Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.06.2006
OLG Düsseldorf: markt, aufschiebende wirkung, rechtliches gehör, eugh, erdgas, europäische kommission, unbestimmte dauer, beherrschende stellung, verbraucher, wettbewerber
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-2 Kart 1/06 (V)
Datum:
20.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-2 Kart 1/06 (V)
Tenor:
Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und zu 7, die
aufschiebende Wirkung der Beschwerden gegen den Beschluss des
Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006 (B 8 - 113/03 - 1) anzuordnen,
werden abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Betroffene und die Beigeladenen zu
6 und zu 7 zugelassen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
A.
2
Die Betroffene gehört zum E... Konzern; ihre Aktien werden zu 100 % von der E... AG
gehalten. Der Konzern ist das größte deutsche und ein führendes europäisches
Energieversorgungsunternehmen mit jährlichen Umsätzen von rund 50 Mrd. €.
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Die Betroffene und sechs weitere überregionale Ferngasunternehmen bilden die erste
Stufe der dreistufig gegliederten Gaswirtschaft in Deutschland. Bei den sechs weiteren
überregionalen Ferngasunternehmen handelt es sich um die R.E. AG, D. (R.), die W....
GmbH, K./W. Handelshaus GmbH & Co. KG, B. (zusammengefasst W....), die EM G.
Marketing Deutschland GmbH & Co. KG, H. (EM), die V... AG, L. (V...), die S... GmbH &
Co. KG, H. (S...) und die E... GmbH, M. (E... M.).
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Seit dem Zusammenschluss mit der R... AG im Jahre 2003 ist die Betroffene das in
Deutschland führende überregionale Ferngasunternehmen mit einem Jahresumsatz von
etwa 12,75 Mrd. € im Jahr 2004. Die Betroffene stellte im Jahre 2003 mit einem
inländischen Absatz in Höhe von rund 640 Mrd. Kilowattstunden knapp 65 % des
gesamten inländischen Erdgasaufkommens von 992 Mrd. Kilowattstunden bereit. Das
Erdgasaufkommen setzt sich zusammen aus der Produktion in Deutschland, den nach
Deutschland importierten Mengen abzüglich den exportierten Mengen, den
Einspeisemengen in Speicher und dem Eigenverbrauch der Lieferanten.
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Die Betroffene verfügt über Bezugsverträge mit den wichtigsten in- und ausländischen
Erdgasproduzenten und -exporteuren. Die entsprechenden Verträge sind langfristig
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gestaltet und enthalten sogenannte Take-or-pay-Verpflichtungen, die sich als
Mindestbezugsverpflichtungen auswirken.
Das Versorgungssystem der konzernangehörigen Netzbetreibergesellschaft E...-R...
Transport AG & Co. KG besteht aus Erdgasleitungen mit einer Länge von mehr als
11.000 Kilometern Hochdruckleitungen sowie Übernahmestellen zu den wichtigsten
Gasförderländern. Es handelt sich um das in Deutschland größte Erdgasleitungsnetz,
das sich über die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (mit Ausnahme des westlichen
Landesteils), Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland
erstreckt.
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Eine zweite Gaswirtschaftsstufe wird von acht regionalen Ferngasunternehmen
gebildet. Zu diesen Ferngasunternehmen, die keine eigenen Förderquellen oder
Beteiligungen daran besitzen und ohne oder ohne einen nachhaltigen Importbezug
sind, zählen die G... S... GmbH, S. (GS), die B... GmbH, M. (B...), die G...1 GmbH, F.
(G...1), die S... AG, S. (S...), die A... AG, H. (A...), die F... GmbH, N. (F...), die E...5 T. mbH,
E. (E...5) und die E...4 Aktiengesellschaft, O. (E...4). Die Betroffene ist durch direkte und
mittelbare Beteiligungen mit fünf regionalen Ferngasunternehmen verbunden. Die
Beteiligungsunternehmen stellen ihre Infrastrukturressourcen, Verteilnetze, Speicher
und Verdichterstationen der Betroffenen zur Verfügung.
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Neben den anderen überregionalen Ferngasunternehmen beliefert die Betroffene nicht
importierende regionale Ferngasunternehmen und insbesondere regionale und lokale
Gasversorgungsunternehmen (diese auf einer dritten Marktstufe), Industriebetriebe
sowie Kraftwerke und auch endverbrauchende Abnehmer (private Haushalte, Gewerbe-
und Industriebetriebe) mit Erdgas. Hinsichtlich der Größenordnung der Absatzmengen
überregionaler und regionaler Ferngasunternehmen an andere
Gasversorgungsunternehmen (Ferngasunternehmen, Regional- und
Ortsgasunternehmen) wird auf die Tabelle auf Seite 8 der angefochtenen Verfügung
Bezug genommen. Regional- und Ortsgasunternehmen in der Bundesrepublik
Deutschland haben ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt bei der Belieferung von privaten
Haushalten und Kleingewerbekunden. 2003 hielten sie daran bundesweit einen Anteil
von etwa 93 %, während etwa 7 % auf regionale Ferngasunternehmen entfielen.
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Von den ca. 690 in Deutschland existierenden Regional- und Ortsgasunternehmen
ermittelte das Bundeskartellamt die Lieferverhältnisse von 513 Unternehmen. Rund
75 % der Verträge enthalten Bezugsbindungen von 80 bis zu 100 % des Gasbedarfs.
Mehr als 70 % der Lieferverträge der Betroffenen mit Regional- und
Ortsgasunternehmen sind über Liefermengen abgeschlossen, die den gesamten
tatsächlichen Bedarf des betreffenden Unternehmens erfassen. Weitere 6 % solcher
Lieferverträge umfassen Liefermengen von mehr als 80 % des Bedarfs. Alle Verträge
haben Laufzeiten von mehr als vier und bis zu 20 Jahren. Mit den in Anlage 1 zum
angefochtenen Beschluss aufgeführten Regional- und Ortsgasunternehmen wurden
Lieferverträge vor dem 29. April 1998 abgeschlossen. Sie sind zum Teil bis zum Jahre
2013 und darüber hinaus gültig.
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Die Betroffene ist an zahlreichen Regional- und Ortsgasunternehmen beteiligt (vgl.
angefochtene Verfügung Seite 6). Im Ministererlaubnisverfahren E.../R... verpflichtete sie
sich 2003, Regional- und Ortsgasunternehmen ein jährlich auszuübendes
Sonderkündigungsrecht im Umfang von 20 % der vereinbarten Gasliefermengen
einzuräumen. Hiervon machten nur wenige Unternehmen Gebrauch. Bei der Ausübung
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des Sonderkündigungsrechts verstand und versteht die Betroffene die Lieferung von
Kommunalgas und Gas für andere Zwecke (z.B. Kraftwerksgas und Gas für
abnehmereigene Zwecke) als eine wirtschaftliche Einheit. Bei der Kündigung war eine
Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten. Auf die Vergabe solchermaßen frei
gewordener Mengen bot die Betroffene in der Vergangenheit mit
.
Mit Schreiben vom 9. November 2005 unterrichtete die Betroffene das Bundeskartellamt
davon, den von ihr belieferten Regional- und Ortsgasunternehmen
Sonderkündigungsrechte einzuräumen, mit dem diese jeweils zum 1. Oktober der Jahre
2006 und 2007 verbleibende Bezugsverpflichtungen auf 50 % ihres Gasbedarfs
reduzieren könnten. Bezüglich neu abzuschliessender Lieferverträge kündigte die
Betroffene an, sich an den vom Bundeskartellamt aufgestellten Grundsätzen zu
langfristigen Gaslieferverträgen zu orientieren. Sie erklärte ferner, Abnehmern für
Restmengen zeitlich befristete Lieferangebote zu unterbreiten. Dabei behielt sie sich
vor, die angekündigte Praxis im Oktober 2008 zu überprüfen. Auf den Inhalt der Anlage
Ast 61 wird insoweit Bezug genommen.
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Das Bundeskartellamt verfügte durch Beschluss vom 13. Januar 2006:
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1. Die in den in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen der Betroffenen
enthaltenen Vereinbarungen hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und
Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung verstoßen in ihrer Kombination
gegen Art. 81, 82 EG und § 1 GWB.
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2. Die Betroffene wird verpflichtet, die Durchführung solcher Vereinbarungen in den
in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen bis spätestens zum 30. September
2006 abzustellen.
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3. Der Betroffenen wird ab sofort der Abschluss von Vereinbarungen in
Gaslieferverträgen mit den an ihre in Deutschland gelegenen
Versorgungsleitungen angeschlossenen Regional- und Ortsgasunternehmen mit
einem Gesamtvertriebsbedarf von mehr als 200 GWh pro Jahr insoweit untersagt,
als
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a. die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs
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des Abnehmers von über 50 % bis einschließlich 80 % vier Jahre überschreitet
oder die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen
Vertriebsbedarfs des Abnehmers von über 80 % zwei Jahre überschreitet,
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b. im Falle der Belieferung des Abnehmers durch mehrere Lieferanten die
Bereitschaft der Betroffenen zur Risikoabdeckung, d.h. die auf einem prozentualen
Anteil am tatsächlichen Vertriebsbedarf basierende vertragliche Lieferverpflichtung
mit einer mengenmäßig und zeitlich schwankenden Nachfrage in Einklang zu
bringen, nicht mindestens der Höhe ihres Lieferanteils entspricht, es sei denn ihr
Lieferanteil übersteigt nicht 50 %.
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Dabei sind
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a. mehrere Lieferverträge zwischen Lieferant und Kunde hinsichtlich ihrer
Lieferanteile oder Laufzeiten als ein Vertrag anzusehen,
b. Liefermengen von im Sinne der Verbund- und Mehrmütterklausel des § 36 Abs. 2
GWB zusammen zu betrachtenden Unternehmen mit demselben Kunden zu
addieren,
c. Lieferverträge, deren Laufzeit sich über einen zunächst festgelegten Zeitraum
hinaus stillschweigend verlängern kann, als auf unbestimmte Dauer vereinbart
anzusehen.
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26
4. Die unter Ziffer 3 ausgesprochene Untersagung gilt bis zum Ende des
Gaswirtschaftsjahres 2009/2010 (30. September 2010).
27
28
5. Der Widerruf von Ziffer 3 und 4 dieser Verfügung bleibt vorbehalten.
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30
Zur Begründung führte das Amt aus, die Betroffene habe durch eine Kombination von
Gesamtbedarfsdeckungs- und "Quasibedarfsdeckungs"-Vereinbarungen (Nahezu-
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Bedarfsdeckungsabreden) mit langfristigen Laufzeiten in vor dem 29. April 1998
geschlossenen Verträgen (Altverträgen) mit Regional- und Ortsgasunternehmen
Vertragsgestaltungen verabredet, die geeignet seien, den Wettbewerb auf dem
relevanten Markt spürbar zu beeinträchtigen und infolgedessen gegen Art. 81 Abs. 1 EG
und gegen § 1 GWB verstießen. Ferner missbrauche die Betroffene eine
marktbeherrschende Stellung auf dem Markt der Belieferung von Regional- und
Ortsgasunternehmen im Sinne von Art. 82 EG. Auch ein künftiger Abschluss von
Verträgen, die sich in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht überschnitten, verstoße
auf Grund der einen Marktzutritt beschränkenden Wirkung der Vertragsgestaltung gegen
Art. 81 Abs. 1 EG, § 1 GWB sowie gegen Art. 82 EG, weshalb auch dies zu untersagen
und der Betroffenen verwehrt sei, sich auf Rechte hinsichtlich der Laufzeit und
Liefermengen zu berufen oder sich solcher Rechte zu berühmen.
Gegen diesen Beschluss haben die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7
Beschwerden eingelegt, mit denen sie eine Aufhebung der Verfügung anstreben.
32
Einstweilen beantragen die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7,
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die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerden gegen den Beschluss des
Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006, Az: B 8 -113/03 - 1, anzuordnen.
34
Das Bundeskartellamt und die Beigeladenen zu 1 bis 4 beantragen,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Die Beigeladene zu 5 hat keinen Antrag gestellt.
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Das Bundeskartellamt und die Beigeladenen zu 1 bis 5 halten die Anträge teils für
unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
38
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die angefochtene Verfügung nebst deren Anlagen und die
Verfahrensakte des Bundeskartellamts verwiesen.
39
B.
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Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7, den Suspensiveffekt der
Beschwerden gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 13. Januar 2006
anzuordnen, sind im Wesentlichen zulässig. Soweit sie zulässig sind, sind sie aber
unbegründet.
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I. Die auf eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gerichteten
Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen sind zulässig, soweit sie sich gegen die
Anordnungen zu 1. bis 3. des Entscheidungsausspruchs der Verfügung richten.
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1. Die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sind statthaft. Gemäß
§ 65 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 3 GWB hat das
Beschwerdegericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder
teilweise anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung
bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Beschwerde
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gegen eine – wie hier – nach § 32 GWB i.V.m. Art. 81 Abs. 1, Art. 82 EG i.V.m. Art. 5 S. 2
der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und § 1 GWB erlassene Untersagungsverfügung hat
kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. § 64 Abs. 1 Nr. 1 GWB ordnet an, dass
lediglich die Beschwerde gegen eine Verfügung nach § 32 GWB in Verbindung mit den
§§ 19 bis 21 GWB einen Suspensiveffekt hat. Dabei nimmt die Vorschrift Verfügungen
nach § 32 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 GWB, die die missbräuchliche
Ausnutzung einer markbeherrschenden Stellung bei Elektrizitäts- oder
Gasversorgungsnetzen betreffen, von der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels
aus. Daraus ist umgekehrt zu schliessen, dass die gegen eine Verfügung nach Art. 81,
82 EG und § 1 GWB gerichtete Beschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Insoweit entspricht die nationale Rechtslage dem europäischen Rechtszustand (vgl.
auch BT-Drs. 15/3640, S. 64 zu § 64). Die Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen der
Kommission, die sich auf Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gründen, hat gemäß
Artikel 242 Satz 1 EG keinen Suspensiveffekt.
Bei den auf Anordnung des Suspensiveffekts gerichteten Anträgen der Betroffenen und
der Beigeladenen zu 6 und 7 handelt es sich nicht um Anträge auf eine einstweilige
Anordnung nach Art. 243 EG. Die nationalen Gerichte können einstweilige
Anordnungen nach Art. 243 EG nur bei Zweifeln an der Gültigkeit der
Gemeinschaftsverordnung treffen (vgl. EuGH, Urt. v. 21. Februar 1991, Rs. C-143/88
und C-92/89, Slg. 1991-I, 415 = NVwZ 1991, 460). Dies steht der Anordnung der
aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels durch die nationalen Gerichte aufgrund
nationaler Rechtsvorschriften (hier § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB) jedoch nicht entgegen,
wenn diese Anordnung aus anderen Gründen in Betracht kommt (vgl. Jannasch, NVwZ
1999, 459, 497). Solche anderen Gründe werden hier geltend gemacht. Die Betroffene
sowie die Beigeladenen zu 6 und 7 begehren im Streitfall die Anordnung einer
aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel unter anderem mit der Begründung, die
tatbestandlichen Voraussetzungen der Normen des europäischen Primärrechts (Art. 81,
Art. 82 EG) und von § 1 GWB für den Erlass des Verfügung lägen nicht vor.
44
2. Die auf Anordnung des Suspensiveffektes gerichteten Anträge der Betroffenen und
der Beigeladenen zu 6 und 7 sind entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts
auch statthaft, soweit sie sich gegen die Entscheidungsaussprüche zu 1. bis 3. richten.
Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde kommt gegenüber
Verwaltungsakten mit feststellendem oder vollziehbarem Charakter in Betracht. Die
Aussprüche zu Ziffern 2. und 3. der Verfügung sind vollziehbar. Der Ausspruch zu 1. der
Verfügung hat keinen regelnden Gehalt, sondern stellt einen Rechtsverstoß fest. Im Sinn
der Beantwortung einer kartellrechtlichen Vorfrage ist darin die Feststellung getroffen
worden, dass in den nach Anlage 1 zwischen der Betroffenen und ihren Abnehmern
aufgeführten Gaslieferverträgen enthaltene Vereinbarungen den Tatbestand bestimmter
Verbotsnormen (Art. 81, Art. 82 EG, § 1 GWB) erfüllen. Eine Anfechtung ist ungeachtet
des Umstands statthaft, dass die Verfügung zu 1. nicht die Rechtsfolgen feststellt, die
sich aus einem Verstoß gegen europäische oder nationale Kartellrechtsvorschriften
ergeben (vgl. Art. 81 Abs. 2 EG, § 139 BGB). Diese bedürfen keiner Feststellung. Eine
Anfechtung ist zulässig, da der Entscheidungsausspruch zu 1. geeignet ist, eine
Tatbestandswirkung zu entfalten, auch wenn bis zum Eintritt der Bestandskraft der
angegriffenen Verfügung für die Zivilgerichte keine Bindungswirkung eintritt (vgl.
Bornkamm, ZWER 2003, 73, 81; derselbe in Langen/Bunte, GWB, Bd. I, 10. Aufl., § 32
GWB Rdnr. 40).
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Soweit die Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sich gegen die
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Aussprüche zu 4. und 5. richten, sind sie nicht zulässig. Zwar sind Nebenbestimmungen
im Prinzip selbständig anfechtbar, sofern sie eine materielle Beschwer entfalten (vgl.
auch § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO sowie Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rdnr. 21
ff). Die betroffenen Nebenbestimmungen können jedoch nicht isoliert ergehen, weshalb
es einer selbständigen Anfechtung nicht bedarf. Hinsichtlich der unter 4. angeordneten
Geltungsdauer der Verfügung bis 2010 machen die Betroffene und die Beigeladenen zu
6 und 7 eine ermessensfehlerhafte Anordnung einer Nebenbestimmung nicht geltend.
Die Befristung ist für sie günstig. Durch Ziffer 5. des Entscheidungsausspruches, die
einen Widerruf vorsieht, sind sie nicht beschwert. Die Widerrufsmöglichkeit wirkt
ausschließlich zu ihren Gunsten.
3. Die Betroffene ist als Adressatin der Verfügung beschwerde- und antragsbefugt. Auch
die Beigeladenen zu 6 und 7 sind berechtigt, Beschwerde einzulegen und Anträge nach
§ 65 Abs. 3 S. 3 GWB zu stellen, soweit die Verfügung zu 2. ihre eigenen Verträge mit
der Betroffenen betrifft. Die formelle Beschwer der Beigeladenen zu 6 folgt insoweit
daraus, dass sie sich im Verwaltungsverfahren gegen den Erlass der Verfügung
gewandt hat. Die Beigeladene zu 7 ist durch die Verfügung möglicherweise zwar nicht
formell beschwert. Jedoch ist eine materielle Beschwer gegeben, wenn der
Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung in seinen wirtschaftlichen
Interessen nachteilig berührt ist. Die Beigeladenen zu 6 und 7 sind materiell beschwert,
da der Betroffenen durch die angegriffene Verfügung (unter 2.) eine Durchführung der
(mit ihnen) vor 1998 geschlossenen Liefervereinbarungen sowie (gemäß Ziffer 3. der
Verfügung) ein Neuabschluss von langfristigen Verträgen mit Gesamtbedarfsdeckung
oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckung untersagt ist. Die mit der Betroffenen unter den
genannten Konditionen abgeschlossenen Verträge werden durch das Verbot unter 2.
der Verfügung in Zukunft wirtschaftlich wertlos. Durch die Anordnung unter 3. der
Verfügung wird außerdem in den unternehmerischen Ge-staltungsspielraum der
Beigeladenen beim Gasbezug eingegriffen.
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II. Die auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gerichteten
Anträge der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 sind unbegründet.
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1. Das Bundeskartellamt war zum Erlass der Verfügung zuständig. Die am 1. Mai 2004
in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den
Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln vom 16. Dezember
2002 (Abl. Nr. L v. 4.1.2003, S.1 ff.) räumt den nationalen Kartellbehörden in Art. 5 Satz
1 die Befugnis ein, Verstöße gegen Art. 81 und 82 EG zu verfolgen (vgl. BGH WuW/E
DE-R 89, 90 - Selektive Exklusivität).
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2. Die von der Betroffenen und den Beigeladenen zu 6 und 7 erhobenen
Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
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Unbegründet ist die Rüge, mit der die Betroffene einen Verstoß des Bundeskartellamts
gegen das aus § 57 Abs. 1 GWB folgende Gebot der Amtsermittlung geltend macht.
Daraus sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht abzuleiten.
Die Amtsermittlungspflicht der Kartellbehörde nach § 57 Abs. 1 GWB ist verletzt, wenn
Ermittlungen vollständig unterblieben oder unzutreffend und unvollständig sind, die
durchgeführten Ermittlungen sich vom Rechtsstandpunkt des Beschwerdegerichts aus
als unverwertbar erweisen oder der Vortrag des Betroffenen gebietet, weitere
Ermittlungen durchzuführen (vgl. BGH WuW/E DE-R 1163, 1167 – Lekkerland). Der
Untersuchungsgrundsatz hält das Beschwerdegericht jedoch nicht dazu an,
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unbestrittene Feststellungen der Kartellbehörde amtswegig zu überprüfen (vgl. BGH
WuW/E DE-R 1520, 1521 - Arealnetz).
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist nicht anzunehmen, das
Bundeskartellamt sei von einer unzutreffenden, unvollständigen oder erst recht
unverwertbaren Tatsachengrundlage ausgegangen. Über die erfolgten Ermittlungen zur
Vertragssituation der Betroffenen hinaus bedurfte es keiner weiteren Aufklärung des
Sachverhalts, da die Tatsachen, auf welche die Verfügung sich stützt, außer Streit
stehen. Der Vortrag der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 im Verfahren über
den Antrag nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB ist nicht geeignet, die der angefochtenen
Verfügung zu Grunde gelegten Tatsachen zu erschüttern oder nicht mehr für
hinreichend wahrscheinlich zu halten.
52
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung oder an dem ihrem Erlass zu
Grunde liegenden Verfahren folgen nicht aus einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
der Betroffenen. Die Betroffene beruft sich ohne Erfolg darauf, dass bei einer in das
Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellten Entscheidung eine verfahrensfehlerhaft
unterbliebene Anhörung zur Aufhebung des Verwaltungsakts führen kann (vgl. BVerwG
NVwZ 1999, 1218, 1219). § 56 Abs. 1 GWB schreibt vor, dass den Beteiligten des
Kartellverwaltungsverfahrens, insbesondere dem Betroffenen, vor Erlass eines
Verwaltungsakts Gelegenheit zu geben ist, Stellung zu nehmen. § 28 Abs. 1 VwVfG, der
im Kartellverwaltungsverfahren entsprechende Anwendung findet (vgl. BGH WuW/E
DE-R 1119,1122-Verbundnetz II), sieht vor, dass der Betroffene Gelegenheit erhalten
soll, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen, von deren Vorliegen die von der
Behörde zu treffende Entscheidung abhängt, zu äußern (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG,
8. Aufl. § 28 Rdnr. 12 und 30 bis 32). Sinn und Zweck der Vorschrift ist,
Überraschungsentscheidungen zu verhindern. Dies gebietet auch, dass der Betroffene
über die kartellrechtliche Beurteilung der Angelegenheit durch die Behörde nicht im
Unklaren gelassen wird.
53
Die Betroffene hatte im Verwaltungsverfahren ausreichende Gelegenheit, sich zu den
entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen zu äußern. Mit Schreiben vom
12. Dezember 2005 hat das Amt ihr den Entwurf der Verfügung übersandt. Sie hat
Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Anspruch der Betroffenen auf rechtliches
Gehör ist ebenso wenig dadurch verletzt worden, dass der Entwurf der Verfügung ein
Verbot, sich auf Rechte bezüglich Laufzeit und Grad der Bedarfsdeckung gegenüber
Vertragspartnern zu berufen oder sich Dritten gegenüber solcher Rechte zu berühmen
(vgl. angefochtene Verfügung S. 30), nicht enthielt.
54
Rechtliches Gehör ist zu den der Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen und
zur kartellrechtlichen Beurteilung zu gewähren. Einer Gewährung rechtlichen Gehörs zu
den konkreten Maßnahmen, welche die Kartellbehörde für erforderlich und geeignet
hält, den beanstandeten Verstoß abzustellen, bedarf es nicht. Zu diesen Maßnahmen
zählt das Verbot, sich bestimmter Rechtspositionen gegenüber Vertragspartnern und
Dritten zu berühmen. Der Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör ist auch nicht
dadurch verletzt worden, dass dem Entscheidungsausspruch das Verbot eines Berufens
und Berühmens nicht zu entnehmen war. Von einem Verwaltungsakt ist nicht gefordert,
dass der wesentliche Inhalt der Regelung getrennt von seinen übrigen Bestandteilen,
vor allem von seiner Begründung, in einem Entscheidungssatz zusammengefasst und
vorangestellt ist, der alle geregelten Punkte vollständig und aus sich heraus verständlich
wiedergibt (vgl. BVerwG, Buchholz 451.45 § 16 HWO Nr. 8). Das Verbot eines Berufens
55
und Berühmens ist in den Gründen ausdrücklich und zweifelsfrei enthalten.
4. Die Verfahrensrügen der Beigeladenen zu 6 und 7 sind ebenfalls unbegründet. Der
Anspruch der Beigeladenen zu 6 und 7 auf rechtliches Gehör ist im
Verwaltungsverfahren nicht verletzt worden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
lässt die Verfügung zudem nur rechtswidrig werden, wenn dieser Mangel sich auf die im
Ermessen stehende Entscheidung der Kartellbehörde in der Sache ursächlich
ausgewirkt hat (vgl. den analog heranzuziehenden § 46 VwVfG; BVerwG, NVwZ 1999,
641; 1219, 1229), weil der Verwaltungsakt bei Gewährung rechtlichen Gehörs nicht oder
nicht mit demselben Inhalt ergangen wäre. Das Bundeskartellamt hat die Beigeladenen
zu 6 und 7 mit Schreiben vom 12. Dezember 2006 angehört. Zu diesem Zweck ist auch
ihnen der Entwurf der Verfügung übermittelt worden. Die Beigeladene zu 7, die nach
Erlass der Verfügung durch Beschluss vom 16. Februar 2006 beigeladen wurde, hat
sich dazu nicht geäußert. Die Beigeladene zu 6 hat mit ihrem Beiladungsantrag vom 3.
Januar 2006 Stellung genommen und sich für den Fall einer Beiladung weiteren Vortrag
vorbehalten. Ihre Beiladung ist mit Beschluss des Bundeskartellamts vom 5. Januar
2006 erfolgt. Über die bereits erfolgte Anhörung hinaus war das Amt zu keiner weiteren
Anhörung der Beigeladenen verpflichtet. Die Beigeladene zu 6 hatte Gelegenheit, sich
zum Sachverhalt und zur kartellrechtlichen Beurteilung zu äußern. Diese Gelegenheit
hat sie genutzt. Letztlich hat sich die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs auf die
Entscheidung nicht ausgewirkt. Die Beigeladene zu 6 hat nicht vorgetragen, welche
entscheidungserheblichen, nicht schon bekannten Tatsachen, die dazu geführt hätten,
dass die Verfügung nicht ergangen wäre, sie in einem solchen Fall vorgetragen hätte.
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III. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden ist abzulehnen, da
ernstliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung
nicht bestehen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB). Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Verfügung können in tatsächlicher (so bei nicht zureichender
Sachaufklärung) oder rechtlicher Hinsicht gegeben sein. Darüber hinaus ist dem Antrag
der Betroffenen – und den Anträgen der Beigeladenen zu 6 und 7 – auch nicht deshalb
stattzugeben, weil die Vollziehung der Verfügung vom 13. Januar 2006 für sie eine
unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte nicht zur
Folge hätte (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn
die Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Aussetzungsinteresse gegenüber
dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Im Vordergrund steht
in beiden Fällen eine Prüfung der in der Hauptsache bestehenden Erfolgsaussichten.
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Das Verfahren nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 und 3 GWB
dient der Sicherung eines effektiven Rechtschutzes. Infolge der Eilbedürftigkeit des
Verfahrens hat es nur vorläufigen Charakter und ist der Prüfungsmaßstab summarisch.
Dies hat zur Folge, dass die abschliessende Feststellung des Sachverhalts und eine
Entscheidung schwieriger Rechtsfragen der im Beschwerdeverfahren zu treffenden
Hauptsacheentscheidung vorzubehalten sind. Im Verfahren über den Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde müssen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Verfügung und das Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung
von erheblichem Gewicht sein. Es genügt für die Anordnung des Suspensiveffekts
wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht, dass die Rechtslage als offen zu
bewerten ist (vgl. KG WUW/E OLG 1497, 1498 – AGIP). Dabei obliegt dem Betroffenen
(und anderen Antragstellern), diejenigen Tatsachen, die gegen die Rechtmäßigkeit der
Verfügung sprechen, darzulegen und im Streitfall glaubhaft zu machen (§ 65 Abs. 4 Satz
2 GWB). Hierzu gehört, dass Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die
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geeignet sind, die von der Kartellbehörde zu Grunde gelegten Tatsachen zu erschüttern
und diese als nicht (mehr) wahrscheinlich anzusehen. Dies ist im Streitfall unterblieben.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Voraussetzungen der
Entscheidungsaussprüche zu 1. und 2. der Verfügung, welche die sogenannten
Altverträge erfassen, vorliegen. Der Entscheidungsausspruch zu 1. stellt fest, dass die in
den in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträgen enthaltenen Vereinbarungen
hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und Grad der tatsächlichen
Bezugsverpflichtung in ihrer Kombination gegen Art. 81 und Art. 82 EG verstoßen.
Durch Ziffer 2. der Verfügung ist die Betroffene verpflichtet worden, die Durchführung
von Vereinbarungen hinsichtlich langjähriger Bezugsverpflichtung und tatsächlicher
Vertriebsbedarfsdeckung bis zum 30. September 2006 abzustellen.
59
Nach den vom Bundeskartellamt getroffenen und außer Streit stehenden Feststellungen
enthalten mehr als 70 % der von der Betroffenen mit Regional- und Ortsgas-
unternehmen geschlossenen Verträge Bezugsverpflichtungen, die den tatsächlichen
Gesamtjahresbedarf vollständig abdecken (wirtschaftliche
Gesamtbedarfsdeckungsverträge). Bedarfsdeckungsvereinbarungen zwischen 80 und
100 % des tatsächlichen Gesamtjahresbedarfs sind mit weiteren etwa 6 % der
Unternehmen geschlossenen worden (vom Bundeskartellamt Quasi-
Gesamtbedarfsdeckungsverträge genannt). Ein Liefervertrag betrifft eine Liefermenge
von 50 bis 80 % des tatsächlichen Bedarfs. Alle diese Verträge haben eine Laufzeit von
mehr als vier Jahren, gleichgültig, ob vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder vom
Zeitpunkt der Liberalisierung (29. April 1998) an gerechnet wird.
60
2. Langfristige Bezugsbindungen in Verbindung mit einer Gesamtbedarfsdeckung oder
annähernder Gesamtbedarfsdeckung verstoßen hinreichend wahrscheinlich gegen Art.
81 Abs. 1, Art. 82 EG und § 1 GWB. Art. 81 Abs. 1 EG verbietet Vereinbarungen
zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigten
geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Für das
Vorliegen eines Verstoßes der Betroffenen gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist nach Art. 2 Satz
1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren das
Bundeskartellamt darlegungs- und beweisbelastet. Im Verfahren über den Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde genügt Glaubhaftmachung, es
sei denn die tatsächlichen Umstände, auf welche die Verfügung gestützt ist, sind
unstreitig.
61
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 EG hinsichtlich der von
Ziffern 1. und 2. der Verfügung erfassten Vereinbarungen sind gegeben.
62
a) Die Betroffene und die in Anlage 1 der angefochtenen Verfügung aufgeführten
Regional- und Ortgasunternehmen sind Unternehmen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG.
Der Begriff des Unternehmens umfasst im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft jede
eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und
der Art ihrer Finanzierung (vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-2010,
2016 Tz. 21 ff - Höffner; Urt. v. 19.1.1994 – Rs. C- 364/92, Slg. 1994, I-43, 61 Tz. 18 -
Eurocontrol; EuGH WuW/E EU-R 801, Tz. 46 – AOK-Bundesverband; WuW/E EU-R
913, 916 Tz. 112 - HFB/Isoplus).
63
b) Die unter 2. der Verfügung untersagten Abreden hinsichtlich langjähriger
64
Bezugsverpflichtung und Grad der tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung bezwecken
und bewirken bei vorläufiger Bewertung eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem
relevanten Markt, auf dem die Betroffene als Anbieterin und Regional- und
Ortsgasunternehmen als Nachfrager von Erdgas zu Zwecken der Belieferung von
Endkunden auftreten.
aa) Langfristige Bezugsverträge verpflichten Regional- und Ortsgasunternehmen, ihren
gesamten gegenwärtigen und künftigen Erdgasbedarf oder doch einen wesentlichen
Anteil von mehr als 80 % bei einem einzigen Lieferanten zu beziehen.
Gasbezugsverträge verpflichten den Abnehmer der Sache nach zu einer
wirtschaftlichen Gesamtbedarfsdeckung, wenn sie den Gasbedarf vollständig abdecken.
Eine wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckung ist anzunehmen, wenn die vereinbarten
Vertragsmengen (Jahres- und Stundenhöchstmengen) so hoch festgesetzt sind, dass
sie den Gesamtbedarf des Vorjahres und den voraussichtlichen Mehrbedarf der
kommenden Vertragsjahre faktisch umfassen (vgl. OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854,
857 – Stadtwerke Aachen). Derartige Vereinbarungen sind wegen ihrer Wirkungen einer
ausdrücklich vereinbarten Gesamtbedarfsdeckung gleich zu erachten. Bezugsverträge,
die Bedarfsdeckungen im Umfang von 80 % und darüber hinaus enthalten, erreichen bei
wirtschaftlicher Betrachtung annähernd das Niveau einer Gesamtbedarfsdeckung.
65
Vereinbarungen über hohe Abnahmemengen im zwischen der Betroffenen und den
Regional- und Ortsgasunternehmen bestehenden Vertikalverhältnis erhalten durch die
zeitliche Dimension, also durch überlange Vertragsdauer, einen kartellrechtlichen
Unwertgehalt. Sie sind geeignet, den zwischen der Betroffenen und Regional- und
Ortsgasunternehmen aktuell oder potentiell bestehenden Wettbewerb zu beschränken.
Trotz vertikaler Lieferbeziehungen sind regionale und lokale
Gasversorgungsunternehmen in dem durch das konzerneigene Gasversorgungsnetz
abgebildeten räumlichen Versorgungsgebiet zugleich potentielle Wettbewerber der
Betroffenen. Sie stehen zu ihr in einem Wettbewerbverhältnis. Wettbewerber im Sinne
des Art. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 sind tatsächliche (wie die
Beigeladene zu 4 und die Beigeladene zu 7) oder potentielle Anbieter (wie die
Beigeladene zu 6) auf demselben Produktmarkt, nämlich auf dem sachlichen Markt der
Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas. Der (potentielle)
Wettbewerb folgt daraus, dass größere (und leistungsfähigere) Regional- und
Ortsgasunternehmen gleichartige kleinere Unternehmen beliefern können (vgl. dazu
auch den Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die
energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Auswirkungen der
Verbändevereinbarungen vom 7. August 2003, BT-Drs. 15/1510, Monitoring-Bericht der
Bundesregierung, S. 34 unter Ziffer 2 a). Sind an sich leistungsfähige und -bereite
Regional- und Ortsgasunternehmen durch langfristige Bezugsverträge mit hohem
Bedarfsdeckungsgrad jedoch an die Betroffene gebunden, kann insoweit kein
Wettbewerb aufkommen. Ein wirksamer Wettbewerb um eine Belieferung kleinerer
Ortsgasunternehmen kann bei dieser Sachlage auch durch Lieferungen Dritter nicht
entstehen, da dazu erforderliche Freimengen, die eine Belieferung wirtschaftlich sinnvoll
werden lassen, auf Jahre hinaus fehlen. Langfristige Bezugsbindungen der mit der
angegriffenen Verfügung beanstandeten Art sind geeignet zu verhindern, dass freie
Liefermengen in einem für einen unverfälschten Wettbewerb vorauszusetzenden
Umfang entstehen.
66
bb) Als hiervon sachlich und räumlich betroffener (relevanter) Markt ist der Markt für die
Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas (zum Zweck einer
67
Versorgung der Endverbraucher) anzusehen. Dieser in der angegriffenen Verfügung
vorgenommenen Marktabgrenzung ist zuzustimmen.
Aus Sicht der Erdgas nachfragenden Regional- und Ortsgasunternehmen besteht keine
funktionale Austauschbarkeit mit anderen Energieträgern. Die Regional- und
Ortsgasunternehmen können - bedingt durch die Nachfrage der Endabnehmer (private
Kunden, Gewerbetreibende und Industriekunden), die ihren Bedarf mit zumutbarem
Aufwand nicht auf andere Energieträger umstellen können – ebenfalls nicht auf andere
Energieträger ausweichen (vgl. OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854, 857 – Stadtwerke
Aachen).
68
Bei vorläufiger Betrachtung bildet innerhalb der mehrstufigen Gaswirtschaft die
Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen einen eigenständigen sachlichen
Markt. Dieser Markt ist dem Endkundenmarkt (Haushalte, Gewerbekunden und
Industriekunden) vorgelagert und vom Markt der Belieferung von regionalen
Ferngasunternehmen abzugrenzen. Auf diesen – nach Abnehmergruppen der
Betroffenen wie der anderen überregionalen Ferngasunternehmen differenzierten (vgl.
BGH, WuW/E BGH 1502 f – KfZ-Kupplungen; WuW/E-DER 1355, 1356 f. –
Staubsaugerbeutel) – sachlichen Märkten herrschen unterschiedliche
Wettbewerbsbedingungen, Preise und auch Absatzstrategien. Die Größenordnungen
der von den Regional– und Ortsgasunternehmen nachgefragten Gasmengen sind
erheblich geringer als die der regionalen Ferngasunternehmen. Regionale
Ferngasunternehmen werden deshalb zu günstigeren Preisen beliefert. Sie agieren –
wie der Vertreter der Betroffenen im Termin nicht in Abrede gestellt hat – auf einer
anderen Marktstufe und beliefern Haushalts- und Kleingewerbekunden, auf die das
Hauptgeschäft der Regional- und Ortsgasunternehmen entfällt, selbst nur zu einem
vernachlässigbar geringen Anteil. Die Abgrenzung eines sachlichen Marktes für die
Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen wird zudem indiziell durch den
Umstand belegt, dass die Betroffene in ihren Kundenlisten selbst nach einer Belieferung
von Regional- und Ortsgasunternehmen sowie von regionalen Ferngasunternehmen
unterscheidet. Dies bestätigt die eidesstattliche Versicherung von Herrn R. (Anlage Ast.
64, unter Ziffer 6.). Vor diesem Hintergrund bestehen an der Richtigkeit der vom
Bundeskartellamt vorgenommenen sachlichen Marktabgrenzung keine ernstlichen
Zweifel.
69
Die Belieferung von Industrie- und Kraftwerkskunden ist in den relevanten sachlichen
Markt nicht einzubeziehen. Diese sind – wie die Haushalte und Gewerbekunden –
Endverbraucher und keine Weiterverteiler. Industrie- und Kraftwerkskunden sind – wie
Haushalts- und Kleingewerbekunden – Endverbraucher. Sie beziehen Erdgas zum
Eigenbedarf. Absatzstrategien und Preisbildung für das von ihnen nachgefragte Erdgas
unterliegen anderen als bei den Regional- und Ortsgasunternehmen vorherrschenden
Bedingungen. Die Absatzmöglichkeiten ausländischer Anbieter bei regionalen
Ferngasunternehmen (etwa der E...2 bei der G...) sind – entgegen der Auffassung der
Betroffenen – für den sachlichen Markt der Belieferung von Regional- und
Ortsgasunternehmen nicht von Bedeutung. Sie betreffen einen anderen sachlichen und
räumlichen Markt, über dessen Verhältnisse das Bundeskartellamt nicht aufzuklären
hatte.
70
Der relevante Markt wird in räumlicher Hinsicht vom Gasversorgungsnetz der E...-R...
Transport AG & Co. KG abgebildet, über das die Betroffene – wie unstreitig ist – auf
Grund ihrer Zugehörigkeit zum E...-Konzern tatsächlich verfügt. Auf dem in der Weise
71
abgegrenzten Markt für die Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen hat die
Betroffene, da ihr das Gasversorgungsnetz der E...-R... Transport AG & Co. KG
unmittelbar zugänglich ist, ein natürliches Monopol (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1520, 1523
– Arealnetz; BGHZ 136, 268 – Stromversorgung Aggertal; BGH, WUW/E DE-R 32, 33 –
Stadtwerke Garbsen). Die Entflechtung des Gasvertriebs vom Netzbetrieb steht dem
nicht entgegen, weil Netzeigentümer und Betreiber demselben Konzern angehören. Das
Netzgebiet der E...-R... Transport AG & Co. KG erstreckt sich – wie zwischen den
Verfahrensbeteiligten unstreitig ist – auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (mit
Ausnahme des westlichen Landesteils), Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bayern
sowie Baden-Württemberg (vgl. auch den Monitoring-Bericht des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs. 15/1510, Seite 34, Schaubild unter III.9:
Gasversorgungsnetze in Deutschland).
Entgegen der Auffassung der Betroffenen ist der räumlich relevante Markt nicht
bundesweit, sondern nach dem Netzgebiet des konzernangehörigen Netzbetreibers
abzugrenzen. Die räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich nach den tatsächlichen
räumlichen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite, hier der Regional- und
Ortsgasunternehmen (vgl. BGH WuW/E 2483, 2478 f. - Sonderungsverfahren; Beschl. v.
19.12.1995, KVR 6/95, WUW/E 3037, 3042 – Raiffeisen). Kleinere räumliche Märkte
sind immer dann zu bilden, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus
objektiven Gründen regional begrenzt sind. Eine Änderung der durch regional begrenzte
Märkte bestimmten Marktverhältnisse (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1206, 1208 - Strom und
Telefon I; WuW/E DE-R 1520,1523 - Arealnetz) tritt nicht schon mit der Änderung der
rechtlichen Rahmenbedingungen ein. Maßgebend ist die Entwicklung der tatsächlichen
Marktverhältnisse. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.
Dezember 2005, KVR 13/05, unter Ziffer III.1c), für den leitungsgebundenen Gasmarkt
ausdrücklich bestätigt. Auf Grund des Eigentums der mit der Betroffenen konzernmäßig
verbundenen Netzbetreibergesellschaft, der E...-R... Transport AG & Co. KG, verfügt die
Betroffene über eine natürliche Monopolstellung. Die im so definierten
Versorgungsgebiet der Betroffenen ansässigen Regional- und Ortsgasunternehmen
haben tatsächlich keine räumlichen Ausweichmöglichkeiten auf andere Anbieter als die
Betroffene, die nach den unwidersprochenen Feststellungen des Bundeskartellamts
über dieses Netz verfügt.
72
Die Überlegungen des Bundesgerichtshofs gelten - nach vorläufiger Prüfung –
gegenwärtig auch für die räumlich relevanten regionalen Märkte der
leitungsgebundenen Gasversorgung. Die tatsächlichen Marktstrukturen haben sich -
nach Abschaffung der Bereichsausnahme gemäß den §§ 103, 103a GWB und
Einführung eines Durchleitungsanspruchs nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB und § 6a EnWG
– seit 1998 nicht oder nur unwesentlich geändert. Dies belegen das XIV.
Hauptgutachten der Monopolkommission aus dem Jahr 2000/2001 und der Bericht des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag über die
energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirkungen der Verbändevereinbarungen
vom 31. August 2003 (Monitoring-Bericht, BTDrs. 15/1510, S. 34 ff). Wie die
Monopolkommission (Hauptgutachten S. 390) ausgeführt hat, funktionierte in den ersten
Jahren nach der Liberalisierung die durch die Verbändevereinbarung Gas I angestrebte
Praxis der Durchleitung von Erdgas durch fremde Netze bei neuen Anbietern nur
unzureichend und blieb auf die etablierten Gasversorger wie R... (die Betroffene), W....
und R. Gas beschränkt (vgl. S. 396, linke Spalte). Das Auftreten neuer europäischer
Anbieter im Inland hatte nur geringen Einfluss auf die bisherige Marktstruktur (vgl.
Monitoring-Bericht, S. 37), während US-amerikanische Anbieter sich vom deutschen
73
Markt zurückzogen. Den Fortbestand dieser Marktverhältnisse bis zum Beginn des
Jahres 2003 hat der Bundesgerichtshof für den Markt der Belieferung von Regional- und
Ortsgasunternehmen mit Erdgas zuletzt mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 (KVR
13/05, Umdruck S. 8 f., unter Ziffer III.1.c - Stadtwerke Dachau) angenommen. Auch bis
zum Ablauf des Monats August 2003 hat sich nach dem Monitoring-Bericht des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit hieran nichts geändert.
Die räumliche Marktabgrenzung des Bundeskartellamts auf das herkömmliche
Versorgungsgebiet der Betroffenen ist auch – abgestellt auf den Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung über die Eilanträge vor dem Senat – nicht zu beanstanden.
Der Vortrag der Betroffenen - und der Beigeladenen zu 6 und 7 - zum Bestehen eines
vermeintlich wirksamen Durchleitungssystems (Entry-exit-Systems) bietet keinen
greifbaren Anlass anzunehmen, die Feststellungen des Bundeskartellamts, der
Monopolkommission und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu einer auf
das Versorgungsgebiet der Betroffenen beschränkten räumlichen Marktabgrenzung, auf
die sich die Verfügung stützt, hätten ihre sachliche Berechtigung verloren und seien
unwahrscheinlich geworden. Das Bestehen eines rechtlich abgesicherten und praktisch
handhabbaren Durchleitungssystems, das anderen weiterverteilenden Unternehmen als
der Betroffenen die Möglichkeit einräumt, in dem in Rede stehenden Gebiet zu
Wettbewerbsbedingungen zu liefern, die der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 13.
Dezember 2005 (KVR 13/05, unter Ziffer III.2 – Stadtwerke Dachau) voraussetzt, um
künftig von der herkömmlichen nach Versorgungsgebieten erfolgenden
Marktabgrenzung abweichen zu können, hat die Betroffene für die Zeit seit dem 31.
August 2003 nicht glaubhaft gemacht.
74
Die Feststellungen der Monopolkommission und des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit zu den Durchleitungsmöglichkeiten bis August 2003 ausländischer und
inländischer Anbieter werden durch die eidesstattliche Versicherung des Bereichsleiters
Recht und Regulierung der E...-R... Transport AG & Co. KG (Herr R., vgl. Anlage Ast. 64)
für die Zeit von Ende August 2003 an nicht in Frage gestellt. Herr R. hat zwar versichert,
dass 87 % der deutschen überregionalen Fernleitungsnetzbetreiber (B... Transport
GmbH & Co. KG, R. Transportnetz Gas GmbH und W.... Transport GmbH & Co. KG)
Netzzugang auf der Grundlage eines Entry-exit–Modells gewähren. Ferner hat er
erläutert, dass die für das Netzgeschäft der V... zuständige Netzbetreibergesellschaft ein
solches Modell ab dem 1. Februar 2006 einführen werde. V... beliefert – wie dem Senat
bekannt ist - in Berlin (ohne West-Berlin), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg
sowie in großen Teilen Sachsens und Sachsen-Anhalts flächendeckend
Endverbraucher mit Erdgas. Ferner ist sie an der E...5 T. beteiligt, die in Thüringen
sowohl wie in den nicht unmittelbar von V... versorgten Teilen Sachsens und Sachsen-
Anhalts Verbraucher mit Gas beliefert. Herr R. bestätigt damit aber nur die Feststellung
der Monopolkommission, dass Durchleitungen tatsächlich möglich sind. Von welchen
Wettbewerbern der Betroffenen - den etablierten Gasversorgern oder neuen
ausländischen und inländischen Anbietern - das bestehende Entry-exit-Modell und in
welchem Umfang genutzt wird, bleibt offen. Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung
ist deshalb nicht geeignet, den Befund der Monopolkomission in ernstliche Zweifel zu
ziehen, dass das bestehende Durchleitungssystem für Erdgas nur von den mit den
Netzversorgungsgesellschaften verbundenen und etablierten
Gasversorgungsunternehmen, nicht aber von dritten Unternehmen genutzt wird. Auf
diesen Befund durfte das Bundeskartellamt sich ohne weitere Ermittlungen stützen, weil
die Tatsachen feststehen. Auch die Europäische Kommission hat in einem "Preliminary
Report" vom 16. Februar 2006 (Tz. 113 Anlage 1 zur Antragserwiderung des
75
Bundeskartellamts) festgestellt, dass die Neuanbieter infolge langfristiger
Bezugsverträge häufig keinen effektiven Zugang zu den Netzen haben.
cc) Auch die von der Betroffenen behaupteten Kundenverluste an ausländische
Wettbewerber rechtfertigen nach vorläufiger Prüfung eine bundesweite räumliche
Marktabgrenzung nicht. Das Bundeskartellamt hat sich für den Umfang der von
ausländischen Unternehmen abgeworbenen Kunden auf die eigenen Angaben der
Betroffenen aus dem Dezember 2004 und eine von der Betroffenen vorgelegte Liste
"Kundenwechsel" gestützt. Die Anlage "Kundenwechsel" bezeichnet sowohl Regional-
und Ortsgasunternehmen als auch nicht importierende Ferngasunternehmen als
"verlorene Kunden". Sie führt bereits in den Jahren 2001 an Wettbewerber verlorene
Kunden, wie beispielsweise die Stadtwerke B., in jedem Geschäftsjahr erneut als
Kundenverluste auf. Die eidesstattliche Versicherung des für den "Verkauf
Grundsatzfragen" zuständigen Direktors D. der Betroffenen (Anlage Ast 19) hat keinen
über die vorgelegte Liste hinausgehenden Aussagewert. Sie ist insbesondere nicht
geeignet, auf der Grundlage erheblicher Kundenverluste der Betroffenen einen
bundesweiten Wettbewerb - vor allem in den Jahren von 2002 an - glaubhaft zu
machen. Herr D. hat lediglich von Versuchen der Wettbewerber gesprochen, Kunden
der Betroffenen abzuwerben. Der eidesstattlichen Versicherung ist ferner eine Anlage
beigefügt, die als "Wettbewerbsangebote" bezeichnet ist. Daraus – aber auch aus der
weiteren eidesstattlichen Versicherung von Herrn D. (Anl. Ast 17, dort unter 8.) - ist zu
schliessen, dass die Betroffene Abwerbungsversuche von ausländischen und
inländischen Wettbewerbern in ihrem Versorgungsgebiet erfolgreich abgewehrt hat. Die
Rüge der Betroffenen, das Bundeskartellamt habe es unterlassen, für das Bestehen von
Wettbewerb auf dem räumlich relevanten – nach ihrer Auffassung bundesweit
abzugrenzenden – Markt den Umfang der von ausländischen Unternehmen
ausgehenden Kundenabwerbungen seit dem Jahre 2000 von Amts wegen zu ermitteln,
ist nach vorläufiger Prüfung bei dieser Sachlage unbegründet.
76
Für das Vorliegen von Wettbewerb in ihrem Versorgungsgebiet hat die Betroffene auf
das überregionale Ferngasunternehmen W...., das französische Unternehmen G...2 und
das italienische Unternehmen E...2 verwiesen. Die Betroffene kann sich zum Nachweis
für bundesweit bestehenden Wettbewerb aber nicht mit Erfolg auf das Beispiel des
inländischen Wettbewerbers W.... stützen. W.... ist als 1993 gegründetes
Gemeinschaftsunternehmen der zur X... -Gruppe gehörenden W. AG und des russischen
Y. -Konzerns – wie dem Senat bekannt ist - unmittelbare Wettbewerberin der
Betroffenen. Sie tritt auf dem ersten und zweiten sachlichen Weiterverteilermarkt als
Anbieterin von Gas auf, das von Y. aus Russland über die im Eigentum eines
Tochterunternehmens stehende S2 (S2) transportiert wird. W.... verfügt über drei weitere
Erdgasfernleitungen (J..., M... und W3). Dieses Netz, das sich – wie gerichtsbekannt ist –
auf die neuen und alten Bundesländer erstreckt, bildet das Versorgungsgebiet der W....
ab und bildet einen eigenständigen räumlichen Versorgungsmarkt. W.... zählt
infolgedessen zu den etablierten Ferngasunternehmen und ist kein Neuanbieter im
eigentlichen Sinne.
77
Kein Beleg für existierenden Wettbewerb im Versorgungsgebiet der Betroffenen sind
ferner die Hinweise auf die Stadtwerke W. und B.. Wie das Bundeskartellamt
unwidersprochen festgestellt hat, sind die Stadtwerke W. und B. bereits 2000 und 2001
von der Betroffenen zur G...2 gewechselt. Die Wechsel sind auf die Gründung der G...2
Deutschland, B., und den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken
zurückzuführen. Da es sich um im Zusammenhang mit einer vertikalen Integration
78
stehende Kundenwechsel handelt, sind diese nicht geeignet, einen wirksamen
Wettbewerb um Kunden zu belegen. Zur italienischen E...2 ist – wie bereits ausgeführt –
die G... (G...) gewechselt, die gemeinsam mit E() die G... kontrolliert (vgl. Bl. 159 GA).
Dieser Wechsel belegt bei der hier zu Grunde gelegten räumlichen Marktabgrenzung
keinen wirksamen Wettbewerb auf dem durch das Netzgebiet des konzernangehörigen
Netzbetreibers abgebildeten regionalen Markt der Versorgung von Regional- und
Ortsgasunternehmen. Die G... ist ein regionales, nicht importierendes
Ferngasunternehmen, das in ihrem Versorgungsgebiet auf dem zweiten
Weiterverteilungsmarkt gegenüber Regional- und Ortsgasunternehmen als Anbieterin
auftritt. Wie dem Senat bekannt ist, verfügt sie vor allem in Baden-Württemberg über ein
"eigenes" Leitungsnetz und beliefert Regional- und Ortsgasunternehmen, in einigen
Fällen auch Industriekunden. Vor dem Wechsel zu E...2 wurde sie von der R... AG und
von der W.... GmbH mit Erdgas beliefert. Zwar erstreckt sich das Versorgungsgebiet der
Betroffenen auch auf das Bundesland Baden-Württemberg. Dies lässt aber nicht den
Schluss zu, die G... werde im Versorgungsgebiet der Betroffenen tätig. Das Leitungsnetz
der G... bildet einen eigenständigen räumlichen Markt. Definiert wird der räumliche Markt
– nach der vom Senat zu Grunde gelegten räumlichen Marktabgrenzung - durch die
räumliche Ausdehnung des einem Gasversorgungsunternehmen zur Verfügung
stehenden Versorgungsnetzes.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung und der ihr zu Grunde
liegenden räumlichen Marktabgrenzung werden auch nicht dadurch begründet, dass ein
von der Bundesnetzagentur mitgestaltetes Entry-exit-Modell (Durchleitungsmodell) zum
kommenden Gaswirtschaftsjahr ab dem 1. Oktober 2006 eingeführt werden wird,
welches die E... R... Transport in ihrem Geschäftsbereich bereits eingeführt haben will.
Auch wenn eine Durchleitung daraufhin rechtlich abgesichert und praktisch handhabbar
sein sollte, werden die augenblicklichen Marktverhältnisse dadurch nicht entscheidend
verändert. Außerdem kann ein Wettbewerb auf dem regional relevanten Markt künftig
nicht eintreten, wenn gleichzeitig unverändert langfristige Lieferverträge mit
Gesamtbedarfsdeckungsverpflichtungen bestehen und weiterhin geschlossen werden.
Deshalb bietet auch dies keinen Anlass anzunehmen, dass die objektive Eignung einer
mit langlaufenden Verträgen kombinierten Gesamtbedarfsdeckung, Wettbewerb zu
verhindern, künftig entfällt.
79
dd) Wie das Bundeskartellamt zutreffend ausgeführt hat, entstand aus der im
Ministererlaubnisverfahren E.../R... AG im Jahre 2003 abgegebenen Zusage der
Betroffenen, 20 % des Gasbezugs eines Abnehmers einer jährlichen Sonderkündigung
zu öffnen, kein Wettbewerb, der die objektive Eignung der unter Ziffer 2 der Verfügung
abzustellenden Vertragsgestaltungen, den Wettbewerb zu behindern, ernsthaft in Frage
stellt. Dies ist aus feststehenden Tatsachen zu folgern.
80
Von der genannten Zusage machten Regional- und Ortsgasunternehmen nur in einem
geringen Umfang Gebrauch. Diese Feststellung des Bundeskartellamts hat die
Betroffene selbst bestätigt (Bl. 185, 244 GA). Die Zusage erfasste zudem mit einer Höhe
von 20 % des Bedarfs nur einen geringen Anteil am tatsächlichen Gesamtbedarf der
Regional- und Ortsgasunternehmen. Weitere Gründe für eine geringe Inanspruchnahme
des Sonderkündigungsrechts lagen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts in
einer unklaren Risikoabdeckung für den über fest vereinbarte Liefermengen
hinausgehenden Gasbedarf und an einer 6-monatigen Kündigungsfrist. Dies haben
insbesondere die Beigeladenen zu 1 und zu 2 im Verlauf des Verfahrens dem
Bundeskartellamt gegenüber dargelegt (vgl. Verfahrensakte Bd. III, Bl. 1309, 1312 ff).
81
Die Feststellungen sind nicht erschüttert worden.
Neben der vergleichsweise geringen betroffenen Menge und dem Umstand, dass
überhaupt nur wenige Regional- und Ortsgasunternehmen davon Gebrauch gemacht
haben, konnte das 2003 eingeräumte Sonderkündigungsrecht aber auch deswegen
keinen wettbewerblichen Erfolg haben, weil die Betroffene den Abnehmern über
gekündigte Gasmengen preisgünstige Lieferangebote unterbreitete und dadurch
wiederum Abschlüsse über die freigewordenen Mengen erreichte. Dies wird auch von
den eidesstattlichen Versicherungen des Direktors D. der Betroffenen bestätigt (Anl. Ast
17 unter 8., Ast 19 unter 2.). Attraktive Preisgestaltungen sind der Betroffenen aufgrund
des strukturellen Vorteils, den sie als etablierte Lieferantin von Regional- und
Ortsgasunternehmen hat, möglich. In welchem Umfang sich solche strukturellen Vorteile
auf mögliche Quersubventionierungen, Effizienzgewinne, überteuerte Grundmengen
oder darauf gründen, dass wegen eines gesicherten Absatzes der Hauptmengen
günstiger kalkuliert werden kann, kann offen bleiben. Die Betroffene verfügt mit hoher
Wahrscheinlichkeit jedenfalls über derartige Vorteile, die bei der Preisbildung
einsetzbar sind. Von einem "normalen" Preiswettbewerb – wie die Betroffene meint –
kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Dies ist nicht glaubhaft
gemacht worden. Die Preisgestaltung der Betroffenen bei gekündigten Teilmengen
verhindert, dass durch Sonderkündigungen frei werdende Mengen bei Wettbewerbern
bezogen werden. Aufgrund dessen ist auch zu bezweifeln, dass das
Sonderkündigungsrecht nennenswerte Freimengen, auf die Wettbewerber Zugriff
haben, bei der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen hat entstehen
lassen. Durch die pauschale und nicht überprüfbare eidesstattliche Versicherung des
Direktors D. der Betroffenen (Anlage Ast 17, Seite 3 f. unter Ziff. 7) ist Gegenteiliges
nicht glaubhaft gemacht worden. Die in der eidesstattlichen Versicherung erwähnten
Absatzmöglichkeiten von Wettbewerbern in die Netzgebiete von regionalen
Ferngasgesellschaften sind für den durch das konzerneigene Gasversorgungsnetz
gebildeten räumlichen Markt nicht relevant. Aus diesen Gründen bleibt die insoweit
erhobene Rüge der Betroffenen, das Bundeskartellamt habe solche
Absatzmöglichkeiten nicht ermittelt, ohne Erfolg.
82
Es ist ebenso wenig wahrscheinlich, dass die Selbstverpflichtung der Betroffenen vom
17. Oktober 2005 (Anlage Ast 61) weiteren Wettbewerb eintreten lassen wird. Mit dieser
Erklärung, die schon im Ansatz ungeeignet ist, die augenblicklichen (und
maßgebenden) Marktverhältnisse in Richtung auf einen Wettbewerb hin zu verändern,
hat die Betroffene in Aussicht gestellt, vom 1. Oktober 2006 an bestehende
Gaslieferungsverträge (Altverträge) nicht länger durchführen (Der zwischen Ihnen und
uns bestehende Kaufvertrag/Gaslieferungsvertrag soll zum 01.10.2008 enden.) und
Neuverträge über Teilmengen schliessen zu wollen (Bei Neuverträgen werden wir uns
an den vom Bundeskartellamt aufgestellten Grundsätzen orientieren). Die Betroffene hat
sich aber vorbehalten, den Fortbestand der Selbstverpflichtung im Oktober 2008 zu
überprüfen zu wollen (Die vorstehenden Grundsätze werden wir von Zeit zu Zeit,
erstmals im Oktober 2008, daraufhin überprüfen, ob sie vor dem Hintergrund der sich
ändernden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen marktgerecht sind oder einer
Anpassung bedürfen). Dieser die Vorläufigkeit der Erklärung kennzeichnende Zusatz
entwertet die Eignung der Erklärung, wesentlichen Wettbewerb herzustellen und auf
Dauer zu gewährleisten.
83
Außerdem hat die Betroffene angekündigt, wegen freiwerdender Restmengen
Lieferangebote zu unterbreiten (Wir sind jedoch bereit, Ihnen zusätzlich zu den jeweils
84
vereinbarten Liefermenge auch für Restmengen zeitlich befristet wettbewerbsgerechte
Lieferangebote zu machen). Solches führt zum Abschluss von zeitlichen und
mengenmäßigen Anschlussverträgen mit dem Ergebnis, dass die Betroffene die
freigegebenen Mengen wiederum liefert. Nach den nachteiligen Erfahrungen mit dem
2003 eingeräumten Sonderkündigungsrecht ist nicht damit zu rechnen, dass
Vertragspartner der Betroffenen das mit der Selbstverpflichtung eingeräumte
Sonderkündigungsrecht in nennenswertem Umfang ausüben werden. Sofern sie es
ausüben sollten, besteht abermals die Gefahr, dass die frei werdenden Mengen erneut
von der Betroffenen bezogen werden. In Anbetracht des mit der Erklärung gemachten
Prüfungsvorbehalts ist auch vom Umfang der frei werdenden Mengen, die die Betroffene
auf 1/3 ihrer Gesamtliefermenge an Regional- und Ortsgasunternehmen angegeben hat
(vgl. eidesstattliche Versicherungen des Direktors D., Ast. 17 und 19), das Entstehen
von weiterem Wettbewerb, der eine andere Marktabgrenzung rechtfertigen könnte, nicht
überwiegend wahrscheinlich. Es handelt sich dabei um Mutmaßungen der Betroffenen,
die an sich nicht zur Sache gehören, weil sie die derzeitigen Marktverhältnisse nicht
betreffen.
c) Es sind keine ernstlichen Zweifel daran angebracht, dass der Wettbewerb auf dem
durch das Netzgebiet der E...-R... Transport AG & Co. KG gebildeten räumlichen Markt
durch die in Rede stehenden Vereinbarungen für inländische und ausländische
Gasanbieter spürbar beschränkt ist und diese Vereinbarungen hierzu maßgebend
beitragen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urt. v. 28.3.1991- Rs. C-234/98,
Slg. 1991, I-935 Tz.27 - Delimitis/Henninger-Bräu) muss hierzu unter Berücksichtigung
der wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände der Verträge der relevante Markt
für den Absatz von Erdgas für Mitbewerber, die auf diesem Markt Fuß fassen wollen,
schwer zugänglich sein. Dabei ist die Tatsache, dass Vertragsgestaltungen der in der
angefochtenen Verfügung beanstandeten Art einem Bündel gleichartiger Verträge auf
dem relevanten Markt angehören, die sich kumulativ nachteilig auf den Wettbewerb
auswirken, nur einer von mehreren Faktoren, anhand derer zu beurteilen ist, ob der
Markt tatsächlich schwer zugänglich ist. Ferner müssen die bemängelte
Vertragsgestaltung und ihre Bündelung in erheblichem Maß zu der
Abschottungswirkung beitragen. Die Beurteilung hängt auch von der Stellung der
Vertragspartner auf dem relevanten Markt und von der Vertragsdauer ab (vgl. auch
EuGH, Urt. v. 27.4.1994, Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-477, Tz. 39 - Almelo). Eine
kumulative Wirkung, die sich aus dem Bestehen gleichartiger Bindungen ergeben kann,
ist zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urt. v. 27. 4. 1994, Rs. C-393/92, Slg. 1994, I-1508,
1519 Tz. 37- Almelo).
85
Inländische und ausländische Anbieter von Erdgas werden vom Markt zur Versorgung
von Regional- und Ortsgasunternehmen durch eine Vielzahl von langfristigen
Gaslieferverträgen mit Gesamtbezugsverpflichtungen oder annähernd solchen
Verpflichtungen und erhebliche, der Nachfrage entzogenen Mengen vom relevanten
Markt ferngehalten. Der Markt wird durch ein Bündel gleichartiger Verträge abgeschottet.
Auf dem durch das der Betroffenen zur Verfügung stehende Netzgebiet geographisch
begrenzten Markt umfassen etwa 75 % der mit Regional- und Ortsgas-unternehmen
geschlossenen Gaslieferverträge, die sämtlich eine mehr als vierjährige Laufzeit
aufweisen, nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Bundeskartellamts zu
mehr als 80 und bis zu 100 % vollständig den Abnehmerbedarf. Jeder einzelne Vertrag,
erst recht aber die Gesamtheit der Verträge, trägt zu der Abschottungswirkung bei. Der
Inhalt der Verträge wird den Regional– und Ortsgasunternehmen von der Betroffenen
vorgegeben. Dadurch werden Gaslieferungen aktueller und potentieller Wettbewerber
86
der Betroffenen, zu denen leistungsfähige (auch vertraglich gebundene) Regional- und
Ortsgasunternehmen, aber auch dritte Gaslieferanten zählen, in den relevanten Markt
verhindert. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht nur für Vertragsgestaltungen der
Betroffenen gilt, die den Gasbedarf der Abnehmer infolge der vereinbarten
Abnahmemengen vollständig umfassen, sondern auch für solche, bei denen die
Gesamtbedarfsdeckung einen Grad von "nur" bis zu 80 % und mehr erreicht. In diesen
Fällen bleiben Konkurrenten auf Lieferungen von Restmengen verwiesen. Von einer
Lieferung größerer Mengen sowie davon, in einer Größenordnung der von der
Betroffenen gehaltenen Lieferanteile in einen "echten" Wettbewerb einzutreten, sind sie
hingegen ausgeschlossen.
Die von der Betroffenen in Gaslieferverträgen gebündelt verwendete langdauernde und
mit einer wirtschaftlichen Gesamtbedarfsdeckung, jedenfalls aber mit einer
weitreichenden Bedarfsdeckung, gekoppelte Befristung leistet einen erheblichen, ja
sogar entscheidenden Beitrag zu der beanstandeten Marktzugangsbeschränkung. Dies
wird deutlich, wenn man die Marktstellung der Beteiligten einer näheren Betrachtung
unterzieht. Die Betroffene beherrscht den relevanten und in räumlicher Hinsicht durch
das konzerneigene Gasleitungsnetz abgegrenzten Markt. Sie nimmt eine überragende
Marktstellung ein (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB), da sie über einen unmittelbaren Zugriff auf
das Leitungsnetz verfügt und allein deswegen – jedenfalls solange ein rechtlich
abgesichertes und praktisch handhabbares Durchleitungssystem nicht besteht – allen
Wettbewerbern überlegen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2005 – KVR 13/05 unter 1.c)). Ein
Durchleitungssystem, welches einer unmittelbaren Netzzugangsmöglichkeit
gleichwertig ist (sog. Durchleitungsautomatik), wird bislang weder praktiziert noch ist es
überhaupt errichtet worden. Neben dem durch das Leitungsnetz gesicherten Zugang zu
den Absatzmärkten hat die Betroffene – wie Vereinbarungen mit gasexportierenden
Unternehmen und Beteiligungen an gasfördernden Unternehmen belegen – einen
unmittelbaren Zugriff auf die Gasbeschaffungsmärkte. Bei dieser Sachlage wundert
nicht, dass die Betroffene auf dem einschlägigen Markt vor allen Wettbewerbern auch
über den mit Abstand höchsten Marktanteil verfügt. Davon ausgehend, dass nach den
von der Betroffenen sowie von den antragstellenden Beigeladenen zu 6 und 7 nicht in
Abrede gestellten und in der angefochtenen Verfügung (S. 9 f.) ausgewiesenen
Ermittlungsergebnissen des Bundeskartellamts gut 75 % der von der Betroffenen
unterhaltenen Absatzverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen faktische
Gesamtbedarfsdeckungen (infolge der vereinbarten Abnahmemengen) oder doch sehr
weitreichende Bedarfsdeckungen von 80 % und mehr aufweisen (Nahezu-
Gesamtbedarfsdeckungsabreden), hat die Betroffene (nach summarischer Prüfung) an
den Gaslieferungen in den einschlägigen Markt einen vom Bundeskartellamt
angenommenen Marktanteil von gewiss 75 %. Der in dem der Betroffenen zur
Verfügung stehenden Netzgebiet ermittelte Anteil von wirtschaftlichen
Gesamtdeckungsvereinbarungen oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckungsabreden (gut
75 %) entspricht in etwa dem Ergebnis der bundesweiten Erhebung des Amtes, denn
auch hier weisen rund 75 % der Lieferverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen
Gesamtbedarfsdeckungen oder nahezu einen derartigen Deckungsumfang auf. Jene bei
bundesweit etwa 75 v.H. der Regional- und Ortsgasunternehmen ermittelte Gesamt-
oder Nahezu-Gesamtbedarfsdeckung repräsentiert den unbestrittenen Feststellungen
des Amtes zufolge mehr als 90 % der an deutsche Regional- und Ortsgasunternehmen
abgesetzten Gasmengen. Wenn auf dem relevanten Markt Lieferverträge der
Betroffenen mit Regional- und Ortsgasunternehmen zu einem nahezu identischen
Prozentsatz den beanstandeten Bedarfsdeckungsgrad aufweisen, darf bei der im
Eilverfahren gebotenen vorläufigen Beurteilung der Sachlage daraus geschlossen
87
werden, dass die an jene Unternehmen abgesetzten Gasmengen dem Ergebnis der
bundesweiten Erhebung des Amtes entsprechen. Auf die Marktstellung der Betroffenen
auf einem bundesweiten Markt für die Gasbelieferung von Regional- und
Ortsgasunternehmen ist hingegen nicht abzustellen. Ob die Betroffene auf einem so
abzugrenzenden Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, ist nicht von
Belang.
Die von den beanstandeten Vereinbarungen betroffenen Regional- und
Ortsgasunternehmen zählen – wie das Bundeskartellamt in der angegriffenen
Verfügung (S. 21) unbestritten nachgewiesen hat – zu den größeren Abnehmern der
Betroffenen. Auch aus Sicht der Abnehmerseite ist jenen Vertragsgestaltungen folglich
eine Eignung, den Marktzutritt zu beschränken, zuzuschreiben. Die marktversperrende
Wirkung betrifft namentlich solche Regional- und Ortsgasunternehmen, die nach ihrem
Unternehmenszuschnitt in der Lage sind, kleinere örtliche Versorger mit Erdgas zu
beliefern und gegenüber der Betroffenen als Wettbewerber aufzutreten. Ein vorhandener
Restwettbewerb rechtfertigt nicht, eine Abschottungswirkung auf dem relevanten Markt
zu verneinen.
88
d) Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die den Wettbewerb beschränkenden
Vereinbarungen im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Verfügungsausspruchs geeignet sind,
den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Durch die
Vereinbarungen wird der zwischenstaatliche Handel hinreichend wahrscheinlich
spürbar beeinträchtigt, weil ausländische Unternehmen – auf Grund der langfristigen
Bezugsverpflichtungen – faktisch keine Möglichkeit haben, im Versorgungsgebiet der
Betroffenen liegende Regional- und Ortsgasunternehmen mit Erdgas zu beliefern.
89
Die spürbare Beeinträchtigung tritt auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen
Marktes ein. Der durch das Netzgebiet des konzernangehörigen Netzbetreibers
gebildete räumlich relevante Markt für die Versorgung von Regional- und
Ortsgasunternehmen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz,
Saarland und Baden-Württemberg ist für andere inländische und ausländische Anbieter
weitgehend verschlossen (vgl. EuGH WuW/E EU-R 483, 487 f.).
90
e) Immanente Schranken des Art. 81 Abs. 1 EG greifen nicht ein. Nach der
Rechtsprechung des EuGH sind vertragliche Vereinbarungen, welche unerlässlich sind,
das mit dem Vertrag angestrebte Ziel zu erreichen, nicht als Einschränkungen des
Wettbewerbs im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zu bewerten (vgl. EuGH, Slg. 1985-I, 2545,
2571 Tz. 19 a.E. - Remia/Kommission; EuGH, Slg. 1986-I, 353 (381) Tz. 15 - Pronuptia).
Dies kann z. B. für vertragliche Wettbewerbsverbote gelten. Die extrem langen
Bindungen, denen die Abnehmer auf Grund der hier zu beurteilenden vertraglichen
Vereinbarungen ausgesetzt sind, gehen über das zur Erreichung des Vertragszweckes
wirtschaftlich Erforderliche und über das Maß des jeweils Unerlässlichen jedoch weit
hinaus. Es handelt sich nicht um eine zur Erfüllung des jeweiligen Vertragszwecks
notwendige Wettbewerbsbeschränkung, die - wie ein vertragliches Wettbewerbsverbot
im Falle eines Unternehmenskaufs – den Verbotstatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG-
Vertrag nicht erfüllt. Die Vertragslaufzeiten übersteigen den vom EuGH bei
Wettbewerbsverboten für zulässig erachteten zeitlichen Rahmen von zwei Jahren bei
Weitem. Ob - wie das Bundeskartellamt meint - diese Rechtsprechung des EuGH sich
nur auf vertragliche Nebenabreden beziehen lässt, kann dahinstehen. Da bei einem
Wettbewerbsverbot von mehr als fünf Jahren eine Freistellung gemäß Art. 5 lit. a) VO
(EG) Nr. 2790/1999 nicht zulässig ist, kann eine Orientierung an diesem Zeitraum nur zu
91
dem Ergebnis führen, dass langfristige Bezugsklauseln mit einem hohen
Bedarfsdeckungsgrad jedenfalls dann eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung im
Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG darstellen, wenn sie fünf Jahre überschreiten. Den
Besonderheiten der Gaswirtschaft, z.B. notwendigen Investitionen in das
Verteilungsnetz, kann tendenziell durch eine längere Laufzeit, als sie bei
Wettbewerbsverboten üblicherweise anzutreffen ist, Rechnung getragen werden. Im
Streitfall kann aber auch diese Frage hier offen bleiben, denn seit dem Abschluss der in
Rede stehenden Verträge (aber auch seit dem 29. April 1998) sind in jedem Fall fünf
Jahre deutlich überschritten.
Take-or-pay-Klauseln in den Gasbezugsverträgen mit Gasförder- und
Exportunternehmen vermögen entgegen der Auffassung der Betroffenen und der
Beigeladenen zu 6 und 7 langfristige Bezugsverpflichtungen auf der Abnehmerseite
nicht zu rechtfertigen. Bei solchen Klauseln in den Importverträgen der Betroffenen
handelt es sich um Mindestbezugsverpflichtungen. Zwischen den langfristigen
Bezugsverpflichtungen und den Take-or-pay-Klauseln besteht zwar eine Beziehung
(vgl. zum Verhältnis zu Demarkationsabsprachen BGH WuW/E DE-R 1119, 1124 f -
Verbundnetz II). Jedoch können langfristige Mindestbezugsabreden auf der
Beschaffungsseite - deren kartellrechtliche Beurteilung nicht Gegenstand dieses
Verfahrens und der Verfügung ist - nicht dazu herangezogen werden, langfristige
Bezugsverpflichtungen auf der Absatzseite zu rechtfertigen, deren (negative)
kartellrechtliche Beurteilung nach Einschätzung des Senats keinen ernsthaften Zweifeln
unterliegt.
92
Außerdem werden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die in Bezugsverträgen
eingegangenen Take-or-pay-Verpflichtungen nicht in dem strengen Umfang
durchgeführt, in dem sie vereinbart worden sind. Infolgedessen ist die von der
Betroffenen behauptete Abhängigkeit zwischen den Take-or-pay-Verpflichtungen und
langfristigen Absatzverträgen mit hohem Bedarfsdeckungsanteil nicht glaubhaft. Die
eidesstattlichen Versicherungen von Herrn D. P. (Anlagen Ast 8 und Ast 9) sind nicht
geeignet, dies anders darzustellen. Die versicherten Angaben entkräften nicht die
Ermittlungsergebnisse des Bundeskartellamts, die sich zudem auf Feststellungen der
Europäischen Kommission (Preliminary Report der Kommission v. 16.2.2005 Anlage 1
zur Antragserwiderung, dort Tz. 119 ff) sowie auf eine Bestätigung im Schrifttum stützen
können (vgl. Bergschneider/Schumacher, emw 2004, 12, 15 f., Anlage 5 zur
Antragserwiderung).
93
f) Langfristige Bezugsverpflichtungen im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Ausspruchs der
Verfügung sind nicht durch die VO (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 1999 über
die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (Abl. EG Nr. L 336 v. 29.12.1999, S. 21)
vom Kartellverbot freigestellt.
94
Nach Artikel 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2790/1999 wird Art. 81 Abs. 1 EG auf
Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen – unter den in der Verordnung
genannten Voraussetzungen – für unanwendbar erklärt, von denen jedes zwecks
Durchführung der Vereinbarung auf einer unterschiedlichen Produktions- oder
Vertriebsstufe tätig ist, und welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien
bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen
können. Gemäß Artikel 5 lit. a) der Verordnung gilt die Freistellung nach Artikel 2 nicht
für die in vertikalen Vereinbarungen enthaltenen Wettbewerbsverbote, welche für eine
95
unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als 5 Jahren vereinbart werden.
Wettbewerbsverbote sind gemäß Art. 1 lit. b) der Verordnung alle unmittelbaren oder
mittelbaren Verpflichtungen des Käufers, mehr als 80 % seiner auf der Grundlage des
Einkaufswertes des vorherigen Kalenderjahres berechneten gesamten Einkäufe von
Vertragswaren auf dem relevanten Markt vom Lieferanten zu beziehen. Gemäß Art. 3
Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2790/1999 gilt die Freistellung nach Art. 2 nur, wenn der Anteil
des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder
Dienstleistungen verkauft, 30% nicht überschreitet.
Der Regelungsgehalt dieser Bestimmungen der VO (EG) Nr. 2790/1999 kann zur
kartellrechtlichen Beurteilung von im Horizontalverhältnis wettbewerbsbeschränkend
wirkenden Vereinbarungen herangezogen werden. Die Betroffene meint zwar,
Gaslieferverträge unterschieden sich grundlegend von anderen Lieferbeziehungen.
Besonderheiten des Gasliefermarktes (im Gegensatz beispielsweise zum Erdölmarkt)
rechtfertigen jedoch keine prinzipiell unterschiedliche Behandlung der
Gaslieferverträge. So existieren bei Erdöllieferverträgen keine langfristigen
Bezugsbindungen, worauf die Beigeladenen zu 1 bis 5 hingewiesen haben. Langfristige
Gesamtbedarfsdeckungsverträge stehen den missbilligten
Ausschliesslichkeitsbindungen sehr nahe. Sie unterliegen keiner
Freistellungsmöglichkeit, weil die Betroffene in ihrem Versorgungsgebiet über einen
Markanteil von mehr als 30% verfügt. Auf den Marktanteil in einem bundesweit
abzugrenzenden Markt ist nicht abzustellen, mit der Folge, dass die Einwendungen der
Betroffenen, die dahin gehen, das Bundeskartellamt habe die Verhältnisse auf einem in
räumlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzenden Markt für die Belieferung mit Erdgas
nicht zureichend ermittelt, ins Leere gehen.
96
g) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen zu 1 und 2 des Verfügungstenors
auch nicht deshalb, weil langjährige Bezugsverpflichtungen der vorliegenden Art gem.
Art. 81 Abs. 3 EG vom Kartellverbot freizustellen sind.
97
Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind die nationalen
Kartellbehörden und -gerichte durch Art. 1 Abs. 2 jener Verordnung verpflichtet, gegen
Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende Vereinbarungen, die nicht die
Freistellungsvoraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllen und nicht
durch eine ausdrückliche Freistellung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen
sind, darauf zu überprüfen, ob sie gemäß der Legalausnahme in Art. 81 Abs. 3 EG nicht
verboten sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004, KZR 10/03, Umdruck S. 11,12, 35 = WuW/E-
DE-R 1135 ff. – Citroën). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verfügungsausspruch
zu Ziffer 2 des Bundeskartellamts in die Zukunft gerichtet ist.
98
Art. 81 Abs. 3 EG verlangt in positiver Hinsicht einen Beitrag zur Verbesserung der
Warenerzeugung oder Verteilung oder zur Förderung des technischen oder
wirtschaftlichen Fortschritts, wobei eine angemessene Beteiligung der Verbraucher am
entstehenden Gewinn gewährleistet sein muss. In negativer Hinsicht ist die
Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbeschränkung für die Verwirklichung der
genannten Ziele vorauszusetzen. Die Vereinbarung darf nicht dazu führen, dass für
einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren der Wettbewerb ausgeschaltet werden
kann. Die Glaubhaftmachungslast obliegt insoweit der Betroffenen (und den
antragstellenden Beigeladenen; vgl. Art. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr 1/2003).
99
Langfristige Bezugsverpflichtungen sind ungeeignet, dem Verbraucher unmittelbar
100
Vorteile zu erbringen, die die Nachteile überwiegen, die mit einem Kartell zwangsläufig
einhergehen. Eine Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn kann auch in
einer Senkung der Preise oder in einer Aufrechterhaltung bestehender Preise trotz
gestiegener Kosten auf Grund von Effizienzgewinnen bestehen. Unmittelbar entstehen
durch langfristige Absatzverträge mit Regional- und Ortsgasunternehmen indes lediglich
wirtschaftliche Vorteile für die Betroffene, die dadurch ihren Absatz sichern und
Gasbeschaffungskosten ohne nennenswertes unternehmerisches Risiko amortisieren
kann. Solche Vorteile haben bei der Anwendung des Art. 81 Abs. 3 EG jedoch außer
Betracht zu bleiben, da hieraus allein die Betroffene Vorteile zieht. Auch die aus
langfristigen Bezugsverträgen für Regional- und Ortsgasunternehmen erwachsenden
Nachteile, ihren Gasbedarf nicht im Wettbewerb decken zu können, werden nicht durch
fühlbare Vorteile für die Verbraucher ausgeglichen.
Es ist auch nicht glaubhaft, die Verbraucher würden an wirtschaftlichen Vorteilen,
welche die Betroffene durch langfristige Absatzverträge mit hohem
Bedarfsdeckungsgrad für die Abnehmer erzielen kann, hinreichend wahrscheinlich in
der Form von Preissenkungen oder stabilen Preise beteiligt werden. Insoweit fehlt es
schon an einer Darlegung der Betroffenen, die nicht im Wettbewerb entstandenen und
auf dem relevanten Markt gültigen Gashandelspreise befänden sich auf niedrigem
Niveau und dieses Niveau könne nur durch Abschluss langfristiger Lieferverträge mit
Regional- und Ortsgasunternehmen bei hoher Bedarfsdeckung gesichert werden. Die
Behauptung, die Verbraucher hätten in der Vergangenheit von niedrigen
Einkaufspreisen auf der Bezugsseite profitiert, entbehrt zureichender Grundlagen, weil
die Gashandels- und Endverbraucherpreise keine durch Wettbewerb am Markt erzielten
Preise darstellen.
101
Langfristige Absatzverträge, die in hohem Umfang den Abnehmerbedarf decken, tragen
ebenso wenig zu einer Verbesserung der Warengewinnung oder –verteilung oder zum
wirtschaftlichen Fortschritt bei, etwa deswegen, weil allein sie geeignet oder sogar
unerlässlich wären, die Erdgasversorgung zu sichern. Die Ziele des die
Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie 2003/55/EG umsetzenden Gesetzes über die Elektrizitäts-
und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz), nämlich die Gewährleistung einer
möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und
umweltfreundlichen leitungsgebundenen Gasversorgung unter Sicherstellung eines
wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs (vgl. § 1 Abs. 1, 2 EuWG) stehen
gleichberechtigt nebeneinander. Der Gesetzgeber erwartet, dass es durch die
Liberalisierung der Energiemärkte zu Preissenkungen für die Verbraucher kommen wird
(vgl. dazu auch BGH,
102
Die Betroffene beruft sich erfolglos auf eine Unerlässlichkeit langfristiger
Absatzverpflichtungen, soweit sie einwendet, die Versorgungssicherheit der
Verbraucher erfordere spiegelbildlich zu einer langfristigen Bindung auf der Bezugsseite
eine langfristige Bindung der Abnehmer, hier der Regional- und Ortsgasunternehmen.
Der Betroffenen ist es unbenommen, weiterhin langfristige Bezugsverträge zu
schliessen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Versorgungssicherheit der
Verbraucher beim Abschluss kürzerfristiger Lieferverträge zwischen der Betroffenen und
Regional- und Ortsgasunternehmen gefährdet wird. Andere Wettbewerber können die
Versorgung der Verbraucher übernehmen oder zu diesem Zweck auch neben der
Betroffenen tätig werden. Die dazu notwendigen Gasmengen sind entweder bei der
Betroffenen oder bei Gasförder- oder Gasexportunternehmen beziehbar. Bei einem
funktionierenden Wettbewerb werden hinreichend wahrscheinlich auf dem relevanten
103
Markt Wettbewerber präsent sein, die den Bedarf der Verbraucher decken können.
Von langfristigen Bezugsverpflichtungen der Abnehmer sind auch unter dem
Gesichtspunkt notwendiger Investitionen eine Verbesserung der Warenerzeugung oder
-verteilung oder technische und/oder wirtschaftliche Fortschritte nicht zu erwarten.
Spezifische Investitionsvorhaben sind von der Betroffenen nicht vorgetragen worden.
Die Freistellungsfähigkeit der in Rede stehenden Vertragsgestaltungen kann hieran
schlechterdings nicht gemessen werden. Hiervon abgesehen ist unwahrscheinlich, dass
die Investitionsfähigkeit der Betroffenen im Allgemeinen durch kurzfristige
Absatzverträge entscheidend beeinträchtigt wird.
104
Das Interesse der Betroffenen, an einer langfristigen Sicherung des Absatzes des
importierten Erdgases in ihrem Versorgungsgebiet, ist im Übrigen schon im Ansatz nach
Art. 81 Abs. 3 EG nicht schutzwürdig. Es hat im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG außer
Betracht zu bleiben. Absatzrisiken sind in einem funktionierenden Wettbewerb jeder
unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich immanent. Es ist keinesfalls gerechtfertigt,
den im Streitfall zu beurteilenden Teilbereich der Gaswirtschaft – wie bisher faktisch der
Fall ist – einen Wettbewerb nahezu vollständig zu entziehen (indem die
Freistellungsvoraussetzungen nach Art. 81 Abs. 3 EG bejaht werden), nur um die
Betroffene von Absatzrisiken freizustellen. Bei ihrer diesbezüglichen Argumentation
übersehen die Betroffene und die antragstellenden Beigeladenen, dass es nicht um
unkalkulierbare Absatzrisiken geht. Der Betroffenen verbleiben auch unter
Zugrundelegung der angefochtenen Verfügung hohe Absatzraten bei Regional- und
Ortsgas- unternehmen, die ihr im Wettbewerb mit Konkurrenten einen bedeutenden
Vorsprung sichern. Darüber hinaus sind für die Zukunft beim Gasbedarf weitere
Steigerungen zu prognostizieren, was – auch der Betroffenen – zusätzliche
Absatzmöglichkeiten eröffnet. Erstmals von der Betroffenen zu übernehmende
Absatzrisiken werden zudem dadurch gemindert, dass sie als Gasimporteur auf dem
Markt aufretende Gashändler beliefern kann. Aus unternehmerischer Sicht der
Betroffenen spricht – sofern ein funktionierender Wettbewerb angestrebt ist - ebenso
wenig etwas dagegen, im Wege vorstoßenden Wettbewerbs bei einer Belieferung von
Endverbrauchern mit Gas tätig zu werden. Dass Take-or-pay-Verpflichtungen in den
Gasimportverträgen aus sich selbst heraus wahrscheinlich zu keiner Verschärfung der
Risikolage führen werden, ist im vorstehenden Zusammenhang bereits nachgewiesen
worden.
105
h) Es ist nicht zweifelhaft, dass in Gaslieferverträgen enthaltene langfristige und
hochgradige Bezugsverbindungen (im Sinne der Ziffern 1 und 2 des Verfügungstenors)
nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG zugelassen sind. Nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EG gelten für
Unternehmen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
betraut sind, Art. 81 und 82 EG nur insoweit, als durch die Anwendung dieser
Vorschriften die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder
tatsächlich verhindert wird. Jedoch darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in
einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwider
läuft. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 1 Satz 1 EG liegen im
Streitfall nicht vor.
106
Die Erdgasversorgung eines bedeutenden Teils der Bundesrepublik Deutschland – wie
sie die Betroffene durchführt – kann zwar eine Dienstleistung von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse sein. Ferngasunternehmen wie die Betroffene (sowie im
Übrigen auch Regional- und Ortsgasunternehmen wie die Beigeladenen zu 6 und 7)
107
sind im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG aber mit keinen Versorgungsaufgaben betraut (vgl.
EuGH, Urt. v. 27.4.1994, Rs. C- 393/92, Slg. 1994, I-1477, Tz.47 - Almelo;
Bundeskartellamt, WuW/E, BKartA 2648, 2654; Markert, EuZW 2000, 433; a.A.: Bunte,
Langfristige Gaslieferverträge nach nationalem und europäischem Kartellrecht, 2003, S.
76). Die Betroffene und die genannten Beigeladenen verfügen bei der Belieferung von
Verbrauchern mit Gas über keinerlei Beleihung, Konzession oder sonstige
Aufgabenzuweisung. Insbesondere ist den Regelungen des EnWG im Rechtssinn keine
Betrauung verbunden.
3. Soweit das Bundeskartellamt die Entscheidungsaussprüche zu Ziffern 1 und 2 auch
auf § 1 GWB n.F. gestützt hat, liegen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
der Verfügung vor. Die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen verstoßen
hinreichend wahrscheinlich seit dem 1. Juli 2005 gegen § 1 GWB in der Fassung des
Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(BGBl. I, S. 1954 ff). Sie sind nicht nach § 2 GWB n.F. von der Anwendung des
Kartellverbots freigestellt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechen jeweils
denen des Art. 81 Abs. 1 und 3 EG, sodass auf die vorstehenden Ausführungen
verwiesen werden kann.
108
4. Es ist ebenso wenig ernstlich zu bezweifeln, dass die Betroffene ihre
marktbeherrschende Stellung durch die beanstandete Kombination von Gesamt- oder
hoher Bedarfsdeckung und langjähriger Vertragsdauer i.S.v. Art. 82 EG missbraucht.
Nach Art. 82 EG ist einem Unternehmen verboten, eine beherrschende Stellung auf dem
gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben missbräuchlich
auszunutzen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten
spürbar zu beeinträchtigen. Langfristigen Bezugsverpflichtungen in Verbindung mit
einem hohen Bedarfsdeckungsgrad beeinträchtigen die Wettbewerbsmöglichkeiten
anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt der Gasbelieferung
von Regional- und Ortsgasunternehmen erheblichen Weise ohne sachlich
gerechtfertigten Grund.
109
Die Betroffene ist Normadressatin des Art. 82 S. 1 EG, weil sie als konzernangehöriges
Unternehmen über das konzerneigene Gasnetz verfügen kann. Räumlich begrenzt auf
das Netzgebiet ist die Betroffene auf dem Markt für die Gasbelieferung von Regional-
und Ortsgasunternehmen deshalb marktbeherrschend. Eine bundesweite Abgrenzung
des räumlich relevanten Marktes scheidet aus den bereits dargestellten Gründen aus,
weshalb keine Zweifel bestehen, dass die Betroffene auf diesem Markt über eine
beherrschende Stellung verfügt. Mit einem Marktanteil von ungefähr 75 % hält sie auf
dem räumlich relevanten und sachlichen Markt der Belieferung von Regional- und
Ortsgasunternehmen eine überragende Marktstellung. Was den vom Senat
(übereinstimmend mit dem Bundeskartellamt) als relevant erachteten Markt anbelangt,
ist dieser auch von der Betroffenen nicht in Abrede gestellt worden. Das Bestreiten der
Betroffenen bezieht sich lediglich auf eine vom Amt auch bei einer bundesweiten
Marktabgrenzung angenommene marktbeherrschende Stellung. Hierauf kommt es
jedoch nicht an.
110
Der objektive Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung erfasst die Verhaltensweisen
eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur des relevanten
Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit
des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des
auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die
111
Verwendung von Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf
der Grundlage der Leistungen der Marktbürger behindern (EuGH, WuW/E EWG/MUV
447, 458 = NJW 1979, 2460, 2461 – Hoffmann-La Roche). Die Verwendung von
langfristigen Bezugsverpflichtungen in Kombination mit hoher Bedarfsdeckung durch
die Betroffene ist – was nach der Rechtsprechung des EuGH völlig genügt - objektiv
geeignet, die Wettbewerbsmöglichkeiten dritter Unternehmen zu beeinträchtigen. Die
Betroffene missbraucht die auf Grund ihrer Verfügungsbefugnis über das
Gasversorgungsnetz des netzbetreibenden konzernangehörigen Unternehmens
erlangte überlegene Marktstellung dadurch, dass sie ihre auf das Leitungsnetz zur
Belieferung mit Erdgas angewiesenen Abnehmer (Regional- und Ortsgasunternehmen)
an die zu beanstandenden Verträge bindet, und damit für ausländische und inländische
Unternehmen auf dem Markt der Belieferung von Regional- und Ortsgasunternehmen
eine Marktzutrittsschranke errichtet. Der Nachweis eines tatsächlich eintretenden
Abschottungseffekts ist dazu nicht erforderlich. Darauf, ob die Abnehmer eine Bindung
an die Betroffene (ausdrücklich) wünschen, kommt es für die kartellrechtliche
Beurteilung im Übrigen nicht an.
Für die Weigerung der Betroffenen, Regional- und Ortsgasunternehmen aus den
vereinbarten langfristigen, den Gesamtbedarf oder einen beträchtlichen Teil desselben
deckenden Bezugsbindungen zu entlassen, ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand
kein sachlich gerechtfertigter Grund anzuerkennen. Das wirtschaftliche Interesse der
Betroffenen, in ihrem Versorgungsgebiet überwiegend eigenes Erdgas abzusetzen,
reicht dafür fraglos nicht aus. Bereits das Beharren der Betroffenen auf langfristige
Bezugsbindungen in Kombination mit einer vollständigen oder beträchtlichen
Bedarfsdeckung der Abnehmer, läuft der Zielsetzung von Art. 82 EG, wirksamen
Wettbewerb und vor allem Marktzugang zu gewähren, zuwider (vgl. BGH, Beschl. v.
13.12.2005, KVR 13/05; Umdruck S. 8 f., unter Ziff. III.3 – Stadtwerke Dachau).
Hinsichtlich der sonstigen Interessen der Betroffenen, das eigene Absatzrisiko zu
verringern, Take-or–pay-Verpflichtungen einhalten zu können sowie Investitionen zu
amortisieren, ist auf die oben stehenden Ausführungen zu verweisen.
112
IV. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung zu
Ziffern 1 und 2 sowie zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b), soweit es die weiteren sachlichen
Voraussetzungen für den Erlass von Anordnungen nach § 32 GWB i.V.m. Art. 81, 82 EG
und § 1 GWB betrifft. Verstößt die Durchführung von Vereinbarungen gegen Art. 81, 82
EG und § 1 GWB, so ist weitere Voraussetzung für den Erlass von Verbots- oder
Gebotsverfügungen und feststellenden Verfügungen nach § 32 Abs. 1 und 3 GWB das
Bestehen einer Wiederholungsgefahr. Für die Wiederholungsgefahr genügt in der Regel
eine in der Vergangenheit liegende Verletzungshandlung des Betroffenen. Diese lagen
vor.
113
1. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 1 der Verfügung (Feststellungsausspruch):
114
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Ziffer 1.
der Verfügung. Rechtsgrundlage für den Feststellungsausspruch ist § 32 Abs. 3 GWB
i.V.m. Art. 5, 7 Abs. 1 Satz 4 VO Nr. 1/2003. Absatz 3 von § 32 GWB eröffnet der
Kartellbehörde – trotz des auf eine beendigte Zuwiderhandlung abstellenden Wortlauts
– die Möglichkeit, sowohl eine gegenwärtige als auch in der Vergangenheit liegende
Zuwiderhandlung festzustellen, wenn eine Klarstellung der Rechtslage wegen
Wiederholungsgefahr sachgerecht erscheint (vgl. BT-Drs. 15/3460, S.51). Eine solche
ist – wie sogleich auszuführen ist – bezüglich des von Ziffer 1 der Verfügung erfassten
115
Verhaltens gegeben. Die Feststellung ist darüber hinaus wegen der in § 33 Abs. 4 S. 1
GWB normierten Bindungswirkung gerechtfertigt.
2. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 2 der Verfügung (sogenannte Altverträge):
116
Eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des durch Ziffer 2 der Verfügung erfassten
Verhaltens der Betroffenen liegt vor. Ziffer 2 besagt, dass die weitere Durchführung
langjähriger Bezugsverpflichtungen in Verbindung mit einem hohen Grad der
tatsächlichen Vertriebsbedarfsdeckung in Gaslieferverträgen mit den in Anlage 1
aufgeführten Regional- und Ortsgasunternehmen von der Betroffenen bis spätestens
zum 30. September 2006 abzustellen ist (sogenannte Altverträge betreffend). Die
Betroffene bezeichnet die mit Abnehmern nach Ausübung des Sonderkündigungsrechts
geschlossenen Verträge ausdrücklich als "Interimsvereinbarungen" und hat sich eine
Rückkehr zu den Altverträgen ausdrücklich vorbehalten. In diesen Vereinbarungen
berühmt die Betroffene sich ausdrücklich ihrer Rechte aus den Altverträgen, indem sie
darauf verweist, dass zwischen ihr und dem Bundeskartellamt
Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der langfristigen
Bezugsverpflichtungen bestehen (vgl. Verfahrensakte 113/03-1, Bl. 1542 ff. -
Interimsvereinbarung II; Bl. 1551 ff - Interimsvereinbarung III)
.
eine Fortsetzung der Verträge vorbehalten. Dies ist nicht nur zu Zwecken einer
Rechtsverteidigung geschehen.
117
3. Zum Entscheidungsausspruch nach Ziffer 3. Satz 1 lit. b) (sogenannte
Risikoverteilung):
118
Bezüglich des Verbots zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) des Verfügungsausspruchs ist die
Berechtigung zu einer Untersagung des Verhaltens unter dem Gesichtspunkt einer
Wiederholungsgefahr daraus abzuleiten, dass die Betroffene sich bei der Ausübung von
Sonderkündigungsrechten vorbehalten hat, ihre Verpflichtung, für die Lieferung eines
Mehrbedarfs an den Abnehmer einzustehen, überproportional, also über den von ihr
gehaltenen Lieferanteil hinaus, zu reduzieren, und infolgedessen Zweitlieferanten –
selbst wenn ihr Lieferanteil lediglich 20 % betragen sollte – gehalten wären, das Risiko
einer Belieferung bei unerwarteten Nachfragesteigerungen zu übernehmen. Sofern
Zweitlieferanten zu einer solchen Risikoübernahme faktisch und wirtschaftlich
überhaupt in der Lage sind, schwächt dies jedenfalls ihre Möglichkeiten, eine
Belieferung mit Erdgas zu Preisen, die mit jenen der Betroffenen konkurrieren können,
anzubieten. Mit Recht ist auch dies vom Bundeskartellamt beanstandet worden.
Derartige Risikoverteilungen sind geeignet, die Regional- und Ortsgasunternehmen
sowie dritte leistungsbereite Unternehmen von einer Lieferung von Teilmengen
abzuhalten (vgl. Verfahrensakte Bd. III, Bl. 1309, 1312 ff).
119
Die Ansicht der Betroffenen, die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des von der
Anordnung zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) erfassten Verhaltens sei während des
Verwaltungsverfahrens entfallen, trifft nicht zu. Die Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung gegenüber dem Bundeskartellamt ist insoweit zwar nicht
erforderlich (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte, GWB, 9. Aufl., § 32 Rdnr. 219). Zu
verlangen ist aber eine ernsthafte, rechtlich bindende Erklärung. Eine solche
Verlautbarung liegt von Seiten der Betroffenen nicht vor. Die anlässlich eines
Gesprächs mit Vertretern des Amtes am 8. Dezember 2004 abgegebene Erklärung, mit
der Arbeitsgemeinschaft der R...–Weiterverteiler über eine ausgewogene (proportionale)
Risikoverteilung zu verhandeln, beschreibt nur einen beabsichtigten Vorgang, dessen
120
Ergebnis offen ist. Dagegen hat die Betroffene ausweislich des in der Verfahrensakte
des Bundeskartellamts enthaltenen Protokolls vom 8. Dezember 2004 (Bl. 1155 ff) ferner
eingeräumt, erst einen einzigen Vertrag geschlossen zu haben, in dem eine
proportionale Risikoverteilung Berücksichtigung gefunden habe. Dies genügt nicht, die
Wiederholungsgefahr abzustellen, zumal die Betroffene nicht vorgetragen hat, eine
proportionale Risikoverteilung in alle in Betracht kommenden Verträge aufgenommen zu
haben. Sofern dies in "Interimsverträgen" geschehen sein sollte, ist darauf zu verweisen,
dass solche Vereinbarungen nach der Intention, welche die Betroffene selbst damit
verbindet, einen nur vorläufigen Charakter haben.
V. Nach gegenwärtigen Sach- und Streitstand liegen die Untersagungsvoraussetzungen
hinsichtlich des der Betroffenen zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Satz 2. lit. a) der Verfügung
untersagten Verhaltens, nach Bezugsmengen und Zeit gestaffelte Bezugsverträge zu
schliessen (sogenannte Stapelverträge), mittels derer die gesetzten mengenmäßigen
und zeitlichen Grenzen überschnitten werden, vor. Die Kartellbehörde kann nach § 32
GWB auch ein künftig drohendes Verhalten untersagen (vorbeugende
Untersagungsanordnung), das die Tatbestandsmerkmale eines gesetzlichen Verbots
erfüllt (vgl. BGH, WuW/E BGH 1474,1478 – Architektenkammer; BGH WuW/E BGH
2313, 2314 - Baumarktstatistik).
121
Von Ziffer 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) des Ausspruchs und der Begründung
der Verfügung sind solche Verträge umfasst, die in zeitlicher und wirtschaftlicher
Hinsicht wertungsmäßig einen Vertrag bilden. Die Untersagungsanordnung erstreckt
sich auf Verträge, die aneinander unmittelbar anschliessende Vertragslaufzeiten
aufweisen (z.B. mehrere, zeitlich hintereinander geschaltete Verträge über einen Bedarf
von je 80 % mit einer Laufzeit von jeweils 2 Jahren - Kettenverträge) oder auf solche in
zeitlicher Hinsicht identischen oder sich überschneidenden Verträge, deren Mengen in
Teillose (von 20 %, 30 %, 50 % und 80 %) aufgespalten sind, wobei die Einzelverträge
auch mit unterschiedlichen Konzernunternehmen geschlossen worden sein können (vgl.
Ziffer 3 Satz 2 Buchstabe b).
122
1. Nach den Umständen verstößt ein nach Bezugsmengen und Zeit gestaffelter
Abschluss von Gasbezugsverträgen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB.
123
Eine Staffelung von Verträgen in der dargestellten Art, die nach Ziffer 3 Satz 2 a) des
Entscheidungsausspruchs rechtlich als ein Vertrag anzusehen sein sollen, steht bei der
gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in den Wirkungen der Vereinbarung
einer Gesamtbedarfsdeckung mit langer Laufzeit gleich. Sie stellen eine (naheliegende)
Umgehungsmöglichkeit dar und gehören ausgeschlossen. Solche Verträge verstoßen
gegen Art. 81 Abs. 1 EG und sind nicht freistellungsfähig nach Art. 81 Abs. 3 EG.
Anschlussverträge sind durch die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 nicht freigestellt und
nicht freistellungsfähig. Sie unterliegen ebenso wenig Art. 86 Abs. 2 EG. Auf die
diesbezüglichen Ausführungen in Abschnitt III. unter f) bis h) wird verwiesen.
124
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung unter Ziffern 3 Satz 1 lit. a)
i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) sind nicht gegeben. Nach Lage der Dinge ist ein Abschluss
sogenannter Stapelverträge unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer
Erstbegehungsgefahr zu untersagen, denn es ist zu besorgen, dass die Betroffene ohne
eine entsprechende Klarstellung zu dieser Umgehungsmöglichkeit greift (vgl. zur
Besorgnis einer Zuwiderhandlung: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8.
Aufl., Kap. 10 Rdnr. 9). Die Betroffene hat sich in der Selbstverpflichtungserklärung vom
125
17. Oktober 2003 (unter Ziffer 3. "Neuverträge") eines Anspruchs darauf berühmt (vgl.
Anlage Ast 64), hinsichtlich solcher Restmengen, die durch Sonderkündigung frei
werden, zeitlich befristete (wettbewerbsgerechte) Lieferangebote abzugeben. Sie hat
weder im Verwaltungsverfahren noch im Verfahren über den Antrag nach § 65 Abs. 3 S.
3 GWB erklärt, sich lediglich zu Zwecken der Rechtsverteidigung auf einen solchen
Anspruch berufen zu haben.
VI. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit, soweit der
Betroffenen untersagt ist, sich im Rahmen der Verfügung zu 2., wonach die weitere
Durchführung von Gaslieferverträgen mit langer Laufzeit und hohem
Bedarfsdeckungsgrad abzustellen ist, gegenüber Abnehmern oder Dritten (zu
Wettbewerbszwecken) auf einen Anspruch zu solchen Vertragsgestaltungen zu berufen
oder sich eines derartigen Anspruchs zu berühmen (vgl. S. 30 der angefochtenen
Verfügung).
126
Diese Verbote sind von den Ermächtigungsgrundlagen im Art. 5 Satz 2 der Verordnung
(EG) Nr. 1/2003 und § 32 Abs. 1 GWB gedeckt, soweit es um ein außergerichtliches
Berufen und Berühmen der Betroffenen gegenüber Vertragspartnern (und Dritten zu
Wettbewerbszwecken) geht. Auch in Zivilprozessen ist der Betroffenen ein Berühmen
verwehrt. Um eine möglichst umfassende Wirkung des Gebots, die beanstandeten
Vertragsgestaltungen abzustellen, abgesichert zu sehen, ist gegen die Untersagung
nichts einzuwenden. Es wird dadurch nur die gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 GWB ohnedies
bestehende Bindungswirkung der Verfügung konkretisiert. Die
Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen sind infolgedessen nicht eingeschränkt. Die
Betroffene kann sich gegen die ergangene Verfügung verteidigen und hat durch
Beschwerdeeinlegung und Anbringung eines Antrags nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB
dagegen auch den Rechtsweg beschritten.
127
VII. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit bestehen keine ernstlichen Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der Verfügung. Allerdings muss die von der Kartellbehörde
getroffene Regelung für den Adressaten so vollständig klar und unzweideutig sein, dass
er sein Verhalten danach richten kann (BVerwGE 31, 15, 18). Jedenfalls muss die
Auslegung der Verfügung zu einer für die Vollziehbarkeit ausreichenden Eindeutigkeit
führen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.7.1982, 7 B 122.81, Buchholz 316 § 37 VwVfG § 37
Nr. 1 Satz 1).
128
1. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 2 (Altverträge):
129
Der Einwand der Betroffenen, sie könne nicht erkennen, auf welche Weise
Rechtsverstöße abzustellen sind und mit welchen Bezugsquoten und Laufzeiten
Altverträge fortgesetzt werden dürfen, ist unbegründet. Der Ausspruch zu Ziffer 2 der
Verfügung hat den Charakter eines Gebots, die als kartellrechtswidrig beanstandeten
Vertragsbestimmungen abzustellen. Die Rechtsgrundlagen befinden sich in § 32 Abs. 2
GWB n.F und Art. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. Ein "Abstellen" gebietet in
einem weit zu verstehenden Sinn dasjenige Handeln und/oder Unterlassen, das nach
den Umständen erforderlich ist, den Kartellrechtsverstoß zu beenden (vgl. Bornkamm in
Langen/Bunte, GWB, 10. Aufl., § 32 Rdnr. 24). Eine Konkretisierung namentlich der zur
Abstellung erforderlichen Handlungen verbietet sich, da der Betroffenen verschiedene
Handlungsmöglichkeiten offen stehen, unter denen – im Sinn einer möglichst effektiven
Umsetzung der Verfügung – auszuwählen ihrer Entscheidungsfreiheit unterliegt.
130
2. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) (Neuverträge):
131
Der Begriff des "tatsächlichen Vertriebsbedarfs" ist hinreichend bestimmt. Der
tatsächliche Gaslieferbedarf ist für die Betroffene im Voraus bestimmbar, wenn der
Vorjahresbedarf und die Bedarfsentwicklung zur Schätzung herangezogen werden, wie
dies bei den meisten Gaslieferverträgen auch praktiziert wird. Die Betroffene verfügt
über langjährige Erfahrungen, den Bedarf der in ihrem Versorgungsgebiet ansässigen
Regional- und Ortsgasunternehmen zu prognostizieren. Vor diesem Hintergrund droht
bei einer verhältnismäßig ausgewogenen Verteilung von Lieferquoten auf mehrere
Gaslieferanten keine Überschreitung der in der Verfügung festgesetzten
Belieferungsgrenzen. Dasselbe gilt bei einem unvorhergesehenen Mehrbedarf des
Abnehmers. Ist in einem solchen Fall von der Betroffenen zum Beispiel die 80 %-
Schwelle zu beachten, verschiebt sich bei einem Mehrbedarf die einem Liefervolumen
von 80 % entsprechende Gasmenge automatisch nach oben. Notfalls muss die
Betroffene Gaslieferungen an den Abnehmer einstellen und diesen veranlassen,
zusätzliche Mengen bei seinem weiteren Lieferanten zu beziehen.
132
3. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) (Risikoverteilung):
133
Die Bestimmtheit der Maßnahme zu Ziffer 3. Satz 1 lit. b) der Verfügung ist nicht
zweifelhaft. Soweit die Bereitschaft zur Risikoabdeckung in Abhängigkeit gestellt
worden ist zum Lieferanteil der Betroffenen am tatsächlichen Vertriebsbedarf der
Abnehmer, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
134
4. Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 2 lit. a):
135
Die Betroffene bemängelt zu Unrecht Unklarheit der Bestimmung, der (sinnwidrig) auch
mehrere mit zeitlicher Unterbrechung geschlossene Lieferverträge unterfielen. Nach
dem Zweck der Regelung sollen mengenmäßig und zeitlich ergänzende Lieferverträge
verhindert werden. Davon werden nur unmittelbar aufeinander folgende Lieferverträge
und solche erfasst, die sich ganz oder teilweise decken. Eine zeitliche Zäsur führt aus
dem Anwendungsbereich des Verbots heraus.
136
VIII. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist die angegriffene Verfügung
ermessensfehlerfrei ergangen. Gemäß Art. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und
§ 32 Abs. 1 GWB steht der Kartellbehörde ein Ermessen zu. Ob, gegen wen und mit
welchen Maßnahmen die Kartellbehörde einschreitet, steht nach dem Wortlaut ("ist
befugt", "kann") in ihrem Ermessen. Die Überprüfung der Entscheidung des
Bundeskartellamts ist darauf beschränkt, ob das Verfahren der Ermessensbetätigung
eingehalten und vom Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht, insbesondere von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, die Grenzen des Ermessens eingehalten oder
sachfremde und willkürliche Erwägungen angestellt worden sind.
137
1. Das Bundeskartellamt ist ermessensfehlerfrei gegen überlange Befristungen in
Energielieferverträgen, die mit einer hohen Bedarfsdeckung kombiniert sind,
eingeschritten. Die 1998 kraft Gesetzes angeordnete Liberalisierung der Energiemärkte
hat nicht dazu geführt, dass die im Gasbereich vorhandenen monopolartigen Strukturen
aufgebrochen worden sind. Neben einem bislang nicht vorhandenen
Durchleitungsautomatismus tragen dazu auf dem relevanten Markt vor allem vertraglich
vereinbarte langfristige Bezugsbindungen der Regional- und Ortsgasunternehmen an
die Betroffene, die diese mit einem hohen Bedarfsdeckungsgrad verbunden hat, bei.
138
Beides behindert einen Wettbewerb zwischen der Betroffenen und nicht etablierten
Wettbewerbern und ist – so die Einschätzung des Bundeskartellamts, die auf keinen
sachfremden Erwägungen beruht - voneinander unabhängig durch geeignete
Maßnahmen zu beseitigen. Die Implementierung eines rechtlich abgesicherten und
praktisch handhabbaren Durchleitungssystems sowie eine Genehmigung der
Durchleitungsentgelte durch die Bundesnetzagentur kann das vom Gesetzgeber durch
eine Novellierung des EnWG im Jahr 2005 angestrebte Ziel, die Gasmärkte effektiv zu
öffnen und einen unverfälschten Wettbewerb voraussichtlich allein nicht herbeiführen,
wenn weiterhin langfristige Bezugsbindungen, die den Gasbedarf der Abnehmer
weitgehend abdecken, bestehen bleiben. Dies findet sich im Primary Report der
Europäischen Kommission vom 16. Februar 2006 bestätigt (vgl. Anlage 1 der
Antragserwiderung S. 4 f "Vertical Foreclosure" und S. 38 Tz. 108, 109), der vor allem
das Bestehen langfristiger Bezugsbindungen in Lieferverträgen für das Fehlen von
wirksamen Wettbewerb auf den Gasversorgungsmärkten verantwortlich macht. Die
damit übereinstimmende Einschätzung des Bundeskartellamts beruht auf einer
zutreffenden Tatsachengrundlage.
2. Aus dem Umstand, dass das Amt bislang nur die Betroffene, nicht aber auch andere
überregionale Ferngasunternehmen mit einer gleichgerichteten Verfügung belangt hat,
sind Einwendungen gegen den angefochtenen Beschluss nicht abzuleiten. Zwar
verpflichtet der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit die Verwaltung, die
Grundrechtsträger bei der Anwendung von Gesetzen gleich zu behandeln, das heißt
gesetzliche Normen auf alle erfassten Fälle in der gleichen Weise anzuwenden. Dieser
Grundsatz hindert das Bundeskartellamt jedoch nicht daran, gegen Praktiken der
Betroffenen, die den Gegenstand der angefochtenen Verfügung bilden, nunmehr
vorzugehen, auch wenn diese seit der rechtlichen Liberalisierung der Energiemärkte im
Jahr 1998 bisher unbeanstandet geblieben sind. Von der Aufgabe einer bislang geübten
Verwaltungspraxis kann insoweit nicht gesprochen werden, da das Amt zu keinem
Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, die Praxis langjähriger Bezugsbindungen der
Abnehmerseite, verbunden mit einer Gesamtbedarfsdeckung oder einer
Bedarfsdeckung, die dem rechtlich gleich zu erachten ist, gutzuheißen.
Gasversorgungsunternehmen wie die Betroffene mussten sich im Übrigen spätestens
durch das in der Branche bekannt gewordene Urteil des Kartellsenats des OLG
Düsseldorf vom 7. November 2001 gewarnt sehen, dass langfristige Bezugsbindungen,
die rechtlich oder wirtschaftlich mit einer Gesamtbedarfsdeckung verknüpft sind oder
den Bedarf des Abnehmers in einem sehr weitgehenden Umfang tatsächlich decken,
kartellrechtlich problematisch sind. Eine Ungleichbehandlung liegt ferner nicht darin,
dass andere überregionale Ferngasunternehmen vom Bundeskartellamt bislang durch
keine – gleich geartete - Verfügung in Anspruch genommen worden sind. Zwar gebietet
der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, dass die Behörde ein Ermessen in
parallel gelagerten Fällen gleich zu handhaben hat. Dies bedeutet aber nicht, das Amt
habe gegen alle Unternehmen, die in gleicher oder ähnlicher Weise wie die Betroffene
gegen Art. 81 Abs. 1, Art. 82 EG und § 1 GWB verstoßen, gleichzeitig vorgehen muss.
Es hat ggf. nur gegen jene Unternehmen, die sich kartellrechtswidrig verhalten,
gleichermaßen einschreiten. Ordnungswidrige Zustände müssen von der zuständigen
Behörde indes nicht zeitgleich und flächendeckend (bundesweit) angegangen werden,
wenn ein sachlicher Grund für ein gestaffeltes Vorgehen vorliegt (vgl. BVerwG, NVwZ–
RR 1992, 360). Dies ist hier der Fall. Das Bundeskartellamt hat gegen andere
überregionale Ferngasunternehmen Verfahren eingeleitet, diese mit Rücksicht auf die
vorliegende Sache jedoch ausgesetzt, soweit sich Unternehmen zu einer Beachtung der
vom Amt über die Behandlung langfristiger Gaslieferverträge aufgestellten Grundsätze
139
nicht verstanden haben. Zudem rechtfertigt die von den Verfahrensbeteiligten der
vorliegenden Sache übereinstimmend zugrunde gelegte Funktion, ein
"Musterverfahren" zu sein, gleichgelagerte Fälle erst dann zum Gegenstand einer
Verfügung nach § 32 GWB zu machen, wenn sich die Rechtsauffassung der Behörde
aufgrund einer gerichtlichen – wenn auch nur vorläufigen – Entscheidung als tragfähig
erwiesen hat (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1992, 360). Dies lässt das bisherige Unterbleiben
von Verfügungen gegen andere Ferngasunternehmen sachlich gerechtfertigt
erscheinen.
3. Zugunsten der Betroffenen begründet die Tatsache, dass das Amt in der Zeit bis zum
Jahr 2003 Untersagungsverfahren gegen Praktiken der hier zu beurteilenden Art nicht
eingeleitet hat, keinen Vertrauenstatbestand. Vor 2003 waren aber mindestens zwei
Zivilprozesse anhängig, (vgl. OLG Stuttgart, ZNER 2002, 232 – Stadtwerke Schwäbisch
Hall ./. GVS; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 854, 857 – Stadtwerke Aachen ./.
Thyssengas), in denen die Frage der Kartellrechtmäßigkeit langfristiger
Bezugsverpflichtungen mit Gesamtbedarfsdeckungscharakter eine zentrale Rolle
spielte. Diese Verfahren waren – alles andere wäre lebensfremd – den deutschen
Ferngasunternehmen bekannt. Den betroffenen Ferngasunternehmen ist genauso
wenig die Zielrichtung kartellrechtlicher Einwendungen verborgen geblieben. Diese
waren schon weitaus früher als 2001 bekannt.
140
Eine uneinheitliche Behandlung langfristiger Gaslieferverträge durch die Europäische
Kommission, auf die die Betroffene sich beruft, begründet kein Vertrauen, das
Bundeskartellamt werde sich derartiger Sachverhalte nicht annehmen.
141
4. Soweit das Bundeskartellamt die Verfügung nicht auch auf einen Verstoß gegen § 19
Abs. 1, 4 Nr. 1 GWB gestützt hat, fällt ihm bei der Auswahl der Verbotsnormen kein
Verstoß gegen das Verfahrensrecht der Betroffenen auf Gewährung effektiven
Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zur Last. Ein Rechtsschutz ist mit der vom
Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit, einen Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB
anzubringen, hinreichend gegeben.
142
5. Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, die angefochtene Verfügung bediene sich einer
unzulässigen Marktsteuerung, die zudem in Eigentumsrechte eingreife, haben weder
die Beschwerden Aussicht auf Erfolg, noch ist den Anträgen auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung stattzugeben. § 32 Abs. 2 GWB und Art. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 7
Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ermächtigen das Bundeskartellamt,
neben verhaltensorientierten auch strukturelle Maßnahmen zu erlassen. Art. 7 Abs. 1
Satz 2 der Verordnung erlaubt wortlautgemäß unter den in Satz 3 bestimmten
Voraussetzungen zwar nur der Europäischen Kommission strukturelle Maßnahmen. Art.
5 S. 1 der Verordnung überlässt den Mitgliedstaaten, nationale Kartellbehörden zu
Eingriffen struktureller Art zu ermächtigen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche
Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Durch die 7. GWB- Novelle sollen die Befugnisse der
Kartellbehörden erweitert und den Befugnissen der Kommission angepasst werden (vgl.
BT-Drs. 15/3640, S. 51). Hiervon abgesehen sind mit Verfügungen der Kartellbehörden
ggf. unvermeidbar strukturelle Einflussnahmen auf Marktverhältnisse verknüpft. Allein
unter diesem rechtlichen Aspekt ist die angegriffene Verfügung nicht zu beanstanden.
143
Unter den Begriff einer Abhilfemaßnahme struktureller Art im Sinne von Art. 7 Abs. 1
Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 fallen Eingriffe in die Unternehmenssubstanz
des Verfügungsadressaten. Dabei darf in nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte
144
Eigentumsrechte grundsätzlich eingegriffen werden (vgl. Bornkamm in Langen/Bunte,
GWB, § 32 GWB, Bd. I, 10. Aufl., Rdnr. 25; Sura in Langen/Bunte, GWB, Bd. II, 10. Aufl.,
VO Nr. 1/2003, Art. 7. Rdnr. 4). Ziffer 2 der Verfügung verpflichtet die Betroffene, die
Durchführung der in Anlage 1 aufgeführten Gaslieferverträge mit Regional- und
Ortsgasunternehmen bis spätestens zum 30. September 2006 abzustellen. Dies stellt
eine Abhilfemaßnahme struktureller Art im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der
Verordnung dar, denn es werden dadurch (schuldrechtliche) Rechtsansprüche der
Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7 für die Zukunft wirtschaftlich wertlos, die
möglicherweise einem Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen. Demgegenüber
stellen die Anordnungen zu Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung ihrem Inhalt nach
verhaltensorientierte Maßnahmen dar. Ihr Ziel ist, strukturelle Verhältnisse des
relevanten Gasmarkts durch Einflussnahme auf das Vertragsverhalten des
marktbeherrschenden Gaslieferanten (der Betroffenen) in der Weise zu verändern, dass
unverfälschter Wettbewerb entstehen kann. Dagegen zielen die Anordnungen unter
Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung nicht auf eine Änderung von
Unternehmensstrukturen ab. Sie greifen daher nicht in Eigentumspositionen der
Betroffenen ein.
Entgegen den dagegen vorgebrachten Einwendungen sind die strukturell und
verhaltensorientierten Anordnungen des Bundeskartellamts erforderlich und
verhältnismäßig im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB. Der Begriff der Erforderlichkeit verlangt
unter anderen eine Prüfung der objektiven Eignung des eingesetzten Mittels. Der Begriff
der Verhältnismäßigkeit gebietet zu prüfen, ob nicht mildere Mittel zur Erreichung des
angestrebten Zwecks genügen. Das bedeutet, die Belastungen, die dem betroffenen
Unternehmen auferlegt werden, dürfen die Grenze dessen nicht überschreiten, was zur
Erreichung des angestrebten Ziels angemessen und erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v.
6.4.1995, Slg. 1995, I-743 Tz. 90 - RTE und JTP/ Kommission). Gemäß Art. 7 Abs. 1
Satz 3 dürfen Abhilfemaßnahmen struktureller Art von der Europäischen Kommission
nur in Ermangelung einer verhaltensorientierten Abhilfemaßnahme von gleicher
Wirksamkeit festgelegt werden, oder wenn letztere im Vergleich zu Abhilfemaßnahmen
struktureller Art mit einer größeren Belastung für die beteiligten Unternehmen verbunden
wären. Diese Bedingungen haben auch für Eingriffe der nationalen Kartellbehörden zu
gelten. Die Bedingungen des Art. 7 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 für
strukturelle Maßnahmen sind ebenfalls erfüllt.
145
a) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 2 und zu Ziffern 2 und 3 in ihrer Kombination:
146
Das Bundeskartellamt hat bei der Maßnahme zu Ziffer 2 der Verfügung die aus Art. 7
Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und § 32 Abs. 2 GWB folgenden
Voraussetzungen beachtet. Einen gleichermaßen wirksamen verhaltensorientierten
Eingriff hat auch die Betroffene nicht aufgezeigt. Sie ist ebenso wenig ersichtlich. Eine
überproportionale Belastung im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB wird der Betroffenen durch
den Eingriff in ihre – unter Verstoß gegen Art. 81, 82 EG erworbenen und unter Verstoß
gegen § 1 GWB aufrechterhaltenen - Eigentumsrechte nicht auferlegt. Nur wenn die
weitere Durchführung der beanstandeten Vertragsgestaltungen bis zum 30. September
2006 abgestellt wird, kann sich unverfälschter Wettbewerb entwickeln.
Selbstverpflichtungserklärungen der Betroffenen und etwaige hierauf gestützte
Verpflichtungszusagen im Sinne des § 32 b GWB hat das Bundeskartellamt
ermessensfehlerfrei dafür als ungeeignet gewertet.
147
Die Kombination der strukturellen und verhaltensorientierten Maßnahmen nach Ziffern 2
148
und 3 Satz 1 lit. a) i.V.m. Ziffer 3 Satz 2 lit. a) ist nicht als ermessensfehlerhaft oder
unverhältnismäßig im Sinne des § 32 Abs. 2 GWB zu beanstanden. Das
Bundeskartellamt hat die Maßnahmen zu Ziffer 3 Satz 1 und 3 Satz 2 als notwendige
Bestandteile eines Gesamtkonzepts, welche die Anordnung zu Ziffer 2 durchsetzen
helfen, bezeichnet. Dies ist vertretbar. Mildere und gleichermaßen geeignete Mittel, um
unmittelbar, zeitnah und effektiv Wettbewerb im Versorgungsgebiet der Betroffenen
aufkommen zu lassen, stehen nicht zur Verfügung.
b) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. a) (Neuverträge):
149
Die Anordnung ist nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Unter Ziffer 3 Satz
1 lit. a) des Entscheidungsausspruchs ist angeordnet, dass die Laufzeit von Verträgen
mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarfs des Abnehmers zwischen 50 und
80 % vier Jahre und die Laufzeit von Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen
Vertriebsbedarfs von mehr als 80 % zwei Jahre nicht überschreiten darf. Diese
Festlegungen des Bundeskartellamts orientieren sich an den Vorgaben der Verordnung
(EG) Nr. 2790/1999 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von
vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. Art. 5 lit.
a) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung stellt Wettbewerbsverbote in
Vertikalvereinbarungen, welche für eine Dauer von mehr als fünf Jahren verabredet
sind, vom Kartellverbot nur frei, wenn der Marktanteil des Lieferanten 30 % nicht
übersteigt. Art. 1 lit. b) der Verordnung qualifiziert u.a. Verpflichtungen des Käufers, mehr
als 80 % der Vertragswaren von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen, als
Wettbewerbsverbote. Bei seiner an diese Wertungen angelehnten Beurteilung hat das
Bundeskartellamt berücksichtigt, dass der Marktanteil der Betroffenen auf dem
einschlägigen Markt die 30 %-Schwelle um mehr als das Doppelte übersteigt. Die
daraus abgeleitete Folgerung des Amtes, wonach bei dieser Sachlage eine
Vertragslaufzeit von fünf Jahren nicht mehr gutgeheißen werden kann, ist sachlich
vertretbar. Dasselbe hat für die Festlegung der vom hinzunehmenden Zeitmaß der
Lieferverträge abhängigen Belieferungsquoten zu gelten. Das Bundeskartellamt hat sich
bei dieser Entscheidung von den Wertungen der Verordnung leiten lassen und ist –
bezogen auf den relevanten Markt für die Belieferung mit Erdgas – zu einer vertretbaren
Abgrenzung und Unterscheidung gekommen, die – gemessen am
Überprüfungsmaßstab im Verfahren über Anträge gemäß § 65 Abs. 3 S. 3 GWB –
hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt. Die in der
Verordnung (EG) nicht berücksichtigten Besonderheiten der Gaswirtschaftsmärkte
erfordern keine abweichende rechtliche Beurteilung. Dazu kann auf die der Sache nach
auch im vorliegenden Zusammenhang anzubringenden Überlegungen im Rahmen
einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG verwiesen werden (vgl. III. 2. g)). Namentlich
vertragsspezifische Investitionen sind von der Betroffenen nicht geltend gemacht
worden.
150
c) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 1 lit. b) (Risikoverteilung):
151
Die Betroffene behauptet insoweit keinen Ermessensfehler oder Unverhältnismäßigkeit,
sondern bezweifelt die Durchführbarkeit der Anordnung. Die Anordnung, die eine den
Lieferanteilen entsprechende Risikoabdeckung bei unerwartetem Mehrbedarf anstrebt,
ist angemessen und durchführbar.
152
d) Zum Entscheidungsausspruch zu Ziffer 3 Satz 2 lit. a) (Stapelverträge):
153
Die Verfügung ist nach Lage der Dinge nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden.
Ein von der Betroffenen im Sinn einer Hauptzielrichtung ihres Angriffs gegen die
Verfügung ins Spiel gebrachter Abschluss mengenmäßig gestaffelter und sich zeitlich
deckender Lieferverträge (Stapelverträge) würde das Gebot, dass Bezugsverträge mit
wirtschaftlicher Gesamtbedarfsdeckung oder weitgehender Bedarfsdeckung abzustellen
sind, konterkarieren und entwerten, da den Beteiligten dadurch eine
Umgehungsmöglichkeit eröffnet wäre (vgl. angefochtene Verfügung S. 31 f.). Das aus
der Verfügung folgende begrenzte, an die Betroffene gerichtete Verbot, sich am
Wettbewerb um eine Lieferung frei werdender Teilmengen zu beteiligen, ist deshalb
gerechtfertigt. Die Betroffene ist infolgedessen nicht schlechter, sondern immer noch
bedeutend besser gestellt als andere Bieter/Lieferanten. Sie stellt nämlich weiterhin die
Hauptmengen, und zwar – abhängig von der Vertragsdauer – bis zu 80 % oder mehr als
80 % der Gaslieferungen. Der dagegen gerichtete Einwand der Beigeladenen zu 6 und
7, unter Umständen tatsächlich gezwungen zu sein, Gas zu Teilmengen von einem
teureren Lieferanten zu beziehen, verfehlt die kartellrechtliche Problemstellung. Denn
ein (angeblich preisgünstigerer) Gasbezug von der Betroffenen (mittels "gestapelter"
Verträge) perpetuiert eine kartellrechtlich zu missbilligende Gesamtbedarfsdeckung
oder eine Nahezu-Bedarfsdeckung und aufgrund dessen auch die
Marktzugangsschranken.
154
IX. 1. Nach derzeitiger Auffassung des Senats greift die angefochtene Verfügung nicht
rechtswidrig in grundrechtlich geschützte Positionen der Betroffenen und der
Beigeladenen zu 6 und 7 ein (Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz (GG)).
155
Soweit nationale Behörden auf der Grundlage sekundären Gemeinschaftsrechtes (hier:
Art. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 der VO Nr. 1/2003) Rechtsakte erlassen
oder vollziehen, ist der Eingriff (vgl. EuGHE 1989, 2609, 2639 f.) an
Gemeinschaftsgrundrechten zu messen. Die nationalen Behörden sind an die
Gemeinschaftsgrundrechte gebunden. Auch insoweit ist ein Rechtsverstoß zu
verneinen.
156
Die angefochtene Verfügung greift nicht rechtswidrig in Eigentumspositionen oder in
Eigentumsrechte der Betroffenen oder der Beigeladenen zu 6 und 7 ein. Als juristische
Personen des privaten Rechts sind sie allerdings Träger von Grundrechten (Art. 19 Abs.
3 GG). Auch schützt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die gesetzliche Zuordnung
vermögenswerter Positionen. Die Eigentumsgarantie umfasst nicht nur dingliche,
gegenüber jedermann absolut wirkende Rechte, sondern auch schuldrechtliche
Forderungen (vgl. BVerfGE 112, 93, 107; 92, 262, 271; 83, 201, 208; 68, 193, 222; 45,
142, 179; 42, 263, 293). Die angefochtene Verfügung greift jedoch nicht in
schutzwürdige schuldrechtliche Positionen der Betroffenen und ihrer Abnehmer,
nämlich in den Bestand der Gasbezugsverträge sowie daraus folgende gegenseitige
Ansprüche, ein. Die dadurch hervorgebrachten Positionen unterliegen nicht dem
Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Eigentumsrecht schützt nur solche
Rechtspositionen vor ungerechtfertigten Eingriffen, die nach materiell-rechtsstaatlichen
Grundsätzen, mithin im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung erworben worden
sind (vgl. BVerfGE 84, 290, 300; BVerwGE 92, 196, 205) und das hiervon gebilligte
Ergebnis einer eigenen Leistung darstellen (vgl. EuGH EuZW 1992, 155, 156).
Wirtschaftlich vorteilhaften Positionen, die weder aus dem Vermögen noch aus der
beruflichen Tätigkeit des Betroffenen stammen, unterliegen auch nicht dem Schutz
durch die Gemeinschaftsgrundrechte (vgl. EuGH Slg. 1991, I-5119, 5156 Tz. 27 – von
157
Deetzen II; Slg. 1994, I-966, 984 Tz. 19 – Bostock). Gemäß dem Grundsatz, dass die
Rechtswirksamkeit eines Vertrags sich nach dem im Zeitpunkt seines Abschlusses
geltenden Recht richtet (vgl. BGH WuW/E DE-R 261, 262 f - Coverdisk; WuW/E DE-R
259 - Markant), war der Abschluss von Verträgen mit langfristiger Bezugsverpflichtung
bis zur Aufhebung der §§ 103, 103 a GWB durch das Energiewirtschaftsgesetz von der
Anwendung des Kartellverbots nach § 1 GWB a.F. zwar ausgenommen. Die Verträge
unterlagen erst vom 29. April 1998 an dem nationalen Kartellverbot. Die vor 1998
geschlossenen Verträge unterfielen aber bereits bei ihrem Abschluss dem
gemeinschaftsrechtlichen Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG. Bei einem Konflikt
zwischen nationalen Rechtsnormen ohne Verfassungsrang (§§ 103, 103 a GWB) und
Normen des europäischen Primärrechts gilt der Geltungs- und Anwendungsvorrang des
Gemeinschaftsrechts (vgl. zu Art. 85, 86 EGV: EuGH, Urt. v. 27.1. 1987, Rs. C-45/85,
Slg. 1987-I, 405 Tz. 12-15 – Feuerversicherung; BVerfGE 22, 293, 295; 31, 145, 174; 73,
339, 399; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1818). Dies hatte zur Folge, dass die in den §§ 103,
103a GWB geregelte Freistellung auf die Vertragsabschlüsse nicht anzuwenden war
(vgl. BVerfGE 31, 145, 174). Die nationale Bereichsausnahme entfaltete mithin keine
rechtliche Wirkung. Infolgedessen verstieß schon der Abschluss langfristiger
Gaslieferverträge mit hohem Bedarfsdeckungsgrad oder Gesamtbedarfsdeckung gegen
Art. 81 Abs. 1 EG (vormals Art. 85 Abs. 1 EGV; vgl. dazu auch das von der Betroffenen
vorgelegte Privatgutachten von Prof. Dr. v D., Anl. 76, S. 41). Die genannten
schuldrechtlichen Positionen der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7
genießen demnach weder nach nationalem noch nach europäischem Recht einen
Eigentumsschutz.
Unabhängig davon ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts auf
Grund des öffentlichen Interesses und des dem Gemeinwohl dienenden Ziels
gerechtfertigt, auf dem relevanten und in einer monopolartigen Struktur verhafteten
Gaswirtschaftsmarkt Voraussetzungen zu schaffen, unter denen ein Wettbewerb
entstehen kann.
158
Durch die Verfügung wird die Betroffene gegenüber ausländischen Wettbewerbern (z.B.
der italienischen E...2 oder der französischen G2) nicht unter Verstoß gegen das
gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot ungleich behandelt. Das
Bundeskartellamt hat unmittelbar geltendes Europäisches Kartellrecht ungeachtet
dessen anzuwenden, ob und in welchem Ausmaß dieses in anderen Mitgliedstaaten zur
Anwendung gelangt.
159
Die angefochtene Verfügung verletzt nicht die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung
der Betroffenen und der Beigeladenen zu 6 und 7. Eingriffe in die
Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die die Freiheit umfasst, sich im
wirtschaftlichen Verkehr zu betätigen, sind durch oder auf Grund eines Gesetzes
zulässig (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Die §§ 1, 32 GWB stellen als Rechtsgrundlage
für die Verfügung solche nachkonstitutionellen Gesetze dar. Die auf § 32 GWB i.V.m. § 1
GWB gestützte Verfügung greift für die Zukunft in die Freiheit der Berufsausübung,
insbesondere in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Betroffenen und der
Beigeladenen ein. Die gesetzlichen Regelungen haben aber ihre Rechtfertigung im
institutionellen Schutz des Wettbewerbs durch die staatliche Wirtschaftsordnung, der
indiziert, dass den Gefahren, die aus Verstößen gegen das Kartellverbot für den
Wettbewerb erwachsen, wirksam entgegengetreten wird. Dem dient die angegriffene
Verfügung. Die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 können sich ebenso wenig
mit Erfolg auf eine (mittelbare) Einschränkung der Freiheit, ihre gewerbliche Tätigkeit
160
eigenverantwortlich zu gestalten, berufen (Art. 2 Abs. 1 GG). Die allgemeine
Handlungsfreiheit wird gemäß Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsmäßige Ordnung
beschränkt. Das Grundrecht der Handlungsfreiheit steht infolgedessen unter einem
Gesetzesvorbehalt. Zur Rechtsordnung, welche die Ausübung des Grundrechts
beschränkt, zählen auch die genannten kartellrechtlichen Normen.
2. Das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes, das sowohl im europäischen
Recht als auch im nationalen Verfassungsrecht verankert ist, ist durch die angegriffene
Verfügung nicht verletzt.
161
Im nationalen Recht war in Bezug auf langfristige Energiebezugsverträge mit
Gesamtbedarfsdeckungscharakter seit dem 29. April 1998 ein Vertrauenstatbestand
nicht mehr gegeben. Durch das Gesetz zur Neureglung des Energiewirtschaftsrechts
vom 24. April 1998 wurde für die Bereiche der Strom- und Gasversorgung an diesem
Tag § 103 a GWB a.F. ohne Übergangsregelung (vgl. § 131 Abs. 2 bis 8 GWB a.F.)
aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass die vor dem 29. April 1998 geschlossenen
langlaufenden Bezugsverträge ex nunc unwirksam wurden (vgl. BGH WuW/E DE-R
1119, 1122 - Verbundnetz II). Einem Vertrauensschutz der Betroffenen in die
Wirksamkeit der noch unter Geltung von § 103 a GWB a.F. getroffenen Vereinbarungen
kann bei Verträgen, die nachträglich in den Anwendungsbereich des nationalen
Kartellverbots gerieten, in entsprechender Anwendung des § 139 BGB durch eine
geltungserhaltende Reduktion für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren Rechnung
zu getragen werden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1305, 1306 –"Restkaufpreis": zu einem im
Juni 1998 geschlossenen Stromliefervertrag mit einer Laufzeit von 3 Jahren und 4
Monaten).
162
Unter Zugrundelegung europäischen Kartellrechts (Art. 81 EG, früher Art. 85 EGV) hatte
die Betroffene jedoch keinen Vertrauensschutz zu beanspruchen. In Ansehung einer
nach europarechtlichen Normen zu beurteilenden Rechtslage ist – in der Sache nicht
anders als nach nationalem Recht – eine Berufung auf Vertrauensschutz nur
zugelassen, sofern die Gemeinschaft zuvor eine Rechtslage geschaffen hat, die ein
berechtigtes Vertrauen, aufrecht erhalten zu werden, erzeugt (vgl. EuGH, EuZW 1992,
155 Tz. 14). Ein derartiger Befund liegt im Streitfall nicht vor. Das europarechtliche
Kartellverbot in der damaligen Fassung von Art. 85 Abs. 1 EGV (nunmehr Art. 81 Abs. 1
EG) gilt seit dem Inkrafttreten des EG-Vertrages in der Bundesrepublik Deutschland am
1. Januar 1958 (vgl. BGBl. 1958 II, S. 1). Vereinbarungen der in Art. 85 Abs. 1 des
Vertrages bezeichneten Art – im Streitfall sog. Neukartelle in Gestalt langfristiger
Gasbezugsverträge mit rechtlicher oder wirtschaftlicher Gesamtbedarfsdeckung oder
einer weitgehenden Bedarfsdeckung der Abnehmer – waren gemäß Art. 4 der
Verordnung Nr. 17/62 (Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des
Vertrages) zum Zweck einer Freistellung vom Kartellverbot gemäß Art. 85 Abs. 3 EGV
(nunmehr Art. 81 Abs. 3 EG) bei der Europäischen Kommission anzumelden. Die
genannten Vereinbarungen sind von den Beteiligten, insbesondere von der
Rechtsvorgängerin der Betroffenen, - wie außer Streit steht –tatsächlich aber nicht
angemeldet worden. Sie waren überdies in der Sache nicht freistellungsfähig, da sie –
wie vorstehend ausgeführt worden ist – die Wirkung einer den Wettbewerb auf dem
relevanten Markt beschränkenden Marktsperre aufweisen. Aufgrund dessen waren die
mit der angefochtenen Verfügung beanstandeten Vertragsgestaltungen schon im
Zeitpunkt ihrer Vereinbarung verboten. Sie sind von Anfang an nichtig (Art. 85 Abs. 1, 2
EGV, nunmehr Art. 81 Abs. 1, 2 EG). Nationale Bereichsausnahmen haben im EG-
Kartellrecht keine Geltungskraft. Ist – wie der Senat annimmt – im Streitfall Art. 81 EG
163
(vormals Art. 85 EGV) anzuwenden, bestand keine Grundlage, auf eine
Rechtswirksamkeit der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen zu vertrauen. Ein
Vertrauen der Beteiligten auf den Bestand nichtiger Vertragsabreden ist rechtlich nicht
schutzwürdig.
X. Die gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 GWB vorzunehmende
Interessenabwägung rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt einer unbilligen, nicht durch
überwiegende Interessen gebotenen Härte nicht die Anordnung des Suspensiveffekts.
Eine Härte in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn dem Adressaten der Verfügung durch
den Volllzug schwere, nicht wieder gutzumachende Nachteile drohen und seine
Belange das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen. § 64 Abs. 1 GWB, der einer
Beschwerde gegen Verfügungen nach § 32 GWB in Verbindung mit Art. 81, 82 EG und
§ 1 GWB keine aufschiebende Wirkung gewährt, lässt erkennen, dass der sofortigen
Vollziehbarkeit von Verfügungen der Kartellbehörden in den angesprochenen
Bereichen im Rahmen der anzustellenden Abwägung ein hoher Rang zuzusprechen ist.
Das Gewicht dieses Interesses kann es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des
Betroffenen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse
des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (vgl. BVerfGE 35, 382, 401).
Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte -
neben einer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer
Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände gehalten, die
von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können,
dass im konkreten Fall ausnahmsweise von der gesetzgeberischen Grundentscheidung
abgewichen werden kann (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 93, 94 r. Sp.). In den Fällen, in
denen der Gesetzgeber den grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses
angeordnet hat, bedarf es deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon
abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Der Betroffene hat die Wertung des
Gesetzgebers durch einen Vortrag der Besonderheiten seiner Situation zu entkräften
und Wege aufzuzeigen, wie den öffentlichen Belangen gleichwohl Rechnung getragen
werden kann (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 93, 94 r. Sp., 3. Absatz Mitte). Bei der Abwägung
ist zu berücksichtigen, dass durch den Vollzug der Verfügung beim Betroffenen ohnehin
eintretende Nachteile gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an einer Herstellung
unverfälschten Wettbewerbs zurücktreten (vgl. KG, Beschl. v. 7.6.1974, WuW/E OLG
1497, 1498 – AGIP).
164
Im Streitfall überwiegt das Interesse der Betroffenen an einer aufschiebenden Wirkung
der Beschwerde nicht das öffentliche Interesse am Vollzug der angefochtenen
Verfügung. Das durch den Vollzug der Verfügung für die Betroffene eintretende
Absatzrisiko ist – wie bereits bei der Prüfung von Art. 81 Abs. 3 EG ausgeführt wurde -
jeder unternehmerischen Tätigkeit immanent. Dabei ist nicht wahrscheinlich, dass die
Betroffene durch den Vollzug der Verfügung unvermittelt einen erheblichen Teil ihres
Gasabsatzes an Wettbewerber verlieren wird. Die Betroffene wird dies mindestens
teilweise auch durch eine Belieferung von Wettbewerbern abwenden können. Die
Erdgasversorgung der Verbraucher muss im Übrigen nicht zwingend durch die
Betroffene erfolgen. Darüber hinaus ist die Betroffene auf die Regional- und
Ortsgasunternehmen als Absatzmittler nicht angewiesen. Bezüglich des
Amortisierungsinteresses und des Interesses der Betroffenen an einer Einhaltung von
Take-or-pay-Regelungen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen (oben
unter III. 2. g)). Zeitliche Verzögerungen, mit denen bei einem Erlass von Verfügungen
gegen andere Ferngasgesellschaften zu rechnen ist, führen beim Sofortvollzug für die
Betroffene nur zu einem begrenzten Nachteil.
165
Die Beigeladenen zu 6 und 7 haben sich nicht auf für sie eintretende Härten von Belang
berufen. Ihr Interesse geht in Wahrheit dahin, sich durch einen Abschluss von
langfristigen, den Gesamtbedarf erfassenden Gaslieferverträgen vor einem Wettbewerb
durch Ferngasunternehmen wie die Betroffene auf dem (nachgelagerten)
Endkundenmarkt in ihrem lokalen Versorgungsgebiet zu schützen (vgl. BGH, WuW/E
BGH 3145= RdE 1997,197 - Erdgasdurchgangsleitung). Da die kartellrechtlichen
Vorschriften keinen Schutz gegen Wettbewerb gewährleisten sollen, hat dieses
Interesse zurückzutreten.
166
XI. Es ist untunlich, die vorliegende Sache zur Klärung, wie Art. 81 Abs. 1, 3 EG
auszulegen ist, gemäß Art. 234 Satz 2 EG dem EuGH vorzulegen. Eine Vorlage an den
EuGH ist in Eilverfahren zwar zulässig (vgl. EuGH, Urt. v. 24. 5. 1977, Rs C-107-76, Slg.
1977, 957 Tz. 5, 6 - Hoffmann-La Roche = NJW 1979, 2460). Jedoch besteht in
Eilverfahren, zu denen auch das Verfahren über den Antrag nach § 65 Abs. 3 S. 3 GWB
zählt, europarechtlich keine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH, da der Zielsetzung
des Art. 234 EG, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts
sicherzustellen, in eilbedürftigen Verfahren dadurch entsprochen werden kann, dass im
Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung der im Eilverfahren nur vorläufig
entschiedenen Rechtsfrage stattfindet und dann auch über die Vorlage befunden
werden kann (vgl. EuGH NJW 1977, 1585; 1983, 2751).
167
XII. Für die Betroffene und die Beigeladenen zu 6 und 7 wird die Rechtsbeschwerde
zugelassen, da im Verfahren grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen gestellt sind, bei
deren Beantwortung eine einheitliche Rechtsprechung erforderlich ist (§ 74 Abs. 2
GWB).
168
XIII. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
169
Rechtsmittelbelehrung:
170
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen
beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof)
einzureichenden Schriftsatz binnen einer Frist von zwei Monaten zu begründen. Diese
Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung und kann auf Antrag
vom Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung
der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung
angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die
Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen
bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
171
D.
W.
D.-B.
172