Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.12.2006
OLG Düsseldorf: arglistige täuschung, anfechtung, geschäftsführer, abgabe, gesellschaftsvermögen, willenserklärung, beurkundung, anfang, rücklage, leasing
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 68/06
Datum:
14.12.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 68/06
Leitsätze:
BGB §§ 119, 123, 125 Satz 1, 311 b Abs. 1 Satz 1, 313 a.F.
1. Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils bedarf grundsätzlich auch
dann keiner notariellen Beurkundung, wenn das Gesellschaftsvermögen
im Wesentlichen aus Grundbesitz besteht.
2. § 123 BGB setzt voraus, dass sich der Anfechtende bei Abgabe seiner
Willenserklärung über einen Umstand geirrt hat, weil ein anderer eine
Täuschungshandlung begangen hat, sowie dass der Irrtum den
Entschluss zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst hat, wobei es
ausreicht, wenn die Täuschungshandlung eine von mehreren Ursachen
ist und die Entschließung lediglich beeinflusst hat.
3. Die Täuschungshandlung kann in Angaben bestehen, die Tatsachen
vorspiegeln, entstellen oder – bei Bestehen einer Aufklärungspflicht –
verschweigen.
4. Zur Anwendung der zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten
Grundsätze auf den fehlerhaften Beitritt zur einer GbR.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) gegen das am 31. März 2006
verkündete Teilurteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Beklagten zu 1) und 2) tragen die Kosten des Berufungsverfahrens
als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten zu 1) und 2) wird nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) als Gesellschafterin der "Objektgesellschaft K.,
W. 8 und 10 GbR D./B." (im folgenden GbR) und die Beklagte zu 2) als deren
Komplementärin auf Zahlung rückständiger Leasingraten, Verwaltungskosten,
Nebenkosten und Bankgebühren aus dem Immobilien-Leasing-Vertrag vom 11.03.1997
in Anspruch. Die Klage gegen den Beklagten zu 4) ist bislang nicht zugestellt.
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Gesellschafter der GbR waren nach dem Gründungsvertrag vom 21.07.1995 die
Beklagten zu 3) und 4). Die GbR war Eigentümerin des Grundstückes W. 10 in K. Sie
veräußerte den Grundbesitz an die Klägerin, zu deren Kommanditisten die Beklagten zu
3) und 4) gehören. Die Auflassung erfolgte am 12./21.03.1997; am 30.06.1998 wurde die
Klägerin anstelle der Beklagten zu 3) und 4) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als
Eigentümerin im Grundbuch eingetragen (Anlage B 5 Anlagenband).
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Mit Immobilien-Leasing-Vertrag vom 11.03.1997 mietete die GbR von der Klägerin das
Grundstück W. 10, K., mit Bürogebäude und Baumarkt mit Gartencenter für die Dauer
von 30 Jahren (Anlage K 1 Anlagenband). Mit privatschriftlichem
Anteilsübertragungsvertrag vom 15.12.1999 veräußerte der Beklagte zu 4) seinen
Gesellschaftsanteil an der GbR mit Wirkung zum 01.01.1999 an die Beklagte zu 1),
wobei der verbleibende Gesellschafter der GbR und zugleich Geschäftsführer der
Beklagten zu 2) – der Beklagte zu 3) – der Anteilsübertragung zustimmte (Anlage K 7
Anlagenband).
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Die GbR, deren Geschäfte der Beklagte zu 3) seit 2000 führt, schuldet der Klägerin für
die Zeit vom 01.02.1999 bis 30.06.2001 rückständige Leasingraten, Verwaltungskosten,
Nebenkosten und Bankgebühren in Höhe von 382.460,65 € und für die Zeit vom
01.07.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von 163.303,52 € (102.319,07 € + 60.984,45 €). Das
Landgericht Kiel verurteilte die Beklagten zu 3) und 4) mit bestandskräftigem
Versäumnisurteil vom 05.12.2001 (3 O 59/01) als Gesamtschuldner wegen der bis zum
30.06.2001 aufgelaufenen Rückstände zur Zahlung von 748.028,02 DM (= 382.460,65
€) nebst Zinsen (Anlage B 8 Anlagenband). Mit bestandskräftigem Teilurteil vom
30.09.2005 verurteilte das Landgericht Düsseldorf (13 O 551/04) den Beklagten zu 3),
an die Klägerin 102.319,07 € nebst Zinsen zu zahlen (Bl. 207 f. GA).
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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tenor und Tatbestand wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 300-307 GA), hat das Landgericht die
Beklagten zu 1) und 2) weitgehend antragsgemäß als Gesamtschuldner neben den
Beklagten zu 3) und 4) wegen der Zahlungsrückstände der GbR bis 30.06.2001 zur
Zahlung von 382.460,65 € und wegen der Rückstände bis 31.12.2001 als
Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 3) zur Zahlung von 102.319,07 € und mit
dem Beklagten zu 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung von 60.984,45 € nebst im
einzelnen bezifferter Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt: Die Beklagte zu 1) habe der Klägerin für den bis zum 31.12.2001 unstreitig
aufgelaufenen Zahlungsrückstand von gesamt 545.764,17 € (382.460.65 € + 102.319,07
€ + 60.984,45 €) aus dem Vertrag vom 11.03.1997 als Gesellschafterin der GbR
einzustehen. Die Beklagte zu 2) hafte als deren Komplementärin. Es könne
dahingestellt bleiben, ob der Anteilsübertragungsvertrag wegen Verstoßes gegen § 313
BGB a.F. formnichtig oder wirksam mit Schreiben vom 17.11.2004 (Bl. 65 GA)
angefochten worden sei. Denn nach den Grundsätzen zur fehlerhaften Gesellschaft
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berühre dies die streitgegenständlichen Forderungen nicht. Der Vollzug des
Gesellschafterwechsels sei durch den Schriftwechsel vom 04./11.10.2000 (Bl. 203/204
GA) belegt. Aus diesem Grund bleibe auch die Berufung auf einen Wegfall der
Geschäftsgrundlage ohne Erfolg. Für eine konkludente Aufhebung des
Anteilsübertragungsvertrages fehle konkreter Vortrag. Die Geltendmachung der
Zahlungsrückstände sei auch mit Blick auf das Schreiben der Klägervertreter vom
23.01.2003 (Anlage B 7 Anlagenband) nicht rechtsmissbräuchlich. Schließlich seien die
Forderungen auch nicht verjährt. Zu der näheren Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe (Bl. 307-317 GA) verwiesen.
Gegen das ihnen am 20.04.2006 zugestellte Urteil (Bl. 329 GA) wenden sich die
Beklagten zu 1) und 2) mit der am 09.05.2006 eingelegten (Bl. 332 GA) und am
12.06.2006 begründeten (Bl. 337 f. GA) Berufung. Sie machen geltend: Der
Anteilsübertragungsvertrag sei mangels notarieller Beurkundung formnichtig. Die
Wirksamkeit des Vertrages sei überdies wegen der von der Beklagten zu 1) gegenüber
dem Beklagten zu 4) erklärten Anfechtung mit Schreiben vom 17.11.2004 (Bl. 65 = 108
GA) gemäß §§ 119, 123 BGB rückwirkend entfallen. Der Beklagte zu 4) habe es
entgegen seinen Erklärungen vor und bei Vertragsschluss versäumt, eine Rücklage im
Sinne einer Liquidationsvorsorge – zum Ausgleich der Differenz zwischen der Höhe der
von der GbR zu zahlenden Leasingraten und der geringeren Mieteinnahmen der GbR
aus den Untermietverhältnissen – zu bilden. Die Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft fänden keine Anwendung, weil der Beitritt der Beklagten zu 1) zur GbR
niemals vollzogen worden sei. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die
Berufungsbegründung vom 12.06.2006 verwiesen (Bl. 337 ff. GA).
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Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage gegen sie insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz nach Maßgabe der
Berufungserwiderung vom 14.09.2006 (Bl. 362 ff. GA).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den vorgetragenen Inhalt
der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu
legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende
Beurteilung. Der Senat folgt den Gründen der Entscheidung nach Maßgabe der
folgenden durch das Berufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.
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1. Die Klage ist in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet. Die GbR
schuldet der Klägerin für die Zeit vom 01.02.1999 bis 31.12.2001 unstreitig rückständige
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Leasingraten, Neben- und Verwaltungskosten auf der Grundlage des Immobilien-
Leasing-Vertrages vom 11.03.1997 i.V.m. § 535 Satz 2 BGB a.F. (= § 535 Abs. 2 BGB)
sowie Bankgebühren (Rücklastschriften) gemäß §§ 284, 286 BGB a.F. in Höhe von
insgesamt 545.764,17 €. Für die Gesellschaftsschuld haftet die Beklagte zu 1)
persönlich gemäß §§ 705, 714 BGB i.V.m. § 128 HGB analog und die Beklagte zu 2) als
persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) gemäß §§ 161 Abs. 2, 128
HGB.
2. Die Einwendungen der Beklagten gegen die persönliche Haftung der Beklagten zu 1)
als Gesellschafterin der GbR sind nicht tragfähig.
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a) Der privatschriftliche Anteilsübertragungsvertrag vom 15.12.1999 ist formwirksam.
Der Meinung der Beklagten, der Vertrag sei mangels notarieller Beurkundung wegen
Verstoßes gegen § 313 BGB a.F. (= § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) gemäß § 125 Satz 1
BGB formunwirksam, kann nicht gefolgt werden. Nach § 313 Satz 1 BGB a.F. bedarf
zwar ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, Grundstückseigentum zu
erwerben oder zu veräußern, der notariellen Beurkundung. Dies trifft auf die
Übertragung eines Gesellschaftsanteils aber selbst dann nicht zu, wenn das
Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus Grundbesitz besteht (vgl. BGHZ 86, 367,
370 f. = NJW 1983, 1110 = DNotZ 1984, 169; BGH NJW 1990, 1171; BGH WM 1997,
2220, 2222). Der Erwerb oder Verlust der (gesamthänderischen) Mitberechtigung an
einem Gesellschaftsgrundstück ist in diesen Fällen nicht Gegenstand eines Vertrages,
mit dem sich jemand verpflichtet, Grundstückseigentum zu erwerben oder zu veräußern.
Er ist vielmehr nur eine Folge des Erwerbs oder Verlusts der Mitgliedschaft und die
Konsequenz davon, dass das Gesellschaftsvermögen auch bei einem
Mitgliederwechsel stets dem jeweiligen Gesellschafterkreis zugeordnet bleibt (§ 738
Abs. 1 Satz 1 BGB). Für rechtsgeschäftliche Verfügungen über das Eigentum an
Gegenständen des Gesellschaftsvermögens (wie Grundstücken) ist insoweit kein Raum.
Die Anwendung des § 313 BGB im Bereich gesellschaftsrechtlicher Übertragungsakte
ist daher allenfalls den Fällen einer bewussten Umgehung der Vorschrift vorbehalten,
wenn etwa Grundstücksgesellschaften nur zu dem Zweck gegründet werden, um mit
Hilfe der hier verfügbaren rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Grundvermögen
außerhalb des Grundbuchs und ohne Formzwang beweglicher verlagern zu können
(vgl. BGHZ 86, 367, 371 = NJW 1983, 1110; BGH NJW 1998, 376, 377). Für einen
solchen Ausnahmefall fehlt hier jeder Anhaltspunkt.
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Der analogen Anwendung des § 313 BGB auf Anteilsübertragungen an solchen
Gesellschaften, deren Vermögen im Wesentlichen aus Grundbesitz besteht, hat der
BGH in der Entscheidung BGHZ 86, 367, 370 f. eine Absage erteilt und darauf
hingewiesen, dass § 313 Satz 1 BGB als Formvorschrift mit Nichtigkeitsfolge im
Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs streng tatbestandsmäßig anzuwenden –
und damit einer den Anwendungsbereich erweiternden Analogie nicht zugänglich – sei.
Die Verfechter einer entsprechenden Anwendung des § 313 BGB (etwa: K. Schmidt,
AcP 182 (1982), 481, 511; Ulmer/Löbbe, DNotZ 1998, 711, 713 f., 732 f. m.w.N.) sehen
hingegen in den Fällen, in denen sich der Gesellschaftszweck auf das Halten und
Verwalten von Grundeigentum beschränkt, die Übertragung eines Gesellschaftsanteils
bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Umgehungsgeschäft an, da die Übertragung
von Gesellschaftsanteilen in Wahrheit der formfreien Übertragung von Grundbesitz
diene. Dem kann schon in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Vor allem
berücksichtigt diese Meinung aber nicht, dass das Gesetz die Möglichkeit der formfreien
Übertragung von Gesellschaftsanteilen – gleichviel, ob sich Grundbesitz im
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Gesellschaftsvermögen findet – zulässt und lediglich die eigentlichen
Grundstücksgeschäfte unter Formzwang stellt, die Wertung des Gesetzgebers mithin
schon einer Analogie entgegensteht.
Schließlich können sich die Beklagten auch nicht darauf berufen, der
Anteilsübertragungsvertrag beinhalte einen verbundenen Vertrag (BGHZ 104, 18 ff.),
nämlich einerseits die Veräußerung und Übertragung eines Gesellschaftsanteils von
dem Beklagten zu 4) an die Beklagte zu 1) und andererseits einen Grundstückserwerb.
Denn es handelt sich abweichend von dem vom BGH entschiedenen Fall nicht um
einen verbundenen Vertrag. Der Vertrag vom 15.12.1999 hat lediglich die Veräußerung
und Übertragung des Gesellschaftsanteils zum Gegenstand. Zwar findet dort auch
Erwähnung, dass die GbR Eigentümerin des grundbuchsmäßig näher beschriebenen
Grundstücks – W. 10, K. – sei und der verbleibende Gesellschafter der
"Grundbuchänderung" zustimme. Dem ist allerdings eine Verpflichtung zum Erwerb
oder Veräußerung von Grundbesitz nicht zu entnehmen. Vielmehr lässt sich den
Regelungen nur eine Zustandsbeschreibung zum Gesellschaftsvermögen und die
Zustimmung zu der nach Änderung der Mitglieder der Gesellschaft – von den Beklagten
zu 3) und 4) in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf die Beklagten zu 1) und 3) in
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – gemäß § 894 BGB eröffneten Berichtigung des
Grundbuchs entnehmen (vgl. zur lediglich deklaratorischen Berichtigung des
Grundbuches bei Gesellschafterwechsel: BGHZ 140, 175, 182 = NJW 1999, 715 = BB
1999, 348 = ZMR 1999, 233; BGHZ 138, 82, 85 = NJW 1998, 1220 = NZM 1998, 260 =
ZMR 1998, 412; BGH, NJW 1998, 376).
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Ohne dass es danach noch darauf ankommt, ist anzumerken, dass der Beklagte zu 3) –
Mitglied der GbR, Geschäftsführer der Beklagten zu 2) und Kommanditist der Klägerin –
in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GbR mit dem Beklagten zu 4) das
streitgegenständliche Grundstück 1997 an die Klägerin veräußert, am 12./21.03.1997
die Auflassung erklärt und die GbR den Grundbesitz mit Vertrag vom 11.03.1997 von
der Klägerin geleast hat. Die Zusammenschau zeigt, dass der Beklagte zu 3) am
15.12.1999 schlechterdings nicht davon ausgehen konnte, dass mit dem
Anteilsübertragungsvertrag eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) zum Erwerb der
Immobilie oder der GbR zu deren Verkauf einhergehen sollte. Das gilt umso mehr, als
die Klägerin bereits seit dem 30.06.1998 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen
ist.
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b) Die Beklagten wenden weiter ohne Erfolg ein, der Anteilsübertragungsvertrag sei von
der Beklagten zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 4) mit Schreiben vom 17.11.2004 (Bl.
65 = 108 GA) wirksam angefochten worden mit der Folge, dass der Vertrag gemäß §§
142, 123, 119 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen sei.
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Es kann offen bleiben, ob dem Beklagten zu 4) als Erklärungsempfänger das
Anfechtungsschreiben gemäß § 143 Abs. 1 BGB zugegangen ist, was nach dem
Widerruf der Postvollmacht für die ihn früher vertretenden Rechtsanwälte E. und Partner/
W. schon zweifelhaft sein könnte (Bl. 114 GA). Es kann ebenfalls dahinstehen, ob die
Anfechtung gegenüber dem Beklagten zu 4) überhaupt Wirkungen gegenüber der GbR
zeitigen könnte oder ob der Beklagten zu 1) wegen der vorgeblich arglistigen
Täuschung des Beklagten zu 4) insoweit nur ein außerordentliches Kündigungsrecht
zur Seite stünde (vgl. hierzu: BGHZ 63, 338, 344 f. = NJW 1975, 1022), wobei die
Erklärung allerdings gegenüber der Gesellschaft abzugeben wäre (BGH, NJW 2000,
3558, 3560). Denn die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 1) und 2) haben
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es jedenfalls versäumt, die bestrittenen Voraussetzungen (Bl. 90/91 GA) für den im
Schreiben vom 17.11.2004 genannten – und damit allein beachtlichen –
Anfechtungsgrund unter Beweis zu stellen.
§ 123 Abs. 1 BGB erlaubt die Anfechtung einer Willenserklärung, wenn der Betreffende
zu deren Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das setzt voraus,
dass er sich bei Abgabe seiner Willenserklärung über einen Umstand geirrt hat, weil ein
anderer eine Täuschungshandlung begangen hat, sowie dass der Irrtum den Entschluss
zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst hat, wobei es ausreicht, wenn die
Täuschungshandlung eine von mehreren Ursachen ist und die Entschließung lediglich
beeinflusst hat (BGHZ 83, 283, 291 = MDR 1982, 749). Die Täuschungshandlung kann
in Angaben bestehen, die Tatsachen vorspiegeln, entstellen oder – bei Bestehen einer
Aufklärungspflicht – verschweigen (BGH, BGHReport 2003, 846 = GRUR 2003, 702,
703). Hiervon ausgehend behaupten die Beklagten zu 1) und 2), der Beklagte zu 4)
habe im Zusammenhang mit der Anteilsübertragung vorgespiegelt, dass die
Gesellschaft über eine – tatsächlich nicht vorhandene – Liquiditätsreserve in Höhe von
3 Mio. DM verfüge, um die Differenz zwischen den allmonatlich zu leistenden
Leasingraten und den geringeren laufenden Einnahmen aus der Untervermietung des
Leasingobjektes abdecken zu können (Bl. 145 GA). Abgesehen davon, dass das
Vorbringen der Beklagten zur Höhe der Liquidationsreserve kaum den Anforderungen
an einen substantiierten Vortrag gerecht wird – erst Recht nicht angesichts der
Vermutungen des Beklagten zu 3) anlässlich seiner Anhörung vom 11.08.2005 vor dem
Landgericht, wonach er von einer Liquidationsreserve von ca. 1,9 Mio. DM
ausgegangen sein will (Bl. 177 GA) –, haben die Beklagten für den
entscheidungserheblichen Umstand, dass eine zugesicherte Rücklage am 15.12.1999
nicht vorhanden war, keinen beachtlichen Beweis angetreten. Hierauf hat das
Landgericht in der Sitzung vom 11.08.2005 ausdrücklich hingewiesen (Bl. 178 GA),
ohne dass die Beklagten zu 1) und 2) im ersten oder zweiten Rechtszug Abhilfe
geschaffen haben. Ein in Ablichtung überreichter Kontoauszug der Gesellschaft vom
31.12.1998 (Bl. 271 GA) ist jedenfalls nicht entfernt geeignet, den Vermögensstatus der
Gesellschaft am 15.12.1999 zu belegen. Das gilt umso weniger, als der Beklagte zu 3)
anlässlich seiner Anhörung vor dem Landgericht auf zwei Gesellschaftskonten
verwiesen hat. Ist demnach nicht nachgewiesen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der
Anteilsübertragung eine zugesagte Rücklage nicht vorhanden war, entfällt der mit
Schreiben vom 17.11.2004 ins Feld geführte Anfechtungsgrund nach § 123 BGB.
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Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für einen Anfechtungsgrund
gemäß § 119 BGB. Denn es fehlt der Nachweis für das Auseinanderfallen von Wille und
Erklärung, weil die Erklärung der Beklagten zu 1) bei Vertragsschluss von einer
Fehlvorstellung unbeeinflusst war.
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Die von den Beklagten zu 1) und 2) im Verlauf des Rechtsstreits schriftsätzlich weiter
geltend gemachten Anfechtungsgründe sind unbeachtlich, weil es insoweit schon an
einer Erklärung gegenüber dem Beklagten zu 4) oder der GbR, die am Rechtsstreit
(noch) nicht beteiligt sind, fehlt.
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Ohne dass es nach den vorstehenden Erwägungen noch darauf ankommt, wäre die
Anfechtung der Beklagten auch verspätet im Sinne der §§ 121 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1
BGB. Denn die Anfechtungserklärung erfolgte weder unverzüglich noch binnen eines
Jahres nach Kenntnis des angeblichen Anfechtungsgrundes. Angesichts der
Besonderheiten des vorliegenden Falles geht der Senat davon aus, dass der Beklagte
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zu 3) als Geschäftsführer der Beklagten zu 2), der Komplementärgesellschafterin der
Beklagten zu 1), spätestens Anfang des Jahres 2002 Kenntnis von einer – angeblich
zugesicherten – nach Behauptung der Beklagten zu 1) und 2) tatsächlich nicht
vorhandenen Liquidationsreserve der Gesellschaft haben musste und hatte. Der
Beklagte zu 3) war seit 2000 Geschäftsführer der GbR. Spätestens seit seiner
Verurteilung zur Zahlung rückständiger Leasingraten der GbR durch das Landgericht
Kiel vom 05.12.2001 (Anlage B 8 Anlagenband) konnte ihm ob seiner persönlichen
Inanspruchnahme nicht verborgen geblieben sein, dass Liquiditätsreserven der GbR zur
Bedienung der Leasingraten nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung standen.
Das gilt umso mehr, als die Beklagte zu 1) mit zeitnahem Schreiben der Klägerin vom
15.01.2002 als Gesellschafterin der GbR ebenfalls zur Zahlung von 748.028,02 DM
nebst Zinsen aufgefordert wurde (Bl. 170 f. GA) und er als Geschäftsführer der
Komplementärgesellschaft der Beklagten zu 1) gehalten war, gegebenenfalls
vorhandene Rücklagen der GbR einzusetzen, um eine Inanspruchnahme der Beklagten
zu 1) und 2) abzuwenden. Bei dieser Sachlage können die Beklagten zu 1) und 2) nicht
erwarten, dass den ohnehin wechselnden Angaben zur Kenntniserlangung (angeblich
Februar/März 2004: Bl. 103 GA; Herbst 2004: Bl. 174 GA) von einem angeblichen
Anfechtungsgrund erst im Jahr 2004 Glauben geschenkt wird.
c) Abgesehen von den vorstehenden Ausführungen würde eine dem Grunde nach
gerechtfertigte Anfechtung, die allerdings ohnehin als außerordentliche Kündigung
gegenüber der GbR zu erklären wäre, nach den zutreffenden Erwägungen des
Landgerichts zu den zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten Grundsätzen die
streitgegenständlichen Forderungen nicht berühren. Nach ständiger Rechtsprechung
des BGH gelten die zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten Grundsätze auch für den
fehlerhaften Beitritt zur GbR. Danach ist eine fehlerhaft gegründete Gesellschaft oder ein
fehlerhaft vollzogener Beitritt zu einer Gesellschaft regelmäßig nicht von Anfang an
unwirksam, sondern wegen eines Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrundes nur mit
Wirkung für die Zukunft vernichtbar (BGHZ 55, 5, 8 f. = NJW 1971, 375; BGH, BB 1975,
758, 759; BGH, NJW 1992, 1501, 1502 = WM 1992, 490, 491; MünchKomm-Ulmer,
BGB, 4. Aufl., § 705 Rdnrn. 368, 374; jeweils m.w.N.). Bis zur Geltendmachung des
Fehlers sind die in Vollzug gesetzte Gesellschaft wie der vollzogene Beitritt
grundsätzlich voll wirksam. Ein Beitritt ist dann vollzogen, wenn Rechtstatsachen
geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann. Das ist
der Fall, wenn der Beitretende Beiträge geleistet oder gesellschaftsvertragliche Rechte
ausgeübt hat (BGH, NJW 2000, 3558, 3560; 2003, 1252, 1254 m.w.N.). Dazu genügt es,
wenn der Beitretende ohne sonstige Verpflichtung (als seiner persönlichen Haftung)
gegenüber der Gesellschaft Schulden der Gesellschaft reguliert. So liegt der Fall hier.
Mit Recht verweist das Landgericht in diesem Zusammenhang auf den Schriftwechsel
vom 04./11.10.2000 (Bl. 203/204 GA). Die Reaktion der Beklagten zu 1) auf die an die
GbR gerichtete Aufforderung der Klägerin, für die GbR verauslagte
Versicherungsprämien auszugleichen, kann wegen der Bezugnahme der Beklagten zu
1) auf den Immobilienleasingvertrag unter Beifügung eines Schecks zum Ausgleich der
gegen die GbR gerichteten Forderung nicht anders verstanden werden denn als
Akzeptanz ihrer Gesellschafterstellung und der daraus folgenden persönlichen
Einstandspflicht. Für eine andere Gewichtung ihres Verhaltens haben die Beklagten zu
1) und 2) beachtliche Umstände nicht aufgezeigt. Dies dürfte nach dem im Senatstermin
erteilten Hinweis auch naturgemäß schwer fallen, da die Postenaufstellung der Klägerin
(Anlage K 4 Anlagenband) weitere Zahlungen der Beklagten zu 1) und/oder 2) für die
GbR ausweist (21.03.2000: 50.000 DM; 03.04.2000: 50.000 DM; 01.03.2001: 6.362,55
DM). Der Annahme eines vollzogenen Beitritts halten die Beklagten zu 1) und 2)
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erfolglos das Schreiben der Klägerin vom 23.01.2003 (Anlage B 7 Anlagenband)
entgegen. Die Anteilsübertragung an der GbR bedurfte nicht der Zustimmung der
Klägerin. Deshalb kann das Schreiben nur so verstanden werden, dass die Klägerin
den Beklagten zu 4) nicht aus der (Nach-)Haftung des (ausgeschiedenen)
Gesellschafters entlassen wollte. Zudem berücksichtigen die Beklagten zu 1) und 2)
nicht, dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin als Gläubigerin der GbR auf den
Beitritt der Beklagten zu 1) vertraut hat. Denn die Haftung des neu eintretenden
Gesellschafters besteht ohne Rücksicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen des
einzelnen Gesellschaftsgläubigers (BGHZ 44, 235, 237 = NJW 1966, 107; BGH, NJW
1988, 1321, 1323). Die Steuererklärungen sind sämtlich von dem Beklagten zu 3)
abgegeben. Die Steuerbescheide (Anlagen B 9–B 11 Anlagenband) ergingen sämtlich
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Sie sind folglich nicht geeignet, den vollzogenen
Beitritt der Beklagten zu 1) zur GbR in Frage zu stellen.
3. Die in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen des Landgerichts zu einer
konkludenten Aufhebung des Anteilsübertragungsvertrages, zum Wegfall der
Geschäftsgrundlage, zum rechtsmissbräuchlichen Vorgehen der Klägerin, zur
Verjährung und zur Zinsforderung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen
verwiesen wird (Bl. 313-316 GA), greifen die Beklagten zu 1) und 2) nicht gesondert an,
so dass es damit sein Bewenden hat.
30
III.
31
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr.
10, 711 ZPO.
32
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht
vor.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 545.764,17 €.
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