesetzesverstoß dem wettbewerblichen Handeln
vorausgegangen ist oder ihm erst nachfolgt. Bei einem solchen nicht mit dem
Wettbewerbsverhalten selbst zusammenfallenden Gesetzesverstoß ist eine zusätzliche
Beurteilung des beanstandeten Normverstoßes danach erforderlich, ob er gerade auch
in seinem Bezug auf das Wettbewerbsgeschehen als sittenwidrig im Sinne des § 1
UWG anzusehen sei (BGH, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Da sich nach dem nicht bestrittenen
Vorbringen der Klägerin die Vertriebshandlungen der Beklagten nicht in der bloßen
Zurverfügungstellung der Software erschöpfen, sondern sie sich bei Implementierung
ihres Altersverifikationssystems auf Internetseiten von Pornografieanbietern selbst
unmittelbar an der Freischaltung der entsprechenden Seiten beteiligt, fällt ein Verstoß
gegen § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sowie § 184 c StGB unmittelbar mit dem beanstandeten
Wettbewerbsverhalten selbst zusammen. Bereits durch die Implementierung ihres
Altersverifikationssystems auf Internetseiten mit pornografischem Inhalt wirkt sie
unmittelbar an dem Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen mit. Sie macht
gemeinschaftlich handelnd mit dem jeweiligen Webmaster Jugendlichen, die das
System entweder durch Einsatz von fiktiven Ausweisnummern oder durch die
Verwendung von Ausweispapieren und Bankunterlagen Erwachsener ihres Umfelds
durchlaufen, die geschützten Internetdarstellungen zugänglich im Sinne der §§ 184 c
StGB, 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV. Die vorgenannten Jugendschutzbestimmungen dienen
dem Schutz von Verbrauchern , zu denen auch Jugendliche zählen, d.h.
Marktteilnehmern im Sinne des § 2 Nr. 2 UWG.
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c) Der Unterlassungsanspruch der Klägerin scheitert auch nicht an der in § 3 UWG
enthaltenen Bagatellklausel. Unlautere Wettbewerbshandlungen sind unzulässig, wenn
sie geeignet sind, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Mitbewerber,
der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Der Umstand,
dass es eine Vielzahl ausländischer Anbieter im Internet gibt, die für ihre
Pornografieangebote überhaupt kein Altersverifikationssystem einsetzen, lässt nicht den
Schluss darauf zu, dass der Einsatz eines nicht den gesetzlichen Vorgaben
entsprechenden AVS den Wettbewerb nur unerheblich beeinträchtigt. Im Hinblick
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darauf, dass deutsche Anbieter von Internetpornografie, die zum Zwecke der
Vermeidung einer strafrechtlichen Verfolgung Altersverifikationssysteme einsetzen,
dazu neigen werden, dasjenige mit den geringsten Hürden auch für erwachsene
Benutzer zu wählen, ist eine spürbare Beeinträchtigung für solche Mitbewerber, die wie
die Beklagte das sogenannte "Postident"-Verfahren einsetzen, zu befürchten, wenn
gleichzeitig Systeme mit erheblich geringeren Zugangshürden angeboten werden. Das
auf einer persönlichen Kontrolle des Alters durch Postbedienstete beruhende Verfahren
wirkt, wie die Beklagte selbst hervorhebt, auf viele erwachsene Benutzer erheblich
abschreckender als die bloße Eingabe der Personalausweisnummer und weiterer
Daten vom eigenen Computer aus. Die nicht dem Geltungsbereich deutscher Gesetze
unterfallenden Anbieter von Pornografie haben für die Beurteilung der Frage, ob die
Mitbewerber spürbar beeinträchtigt werden, außer Betracht zu bleiben. Denn die
Anbieter von Altersverifikationssystemen für den Einsatz auf Webseiten mit
pornografischem Inhalt wenden sich ausschließlich an solche Abnehmer, die zur
Erfüllung von jugendschutzrechtlichen Vorgaben im Inland den Zugang zu ihren
Internetangeboten durch Einsatz eines AVS beschränken wollen. Im Hinblick auf die
erhebliche Bedeutung, die der Gesetzgeber, wie die strafrechtliche Sanktionierung
zeigt, dem Schutz von Jugendlichen - Verbrauchern im Sinne des § 3 UWG - auch im
Bereich der Verbreitung von Pornografie über das Internet beimisst, ist zudem mit Blick
auf den Rang des verletzten Rechtsguts von der Erheblichkeit der
Wettbewerbsbeeinträchtigung zu Lasten der Verbraucher auszugehen( vgl. Köhler,
a.a.O., § 3 UWG, Rdnr. 57).
d) Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte verstoße ebenfalls gegen
jugendschutzrechtliche Bestimmungen, da sie nicht durchweg alle Benutzer mittels des
Postidentverfahrens überprüfe, hat die Beklagte den Vortrag nicht hinreichend
substantiiert. Im übrigen ist der Einwand, dass der Kläger seinerseits in gleicher oder
gleichartiger Weise wettbewerbswidrig handele ("tu quoque" oder "unclean hands")
jedenfalls dann unzulässig, wenn die gerügten Wettbewerbsverstöße zugleich die
Interessen Dritter oder der Allgemeinheit verletzen (vgl. Jestaedt in Ahrens, Der
Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 24, Rdn. 19 m.w.N.). Dies ist hier zu bejahen, da
Belange des Jugendschutzes durch die Wettbewerbsverstöße der Beklagten berührt
sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Klägerin
hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat teilweise
zurückgenommen, indem sie den letzten Halbsatz ihrer Unterlassungsanträge nicht
mehr verlesen hat. Der ursprüngliche Unterlassungsantrag (Hauptantrag) war mit
seinem letzten Halbsatz darauf gerichtet, der Klägerin das Angebot eines
Jugendschutzsystems für pornografische Inhalte auch dann zu untersagen, wenn zwar
bei der Registrierung des Nutzers eine Zugangskontrolle mittels persönlicher
Identifikation stattfand, aber nach dem Durchlaufen dieser ersten Zugangskontrolle und
Ausgabe der Zugangsdaten an den Nutzer keine "wirksame" Verhinderung der
Weitergabe ausgegebener Zugangsdaten erfolgte.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711
ZPO.
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Das Vorbringen der Beklagten in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung
eingegangenen Schriftsatz vom 6.5.2005 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung, da hierin kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen
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enthalten ist.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 500.000 EUR.
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4. Im Hinblick auf die kontrovers diskutierte und - soweit ersichtlich - höchstrichterlich
noch nicht geklärte Frage, wie die Zugangsbeschränkung auf Internetseiten mit
pornografischen Darbietungen auszugestalten ist, um den jugendschutzrechtlichen
Anforderungen zu genügen, und unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen
jugendschutzrechtliche Bestimmungen in diesem Zusammenhang zugleich als unlauter
im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG anzusehen ist, wird die Revision zugelassen (§ 543
Abs. 2 ZPO).
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a. H.
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