Urteil des OLG Düsseldorf vom 31.03.2009

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 242/08
Datum:
31.03.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 242/08
Tenor:
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 30. Oktober 2008 verkün-
dete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Wuppertal wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Antragsteller.
1. Gründe
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1. A)
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Antragsteller ist die Z. e.V. Die Antragsgegnerin, eine private Krankenversicherung,
warb im Oktober 2008 im Rundfunk mit einem Radiospot, der folgenden Wortlaut hatte:
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"Sie sind gesetzlich versichert und selbständig? Ab 2009 wird Ihr Anspruch auf
Krankengeld gestrichen. Jetzt handeln! B. [Angabe einer Telefonnummer]".
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Hintergrund der Werbung war, dass durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in
der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung vom 1.1.2009 für gesetzlich
versicherte Selbständige der bis dahin nach §§ 44 ff. SGB V bestehende
Krankengeldanspruch entfällt. Stattdessen sind die gesetzlichen Krankenversicherer
verpflichtet, hinsichtlich des Krankengeldes einen Wahltarif anzubieten, für den ein
gesonderter Beitrag zu zahlen ist.
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Der Antragsteller hält die angegriffene Werbung für irreführend. Der Spot suggeriere,
dass es nicht mehr möglich sei, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als
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Selbständiger einen Anspruch auf Krankengeld zu erhalten, was nicht zutreffe.
Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten und meint, der Spot sei nicht
irreführend, sondern verweise zutreffend darauf, dass derjenige, der nichts unternehme,
zum 1.1.2009 seinen Anspruch auf Krankengeld verliere. Um ihn zu erhalten, müsse er
eine entsprechende Versicherung abschließen, und zwar entweder bei einem privaten
Versicherer wie ihr oder bei seiner bisherigen Krankenkasse. Nichts anderes besage
der Spot.
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Das Landgericht hat den auf Unterlassung der eingangs zitierten Werbeaussage
gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Antragstellers,
mit der dieser seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Er
macht geltend, die Beurteilung der Irreführung durch das Landgericht sei fehlerhaft und
wiederholt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.
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Der Antragsteller beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 30.10.2008 abzuändern und die
Antragsgegnerin zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd
Radiospots zu senden und/oder senden zu lassen mit dem Text:
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"Sie sind gesetzlich versichert und selbständig? Ab 2009 wird Ihr Anspruch auf
Krankengeld gestrichen. Jetzt handeln!"
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sowie der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld
von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft
anzudrohen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, ebenfalls unter Wiederholung
ihres erstinstanzlichen Vortrages.
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2. B)
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Die zulässige Berufung bleibt der Sache nach ohne Erfolg, denn das Landgericht hat zu
Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen. Der Senat macht sich die Begründung des Landgerichts zu
eigen und nimmt darauf Bezug.
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Die angegriffene Werbung ist nicht geeignet, einen durchschnittlich informierten und
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situationsadäquat aufmerksamen Selbständigen irre zu führen. Es ist zunächst einmal
missverständlich, wenn der Antragsteller in erster Instanz ausgeführt hat, der
Krankengeldanspruch werde nicht gestrichen, sondern nur auf eine andere
Rechtsgrundlage gestellt. Vielmehr hat die Rechtsänderung – wie in der
Berufungsbegründung auch der Antragsteller ausführt – zur Folge, dass der gesetzliche
Anspruch auf Krankengeld mit Wirkung zum 1.1.2009 entfallen ist. An seine Stelle ist die
bloße Möglichkeit getreten, dieses Risiko bei dem bisherigen Versicherer zu einem
Wahltarif abzusichern. Es ist aber nicht so, dass derjenige Selbständige, der seinen
Versicherungsschutz nicht durch ein aktives Tun, nämlich die Entscheidung für einen
derartigen Wahltarif, ändert, weiterhin Anspruch auf Krankengeld hätte, der ihm bis
dahin jedoch zustand, soweit der gesetzliche Krankenversicherer diesen nicht in seiner
Satzung ausgeschlossen hatte.
Die angegriffene Aussage für sich genommen ist damit zunächst einmal zutreffend.
Ohne Veränderung des Versicherungsschutzes wird der Anspruch auf Krankengeld
gestrichen, da Krankengeld für Selbständige keine Regelleistung der Kasse mehr ist.
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Als irreführend beanstandet der Antragsteller denn auch, der Spot suggeriere, es sei
nicht mehr möglich, sich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einen
Anspruch auf Krankengeld zu verschaffen und daher sei der Abschluss einer
Versicherung bei einem privaten Krankenversicherer erforderlich. Ausdrücklich gesagt
wird dies allerdings in dem – sehr kurzen – Spot nicht. Die Antragsgegnerin fordert nicht
einmal explizit zum Abschluss einer Krankentagegeldversicherung auf, sondern zum
"Handeln", wobei sie eine Telefonnummer angibt. Insoweit darf nicht außer Betracht
bleiben, dass die Antragsgegnerin – wie auch der Antragsteller einräumt – auf ihrer
Internetseite (Anlage AS3) umfassend informiert und u.a. darauf aufmerksam macht,
dass die so Umworbenen bei der gesetzlichen Krankenversicherung einen Wahltarif
wählen oder bei ihr eine Krankentagegeldversicherung abschließen können. Zu
berücksichtigen ist ferner, dass sich ein durchschnittlicher Selbständiger nicht durch
einen aus drei Sätzen bestehenden Radiospot ungeprüft zum Abschluss eines
Versicherungsvertrages veranlasst sehen wird. Vielmehr macht der Spot ihn in
prägnanter Weise darauf aufmerksam, dass er für den Erhalt seines
Krankengeldanspruches etwas unternehmen muss. Das trifft unstreitig auch zu. Einen
überschießenden Gehalt des Inhalts, dass dies nur der Abschluss einer privaten
Krankenversicherung bzw. einer privaten Krankentagegeldversicherung sein kann, ist
dem Spot nicht zu entnehmen. Natürlich wird der angesprochene Verbraucher
erkennen, dass die werbende Versicherung ihm eine solche Versicherung anbieten
möchte, denn dies ist der Sinn der Werbung. Dass es aber zum Abschluss einer
privaten Versicherung keine Alternative gibt und daher nur eine private Versicherung als
mögliche Lösung in Betracht kommt, entnimmt der Verbraucher der Aussage jedoch
nicht. Er wird vielmehr durch den Spot zur Beschäftigung mit der Frage des
Krankengeldes animiert. Umstände, die demgegenüber ein Verständnis dahin nahe
legen würden, es sei künftig auch durch Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages
mit einem gesetzlichen Krankenversicherer nicht möglich, den Krankengeldanspruch zu
erhalten, sind dem Spot nicht zu entnehmen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das Urteil kraft Gesetzes nicht revisibel ist.
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Streitwert: 15.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht
angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)
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Prof. B. F. N.
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