Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.06.2004

OLG Düsseldorf: treu und glauben, sparkasse, unterlassen, rechnungslegung, ausgleichung, aufrechnung, abrechnung, gebäude, alleineigentum, betrug

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 100/04
Datum:
01.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 100/04
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des 3. Rechtszuges.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Beschwerdewert: bis 35.000 EUR.
G r ü n d e:
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I.
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Die Antragsgegner sind Mitglieder der vorbezeichneten
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragstellerin war von Ende 1992 bis zum
31.03.1996 als Verwalterin für die Eigentümergemeinschaft tätig. Das Gebäude stand
ursprünglich im Alleineigentum eines Herrn M.. Die Wohnungen in dem Objekt waren
vermietet. Die Antragstellerin führte ursprünglich die Mietverwaltung im Auftrag von
Herrn M. durch.
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Durch Teilungserklärung vom 13.04.1992 wurde das Objekt in Eigentumswohnungen
aufgeteilt, welche teilweise von den Antragsgegnern erworben wurden. Diese
Wohnungen blieben weiterhin vermietet. Aufgrund einer Absprache zwischen Herrn M.
und den Antragsgegnern zahlten die Mieter den Mietzins weiterhin auf ein Privatkonto
des Herrn M. bei der Sparkasse K., zu dem die Antragstellerin Kontovollmacht hatte. Mit
Beginn ihrer Verwaltertätigkeit richtete die Antragstellerin ein eigenes Verwalterkonto
als offenes Treuhandkonto für die Wohnungseigentümergemeinschaft bei der
Stadtsparkasse W. ein. Zwischen Herrn M. und den Parteien war vereinbart, dass die
fälligen Wohngeldvorschüsse jeweils von den auf dem Konto bei der Sparkasse K.
eingehenden Mietzahlungen entnommen werden sollten. Der jeweilige Überschuss
sollte dann an die Antragsgegner überwiesen werden. Diese Methode wurde einige
Monate lang erfolgreich praktiziert. Bereits im Jahr 1993 stellte sich jedoch heraus, dass
auf dem Verwalterkonto in W. keine ausreichenden Vorschüsse eingingen, um die
Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu decken.
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Ende 1993 wies das Verwalterkonto einen Minussaldo von 14.034,95 DM auf. Da Herr
M. von seinem Privatkonto bei der Sparkasse K. private Verbindlichkeiten tilgte, wies
auch dieses Konto bald einen Minussaldo auf. Nachdem Herr M. seine
Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen konnte, gab er am 24.10.1994 die eidesstattliche
Versicherung ab. Da auch die Antragsgegner nur noch unregelmäßig
Wohngeldzahlungen erbrachten, geriet das Treuhandkonto weiter ins Soll. Zum
31.12.1994 war es mit 21.632,24 DM ins Minus geraten. Zum 31.12.1996 wies das
Konto einen Sollbetrag in Höhe von 46.315,66 DM auf.
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Da die Antragstellerin für das von ihr errichtete Verwaltertreuhandkonto persönlich
haftet, nimmt sie die Antragsgegner nunmehr auf Freistellung von ihrer
Kontoverbindlichkeit unter Einbeziehung der bis zum 01.07.2002 aufgelaufenen
Überziehungszinsen in Anspruch.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von der gegen sie
bestehenden Forderung der Stadtsparkasse W. auf Ausgleichung des dort für
sie geführten Kontos Nr. X. in Höhe von 52.235,01 EUR nebst 5,25 % Zinsen
seit dem 01.07.2002 freizustellen.
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Die Antragsgegner haben beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen und geltend gemacht:
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Der Freistellungsanspruch der Antragstellerin sei ursprünglich nicht fällig gewesen, da
die Antragstellerin es unterlassen habe, für die Jahre 1994 und 1995 Abrechnungen
vorzulegen. Auch mit Schriftsatz vom 09.05.2001, zugestellt am 18.05.2001, habe die
Antragstellerin keine ordnungsgemäßen Abrechungen für die Jahre 1994, 1995 und das
1. Quartal 1996 vorgelegt, wozu diese verpflichtet gewesen sei. Für das Jahr 1996
schulde sie zwar keine Abrechnung für das gesamte Kalenderjahr, aber eine
verständliche und nachprüfbare Saldenübersicht nebst Belegen für das letzte Quartal
ihrer Verwaltung. Die vorgelegte Saldenübersicht sei nicht nachprüfbar, es sei nicht
nachvollziehbar, welche Einnahmen die Antragstellerin erlangt und welche Ausgaben
sie im fraglichen Zeitraum getätigt habe.
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Die Antragstellerin habe ihre Pflichten als Verwalterin gröblich verletzt, wodurch ihnen -
den Antragsgegnern - Schadensersatzansprüche erwachsen seien. Nachdem auf dem
Verwalterkonto keine Gelder eingegangen seien, sei die Antragstellerin verpflichtet
gewesen, gegen säumige Schuldner gerichtlich vorzugehen. Insbesondere hätte sie
gegen Herrn M. gerichtliche Schritte einleiten müssen. Seit November 1992 sei sie
aufgrund ihrer Kontovollmacht über dessen finanzielle Situation informiert gewesen,
habe es aber pflichtwidrig unterlassen, die Eigentümergemeinschaft hiervon zu
unterrichten. In der Eigentümerversammlung vom 26.04.1995 habe sie ausdrücklich
davon abgeraten, gegen Herrn M. vorzugehen.
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Wegen der ihnen erwachsenen Schadensersatzansprüche erklären die Antragsgegner
die Aufrechnung und sind im übrigen der Ansicht, die Inanspruchnahme hinsichtlich der
inzwischen aufgelaufenen Zinsen sei rechtsmissbräuchlich, da die Antragstellerin bis
zum 18.05.2001 gebraucht habe, um ihre Anträge auch nur formal fällig zu stellen.
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Das Amtsgericht hat die Antragsgegner durch Beschluss vom 19.07.2003 verpflichtet,
die Antragstellerin von den gegen sie bestehenden Forderungen der Stadtsparkasse W.
auf Ausgleichung des dort für die Antragstellerin geführten Kontos Nr. X. in Höhe von
21.574,59 EUR nebst den ab dem 19.05.2003 auf diesen Betrag entfallenden
Überziehungszinsen freizustellen.
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Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht
mit Beschluss vom 10.03.2004 zurückgewiesen. Gegen die ihr am 12.03.2004
zugestellte Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am
23.03.2004 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie insbesondere
die Aberkennung der in der Zeit von Oktober 1996 bis zum 18.05.2001 aufgelaufenen
Überziehungszinsen beanstandet und unter teilweiser Rücknahme ihres
Freistellungsbegehrens beantragt, den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern
aufzugeben, die Antragstellerin von der gegen sie bestehenden Forderung der
Stadtsparkasse W. auf Ausgleichung des dort für sie geführten Kontos Nr. X1. in Höhe
von 50.703,17 EUR nebst 15,25 % Zinsen seit dem 01.07.2002 freizustellen.
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Die Antragsgegner zu 2., 4. und 5. sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten und
haben vorgetragen, sie hätten die vom Amtsgericht festgestellte Schuld "seit längerem"
beglichen und von eigenen Rechtsmitteln abgesehen, um "der Sache ein Ende zu
machen".
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Im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
18
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 43, 45 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt, aber nicht begründet.
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Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der dem Senat obliegenden
rechtlichen Überprüfung stand (§ 27 FGG). Der dem Grunde nach bestehende
Aufwendungsersatzanspruch in Gestalt des Freistellungsanspruchs gem. §§ 675, 670,
257 BGB ist auf den vom Amtsgericht zuerkannten Betrag beschränkt. Ein
weitergehender Freistellungsanspruch ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin
nicht gegeben. Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:
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1. Die Vorinstanzen sind zutreffend von einem bis Ende 1996 entstandenen
Erstattungsanspruch von 38.516,49 DM ausgegangen. Dieser Betrag ergibt sich aus
der Abrechnung der Antragstellerin unter Berücksichtigung nicht nachgewiesener
Ausgaben für die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Zahlung von 4.526,80
DM durch den Antragsgegner zu 3. nach Erlass eines entsprechenden
Vollstreckungsbescheides. Die vorgenommenen Abzüge werden von der
Antragstellerin ausweislich der Begründung ihrer weiteren Beschwerde akzeptiert (Bl.
643 d. A.). Aus der von ihr im Verfahren 63 II 35/99 WEG AG Moers vorgelegten
Kontoentwicklung (Bl. 15 d. Beiakte) ist ersichtlich, dass in dem bis Ende 1996
aufgelaufenen Soll-Betrag Bankzinsen in beträchtlicher Höhe enthalten sind, die
zugunsten der Antragstellerin im Rahmen ihres Freistellungsanspruchs berücksichtigt
worden sind.
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2. Die seit Ende 1996 bis zum 18.05.2001 entstandenen weiteren
Überziehungszinsen sind mit Recht aberkannt worden. Dies beruht auf der
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erfolgreichen Aufrechnung der Antragsgegner. Insoweit kommt es nicht darauf an,
dass die Antragstellerin die Kontoüberziehungszinsen als Teil ihres
Freistellungsanspruchs und nicht als sekundären Verzugsschaden geltend macht (vgl.
hierzu Münchner Kommentar - Seiler, BGB, 3. Aufl., § 670 Rn. 8; BGB - RGRK -
Steffen, 12. Aufl., § 670 Rn. 3; KG WuM 1999, 62). Entscheidend ist, dass die
Antragstellerin pflichtwidrig erst mit erheblicher Verzögerung nachvollziehbar
Rechnung gelegt hat. Die zum 31.03.1996 als Verwalterin ausgeschiedene
Antragstellerin schuldete den Wohnungseigentümern nach § 28 Abs. 4 WEG unter
Einbeziehung des noch nicht abgerechneten Wirtschaftsjahres 1995 eine
Rechnungslegung, die den Anforderungen gem. § 259 Abs. 1 BGB genügte (siehe
hierzu Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 28 Rn. 128, 129). Dieser
Verpflichtung ist die Antragstellerin erst mit dem am 18.05.2001 zugestellten
Schriftsatz vom 09.05.2001 nachgekommen. Erst damit ist der Freistellungsanspruch
fällig geworden (BGB - RGRK - Steffen § 670 Rn. 27). Hätte die Antragstellerin nach
ihrem Ausscheiden zeitnah im Jahre 1996 umfassend Rechnung gelegt, so hätten die
Antragsgegner das Treuhandkonto ausgleichen können und die weiteren
Überziehungszinsen bis zum 18.05.2001 wären nicht entstanden. Die bis zum
18.05.2001 entstandene Zinslast stellt damit einen Schaden dar, den die
Antragstellerin den Wohnungseigentümern wegen schuldhafter Pflichtverletzung zu
erstatten hat. Die Antragstellerin handelt vorwerfbar pflicht- und treuwidrig, wenn sie
die von ihr geschuldete Rechnungslegung ca. 4 1/2 Jahre verzögert und die
Antragsgegner dadurch mit erheblichen Überziehungszinsen belastet. Die
Antragsgegner haben unwidersprochen vorgetragen (Bl. 659 d.A.), dass sie die vom
Amtsgericht festgestellte Schuld "seit längerem" beglichen und damit dem
Freistellungsanspruch erfüllt haben. Es ist davon auszugehen, dass dies in gleicher
Weise geschehen wäre, wenn die Rechnungslegung bereits im Jahre 1996 erfolgt
wäre. Ob es insofern der Aufrechnungserklärung der Antragsgegner bedurfte, kann
dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann die Antragstellerin nach Treu und Glauben
nicht Überziehungszinsen im Rahmen ihres Aufwendungsersatzanspruchs verlangen,
die sie den Antragsgegnern als Schadensersatz zu erstatten hat.
3. Die vom 18.05.2001 bis zum 18.05.2003 entstandenen Überziehungszinsen und
Kosten sind bereits von den Vorinstanzen in Höhe von 11.679,47 DM berücksichtigt
worden. Damit ergibt sich ein fälliger Freistellungsanspruch von insgesamt 50.196,24
DM, dem ein Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegner nicht entgegen gehalten
werden kann, da die Antragstellerin ihre Abrechnungs- und
Rechnungslegungspflichten am 18.05.2001 erfüllt hat.
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4. Dieser Freistellungsanspruch verringert sich jedoch aufgrund der Aufrechnung der
Antragsgegner um insgesamt 8.000 DM auf 42.196,24 DM = 21.574,59 EUR. Das
Landgericht hat insofern zur Begründung ausgeführt: "Dennoch ist ein aufrechenbarer
Schaden in Höhe von 8.000,00 DM bereits wegen der Verletzung der
Verwalterpflichten durch das Unterlassen des Hinweises an die
Wohnungseigentümer, die Wohngelder nur noch unmittelbar auf das W. Konto und
nicht mehr über das Konto des Herrn M. laufen zu lassen, nach § 287 ZPO zu
schätzen. Die Antragstellerin hätte hierauf hinwirken müssen, nachdem ihr die
Vermögenssituation des Herrn M. und die unzureichende Abführung der Wohngelder
bekannt geworden war. In diesem Fall hätten die Wohnungseigentümer die
Möglichkeit zur Umleitung der von den Mieteinnahmen abzuführenden Wohngelder
gehabt und es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass sie dies nicht veranlasst hätten.
Die Höhe des den Antragsgegnern hieraus entstandenen Schadens lässt sich auf
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mindestens 8.000,00 DM schätzen. In den Jahren 1993 und 1994 sind auf das Konto
des Herrn M. rund 30.255,00 DM an Mieten für 3 Wohnungen der Antragsgegner
geflossen, die von diesem weder an die Antragstellerin noch an die Antragsgegner
weitergeleitet wurden. Das Wohngeld betrug ca. 155,00 DM pro Wohnung. Diese aus
dem unstreitigen Parteivorbringen (Bl. 308, 309 GA) und dem abgelichteten
Anschreiben (Bl. 149 GA) zu entnehmenden Angaben sind auf ausdrückliches
Befragen durch die Kammer in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt
worden. Ausgehend von 24 Monaten ergäbe sich für 3 Wohnungen ein
Wohngeldbetrag von 11.160,00 DM. Auch bei Berücksichtigung eines
Mitverschuldens der Antragsgegner erscheint eine Schadensschätzung in Höhe von
8.000,00 DM angezeigt."
Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen und werden durch das
weitere Beschwerdevorbringen nicht erschüttert. Unter Zugrundelegung einer
angemessenen Mitschuldquote der Antragsgegner von 25 % ergibt sich ein
aufrechenbarer Schadensersatzbetrag von 8.370,00 DM, so dass die vom Landgericht
vorgenommene Schadensschätzung jedenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Antragstellerin aufweist. Die Antragstellerin war zugleich kontobevollmächtigte
Mietverwalterin des teilenden Eigentümers M. und konnte erkennen, welche Mieten auf
dem Mietkonto bei der Sparkasse K. in den Jahren 1993 und 1994 eingingen und ob
und ggf. in welcher Höhe davon Wohngelder auf das Treuhandkonto der WEG bei der
Stadtsparkasse W. überwiesen wurden. Zu den Kardinalpflichten der Antragstellerin als
WEG-Verwalterin gehörte die Überwachung des Zahlungseingangs und der
Beitragseinzug (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 WEG). Die Antragstellerin hätte, als sie das
Ausbleiben von Wohngeldzahlungen feststellte, sofort die Wohnungseigentümer
informieren und darauf hinwirken müssen, dass die Mieten nicht weiterhin an Herrn M.
sondern an die vermietenden Wohnungseigentümer direkt gezahlt und die Wohngelder
auf das Treuhandkonto überwiesen wurden. Es spricht nichts dafür, dass die
Antragsgegner nicht gemäß ihren wirtschaftlichen Interessen wie beschrieben verfahren
wären. In Anbetracht des sich daraus ergebenden weit überwiegenden Verschuldens
der Antragstellerin weist die vom Landgericht vorgenommene Schadensschätzung
entsprechend § 287 ZPO keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin auf.
Damit steht fest, dass ihr ein über 21.574,59 EUR hinausgehender
Freistellungsanspruch zzgl. der auf diesen Betrag ab dem 19.05.2003 entfallenden
Überziehungszinsen nicht zusteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass
die mit ihrem Rechtsmittel unterliegende Antragstellerin die Gerichtskosten des dritten
Rechtszuges trägt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist dagegen aus
Billigkeitsgründen nicht veranlasst.
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