Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.03.2010

OLG Düsseldorf (vergütung, führung der vormundschaft, beschwerde, verein, vormund, ausdrücklich, unterstützung, bundesverfassungsgericht, bestellung, förderung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-25 Wx 73/09
Datum:
09.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-25 Wx 73/09
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den
Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 9.
Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens über die sofortige weitere Beschwerde
werden dem Beteiligten zu 1. auferlegt.
I.
1
Das Amtsgericht Duisburg bestellte am 15.02.2008 den Beteiligten zu 1. zum Vormund
der Betroffenen. Die hauptamtliche Mitarbeiterin des Beteiligten zu 1., Diplom-
Sozialarbeiterin W., nahm in der Folgezeit diverse Aufgaben für das Mündel wahr.
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Am 05.12.2008 beantragte die Beteiligte zu 1. die Festsetzung einer aus der
Landeskasse zu zahlenden Vergütung für die Führung der Vormundschaft in Höhe von
insgesamt 322,59 €. Durch Beschluss vom 06.04.2009 hat das Amtsgericht Duisburg
den Vergütungsantrag zurückgewiesen.
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Dagegen legte der Beteiligte zu 1. am 28.04.2009 sofortige Beschwerde ein, mit der er
seinen Vergütungsantrag weiterverfolgte.
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Das Landgericht hat durch Beschluss vom 9. Oktober 2009 die sofortige Beschwerde
zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
5
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner sofortigen weiteren
Beschwerde.
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II.
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Auf den vorliegenden Fall ist sowohl in verfahrensrechtlicher wie in materiell-rechtlicher
Hinsicht gemäß Art. 111 Abs. 1 und 2 FGG-RG das bis zum 31.08.2009 geltende Recht
anzuwenden, da das Betreuungsverfahren bereits vor diesem Stichtag, nämlich durch
den Antrag des Beteiligten zu 1. vom 05.12.2008 (Bl. 129 GA) eingeleitet worden ist.
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Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG
statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegte sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die
Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27
Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
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Der Beteiligte zu 1. begehrt eine zu zahlende Vergütung von 322,59 €. Er ist im
Beschluss des Amtsgerichts Duisburg – Vormundschaftsgericht – vom 15.02.2008 (Bl.
92 GA) ausdrücklich zum Vormund der Betroffenen bestellt worden. Für ihn gelten daher
die Vorschriften des § 1835 Abs. 5, des § 1835 a Abs. 5, und des § 1836 Abs. 3 BGB,
wonach einem Verein weder ein Anspruch auf Vergütung noch ein Anspruch auf
Auslagenersatz zusteht. Weder die Vorschrift des § 1908 e BGB noch die des § 67 a
Abs. 4 FGG, wie es der Bundesgerichtshof für den (Vereins-)Pfleger eines Kindes
befürwortet hat (vgl. BGH NJW-RR 2007, 937 ff.), ist hier, auch nicht entsprechend,
anwendbar.
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Das seit dem 01.01.1992 geltende Betreuungsrecht hat mit § 1897 Abs. 2 BGB für den
Bereich der Betreuung den neuen Typus des als Einzelperson zum Betreuer bestellten
Mitarbeiters eines Vereins (Vereinsbetreuer) und für diesen in § 1908 e BGB ein
eigenes spezifisches Abrechnungssystem geschaffen. Danach kann der Verein für den
bei ihm angestellten Mitarbeiter eine Vergütung geltend machen. Der neugeschaffene
Typ des Vereinsbetreuers wurde in dem nach In-Kraft-Treten des Betreuungsrechts nur
noch für Minderjährige geltende Vormundschaftsrecht nicht eingeführt. Zwar kann nach
§ 1791 a BGB ein rechtsfähiger Verein zum Vormund bestellt werden; in diesem Falle
kann jedoch gemäß § 1836 Abs. 3 BGB dem Verein keine Vergütung bewilligt werden.
Der Gesetzgeber hat den § 1908 e BGB geschaffen und gleichwohl § 1835 Abs. 5 BGB,
§ 1835 a Abs. 5 BGB und § 1836 Abs. 3 BGB unangetastet gelassen. Anders als bei der
Bestellung von Verfahrenspflegern für minderjährige Kinder oder Betreute in
Betreuungs- und Unterbringungssachen, bei der die in §§ 50, 67 und 70 b FGG die
entsprechende Anwendung von § 1908 e BGB ausdrücklich angeordnet ist, ist bei der
Bestellung eines Vormunds für Minderjährige die entsprechende Anwendung des §
1908 e BGB nicht vorgesehen.
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Eine solche ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11.11.1999 (FamRZ 2000, 414 f.)
entschieden, dass die Vorenthaltung jeglicher angemessener Entschädigung für die
Wahrnehmung einer Verfahrenspflegschaft gemäß § 67 FGG durch einen Mitarbeiter
eines Betreuungsvereins, der bei diesem beschäftigt ist, eine übermäßige, durch keine
Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützten Berufsausübungsfreiheit darstelle und auch mit dem Gleichheitsgebot
unvereinbar sei. Diese Entscheidung bezieht sich jedoch wie auch das Landgericht im
angefochtenen Beschluss zutreffend hervorgehoben hat, lediglich auf die
Wahrnehmung von Rechten im Rahmen einer Verfahrenspflegschaft gemäß § 67 FGG
durch einen Mitarbeiter eines Betreuungsvereins, bei dem inzwischen in § 67 Abs. 3
FGG auch geregelt ist, dass für diesen Aufwendungsersatz und Vergütung aus der
Staatskasse zu zahlen sind, wobei hier ausdrücklich auf die Vorschrift des § 1908 e
BGB Bezug genommen worden ist.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung die Vorschriften des § 1835
Abs. 5 BGB, des § 1835 a Abs. 5 BGB und des § 1836 Abs. 3 BGB unangetastet
gelassen. Es hat aus der durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit sowie
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aus dem Gleichheitsgebot nicht hergeleitet, dass bei Bestellung eines Vereins zum
Vormund eine analoge Anwendung des § 1908 e BGB und somit die Begründung eines
unmittelbaren Vergütungsanspruchs des Vereins zwingend geboten sei.
Der erkennende Senat steht – ebenso wie das Landgericht – auf dem Standpunkt, dass
für den vorliegenden Fall eine Gesetzeslücke, welche eine entsprechende Anwendung
des § 1908 e BGB auch bei der Vormundschaft geboten erscheinen ließe, nicht vorliegt,
weil die §§ 1835,1835 a, 1836 BGB eindeutig besagen, dass einem Verein eine
Vergütung nicht zu zahlen ist. Es ist auch nicht von Verfassungswegen geboten, den
Beteiligten zu 1. als Verein eine Liquidationsmöglichkeit zu eröffnen, sei es durch einen
Anspruch unmittelbar gegen das Mündel bzw. in dem hier gegeben Fall einer
Vermögenslosigkeit des Mündels gegen die Landeskasse.
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Eine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht scheidet nach der
Beurteilung des Senats ebenfalls aus, da die §§ 1835 Abs. 5, 1835 a Abs. 5, und 1836
Abs. 3 BGB, die besagen, dass einem Verein weder eine Vergütung noch eine
Aufwandsentschädigung bewilligt werden kann, nicht wegen eines Verstoßes gegen
Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind. Dies gilt schon deshalb, weil die
Vormundschaftsvereine im Falle des Versagens einer Vergütung keineswegs ohne jede
finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand bleiben. Vielmehr erhalten sie
durch die Städte und Gemeinden für ihre Tätigkeit eine finanzielle Unterstützung, die im
konkreten Fall u. a. in der Finanzierung der im Bereich des Vormundschaftswesen
eingesetzten Fachkraft besteht. Dies geht klar aus dem Schreiben der Bürgermeisterin
der Hansestadt Wesel vom 27.07.2008 (Bl. 136 GA) hervor, in dem es heißt, dass sich
die "vereinbarte Finanzierung der Fachkraft künftig mindert, um die durch die Gerichte
gemäß § 1908 e BGB gewährte Forderung". Daraus ergibt sich zum einen, dass der
Beteiligte zu 1. auch derzeit keineswegs ohne finanzielle Unterstützung tätig wird,
sondern vielmehr allgemein durch die für die öffentliche Jugendhilfe zuständige
Gemeinde Finanzmittel erhält. Zum anderen ergibt sich aus dem Schreiben, dass eine
Anrechnung der hier angestrebten Vergütung auf die gewährte Förderung ankündigt,
dass der Beteiligte zu 1. keineswegs finanziell besser gestellt wäre, würde ihm hier eine
Vergütung zugebilligt. Für ihn ist es deshalb gleichgültig, ob er für seine Tätigkeit als
Vormund der Betroffenen eine Vergütung erhält oder nicht. Denn in jedem Fall erhält er
dieselben Finanzmittel. Es würde lediglich zu einer Verschiebung der Förderung von
dem für die öffentliche Jugendhilfe an sich zuständigen Städten und Gemeinden (vgl. §
1 der Nordrhein-Westfälischen Verordnung über die Bestimmung Großer
kreisangehöriger Städte und Mittlerer kreisangehörigen Städte zu Trägern der
öffentlichen Jugendhilfe vom 08.11.1991 (GV NW 1991, S. 553), zuletzt geändert durch
Art. 1 der 25. ÄndVO vom 12.11.2009 (GV NW 2009, S. 624)) auf das Land zur Folge
haben, aus dessen Haushalt die Vergütung für mittellose Mündel zu decken wären
(vgl.§ 1 Abs. 1 u. 2 VBVG).
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Eine solche bloße Verschiebung der Förderung erscheint jedoch weder im Hinblick auf
Art. 12 Abs. 1 GG noch im Hinblick auf Art. 3 GG nicht geboten.
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III.
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Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 27.08.2009 (I-25 Wx 24/09) etwas
anderes ergibt, hält der Senat an dieser Entscheidung nicht fest.
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IV.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
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Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde wird auf
322,59 € festgesetzt.
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Die Entscheidung ist unanfechtbar.
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