Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.04.2004

OLG Düsseldorf: verrechnung, treu und glauben, fiduziarisches rechtsgeschäft, darlehensvertrag, handelsbrauch, kontokorrent, gesellschaft, rückführung, rückzahlung, verbraucher

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 171/01
Datum:
02.04.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-16 U 171/01
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 3 O 274/00
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juli 2001 verkündete
Teil-anerkenntnis- und Schlussurteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Duis-burg zur Klage abgeändert: Die Klage wird
abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Klägerin
zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch Bürgschaft eines der
Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
unterliegenden Kreditinsti-tuts geleistet werden.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von
190.000 DM mit Zinsen in Anspruch.
2
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 5. Mai 1998 bis zum 31. März 1999 ein
so genannter Geschäftspartnervertrag, nach dem die Beklagte für die Klägerin als
nebenberufliche Versicherungsvertreterin tätig werden sollte.
3
Gemäss Vereinbarungen vom 8. Mai und 19. Juni 1998 erhielt die Beklagte von der
Klägerin Provisionsvorauszahlungen in Höhe von jeweils 10.000 DM, durch weitere
Vereinbarungen erhielt sie für den Monat Juli 1998 eine solche in Höhe von 8.500 DM
und für die Monate August bis Dezember 1998 solche in Höhe von jeweils 7.500 DM.
Die Vereinbarungen enthalten zur Rückführung der Provisionsvorauszahlungen
folgende gleichlautende Regelung:
4
"Die Tilgung erfolgt spätestens zum 1.02.1999 durch Umbuchung des o.g. Betrags zu
5
Lasten der Provisionsguthaben auf dem Geschäftspartnerkonto. Bis zu diesem Termin
erfolgen keine Provisionsauszahlungen an den Geschäftspartner. Sofern die
Provisionsguthaben schon vor Erreichen dieses Termins die Höhe der PVZ
überschreiten, ….Sollten zum 1.02.1999 die Provisionsguthaben zur Tilgung des
Betrages nicht ausreichen, so wird – in Abstimmung mit der Betreuungsgesellschaft –
eine neue Rückführungsvereinbarung … abgestimmt."
Mit Vertrag vom 2. Juni 1998 gewährte die Klägerin der Beklagten daneben zum
Organisationsaufbau ein Darlehen in Höhe von zunächst 150.000 DM, das mit Vertrag
vom 16. Juni 1998 auf 190.000 DM aufgestockt wurde. Der Vertrag vom 2. Juni 1998
lautet auszugsweise wie folgt:
6
§ 3
7
Das verzinsliche Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von mindestens 1.000 DM
beginnend ab 1. Juli 1998 bis zum 1. Dezember 1998 zurückzuzahlen, 2.000 DM
beginnend ab 1. Januar 1999 bis zum 1. Dezember 2005 zurückzuzahlen. Die Tilgung
erfolgt durch Verrechnung mit fälligen Vergütungsansprüchen.
8
Sollte der jeweils fällige Vergütungsanspruch der Beklagten nicht ausreichen, um die
monatliche Mindestrate zu erfüllen, so ist die Beklagte verpflichtet, die Mindestrate per
Überweisung/Einzahlung umgehend zu erbringen.
9
§ 4
10
Das Darlehen ist mit 7,5 % jährlich zu verzinsen. Die Zinsen werden jeweils zum Ende
eines Kalenderjahres fällig und berechnet und sind mit der ersten Tilgungsrate des
Folgejahres zu zahlen bzw. werden der Tilgung vorgehend verrechnet. ...
11
§ 5
12
Der noch offenstehende Restbetrag des Darlehens mit Zinsen wird sofort und auf einmal
fällig, wenn …die Beklagte ihre Tätigkeit für die Gesellschaft beendet oder aus den
Diensten der Gesellschaft ausscheidet.
13
Mit Schreiben vom 18. Februar 1999 kündigte die Klägerin den Geschäftspartnervertrag
vom 26. Juni 1998 zum 31. März 1999 sowie den Darlehensvertrag vom 2. und 16. Juni
1998 und führte weiter aus: "Wie Ihnen aus den regelmäßig übersandten
Geschäftspartnerabrechnungen bekannt ist, besteht auf Ihrem Geschäftspartnerkonto
ein Saldo - resultierend aus Provisionsvorauszahlungen abzüglich der aufgelaufenen
Provisionsdiskonte - in Höhe von 39.823,83 abzüglich des Stornoreserveguthabens von
2.444,11 DM, so dass ein Sollsaldo von 37.388,72 DM besteht. … Darüber hinaus
besteht noch das von unserer Gesellschaft gewährte Darlehen in Höhe von 190.000 DM
zuzüglich Zinsen .... insgesamt 198.031,25 DM."
14
Die Klägerin hat gemeint, das Darlehen sei bereits zum 1. August 1998 fällig geworden,
weil die Beklagte die Raten nicht gezahlt habe. Verrechenbare Vergütungsansprüche
aus provisionspflichtigen Vermittlungen bestünden nicht, vielmehr habe die
Mitarbeitertätigkeit der Beklagten mit einem Schuldsaldo geendet. Der Darlehensbetrag
sei unter dem 30. Oktober 1998 aus dem Mitarbeiterkonto der Beklagten umgebucht
worden, zu diesem Zeitpunkt habe sich kein im Wege der Ratenzahlung verwertbares
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Guthaben auf dem Mitarbeiterkonto ergeben, weil sich allein aus den
Provisionsvorauszahlungen ein Schuldsaldo in Höhe von 51.000 DM ergeben habe,
welcher durch die vorhandenen Gutschriften nicht annähernd habe ausgeglichen
werden können. Die Beklagte müsse darlegen, welche Ratenzahlungen sie erbracht
habe und durch welche Provisionsgutschriften die Darlehensforderung verringert sein
solle, wenn sie solches geltend machen wolle. Solcher Vortrag fehle. Tatsächlich sei die
Darlehensforderung auch nicht in ein Kontokorrent eingestellt worden.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und Widerklage erhoben auf Erteilung
eines Buchauszugs. Die Klägerin habe den Darlehensanspruch und die
Provisionsansprüche der Beklagten in ein Kontokorrent eingestellt und verrechnet. Sie
habe von der Klägerin Abrechnungen für die Zeit vom 19. Juni 1998 bis zum 18.
September 2000 erhalten, aus denen sich ergäbe, dass sie mit der Darlehensforderung
zu verrechnende Provisionsansprüche erworben habe. Im Vertrag sei ausdrücklich die
Verrechnung mit Provisionsansprüchen vorgesehen. Durch eine Umbuchung der
Darlehensforderung aus dem Kontokorrentkonto könne sich die Klägerin dieser
Verpflichtung nicht entziehen. Bestritten werde, dass die erworbenen
Provisionsansprüche nicht zur Ratentilgung ausgereicht hätten. Zudem habe sie
Ansprüche auf Bestandspflege- und Dynamisierungsprovision, welche die Klägerin
bislang nicht abgerechnet habe, obwohl auch diese auf die
Darlehensrückzahlungsforderung zu verrechnen seien. Aus diesem Grund müsse die
Klägerin die gesamte Entwicklung des für die Beklagte geführten Kontos darlegen.
16
Nachdem die Klägerin den Buchauszugsanspruch in der mündlichen Verhandlung
anerkannt hat, hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die Beklagte
antragsgemäß zur Zahlung von 190.000 DM mit 7,5 % Zinsen seit dem 16. Juni 1998
und die Klägerin zur Erteilung des Buchauszugs verurteilt. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die Darlehensforderung sei von der Klägerin schlüssig dargelegt. Die
Kontokorrenteinrede der Beklagten greife nicht durch, weil die Darlehensforderung nicht
in das Kontokorrent eingestellt worden sei. Solches hätten die Parteien auch nicht
vereinbart. Im übrigen sei die Kontokorrenteinrede der Beklagten auch deswegen
unbeachtlich, weil jedenfalls nicht ersichtlich sei, dass das Darlehen ebenfalls in das
Kontokorrent aufgenommen worden sei, so dass die Beklagte, welche die teilweise
Erfüllung nachzuweisen habe, darzulegen und zu beweisen hätte, ob und inwieweit die
ihr zustehenden Kontokorrentsalden mit der Forderung der Klägerin verrechnet worden
seien. Dazu fehle ausreichender Vortrag.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, abändernd
die Klage abzuweisen.
18
Die Entscheidung des Landgerichts zur Klage sei rechtsfehlerhaft. Unzutreffend sei die
Ansicht des Landgerichts, der der Klageforderung zugrunde liegende Darlehensvertrag
unterliege nicht dem Verbraucherkreditgesetz. Die Klägerin vermittele in Ausübung
ihres Gewerbes Kredite. Da hier die Kreditgewährung im direkten Zusammenhang mit
einem Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien gestanden habe, dürfe auch an
dem Merkmal " Ausübung gewerblicher Tätigkeit" kein Zweifel bestehen. Offensichtlich
sei das Landgericht der Ansicht gewesen, die Kreditgewährung sei für eine von der
Beklagten bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit erfolgt. Dazu fehle jedoch Vortrag
der Klägerin. Allein aus dem Darlehensvertrag vom 2. Juni 1998, der auf einen seit dem
5. Mai 1998 bestehenden Handelsvertretervertrag und den Zweck des Aufbaus einer
Betriebsorganisation abstelle, lasse sich dies nicht herleiten. Tatsächlich habe sie zu
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keinem Zeitpunkt eine gewerbliche Tätigkeit für die Klägerin oder andere ausgeübt,
sondern sei vielmehr durchgängig als angestellte Bürokraft außerhalb des Bereichs
"Vertrieb von Versicherungen und Finanzdienstleistungen" tätig.
Sie sei zu keinem Zeitpunkt für die Klägerin tätig geworden und habe auch zu keinem
Zeitpunkt von dieser ein Darlehen erhalten oder eine Rückzahlungsverpflichtung
begründet, denn sie sei nur für ihren Ehemann M... F... als Strohfrau eingeschaltet
worden. Dieser sei im Frühjahr 1998 noch bis zum 31. Dezember 1998 als
Handelsvertreter an ein Konkurrenzunternehmen gebunden gewesen. Die Klägerin
habe ihm und den ihm untergeordneten Handelsvertretern angeboten, vor Ablauf der
regulären Vertragszeit für sie über so genannte Strohmänner - nämlich Ehefrau, Mutter,
Freunde etc. - tätig zu werden. Im übrigen sei die Klage auch aus den bereits im ersten
Rechtszug geltend gemachten Gründen abzuweisen. Der Darlehensvertrag treffe für die
Rückzahlung des Darlehens eine konkrete Regelung, nämlich dass die Tilgung durch
Verrechnung mit fälligen Vergütungsansprüchen erfolge. Entgegen der Ansicht des
Landgerichts seien die Darlehen in das schriftliche Kontokorrent eingeflossen. Das folge
bereits aus den von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen. Unstreitig sei, dass die
Beklagte Provisionen verdient und ausgezahlt erhalten habe. Wenn die Klägerin eine
Tilgungsregelung treffe, wonach die Klägerin aus der Provisionsabrechnung die
Rückführung des Darlehens vornehmen solle, müsse sie sich daran halten lassen und
dezidiert darlegen, aus welchen Gründen eine solche Tilgung nicht durchführbar
gewesen sei.
20
Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung, indem sie das angefochtene Urteil
unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt. Sie
meint, der Darlehensvertrag sei nicht wegen Verstoßes gegen das
Verbraucherkreditgesetz unwirksam, weil die Klägerin der Beklagten das Darlehen nach
dem Vertragsinhalt für ihre bereits ausgeübte gewerbliche und selbstständige Tätigkeit
als Handelsvertreterin gewährt habe, so dass kein Kreditvertrag mit einem Verbraucher
vorliege. Soweit sie behaupte, sie sei nicht selbst als Handelsvertreterin tätig gewesen,
sondern nur als "Strohfrau" von ihrem Ehemann M.... F..... eingesetzt worden, sei dies für
die Wirksamkeit der geschlossenen Verträge ebenfalls unerheblich. Auf das ihr
ausgezahlte Darlehen habe die Beklagte keinerlei Rückzahlungen geleistet. Ihre
Rückzahlungsverpflichtung sei auch nicht durch Verrechnung untergegangen. Von der
Verrechnungsmöglichkeit in § 2 Abs. 2 des Darlehensvertrages habe sie keinen
Gebrauch gemacht. Reichten fällige Vergütungsansprüche nicht aus, im Wege der
Verrechnung die monatliche Ratenrückzahlung auf das Darlehen zu gewährleisten, so
sei die Beklagte zur Zahlung verpflichtet geblieben. Fällige Vergütungsansprüche aber
seien nicht entstanden, schon unabhängig davon nicht, dass Provisionsansprüche nur
aufschiebend bedingt entstehen würden. Ausweislich der vorgelegten Vereinbarungen
habe die Beklagte Provisionsvorauszahlungen in Höhe von insgesamt 66.000 DM
erhalten, so dass bis zu dieser Höhe verdiente Provisionen für eine Tilgung des
Darlehens im Wege der Verrechnung nicht zur Verfügung gestanden hätten. Das
konsolidierte Provisionskonto der Beklagten ergebe einen Sollsaldo von 47.386,93 DM,
so dass es keinen fälligen Vergütungsanspruch der Beklagten gegeben habe, der im
Wege der Verrechnung den Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin hätte erfüllen
können. Die vorrangige Verrechnung der Provisionsguthaben der Beklagten mit den ihr
gezahlten Provisionsvorschüssen ergebe sich schon aus den insoweit getroffenen
Vereinbarungen der Parteien zur Rückführung der Vorauszahlungen. Im übrigen hätten
die Parteien im August 1998 die auch schriftlich festgehaltene Stundungsvereinbarung
getroffen und dabei Einigkeit darüber erzielt, dass durch etwaige Provisionsguthaben
21
auf dem Geschäftspartnerkonto vorrangig die Provisionsvorauszahlungen getilgt werden
sollten. Das entspreche dem Handelsbrauch beim Strukturvertrieb, nach dem
Provisionsvorauszahlungen vorrangig durch verdiente Provisionen zurückgeführt,
gewährte Darlehen hingegen langfristig zurückgezahlt würden. Nach der vorgelegten
Auswertung habe die Beklagte nur aufschiebend bedingte Provisionsansprüche in
Höhe von 31.845,90 DM erworben, die der pauschalierten Vorauszahlung von
66.000 DM entgegengestellt werden könnten. Selbst wenn Rückbelastungen wegen
Stornierungen nicht berücksichtigt würden, bliebe das Provisionskonto der Beklagten
defizitär und mithin ungeeignet, im Verrechnungswege eine Erfüllung des
Darlehensrückzahlungsanspruchs herbeizuführen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäss Beweisbeschlüssen vom 13. Dezember 2002
und vom 1. August 2003. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u.a. auf
die gerichtliche Niederschrift vom 2. Mai 2003 verwiesen. Im übrigen wird wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der angegriffenen
Entscheidung sowie die Protokolle der Senatssitzungen mit den in den Sitzungen
erteilten rechtlichen Hinweisen Bezug genommen.
22
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23
Die zulässige Berufung der Beklagten hat aus den mit den Parteien in den
Senatssitzungen erörterten Gründen in vollem Umfang Erfolg.
24
Der Klägerin steht der erstinstanzlich zuerkannte Darlehensrückzahlungsanspruch über
190.000 DM mit Zinsen nicht zu. Zwar ist die Klägerin grundsätzlich berechtigt, von der
Beklagten die Rückzahlung des Darlehens zu verlangen, weil zwischen den Parteien
ein wirksamer Darlehensvertrag bestand (s. dazu I., II.), den sie unter dem 18. Februar
1999 wirksam gekündigt hat (§§ 607, 609 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Fassung, Art. 229 § 5 EGBGB). Indessen lässt sich nicht feststellen, dass das
der Beklagten gewährte Darlehen noch in Höhe der geltend gemachten 190.000 DM
valutiert (s. dazu III.).
25
I.
26
Der klägerische Zahlungsanspruch scheitert nicht an der fehlenden Passivlegitimation
der Beklagten.
27
Dass sie und die Klägerin unter dem 26. Juni 1998 den Versicherungsvertretervertrag
und die streitgegenständlichen Darlehensvereinbarungen vom 2. und 16. Juni 1998 nur
zum Schein abgeschlossen haben, lässt sich nicht feststellen.
28
Ein gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtiges Scheingeschäft liegt vor, wenn die Beteiligten
ein Ziel durch den bloßen Schein eines wirksamen Rechtsgeschäfts erreichen, aber die
mit ihm verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen. Dagegen liegt ein
wirksames fiduziarisches Rechtsgeschäft in Form eines sog. Strohmanngeschäfts vor,
wenn die Beteiligten die Wirksamkeit des nicht in allen Folgen gewollten Geschäfts für
ihr Ziel benötigen.
29
Ob letzteres der Fall ist und das Rechtsgeschäft daher ernst gemeint oder nur zum
Schein abgeschlossen worden ist, ist durch Auslegung der Willenserklärungen unter
30
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln
(vgl. nur: Senat OLGR 1999, 202 ff.; BAG NJW 1993, 2767; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl.,
Rdnr. 13 zu § 117; Rdnr. 21 vor § 164; MünchKomm./Kramer, BGB, 4. Aufl., Rdnr. 14 zu
§ 117; Rdnr. 24 f. vor § 164). Ergibt die Auslegung der getroffenen Erklärungen, dass die
Rechtswirkungen des Geschäfts von vornherein nicht in der Person des zum Schein
handelnden Strohmanns eintreten und Ansprüche für und gegen ihn ausgeschlossen
sein sollen, liegt ein Scheingeschäft vor (vgl. nur: MünchKomm./Kramer, Rdnr. 26 zu §
117).
Nach dem Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz soll sie bei der
Begründung des Versicherungsvertretungsverhältnisses allerdings lediglich von ihrem
Ehemann als "Strohfrau" vorgeschoben worden sein, weil dieser noch bis zum 31.
Dezember 1998 an ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin gebunden war. Dabei soll
zwischen den Parteien Einverständnis darüber bestanden haben, dass sie keine
rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis treffen sollten, sie
insbesondere nicht für die Klägerin tätig werden und auch zur Darlehensrückführung
nicht verpflichtet sein sollte.
31
Mit diesem Einwand kann die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört
werden, weil sie erstinstanzlich zugestanden hat (§ 288 ZPO), dass sie aus dem
Versicherungsvertreterverhältnis und den im Zuge dieses Vertragsverhältnisses
abgeschlossenen Vereinbarungen berechtigt und verpflichtet sein sollte, und die
Voraussetzungen für einen Widerruf dieses Geständnisses (§ 290 ZPO) nicht vorliegen.
32
Sie hat sich erstinstanzlich gegenüber der Darlehensforderung der Klägerin damit
verteidigt, aus dem Vertragsverhältnis verrechenbare Provisionsansprüche – auch mit
Blick auf für sie tätig gewordene Untervertreter – erworben zu haben und in diesem
Zusammenhang ausgeführt, sie sei im Rahmen eines Strukturvertriebs für die Klägerin
tätig geworden. Widerklagend hat sie den nur einem mit dem Unternehmer verbundenen
Handels- oder Versicherungsvertreter zustehenden Anspruch auf Erteilung eines
Buchauszugs – mit Erfolg – geltend gemacht.
33
II.
34
Ohne Erfolg wendet die Beklagte auch ein, die unter dem 2. und 16. Juni 1998 zwischen
den Parteien geschloßenen Darlehensverträge seien mit den Vorschriften des
Verbraucherkreditgesetzes nicht vereinbar.
35
Der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes ist nicht eröffnet,
weil die Beklagte bei den Vertragsschlüssen nicht als Verbraucher im Sinne des §§ 1
Abs. 1 VerbrKG, § 13 BGB handelte. Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist jede
natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer
gewerblichen noch ihrer ständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Die
streitgegenständlichen Darlehen indessen sind der Beklagten, die nach dem unter dem
26. Juni 1998 geschlossenen Geschäftspartnervertrag bereits mit Wirkung vom 5. Mai
1998 für die Klägerin als Versicherungsvertreterin tätig war, im Rahmen dieser für die
Klägerin bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit zweckgebunden, nämlich zum
Organisations-Aufbau, gewährt worden. Die Vertragsurkunden haben die Vermutung
der Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Vertragsparteien bei Vertragsschluss
abgegebenen Erklärungen für sich. Hiergegen bringt die Beklagte nichts Erhebliches
vor, insbesondere kann sie - wie bereits ausgeführt – mit dem Einwand, die Erklärungen
36
seien nur zum Schein abgegeben worden, nicht gehört werden.
III.
37
Nachdem die Klägerin unter dem 18. Februar 1999 die Kündigung des
Geschäftspartnervertrages zum 31. März 1999 ausgesprochen hat, ist der zu diesem
Zeitpunkt offenstehende Restbetrag des Darlehens nebst Zinsen fällig geworden. § 5
der Darlehensvereinbarung vom 2. Juni 1998, der auch auf das Nachtragsdarlehen vom
16. Juni 1998 Anwendung findet, sieht ausdrücklich vor, dass der noch offenstehende
Restbetrag des Darlehens nebst Zinsen sofort und auf einmal u.a. dann fällig wird, wenn
der Geschäftspartner – wie hier – aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet.
38
In welcher Höhe das Darlehen zu diesem Zeitpunkt noch valutierte, lässt sich indessen
nicht feststellen, weil die Klägerin auch auf mehrfache Hinweise des Senats dies nicht
aufgezeigt hat.
39
1.
40
Gemäß § 3 des Darlehensvertrages vom 2. Juni 1998 hatte die Beklagte das Darlehen
ab dem 1. Juli 1998 bis zum 1. Dezember 1998 in monatlichen Raten in Höhe von
mindestens 1.000 DM und ab dem 1. Januar 1999 in monatlichen Raten von mindestens
2.000 DM zurückzuzahlen. § 3 sieht weiter vor, dass die Tilgung durch Verrechnung mit
dem jeweils fälligen Vergütungsanspruch erfolgt, und die Beklagte lediglich dann, wenn
dieser nícht ausreicht, um die Mindestrate zu erfüllen, diese per
Überweisung/Einzahlung zu erbringen hat.
41
Soweit es den Zinsanspruch von 7,5 % ab Auszahlung angeht, ist in § 4 geregelt, dass
die Zinsen jeweils zum Ende eines Kalenderjahres fällig und berechnet werden und mit
der ersten Tilgungsrate des Folgejahres zu zahlen sind bzw. der Tilgung vorgehend
verrechnet werden.
42
Abweichend von § 3 haben die Parteien – wie die zweitinstanzlich durchgeführte
Beweisaufnahme ergeben hat (s.u.1.2.1.) – im August 1998 vereinbart, dass die Tilgung
des Darlehens zum Organisationsaufbau bis einschließlich 31. Dezember 1998
ausgesetzt werde.
43
Damit hatte die Klägerin die fälligen Provisionsansprüche der Beklagten, soweit sie die
monatliche Mindestrate erreichten oder überschritten, ab dem 1. Januar 1999 als
Tilgungsleistung auf die Darlehensforderung anzurechnen. Sie musste zum Ende des
Kalenderjahres 1998 zunächst die Zinsen berechnen und die fällig gewordenen Zinsen
dann zum 1. Januar 1999 – der gleichzeitig fällig werdenden Tilgungsrate
vorausgehend – mit fällig gewordenen Provisionsansprüchen verrechnen.
44
1.1.
45
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt eine davon abweichende Verrechnung der
bis zum 31. März 1999 – der Beendigung der Geschäftsbeziehung - entstandenen
Provisionsansprüche der Beklagten nicht aus den Vereinbarungen über die Gewährung
von Provisionsvorauszahlungen.
46
Diese sehen zwar zur Rückführung der gewährten Provisionsvorauszahlungen vor,
47
dass ihre Tilgung bis spätestens zum 1. Februar 1999 durch Umbuchung zu Lasten der
Provisionsguthaben auf dem Geschäftspartnerkonto erfolgt und bis zu diesem Termin
Provisionen nicht ausgezahlt werden. Unstreitig aber hatte die Klägerin bei Abschluss
der Darlehensvereinbarung am 2. und 16. Juni 1998 bereits Provisionsvorauszahlungen
in Höhe von 20.000 DM erhalten. Treffen die Parteien dann gleichwohl für die Tilgung
des Darlehens eine Abrede, dass diese durch Verrechnung mit fälligen
Vergütungsansprüchen erfolgen soll, ohne dass die Klägerin sich eine vorrangige
Verrechnung mit Provisionsvorschüssen vorbehält, so ist die Verrechnungsabrede nach
Treu und Glauben dahin zu verstehen, dass in der Folgezeit vorgenommene
Provisionsgutschriften in erster Linie mit den Darlehensraten zu verrechnen sind. Dies
folgt auch aus § 5 AGBG, der auf das vorliegende Vertragsverhältnis noch Anwendung
findet (Art. 229 § 5 EGBGB), nach dem Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Sowohl die
Darlehensvereinbarungen als auch die Vereinbarungen über die Gewährung von
Provisionsvorauszahlungen waren von der Klägerin vorformulierte
Vertragsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG.
1.2. Dass die eingehenden Provisionsgutschriften ausschliesslich und vorrangig auf die
Provisionszahlungen zu verrechnen sind, lässt sich auch nach dem Ergebnis der
durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen. Weder kann die Klägerin
nachweisen, dass die Parteien eine solche Tilgungsvereinbarung noch im August 1998
getroffen haben, noch dass es einen entsprechenden Handelsbrauch gibt.
48
1.2.1. Die zweitinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat lediglich ergeben, dass
die Parteien die im Schreiben vom 21. August 1998 (Anlage 12) festgehaltene
Stundungsvereinbarung getroffen, nicht aber dass sie auch Einigkeit darüber erzielt
haben, dass durch Provisionsguthaben auf dem Geschäftspartnerkonto vorrangig die
der Beklagten gewährten Provisionsvorauszahlungen zu tilgen sind. Der Zeuge B... hat
bei seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt, dass seinerzeit der Zeuge D...l als
Geschäftsführer der TFD - der Haupthandelsvertreterin der Klägerin – an ihn
herangetreten sei, weil ca. 10 der Geschäftspartner – darunter auch die Beklagte – nicht
in der Lage gewesen seien, mit den von ihnen erwirtschafteten Provisionsguthaben die
notwendig werdenden Tilgungen zu erbringen. Gemeinsam habe man dann die Lösung
darin gesehen, die Provisionsvorauszahlungen kleiner werden zu lassen und die
Darlehenstilgung nach hinten zu schieben. Nachdem der Zeuge D.... ihm signalisiert
habe, dass nach Rücksprache mit den Geschäftspartnern und damit auch mit der
Beklagten diese Regelung akzeptiert werde, habe er die Verwaltung mit dem in
Ablichtung zur Akte gereichten Vermerk vom 30. Juli 1998 davon unterrichtet, woraufhin
die Stundungsvereinbarung vom 21. August 1998 getroffen worden sei, der keiner der
Geschäftspartner widersprochen habe. Keine Erinnerung hatte der Zeuge hingegen
daran, dass man sich bei dieser Unterredung auch darauf geeinigt habe, durch
Provisionsguthaben auf den Geschäftspartnerkonten vorrangig
Provisionsvorauszahlungen und nicht die Darlehen zum Organisationsaufbau zu tilgen.
49
Der Zeuge D... konnte in Anbetracht des Zeitablaufs keine konkreten Angaben mehr zu
den Einzelheiten der Gespräche im Sommer 1998 machen. Er vermochte nur noch zu
erinnern, dass unter seiner Mitwirkung zwischen den Parteien eine Regelung getroffen
wurde, weil durch die Beklagte "keine ausreichende Produktion erfolgt" sei.
50
1.2.2. Dass es beim Strukturvertrieb von Versicherungen einen Handelsbrauch gibt,
nach dem durch verdiente Provisionen vorrangig Provisionsvorauszahlungen
51
zurückgeführt, während gewährte Darlehen langfristig zurückgezahlt werden, hat die
Klägerin ebenso wenig nachweisen können.
Der Senat, dem ein solcher Handelsbrauch nicht bekannt ist, hat erfolglos den B... D....
V.... e.V., den B... D... V.... sowie den G.... der D... V.... e.V. um die Erstattung des
Gutachtens oder die Benennung eines geeigneten Sachverständigen gebeten. Der
geschäftsführende Direktor des Seminars für Versicherungswissenschaften der
Universität H... Prof. Dr. W.... hat die Existenz eines solchen Handelsbrauchs weder aus
eigener Kenntnis noch nach Rückfrage bei Versicherungsfachleuten bestätigen können.
Soweit er ausgeführt hat, dass nach seiner Kenntnis die Versicherer die Verrechnung
verdienter Provisionen vertraglich zu regeln pflegen, lässt sich danach ein
Handelsbrauch i.S.d. § 346 HGB nicht feststellen. Dieser setzt vielmehr eine allseits
bestehende freiwillige Übung von gewisser Dauer voraus (Ebenroth/Boujong/ Joost,
Rdnr. 6 ff. zu § 346). Auch auf die weitere Auflage hat die Klägerin den von ihr
behaupteten Handelsbrauch nicht nachgewiesen.
52
2. Damit bleibt es dabei, dass die Verrechnungsabrede in § 3 des Darlehensvertrags
vom 2. Juni 1998 vorrangig ist, allerdings die in § 3 des Darlehensvertrages
vorgesehene Tilgung durch die Stundungsvereinbarung hinausgeschoben worden ist.
Dies hat zur Folge, dass die Klägerin die am 1. Januar 1999 verdienten Provisionen
vorrangig auf den Zinsanspruch für das Vorjahr, der zum Ende des Kalenderjahres fällig
wurde (§ 4), und sie im übrigen – wie auch die noch fällig werdenden
Vergütungsansprüche - auf die Tilgungsraten ab dem 1. Januar 1999 zu verrechnen hat.
53
Eine entsprechende ordnungsgemässe und vollständige sowie für den Senat im
Einzelnen nachvollziehbare Abrechnung hat die Klägerin indessen nicht vorgelegt.
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Dafür ist es – worauf der Senat bereits hingewiesen hat - nicht ausreichend, dass sie mit
Anlage 5 zur Berufungserwiderung sämtliche Provisionsmitteilungen an die Beklagte
überreicht hat. Diese ersetzen nicht den notwendigen Sachvortrag dazu, für welchen
von der Beklagten oder einem ihrer Untervertreter vermittelten Vertrag sie einen – wie zu
berechnenden – Provisionsanspruch erworben hat. Insbesondere kann sich die
Klägerin nicht darauf berufen, dass diese Abrechnungen von provisionsrelevanten
Geschäftsvorfällen von dem Versicherungsvertreter gemäß § 4 des
Geschäftspartnervertrages vom 26. Juni 1998 als inhaltlich anerkannt gelten, wenn
dieser nicht binnen 14 Tagen nach Zugang Einspruch erhoben hat. Die
Informationsrechte des § 87 c HGB sind auch für den Versicherungsvertreter
unabdingbar (§ 92 Abs. 2, 87 c Abs. 5 HGB) mit der Folge, dass Klauseln, die – wie hier
– ein Anerkenntnis durch Untätigkeit, Schweigen oder widerspruchslose
Entgegennahme von Abrechnungen fingieren, unwirksam sind.
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Die mit Schriftsatz vom 8. Mai 2002 überreichte Forderungsaufstellung (Bl. 193 ff. GA)
leidet – was der Senat ebenfalls mit den Parteien erörtert hat - schon daran, dass sie
unstreitig nicht sämtliche Provisionsgutschriften aus der Zeit bis zum 31. März 1999
berücksichtigt hat, welche die Klägerin der Beklagten auf dem Geschäftspartnerkonto im
Rahmen der regelmäßig erfolgten Abrechnungen gutgeschrieben hat. Ohne Erfolg
beruft sich die Klägerin insoweit darauf, dass diese Vergütungsansprüche noch nicht
fällig und damit für eine Tilgung des Darlehens i.S.v. § 3 des Vertrags nicht
verrechenbar gewesen seien, weil die Haftungszeit noch nicht abgelaufen gewesen sei.
§ 92 Abs. 4 HGB sieht - abweichend von § 87 a Abs. 1 HGB - vor, dass der
Versicherungsvertreter einen unbedingten Provisionsanspruch erlangt, sobald der
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Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem
Vertragsverhältnis berechnet. Dass hier abweichendes vereinbart gewesen sein sollte,
was völlig unüblich wäre, ist nicht aufgezeigt und feststellbar.
Auch die weitere mit Schriftsatz vom 17. Mai 2002 überreichte Forderungsaufstellung
war schon deshalb unzureichend, weil die Klägerin in diese nur die
Provisionsgutschriften eingestellt hat, "die sich am Ende als verdient erwiesen haben"
und solche unberücksichtigt gelassen hat, die storniert worden sind, ohne zu letzteren
Einzelheiten näher vorzutragen. Die Stornierung eines Versicherungsvertrages lässt
jedoch den Provisionsanspruch gemäss §§ 92 Abs. 2, 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB nur dann
entfallen, wenn und soweit dies auf Umständen beruht, welche von dem insoweit
darlegungs- und beweisbelasteten Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten sind.
Aus dem Rechtsgedanken der § 87 a Abs. 3 HGB, § 162 Abs. 1 BGB und wegen der
bestehenden Treuepflicht gegenüber dem Versicherungsvertreter obliegt dem
Versicherungsunternehmen eine Nachbearbeitung der wegen ausbleibender
Prämienzahlungen auflösungsgefährdeten Verträge, welche sie entweder dem
Versicherungsvertreter überlassen darf oder - vornehmlich nach Beendigung des
Versicherungsvertretungsverhältnisses - selbst vornehmen kann (vgl. nur:
Ebenroth/Boujong/Joost, Rdnr. 17 zu § 92). Dazu, dass und inwieweit die Klägerin
dieser Obliegenheit nachgekommen ist, oder dass Umstände vorlagen, welche die
Nachbearbeitung entbehrlich machten, fehlt indessen jeder Sachvortrag. Auch das
ergänzende Vorbringen der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 12. Juli 2001 ist – wie die
Beklagte zu Recht geltend macht – ohne Substanz. Es fehlen schon nähere
Ausführungen dazu, welche konkreten Verträge die Klägerin der Beklagten nach
welchen Bestimmungen verprovisioniert hat und wie sich die streitgegenständliche
Stornogebühr zusammensetzt. Unabhängig davon ist aber auch nicht im einzelnen
dargelegt, dass sie im Rahmen der ihr zuzumutenden Nachbearbeitung mit allen
angemessenen Mitteln versucht hat, den jeweiligen Prämienschuldner zur
Prämienzahlung zu veranlassen (vgl. nur: Senat OLGR 1995, 19 f.;
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Rdnr. 19 ff. zu § 92). Soweit sie geltend macht, die
Beklagte habe Stornogefahrmitteilungen erhalten, ist nicht dargelegt, dass diese durch
sie so rechtzeitig von der Nichtzahlung der Prämie und deren Gründen unterrichtet
worden ist, dass sie sich noch mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages
hätte bemühen können. Soweit sie selbst die Nachbearbeitung übernommen haben will,
fehlen jegliche näheren Ausführungen dazu, wie, durch wen und mit welchem Erfolg die
notwendige Nachbearbeitung vorgenommen worden ist.
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Die ihrem Schriftsatz vom 28. Mai 2003 als Anlage 27 beigefügte Forderungsaufstellung
verhält sich über den gesamten Zeitraum vom 19. Juni 1998 an und berücksichtigt damit
schon nicht die von der Klägerin selbst geltend gemachte und nachgewiesene
Stundungsvereinbarung aus August 1998. Allen Abrechnungen ist gemein, dass aus
ihnen nicht hervorgeht, für welchen von der Beklagten oder einem ihrer Untervertreter
vermittelten Vertrag sie den – wie zu berechnenden – Provisionsanspruch erworben hat,
weil die einzelnen Positionen nicht erläutert sind.
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Damit ist es dem Senat auch rechtlich nicht möglich, der Klägerin irgendeine mit
Sicherheit noch offenstehende Darlehensrückzahlungsforderung unter Anrechnung von
verdienten Provisionen zuzuerkennen. Es lässt sich anhand des Vortrags der Klägerin
nicht feststellen, welche Provisionen auf das Darlehen anzurechnen sind. Selbst wenn
der Senat zu Gunsten der Beklagten nicht nur alle erfolgten Gutschriften, sondern auch
die nicht nachweislich berechtigten Stornierungen berücksichtigt, ist dies nicht
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ausreichend, weil bei einer unberechtigten Stornierung die Provisionspflicht der
Klägerin nicht endete, sondern die Beklagte die volle vereinbarte Provision
beanspruchen konnte, welche dann ebenfalls anzurechnen ist.
Auf diese zur Unschlüssigkeit des gesamten Klagevorbringens führenden Mängel hat
der Senat die Klägerin wiederholt, jedoch erfolglos, hingewiesen.
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II.
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Dass die Klägerin ihren Zahlungsanspruch hilfsweise auch auf die Rückzahlung von
Provisionsvorschüssen und unverdiente Provisionen stützen will, macht sie nicht weiter
geltend. Ihren diesbezüglichen Vortrag hat sie im Schriftsatz vom 28. Mai 2003
ausdrücklich fallen gelassen und ausgeführt, sie werde diese Ansprüche in einem
weiteren Verfahren geltend machen (Bl. 362 GA).
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Beschwer der Klägerin beträgt 97.146 €.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1,
Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der
Rechtsstreit nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Dr. L.... v.. R.... S.....
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