Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.09.2007
OLG Düsseldorf: ordentliche kündigung, ausübung der optionen, mietvertrag, berufliche tätigkeit, vermieter, brief, optionsrecht, widerklage, bedingung, kündigungsfrist
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 25/07
Datum:
06.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 25/07
Leitsätze:
Zur Konkurrenz von ordentlichem Kündigungsrecht und Optionsklausel,
wenn der Mietvertrag die Regelung enthält:
1. Das Mietverhältnis beginnt am 01.05.1985 und endet am 30.04.1995.
2. Der Mietvertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn er nicht mit
der or-dentlichen Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief
gekündigt wird.
3. Dem Mieter steht ein 2-maliges Optionsrecht auf eine
Mietvertragsverlänge-rung um bis zu fünf Jahren zu. Dieses Recht hat
der Mieter dem Vermieter ge-genüber spätestens sechs Monate vor
Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen.
4. Über weitere Optionsrechte auf eine Mietverlängerung um bis zu 5
Jahren ist zwischen dem Vermieter und dem Mieter neu zu verhandeln.
Die übrigen Be-stimmungen des gültigen Mietvertrages bleiben davon
unberührt. Ein solches Be-gehren hat der Mieter dem Vermieter
gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per
eingeschriebenen Brief geltend zu machen.“
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. Januar 2007 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 6.Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der landgerichtliche
Ausspruch über die Ab-weisung der Widerklage entfällt.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Die Klägerin verlangt die Räumung der von dem Beklagten angemieteten Praxisräume
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einer Zahnarztpraxis im Haus H. 16 in D. Mit Mietvertrag vom 22. Mai 1985 vermietete
die Klägerin an den Beklagten die streitgegenständlichen Räume bis zum 30.04.1995.
In § 4 des Mietvertrages heißt es: "1. Das Mietverhältnis beginnt am 01.05.1985 und
endet am 30.04.1995. 2. Der Mietvertrag verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn er
nicht mit der ordentlichen Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief gekündigt wird.
3. Dem Mieter steht ein 2-maliges Optionsrecht auf eine Mietvertragsverlängerung um
bis zu fünf Jahren zu. Dieses Recht hat der Mieter dem Vermieter gegenüber spätestens
sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen Brief geltend zu machen. 4. Über
weitere Optionsrechte auf eine Mietverlängerung um bis zu 5 Jahren ist zwischen dem
Vermieter und dem Mieter neu zu verhandeln. Die übrigen Bestimmungen des gültigen
Mietvertrages bleiben davon unberührt. Ein solches Begehren hat der Mieter dem
Vermieter gegenüber spätestens sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen
Brief geltend zu machen." Am 27.09.1994 machte der Beklagte zum erstenmal von
seinem Optionsrecht Gebrauch. Damit verlängerte sich das Mietverhältnis vom
01.05.1995 bis zum 30.04.2000. Am 24.09.2000 teilte der Beklagte der Klägerin erneut
mit, das er von dem Optionsrecht Gebrauch machen wolle. Dem widersprach die
Klägerin mit Schreiben vom 17.10. 2000 und wies den Beklagten darauf hin, dass er die
Option verspätet ausgeübt habe. Der Beklagte verblieb gleichwohl in den Praxisräumen
und setzte seine berufliche Tätigkeit fort. Am 26.04.2002 kündigte die Klägerin zum
30.04.2003. Der Beklagte verblieb mit Einverständnis der Klägerin auch über den
30.04.2003 hinaus in den Mieträumen. Am 20.04.2004 kündigte Klägerin erneut das
Mietverhältnis, diesmal zum 30.04.2005 und widersprach einer Verlängerung. Darauf
erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2004, er wolle sein Recht aus § 4 Absatz
4 des Mietvertrages geltend machen. Die Klägerin hat erstinstanzlich die Räumung und
Herausgabe der Mieträume beantragt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und
hilfsweise widerklagend, für den Fall. dass der Klage stattgegeben wird, beantragt, die
Klägerin zu verurteilen, mit ihm über die Einräumung weiterer Optionsrechte zur
Verlängerung des Mietverhältnisses für jeweils fünf Jahre zu verhandeln. Der Beklagte
vertritt die Auffassung, § 4 Absatz 4 des Mietvertrages verdränge die ordentliche
Kündigung der Klägerin vom 20.04. 2004. Er ist weiter der Auffassung, dass er die ihm
in § 4 Nr. 3 und 4 des Mietvertrages eingeräumten Optionsrechte fristgerecht ausgeübt
habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Der
Beklagte wiederholt die erstinstanzlich eingenommene Rechtsposition zur Auslegung
der vereinbarten Optionsklausel. Er ist weiter der Auffassung, das Landgericht hätte
über die Hilfswiderklage nicht entscheiden dürfen, weil der Antrag nur für den Fall
gestellt worden sei, dass das Landgericht die Klage nur dann abweisen würde, wenn
gleichzeitig oder vorher eine Verurteilung der Klägerin auf Widerklage zur Aufnahme
von Verhandlungen über weitere Optionsrechte erfolge. Da das Landgericht aber –
irrigerweise – der Klage habe stattgeben wollen, sei die innerprozessuale Bedingung für
die Entscheidung über die Widerklage nicht eingetreten. Der Beklagte beantragt,
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1. das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,
2. im übrigen aufzuheben, hilfsweise das Urteil abzuändern und die Klägerin zu
verurteilen, über weitere Optionsrechte auf eine Verlängerung des zwischen den
Parteien unter dem 22.05.1985 abgeschlossenen Mietvertrages über die
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Räumlichkeiten im Hause H. 16, D., im 4. und 5. Obergeschoss mit Nebenräumen
zum Betrieb einer Zahnarztpraxis um bis zu jeweils fünf Jahren mit dem Beklagten
zu verhandeln, weiter hilfsweise vier weitere Optionsrechte auf eine
Mietvertragsverlängerung um bis zu fünf Jahren und eine angemessene oder
ortsübliche Miete, deren genaue Höhe im Streitfall vom Gericht festgesetzt oder
von der Klägerin nach §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen bestimmt wird,
mit dem Beklagten zu vereinbaren.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie macht weiterhin geltend, dass der Beklagte sich nicht auf die Ausübung der
Verhandlungsoption in § 4 Nr. 4 des Mietvertrages berufen könne, weil die Ausübung
der Optionsrecht aus dem Mietvertrag daran scheitere, dass der Beklagte die 2.
Verlängerungsoption nicht fristgemäß ausgeübt habe.
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Wegen des weiteren Sachverhaltes wird gemäß § 540 Absatz 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und auf den weiteren Inhalt der im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist im wesentlichen unbegründet.
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Das angefochtene Urteil beruht, soweit die Klage betroffen ist, weder auf einer
Rechtsverletzung (§§ 513 Absatz 1, 520 Absatz 3 Satz 2 Nr.2, 546 ZPO) noch
rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen ( §§ 520
Absatz 3 Satz 2 Nr.3, 529 ZPO) eine abweichende Beurteilung.
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A. Zutreffend hat das Landgericht den Beklagten für verpflichtet erachtet, die Mieträume
herauszugeben und zu räumen. Denn das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist
spätestens durch die frist- und formgerechte Kündigung der Klägerin vom 20.04.2004
zum 30.04.2005 beendet worden. Die Klägerin hat einer Verlängerung des
Mietverhältnis über den Kündigungszeitpunkt hinaus widersprochen.
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Der Beklagte kann sich nicht mehr auf die Verhandlungsoption des § 4 Nr. 4 des
Mietvertrages berufen. Der Mietvertrag enthält in § 4 Nr. 2 des Mietvertrages eine
Verlängerungsklausel und in Nrn. 3 und 4 eine Optionsklausel. Zutreffend ist der
Beklagte der Ansicht, dass die Optionsklausel das ordentliche Kündigungsrecht der
Vermieterin während des Laufes des befristeten Mietverhältnisses ausschließt. Das in §
5 Nr. 1 des Mietvertrages vereinbarte ordentliche Kündigungsrecht bezieht sich
ersichtlich auf den Fall, dass das Mietverhältnis sich nicht durch die Ausübung des
Optionsrechtes sondern durch die Verlängerungsklausel des § 4 Nr. 2 verlängert hat.
Denn in diesem Fall kann die Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 4 Nr. 2 des
Mietvertrages durch ordentliche Kündigung beendet werden. Der Beklagte hat
allerdings sein Recht auf Ausübung der Verlängerungsoption dadurch verloren, dass er
die zweite Option am 24.09.2000 verspätet und damit unwirksam ausgeübt hat. Damit
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verlängerte sich das Mietverhältnis gemäß § 4 Nr.2 des Mietvertrages bei
Nichtkündigung automatisch um jeweils ein Jahr. Es konnte dann aber von der Klägerin
jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr ordentlich gekündigt werden. Ein
Wiederaufleben der Optionsrechte nach § 4 Nrn. 3 und 4 des Mietvertrages ist
ausgeschlossen, weil die Ausübung der Optionsrechte, und dazu gehört auch die
Verhandlungsoption in § 4 Nr. 4 des Mietvertrages, von einer vorhergehenden
wirksamen und fortlaufenden Optionsrechtsausübung abhängt. Der zwischenzeitliche
Nichtgebrauch einer Option bringt die Optionsrechte insgesamt zum Erlöschen ( vgl.
Oberlandesgericht Hamburg NZM 1998, 333 m.w.N.). Die Auslegung des § 4 des
Mietvertrages, die der Beklagte vornimmt, ist nicht zutreffend. Der Beklagte meint, die
nach § 4 Nrn. 3 und 4 des Mietvertrages vereinbarten Optionsrechte, die nach dem
eindeutigen Wortlaut jeweils sechs Monate vor Vertragsende per eingeschriebenen
Brief geltend zu machen sind, könnten auch dann geltend gemacht werden, wenn die
ursprüngliche Grundmietzeit von zehn Jahren sich aufgrund der automatischen
Verlängerungsklausel des § 4 Nr.2 des Mietvertrages jeweils um ein Jahr verlängert
habe, weil dann sechs Monate vor dem Ablauf dieser einjährigen Verlängerungszeit die
Option auf eine fünfjährige Verlängerung bzw. die Option auf Verhandlung über weitere
Optionsrechte ausgeübt werden könne. Die hier vorliegende Individualvereinbarung ist
gemäß den § 133, 157 BGB auszulegen. Lässt der Wortlaut mehr als eine Auslegung
zu, so gebührt derjenigen der Vorzug, die zu einem widerspruchsfreien Vertragsinhalt
und außerdem zu einer interessengerechten Lösung führt ( vgl. BGH NJW-RR 2003,
1136 m.w.N.;). Die im Mietvertrag verwendete Wortwahl " sechs Monate vor
Vertragsende" ist unpräzise, weil nicht eindeutig ist, ob das Vertragsende der
Grundmietzeit oder einer ausgeübten Verlängerungsoption gemeint ist oder allgemein
jedes Vertragsende. § 4 des Mietvertrages enthält zwei nebeneinander stehende
Verlängerungskonstruktionen. Zum einen die automatische Verlängerung um ein Jahr,
die von beiden Parteien durch fristgebundene Kündigung blockiert werden kann mit der
Folge, dass der Mietvertrag endet. Zum anderen das einseitig vom Mieter auszuübende
Recht auf Verlängerung des Mietvertrages um fünf Jahre, welches zweimal ausgeübt
werden kann, so dass der Mieter auch gegen den Willen des Vermieters eine
Gesamtdauer des Mietverhältnisses von zwanzig Jahren herbeiführen kann. Solange
die Grundmietzeit der ersten zehn Jahre läuft und solange aufgrund einer
Optionsausübung der Vertrag auf weitere fünf Jahre verlängert ist, also die
Optionsklausel vom Mieter aktiviert ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Regelung
das in § 4 Nr.2 des Mietvertrages eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht nicht
greifen. Beide Verlängerungskonstruktionen können nicht gleichzeitig gelten. Das hat
Auswirkungen auf die Frage, ob während des Laufes der automatischen
Verlängerungsklausel noch ein Optionsrecht ausgeübt werden darf. Nach Ansicht des
Beklagten kann auch während der Herrschaft der automatischen Verlängerungsklausel
jederzeit eine noch nicht ausgeübte Option ausgeübt werden und damit die
Anwendbarkeit der automatischen Verlängerungsklausel wieder beseitigen. Ein solches
Verständnis ist jedoch nicht interessengerecht, weil es die Vermieterseite einseitig
benachteiligt. Die Optionsklausel hat wirtschaftlich den Sinn, dem Mieter die Möglichkeit
einer angemessenen Amortisation seiner erheblichen Investitionen dadurch zu geben,
dass er eine genügend lange Mietdauer durch Ausübung der Optionen herbeiführen
kann. Diesem Interesse ist durch eine Mietdauer von zwanzig Jahren ausreichend
Rechnung getragen. Der Vermieter hat andererseits ein berechtigtes Interesse daran,
eine längerfristige Planungssicherheit über die weitere Verwertungsmöglichkeit der
Mietsache zu erhalten. Dieses Interesse wäre nicht berücksichtigt, wenn der Mieter
zunächst die automatische Verlängerungsklausel anlaufen ließe und die für ihn durch
fristgemäße Kündigung des Vermieters, die nach dem Mietvertrag 12 Monate vor dem
Ende der Laufzeit ausgesprochen werden muss, erkennbare Beendigungsabsicht durch
Ausübung der Option durchkreuzen könnte. Hierbei könnte der Mieter eine
Gesamtdauer von weit mehr als zwanzig Jahren gegen den Willen des Vermieters
herbeiführen. Dass die Parteien eine solche Möglichkeit für den Mieter vereinbaren
wollten, ist nicht erkennbar. Eine interessengerechte Auslegung des § 4 des
Mietvertrages führt deshalb dazu, dass die Verlängerungsoptionen nur im Anschluss an
die Grundmietzeit und nur im Anschluss an eine vorhergehende ausgeübte
Verlängerungsoption ausgeübt werden können. Diese Voraussetzungen sind , wie
bereits ausgeführt, nicht gegeben, so dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung
der Klägerin sein Ende gefunden hat. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht
aufgrund der von dem Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Rechtsprechungsübersichten. Den Entscheidungen liegen jeweils andere
Optionsvereinbarungen zugrunde. Auch ist aus den Entscheidungen ersichtlich, dass
die jeweilige Einzelsituation bei der Auslegung die entscheidende Rolle spielt. B. Über
die Widerklage ist nicht zu entscheiden. Wie der Beklagte in der Berufung noch einmal
deutlich gemacht hat, ist die Hilfswiderklage unter die Bedingung gestellt, dass die
Räumungsklage abgewiesen wird. Diese Bedingung liegt nicht vor. Sie lag auch nicht in
erster Instanz vor, so dass über die Widerklage nicht zu entscheiden war. Insoweit war
das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Hilfswiderklage kommt ein eigener Streitwert nicht zu. Die Anordnung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Für die Zulassung der
Revision gem. § 543 ZPO besteht kein gerechtfertigter Anlass. Der Streitwert für das
Berufungsverfahren beträgt 16.128,36 €.