Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.09.2006
OLG Düsseldorf: fahrzeug, anwaltskosten, verzug, lebenserfahrung, rückgabe, fälligkeit, firma, besitz, daten, zustellung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 U 76/06
Datum:
28.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-10 U 76/06
Leitsätze:
BGB § 535
ZPO § 138 Abs. 4
1. Der Kfz-Mieter ist grundsätzlich nicht berechtigt, die ihm in Rechnung
gestellten Mehrkilometer mit Nichtwissen zu bestreiten.
2. Setzt sich die Mietwagenrechnung aus Mehrkilometerleistungen für
mehrere (hier: sieben) von dem Mieter genutzte Mietfahrzeuge
zusammen, muss der Kfz-Vermieter zur Herbeiführung der Fälligkeit
bereits in der Rechung die auf jedes einzelne Fahrzeug entfallenden
Mehrkilometer einzeln aufschlüsseln.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. April 2006 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchen-
Gladbach unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels
teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.060,22 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
20.10.2005 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4 %, die Beklagte zu
96 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich hinsichtlich der als Verzugsschaden
geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 263,75 € und
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hinsichtlich des zeitlichen Rahmens des zuerkannten Zinsanspruchs geringfügigen
Erfolg. In Höhe weiterer 6.060,22 € beruht das angefochtene Urteil weder auf einer
Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen
die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr.
3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Beurteilung. Das Landgericht hat die Beklagte
mit zutreffenden Erwägungen gemäß § 535 Abs. 2 BGB zur Zahlung rückständiger Kfz-
Miete wegen gefahrener Mehrkilometer in Höhe von insgesamt 6.060,22 € verurteilt. Der
Senat folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe der
folgenden durch das Berufungsvorbringen veranlassten Ausführungen.
1.
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Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass die Beklagte die von der Klägerin
im Einzelnen für jedes getauschte Fahrzeug angegebenen Kilometerstände bei
Übernahme und Rückgabe des jeweiligen Fahrzeugs nicht substantiiert bestritten hat,
so dass es einer Beweisaufnahme insoweit nicht bedarf. Insbesondere liegen die
Voraussetzungen eines zulässigen Bestreitens mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4
ZPO nicht vor. Danach ist es einer Partei grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen
und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise kommt ein
Bestreiten eigener Handlungen und Wahrnehmungen dann in Betracht, wenn die Partei
nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr
erinnern zu können (BGH, NJW 1995, 131 m.w.N.). Hierzu reicht weder die bloße
Behauptung, sich nicht zu erinnern zu können, noch kommt ein Bestreiten mit
Nichtwissen in Betracht, wenn eine Partei über einen Vertreter, dessen Wissen sie sich
gemäß den §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen muss, oder in ihrem eigenen
Unternehmensbereich Erkundigungen einziehen kann (BGH, a.a.O.; BGHZ 109, 205).
Ein substantiierter Sachvortrag kann auch dann unzumutbar sein, wenn eine Partei
nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist des mittlerweile außer Kraft getretenen § 44 IV HGB
(vgl. jetzt § 257 HGB) nicht mehr über bestimmte Unterlagen verfügt (vgl. BGH, WM
1972, 281f.). Dies gilt aber nur, soweit die Partei glaubhaft macht, die Schriftstücke
tatsächlich nicht mehr in ihren Händen zu haben.
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Keine dieser Voraussetzungen für ein zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen liegt hier
vor. Die Beklagte hat sich darauf berufen, sie könne sich an die einzelnen Fahrten in
dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr erinnern. Sie habe kein Fahrtenbuch
geführt und auch ihren Kalender aus dem Jahr 2004 bereits vernichtet, so dass sie über
keinerlei Unterlagen mehr verfüge, aus denen sie sich kundig machen könne. Diesem
Bestreiten mit Nichtwissen ist schon deshalb die Anerkennung zu versagen, weil ihr
Ehemann die von ihr angemieteten Fahrzeuge mindestens dreimal an die Klägerin
zurückgegeben hat, so dass er von dem Kilometerstand bei der jeweiligen Rückgabe
Kenntnis erlangt hat, die die Beklagte sich gemäß §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen
muss. Dass ihr Ehemann zu konkreten Angaben nicht in der Lage ist, hat die Beklagte
nicht substantiiert. Darüber hinaus ist die Behauptung der Beklagten, sie habe ihren
Kalender aus 2004 vernichtet, nicht glaubhaft. Zum einen fehlen jegliche Angaben der
Beklagten zum Zeitpunkt und den Umständen der angeblichen Vernichtung. Zum
anderen widerspricht es bei einer wie hier im kaufmännischen Bereich
eigenverantwortlich tätigen Partei jeglicher Lebenserfahrung, dass ein persönlicher
Kalender nicht über einen längeren Zeitraum aufbewahrt, sondern in einem hier in
Betracht kommenden Zeitraum von nicht einmal 16 Monaten bereits vernichtet worden
sein soll. Hinzukommt, dass in den vorgelegten Vertragskopien als zweite Mieterin die
von der Beklagten unter ihrem Namen geführte Firma ausgewiesen ist, so dass den
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Umständen nach davon auszugehen ist, dass die Anmietung auch geschäftlichen
Zwecken dienen sollte. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass die
Beklagte weder Kenntnis von den von ihr gefahrenen Kilometern haben noch in Besitz
von schriftlichen Daten für den streitgegenständlichen Zeitraum sein will.
Die Beklagte hat auch den Kilometerstand des am 23.1.2004 mit 18.890 km
übernommenen Mietfahrzeugs (...-... ...) nicht ausreichend bestritten. Allein der Umstand,
dass das Fahrzeug nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen der Klägerin nach der
Erstanmietung am 15.1.2004 mit diesem Kilometerstand von ihr zurückgegeben worden
ist, befreit die Beklagte nicht von einem konkreten Bestreiten der Kilometerstände. Für
ihre Annahme, es werde eine Weitervermietung des Fahrzeugs in der Zeit vom
15.1.2004 bis 23.1.2004 nicht ausgeschlossen, hat die Beklagte weder konkrete
Tatsachen dargelegt noch kann sie sich hierfür auf eine tatsächliche Vermutung stützen.
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2.
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Hinsichtlich der als Verzugsschaden geltend gemachten Anwaltskosten ist die Berufung
begründet. Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 263,75 € steht der Klägerin gegen
die Beklagte nicht gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB zu. Entgegen der
Auffassung der Kammer befand sich die Beklagte nicht bereits seit dem 17.3.2005, d.h.
vor Beauftragung der Klägervertreter, in Verzug. Da die Gesamtforderung der Klägerin
sich aus den Mehrkilometerleistungen für insgesamt sieben von der Beklagten in dem
streitgegenständlichen Zeitraum genutzte Mietfahrzeuge zusammensetzt, hätte die
Klägerin zur Herbeiführung der Fälligkeit bereits in der Rechung vom 8.3.2005 die auf
jedes einzelne Fahrzeug entfallenden Mehrkilometer einzeln aufschlüsseln müssen. Da
sie diese Aufschlüsselung ersichtlich erstmals mit der Klageschrift vorgenommen hat,
handelt es sich bei den Anwaltskosten nicht um einen durch den Verzug der Beklagten
entstandenen Schaden.
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3.
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Zinsen schuldet die Beklagte gemäß §§ 286, 291 BGB seit Zustellung der
Klagebegründung am 20.10.2005.
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4.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor.
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Streitwert: 6.323,97 EUR (6.060, 22 + 263,75 EUR).
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