Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.07.2003

OLG Düsseldorf: pistole, wohnung, waffengesetz, inhaber, hausrecht, schwiegervater, schusswaffe, treppe, berechtigter, aufenthalt

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 Ss 91/03 - 44/03 II
Datum:
14.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 91/03 - 44/03 II
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen
aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zu-rückverwiesen.
Gründe:
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I.
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Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu
einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,-- EUR verurteilt. Zudem hat es die
beschlagnahmte Pistole 9,00 Para SI G 210-4, Herst.-Nr. 0 4690 sowie die
beschlagnahmte Waffenbesitzkarte vom 23.11.1998 (008787/03) eingezogen.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht durch das
angefochtene Urteil. Gegen die Entscheidung hat der Angeklagte Revision eingelegt,
die mit der Sachrüge Erfolg hat.
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II.
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1. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist der Angeklagte gemeinsam mit seiner
Ehefrau Eigentümer des Hauses U. 140 b in V. In diesem Haus wohnt der
Schwiegervater des Angeklagten; die Dachgeschosswohnung war bis zum 31. Januar
2002 an C.F. vermietet. Am Abend des 31. Januar 2002 kam es zu einer
Auseinandersetzung zwischen dem Schwiegervater des Angeklagten und dem Mieter
F.. Aus diesem Grund wurde der Angeklagte von seiner Ehefrau, die bei ihrem Vater zu
Besuch war, gebeten, zu kommen. Der Angeklagte, der sich Sorgen um seine Ehefrau
und seinen Schwiegervater machte, steckte daraufhin eine Pistole 9 mm Parabollum,
Herstellernummer D 4690, in die Brusttasche seiner Latzhose und fuhr zum Haus U. 140
b. Das Magazin der Pistole hatte er zuvor ca. 10 bis 15 mm herausgezogen. Der
Angeklagte besitzt zwar eine Waffenbesitzkarte jedoch keinen Waffenschein. In der U.
angekommen, ging der Angeklagte die Treppe zur Wohnung des Mieters F. hoch und
klopfte dort an die Wohnungstür. Nachdem dieser geöffnet hatte, gab es vor der
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Wohnungstür eine verbale Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Angeklagten. In
deren Verlauf zog der Angeklagte die Pistole aus der Latzhose, hielt sie F. entgegen
und sagte: "Achtung, ich bin in diesem meinem Haus nicht schutzlos." Als F. fragte, ob
er ihn erschießen wollte, antwortete der Angeklagte, er wolle ihn nur warnen. Daraufhin
ging er mit der Pistole in der Hand wieder die Treppe hinunter.
2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen
unerlaubten Führens einer Schusswaffe gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1b i.V.m. 35 Abs. 1
WaffG a.F. im Haus Ummerstraße 140 b nicht.
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Bei der mitgeführten Pistole 9,00 PARA handelt es sich um eine Schusswaffe im Sinne
von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. Indes bedurfte der Angeklagte zum Mitführen der Waffe in
seinem Haus keines Waffenscheins gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG a.F. Der
Angeklagte hat die Waffe nicht im waffenrechtlichen Sinne geführt.
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Nach § 4 Abs. 4 WaffG a.F. führt eine Waffe, wer die tatsächliche Gewalt darüber
außerhalb seiner Wohnung, Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums
ausübt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Angeklagte hat die Waffe in
seinem eigenen befriedeten Besitztum geführt. Insoweit kann dahinstehen, ob auch der
Ausnahmetatbestand nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 b WaffG vorliegt und der Angeklagte die
Waffe mit Zustimmung seines Schwiegervaters in dessen befriedetem Besitztum geführt
hat.
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Zwar handelt es sich bei dem Haus U. 140 b nicht um die Wohnung des Angeklagten.
Denn das Haus dient dem Angeklagten weder zum ständigen noch zum
vorübergehenden Aufenthalt, vielmehr hat er die Wohnräume in dem Haus U. 140 b an
andere Personen zwecks Aufenthalt und Nutzung vermietet. Bei dem Hausflur, in dem
der Angeklagte die Pistole geführt hat, handelt es sich aber um eigenes befriedetes
Besitztum. Hinsichtlich des Begriffs des befriedeten Besitztums lehnt sich das
Waffengesetz an § 123 StGB an (Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche
Nebengesetze, Bd. IV, Waffengesetz § 4 Rn. 19). Besitztum ist dann befriedet, wenn es
von seinem berechtigten Inhaber in äußerlich erkennbarer Weise mittels
zusammenhängender Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch andere
gesichert (RGSt 11, 293, 294; Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 26. Aufl., § 123 Rn. 6;
Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl.,§ 123 Rn. 8). Geschütztes Rechtsgut des § 123 StGB ist
das Hausrecht (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 1; Tröndle/Fischer,
a.a.O., § 123 Rn. 2). Berechtigter Inhaber des befriedeten Besitztums ist insofern der
Inhaber des Hausrechts (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 16).
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Hinsichtlich des Treppenhauses steht dem Angeklagten das Hausrecht gemeinsam mit
seinen Mietern zu. Bei vermieteten Wohnungen ist Berechtigter grundsätzlich allein der
Mieter (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17, Tröndle/Fischer, a.a.O., § 123
Rn. 3). Unter den Begriff der Wohnung i.S. des § 123 StGB sind auch die sogenannten
Nebenräume, wie Treppen, Flure, Keller etc. zu fassen (RGSt 1, 121;
Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17). Indes stellen diese Räumlichkeiten
für den einzelnen Mieter keinen vor jedem Dritten abschirmbaren Privatraum dar und
sind somit nicht Bestandteil einer räumlich abgegrenzten Privat- und Geheimsphäre.
Sind Gemeinschaftseinrichtungen nicht mehr als Wohnungsbestandteile, sondern
lediglich als befriedetes Besitztum anzusehen, so gibt der Vermieter regelmäßig sein
Hausrecht bei der Vermietung nicht vollständig auf, sondern behält sich zumindest eine
Mitberechtigung vor (Schönke/Schröder/Lenckner, a.a.O., § 123 Rn. 17). Denn er bleibt
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für diese Gemeinschaftseinrichtungen in aller Regel verkehrssicherungspflichtig und
zumeist auch für Schönheitsreparaturen zuständig. Zudem ist er auch für den
Gesamthausfrieden verantwortlich und muss schon deshalb eine Berechtigung zum
Betreten der Gemeinschaftseinrichtungen besitzen.
III.
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Der vorgenannte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den
zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine
andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
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Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
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Das Landgericht wird zu prüfen haben, ob eine Verurteilung des Angeklagten gemäß §
53 Abs. 3 Nr. 1b, § 35 Abs. 1 Satz 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 4 WaffG a.F. hinsichtlich des
Transports der Waffe von seiner Wohnung in das Haus U. 140 b in Betracht kommt. Bei
diesem Vorgang handelt es sich um dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Es
spricht viel dafür, dass insoweit die Voraussetzungen für die Befreiung von der
Waffenscheinpflicht nicht vorlagen. Zwar unterfällt der Waffentransport von einem zum
anderen erlaubnisfreien Ort aufgrund des Erlaubnistatbestandes des § 35 Abs. 4 Nr. 2c
WaffG a. F. nicht der Waffenscheinpflicht. Anders verhält es sich aber, wenn die Waffe
dabei schuss- oder zugriffsbereit gehalten wird. Zugriffsbereitschaft ist bereits dann zu
bejahen, wenn die Waffe mit schnellen Handgriffen in Anschlag gebracht werden kann
(OLG Braunschweig, GA 1978, 245, 246 m.w.N.; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, a.a.O., §
35 Rn. 11).
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Sollte die Strafkammer erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen eines
Verstoßes gegen das Waffengesetz gelangen, wird eine in diesem Zusammenhang
gegebenenfalls getroffene Einziehungsentscheidung zu begründen sein. Gemäß § 56
Abs. 2 WaffG a.F. ist die Einziehung der Waffe nicht zwingende Folge, sondern in das
Ermessen des Gerichts gestellt. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass sich
das Gericht der fakultativen Möglichkeiten bewusst war. Darüber hinaus ist die
Ermessensentscheidung unter Abwägung der Gründe, die für oder gegen die jeweilige
Möglichkeit gesprochen haben, im Einzelnen zu begründen (zu vgl. Senatsbeschluss
vom 23. Juli 1990, VRS 80, 23, 24).
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Gegebenenfalls wird auch die Liste der angewendeten Vorschriften in Entsprechung
des § 260 Abs. 5 StPO durch Angabe der Absätze, Nummer und Buchstaben zu
ergänzen sein.
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