Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.03.2002
OLG Düsseldorf: franchisenehmer, laden, franchisevertrag, ausstattung, verfügung, abhängigkeit, geschäft, werbung, urlaub, form
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 W 59/01
20.03.2002
Oberlandesgericht Düsseldorf
6. Zivilsenat
Beschluss
I-6 W 59/01
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6.
Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. September 2001
abgeändert und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für
zulässig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 4.280,68 EUR.
G r ü n d e
I.
Am 6. März 1998 schlossen die Parteien einen schriftlichen Franchisevertrag, in dem es
unter anderem heißt:
§ 1.
Grund und Zweck
1. Der Franchise-Geber "V. F." hat ein Ladensystem entwickelt, das so genannte "V. F."-
System, und betreibt selbst oder durch Dritte Geschäfte unter Verwendung dieses
Ladensystems in der Bundesrepublik Deutschland.
1. Das "V. F."-System ist ein umfassendes Ladensystem zur Abgabe einer bestimmten
Auswahl von einheitlichen Qualitätsprodukten an den Endverbraucher, wobei auf schnelle
und höfliche Bedienungen in einem sauberen, zweckdienlichen Ladengeschäft besonderer
Wert gelegt wird.
...
§ 2.
Gegenstand des Vertrages
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1. Der Franchise-Geber gewährt dem Franchise-Nehmer das Recht,
a) einen Laden nach dem "V. F."-System einzurichten und zu führen und zwar in H. ...
...
§ 4.
Pflichten des Franchise-Nehmers
1. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, das ihm nach § 2 Abs. 1 dieses Vertrages
zustehende Recht nur im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszuüben und
anzuwenden. Der Franchise-Nehmer hat die vorstehend genannten Rechte mit der
erforderlichen Sorgfalt selbst und unter persönlichem Einsatz in vollem Umfang auszuüben.
1. Der Franchise-Nehmer erkennt an, dass das gesamte "V. F."-System vollinhaltlich für
den Betrieb des Ladens nach diesem Vertrag erforderlich und unabdingbar ist. Dies gilt
insbesondere für die jeweiligen von dem Franchise-Geber festgelegten Artikel und
Rezepte, die Einheitlichkeit des Sortiments, das Verfahren bei der Befüllung der Behälter,
die Anweisung, in welchem Behälter welches Produkt hineingefüllt wird, sowie die
Einheitlichkeit der Einrichtung und Ausstattung des Ladens und die Richtlinien im Hinblick
auf die Bedienung der Kunden.
Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, das "V. F."-System anzuwenden und die
entsprechenden Grundsätze und Richtlinien zu beachten.
Hierbei gilt folgendes:
a) Der Laden muss immer in sauberer und zweckmäßiger Weise entsprechend den
vorgeschriebenen Qualitäts-, Bedienungs- und Reinlichkeitsbestimmungen und Richtlinien,
in Übereinstimmung mit den von dem Franchise-Geber aufgestellten Geschäftsrichtlinien,
Praktiken und Verfahren geführt werden.
Im Laden müssen und dürfen nur die vom Franchise-Geber bestimmten Produkte und
Artikel vertrieben werden. Die Baulichkeiten, die Ladeneinrichtung und, soweit vorhanden,
der Kundenparkplatz und der Außenbereich (Umgriff) sind in gutem, sauberem,
zweckmäßigem, gut beleuchtetem Zustand entsprechend den von dem Franchise-Geber
festgelegten Maßstäben und Richtlinien zu halten.
b) Auf eigene Rechnung hat der Franchise-Nehmer Ladeneinrichtung, Regale,
Fässer und Behälter und sonstige Ausstattung, entsprechend den Richtlinien des
Franchise-Gebers festgelegten oder gebilligten Layouts, zu erwerben und auf Anforderung
des Franchise-Gebers den Einbau unverzüglich vorzunehmen. Soweit der Franchise-
Geber über vorgezeichnete Gegenstände Verträge abgeschlossen hat, verpflichtet sich der
Franchise-Nehmer, in diese unter Entlassung des Franchise-Gebers einzutreten.
c) Ebenfalls auf eigene Rechnung hat der Franchise-Nehmer die Baulichkeiten des
Ladens und die Einrichtung in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Bauzeichnungen
und Einrichtungs- und Layoutplänen des "V. F."-Systems zu erhalten und etwaige
Änderungen dieser Bestimmungen und Pläne durch den Franchise-Geber durchzuführen,
soweit sie dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entsprechen und dem Erhalt der Corporate
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Identity dienen.
d) Der Franchise-Nehmer darf nicht ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung durch
den Franchise-Geber die Baulichkeiten des Ladens, die Einrichtung und, soweit ein
Parkplatz und/oder Außenbereich (Umgriff) vorhanden, dessen Ausge-
staltung verändern.
...
g) Der Franchise-Nehmer hat den Laden unter Einhaltung der gesetzlichen
Ladenöffnungszeiten so lange wie möglich geöffnet zu halten. Dabei kann sich der
Franchise-Nehmer an den örtlichen Gepflogenheiten orientieren.
h) Der Franchise-Nehmer hat dafür Sorge zu tragen, dass seine Arbeitnehmer
während der Arbeitszeit im Laden ordentlich gekleidet sind, weder rauchen noch Alkohol
konsumieren, gepflegt und sauber aussehen und dass die Kunden vom Personal
sachkundig und höflich bedient werden.
...
j) Der Franchise-Nehmer ist gegenüber dem Franchise-Geber verpflichtet, Dritten alle
berechtigten Forderungen im Hinblick auf den Kauf von Zubehör, Anlagen der
Außenwerbung, Einrichtungsgegenständen, Verpackungsmittel sowie sonstigen Produkten
entsprechend den jeweiligen Zahlungsbedingungen unverzüglich zu befriedigen.
...
1. Der Franchise-Geber ist berechtigt, den Laden des Franchise-Nehmers zu
angemessenen Zeiten zu überprüfen, um sicherzustellen, dass der Betrieb des Ladens
durch den Franchise-Nehmer den Grundsätzen, Maßstäben und Richtlinien des "V. F."-
Systems entspricht.
1. Spätestens am 10. Werktag eines jeden Monats hat der Franchise-Nehmer dem
Franchise-Geber einen Bericht über den Umsatz des Franchise-Nehmers, unter
Verwendung der vom Franchise-Geber überlassenen Formulare, für den unmittelbar
vorangegangen Kalendermonat zu übermitteln.
b) Spätestens am 15. eines jeden Kalendermonats hat der Franchise-Nehmer dem
Franchise-Geber einen Bericht über den Betrieb, und zwar im Hinblick auf die betrieblichen
Vorgänge und statistischen Angaben des Ladens, insbesondere über Vorkommnisse und
andere mitteilungswerten Umstände des vorangegangenen Kalendermonats zu
übermitteln, und zwar in einem vom Franchise-Geber zur Verfügung gestellten Formular.
c) Weiterhin hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber seine jeweiligen
Umsatzsteuervoranmeldungen, vorläufige und rechtskräftige Umsatzsteuerbescheide
unverzüglich in Kopie zu übersenden.
d) Der Franchise-Nehmer hat vollständige und umfassende Aufzeichnungen
hinsichtlich der erzielten Bruttoeinkünfte anzufertigen und diese mindestens fünf Jahre
aufzubewahren. Außerdem hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber auf Verlangen
in der von dem Franchise-Geber nach billigem Ermessen geforderten Art und Weise alle
sonstigen Auskünfte über den Betrieb, die Betriebsführung und die finanzielle und
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wirtschaftliche Lage des Betriebes zu übermitteln.
Hierfür wird die Form einer Buchführung (Journal, Konten) akzeptiert.
...
1. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, die vorherige ausdrückliche schriftliche
Zustimmung des Franchise-Gebers einzuholen, wenn er die Geschäftseinrichtung nicht von
einem ihm vom Franchise-Geber benannten Lieferanten beziehen will.
...
In der jeweils gültigen Preisliste (Ordersatz oder Bestelllisten) erhält der Franchise-
Nehmer das Sortiment, das ihm zur Verfügung steht und worüber er sein eigenes Sortiment
gestalten kann.
Ein Teil dieser Waren gehört zum Kern- bzw. Stammsortiment. Diese Artikel werden
vom Franchise-Geber gesondert gekennzeichnet. Dieses Kern- bzw. Stammsortiment
gehört zur grundlegenden Idee des "V. F."-Franchise-Systems und wird laufend durch
Werbung forciert werden. Aus diesem Grunde heraus müssen diese Artikel von jedem
Franchise-Nehmer in ihren Ladengeschäften geführt werden. Der sonstige Artikelstamm
steht den Franchise-Nehmern frei zur Verfügung.
1. Der Franchise-Nehmer ist in der Gestaltung der Endverkaufspreise frei. Der Franchise-
Nehmer erhält jedoch vom Franchise-Geber Kalkulationshilfen. Außerdem sind die vom
Franchise-Geber vorgeschlagenen Kalkulationshilfen so zu gestalten, dass für den
Franchise-Nehmer ein wirtschaftliches Betreiben des Ladengeschäftes möglich ist.
§ 5.
Werbung und Absatzförderung
1. Der Franchise-Geber hat Werbeprogramme für das "V. F."-System für regionale und
überregionale Werbung von Werbefachleuten entwickelt oder wird sie entwickeln lassen.
1. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, nur das von dem Franchise-Geber zur
Verfügung gestellte oder vorher genehmigte Werbe- und Absatzförderungsmaterial sowie
Werbeprogramme für seine Werbung zu verwenden. Diese Werbemittel werden zum
großen Teil kostenlos zur Verfügung gestellt oder zum kalkulierten Selbstkostenpreis
weitergegeben.
1. a) Der Franchise-Nehmer führt auf eigene Kosten Werbemaßnahmen durch und
betreibt für seinen Laden auf eigene Kosten Absatzförderung. Der Franchise-Geber
übernimmt und erstattet hierfür keine Kosten. Die Aufwendungen des Franchise-Nehmers
für Werbung und Absatzförderung sollten nicht höher als 2 % (zwei vom Hundert) der
Bruttoeinkünfte des Franchise-Nehmers im Sinne des § 6 dieses Vertrages betragen. Der
Franchise-Nehmer hat zur Überprüfung dieser Aufwendungen die gleichen Pflichten und
der Franchise-Geber die gleichen Rechte, wie sie in § 4 Abs. 4 dieses Vertrages geregelt
sind.
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§ 8.
Wettbewerbsverbote
1. Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, während der Laufzeit des Franchise-Vertrages
weder unmittelbar noch mittelbar, selbst oder durch Dritte, über das in § 2 genannte
Geschäft hinaus andere Läden mit Wein und Spirituosen zu betreiben, es sei denn, dass
der Franchise-Geber ausdrücklich zustimmt. Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, sich
während der Laufzeit des Vertrages weder unmittelbar noch mittelbar an einem
Unternehmen, das "Weinläden" betreibt, zu beteiligen, ein solches Unternehmen mittelbar
oder unmittelbar zu gründen oder zu führen, oder ein derartiges Unternehmen in
irgendeiner Form zu begünstigen oder dafür tätig zu werden. Als Beteiligung gelten auch
Zusammenschlüsse in Interessen- und Arbeitsgemeinschaften, sowie
Treuhandverhältnisse und Unterbeteiligungen.
1. Das vorstehende Wettbewerbsverbot besteht auch nach Beendigung des Franchise-
Vertrages, und zwar auf eine Dauer von zwölf Monaten nach Beendigung des Vertrages
und innerhalb eines Umkreises von 30 Kilometern von dem Franchise-Nehmer nach dem
"V. F." betriebenen Geschäft.
Die Beklagte kündigte den Franchisevertrag mit Anwaltsschreiben vom 8. Dezember 2000
außerordentlich zum 11. Dezember 2000. Anschließend, und zwar unter dem 9. Dezember
2000, bestellte sie bei der Klägerin Waren für insgesamt 18.948,25 DM, die ihr am 11.
Dezember 2000 geliefert wurden. Mit Anwaltsschreiben vom 13. Dezember 2000
widersprach die Klägerin der Kündigung und kündigte ihrerseits das Vertragsverhältnis
fristlos. Die Klägerin verlangt von der Beklagten mit der beim Landgericht erhobenen Klage
die Bezahlung der im Dezember 2000 gelieferten Waren. Hiergegen hat die Beklagte die
Aufrechnung erklärt mit angeblichen Gegenforderungen im Zusammenhang mit dem
Franchisevertrag in Höhe von 19.913,22 DM und 3.000,00 DM. Wegen dieser angeblichen
Forderungen hat sie zudem hilfsweise Widerklage erhoben.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gerügt.
Sie hat die Ansicht vertreten, bei dem Franchisevertrag handele es sich de facto um einen
Arbeitsvertrag; zumindest sei sie als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Sie hat
vorgetragen, die Klägerin gebe für das Ladenlokal sowohl den Standort als auch den
Aufbau der Regale hinsichtlich der Produktpräsentation vor. Alle Franchisenehmer seien
verpflichtet, die Produkte zu den von der Klägerin festgelegten Preisen anzubieten. Selbst
im Hinblick auf die anderweitig zu beziehenden non-food-Artikel habe die Klägerin - wie
zwischen den Parteien unstreitig ist - händler- und produktbezogene Vorgaben gemacht.
Die Beschäftigung von Arbeitnehmern sei nicht erwünscht. Anderen Franchisenehmern sei
eine Abmahnung sogar dann erteilt worden, wenn sie Urlaub machten, ohne dies der
Klägerin zuvor gemeldet zu haben. Demgegenüber hält die Klägerin den Rechtsweg zu
den ordentlichen Gerichten für gegeben. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass
die Einheitlichkeit der Einrichtung und Ausstattung der "V. F."-Geschäfte für ihr
Franchisesystem von besonderer Bedeutung und kein Indiz für eine wirtschaftliche
Abhängigkeit sei. Der Kunde solle in jedem "V. F."-Geschäft die gleiche hohe Qualität
vorfinden.
Das Landgericht hat gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG den Rechtsweg zu den
Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf
verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, sowohl bei der Klage als auch bei der
Widerklage handele es sich um eine Streitigkeit, für deren Entscheidung die
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Arbeitsgerichte zuständig seien. Die Beklagte sei nämlich als Arbeitnehmerin der Klägerin
im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG einzuordnen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die die Ansicht vertritt, bei
der eingeklagten Forderung aus Warenlieferung handele es sich nicht um eine bürgerliche
Rechtstreitigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 a) ArbGG. Der Franchisevertrag sei nicht als
Arbeitsvertrag zu verstehen. Die Beklagte sei auch keine arbeitnehmerähnliche Person.
Bei der Forderung aus Warenlieferungen fehle es sowohl an einem rechtlichen als auch an
einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Franchisevertrag. Für die
Hilfswiderklage seien die Arbeitsgerichte
ebenfalls nicht zuständig, weil die Beklagte nicht Arbeitnehmerin, sondern selbständige
Franchisenehmerin sei. Die Klägerin trägt vor, das Sortiment und die einheitliche
Aufmachung des Geschäftslokals seien für ihr Franchisesystem von besonderer
Bedeutung. Daneben bleibe noch individueller Gestaltungsspielraum für den
Franchisenehmer. Es bestehe keine Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter
Ladenöffnungszeiten. Die Regelung, dass der Franchisenehmer Auskünfte zu erteilen
habe, diene allein als Berechnungsgrundlage für die Franchisegebühren und habe im
Übrigen keine besondere Bedeutung. In der Gestaltung der Endverkaufspreise sei jeder
Franchisenehmer frei. Sie übergebe lediglich Kalkulationshilfen, was der Üblichkeit
entspreche. Zudem spreche gegen eine Arbeitnehmereigenschaft der Beklagten, dass sie
nicht höchstpersönlich zur Erbringung der Leistungen verpflichtet sei, sondern
Arbeitnehmer einstellen könne.
Die Beklagte, die im letzten Jahr als Franchisenehmerin einen Umsatz von ca. 390.000,00
DM erreicht hat, verteidigt den angefochtenen Beschluss. Ergänzend trägt sie unter
anderem vor, die Klägerin mache im Hinblick auf die wöchentliche Arbeitszeit eine
Vorgabe von mindestens 52 Stunden. Außerdem seien die Franchisenehmer in der
Preisgestaltung nicht frei. Von den von der Klägerin vorgegebenen Preisen habe nicht
abgewichen werden dürfen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig: Sie ist nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG
statthaft und gemäß § 577 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Fassung, die hier maßgeblich ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO), form- und fristgerecht
eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat zu Unrecht den Rechtsweg zu
den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt.
Der vorliegende Rechtsstreit ist nicht gemäß § 13 GVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a oder § 2
Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen. Nach diesen
Vorschriften sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche
Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis
bzw. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über
Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen. Hierfür kommt es darauf an, ob nach den Umständen des
Einzelfalles der Verpflichtete die Dienste in der Stellung eines selbständigen
Unternehmers leistet oder ob er diese als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG
oder als arbeitnehmerähnliche Person nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG erbringt (BGH WM
2000, 638, 639).
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1.
Die Beklagte war nicht Arbeitnehmerin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.
Der Arbeitnehmer unterscheidet sich vom selbständigen Unternehmer durch den Grad der
persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung seiner Leistung. Danach ist Arbeitnehmer,
wer weisungsgebunden die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem
Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz
2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren
Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen lässt.
Hiernach ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige
Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist, weil er hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer
und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht
unterliegt oder weil der Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung durch die
rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark
eingeschränkt ist (BGH WM 2000, 638, 639, 640 m.w.N.).
Die Beklagte unterlag weder einem umfassenden Weisungsrecht noch war ihr Freiraum für
die Erbringung der geschuldeten Leistung derart stark eingeschränkt, dass sie als
Arbeitnehmerin anzusehen wäre, auch wenn sie gemäß § 4 Nr. 2 g des Franchisevertrages
ihr Ladengeschäft unter Einhaltung der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten so lange wie
möglich geöffnet halten musste und die Klägerin darüber hinaus möglicherweise eine
Arbeitszeit von mindestens 52 Stunden pro Woche vorgegeben hat. In diesem
Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte berechtigt war, Arbeitnehmer
einzustellen, wie sich aus § 4 Nr. 2 h des Franchisevertrages ergibt. Sie musste die
Leistung also nicht höchstpersönlich erbringen. Selbst wenn die Klägerin aus
Wirtschaftlichkeitsgründen möglicherweise nicht angestrebt hat, dass ein Franchisenehmer
mit Dritten Arbeitsverträge abschließt, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass es der Beklagten
unmöglich gewesen wäre, zumindest eine Aushilfskraft einzustellen und so ihre eigene
Arbeitszeit hinsichtlich Durchführung, Zeit und Dauer teilweise frei zu gestalten. Der von
der Beklagten im letzten Jahr erzielte Umsatz von 390.000,00 DM ist nicht unbeträchtlich,
und sie hat nicht schlüssig dargetan, dass ihr Gewinn nach Abzug aller Kosten derart
gering sei, dass nicht einmal die stundenweise Beschäftigung einer Aushilfskraft
wirtschaftlich tragbar gewesen wäre. Allein aus ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen,
die Klägerin habe - wie sich aus Presseartikeln entnehmen lasse - einen jährlichen
Mindestnettoumsatz ab 500.000,00 DM als wirtschaftlich angesehen, kann nicht ein
entsprechender Schluss gezogen werden. Insoweit hätte es der Beklagten oblegen konkret
vorzutragen, wie hoch die nach Abzug der Kosten verbleibenden Gewinne waren. Auch
das weitere Vorbringen der Beklagten, Franchisenehmern sei eine Abmahnung erteilt
worden, wenn sie ihren Urlaub nicht zuvor der Klägerin gemeldet hätten, deutet nicht auf
eine Weisungsgebundenheit hin. Es ist nachvollziehbar, dass die Klägerin ein Interesse
daran hat zu wissen, wann der jeweilige Franchisepartner urlaubsbedingt nicht erreichbar
ist. Dass ein Franchisenehmer darüber hinaus wie ein Arbeitnehmer verpflichtet gewesen
wäre, sich von der Klägerin einen Urlaub genehmigen zu lassen oder mit ihr einen Urlaub
abzustimmen, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
Die Beklagte leitete ihr Geschäft zudem in eigener Verantwortung. Zwar hat die Klägerin
Vorgaben zur Ausstattung des Geschäftslokals gemacht, und die Beklagte war nicht
berechtigt, die Baulichkeiten des Ladens, die Einrichtung und den Außenbereich
einschließlich Parkplatz in seiner Ausgestaltung zu verändern (§ 4 Nr. 2 d des
Franchisevertrages). Hierbei sowie bei der Verpflichtung der Beklagten, ein bestimmtes
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Warengrundsortiment von der Klägerin zu beziehen, handelt es sich aber um
franchisetypische Vorgaben, die zudem für das von der Klägerin speziell verfolgte System
der Einheitlichkeit von Einrichtung und Ausstattung aller "V. F."-Geschäfte von besonderer
Bedeutung war. Würde dies bereits als ein wesentliches Indiz für ein umfassendes
Weisungsrecht oder eine erhebliche Einschränkung des Freiraums für die Erbringung der
geschuldeten Leistung gewertet, wären Streitigkeiten aus Franchiseverträge regelmäßig
den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen, was der gesetzlichen Wertung aber
widersprechen würde. Vielmehr kommt es für die Beurteilung, ob die Beklagte
Arbeitnehmerin ist, auf die weiteren Umstände an. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der
Beklagten ein nicht unerheblicher individueller Gestaltungsspielraum blieb. Sie konnte frei
entscheiden, ob und in welcher Menge sie weitere Produkte von der Klägerin bezog.
Darüber hinaus oblag es ihrer Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie anderweitige
Produkte - non-food-Artikel - von Dritten erwarb. Dass die Klägerin insoweit den Lieferanten
und die Sortimentsauswahl vorgab, rechtfertigt sich wiederum aufgrund des
Franchisekonzepts der Klägerin und ist kein Indiz dafür, dass die Beklagte keinen Freiraum
für die Erbringung der geschuldeten Leistung hatte. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,
dass die Beklagte das Ladenlokal selbst angemietet hatte. Ferner war sie - anders als dies
in vielen anderen Franchisesystemen der Fall ist - nicht in das Abrechnungssystem der
Klägerin eingebunden. Sie verfügte insoweit über eine eigene betriebliche Organisation
und war diesbezüglich wirtschaftlich selbständig.
2.
Die Beklagte ist ebenfalls nicht als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2
ArbGG anzusehen.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine
betriebliche Organisation und im Wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im gleichen
Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit
und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner
muss der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem
Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BGH WM 2000, 638, 640; BGH WM
1999, 146, 149; BAG NJW 1997, 2973, 2974).
Wirtschaftliche Unselbständigkeit setzt voraus, dass der Abhängige auf die Verwertung
seiner Arbeitskraft angewiesen ist und sich in der Regel an eine einzige Person gebunden
hat, so dass ohne deren Aufträge seine wirtschaftliche Existenzgrundlage entfiele (BGH
WM 2000, 638, 640). Hier spricht zwar einiges für eine wirtschaftliche Unselbständigkeit
der Beklagten. Sie musste das Warensortiment von der Klägerin bzw. bei non-food-Artikeln
von genau bezeichneten Händlern beziehen, wobei die Klägerin sogar die
Sortimentsauswahl vorgab. Auch hatte die Klägerin die Ausstattung des Geschäftslokals
sowie das Warengrundsortiment vorgeschrieben. Die Beklagte konnte selbst über
Werbemaßnahmen nicht frei entscheiden; sie musste der Klägerin monatlich über den
Umsatz und den Betrieb berichten (§ 4 Nr. 4 und § 5 des Franchisevertrages). Während der
Vertragslaufzeit durfte sie gemäß § 8 des Franchisevertrages keine weiteren Läden mit
einem vergleichbaren Sortiment betreiben oder sich an ihnen beteiligen. Das
Wettbewerbsverbot bestand auch nach Beendigung des Vertrages für eine Dauer von zwölf
Monaten fort. Zudem trägt die Beklagte vor, sie sei in der Preisgestaltung nicht frei
gewesen, weil sie im Falle einer Abweichung von den Preisempfehlungen der Klägerin
abgemahnt worden wäre. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin
sich im Falle eines Streites nicht mit Erfolg auf ein Abweichen von ihren
Preisempfehlungen hätte berufen können, da § 4 Nr. 8 des Franchisevertrages
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ausdrücklich vorsieht, dass der Franchisenehmer in der Gestaltung der Endverkaufspreise
frei ist. Außerdem war das Wettbewerbsverbot nicht umfassend. Denn andersartige - auch
gewerbliche und kaufmännische - Tätigkeiten während der Laufzeit des Franchisevertrages
waren der Beklagten nicht untersagt.
Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Beklagte wirtschaftlich abhängig war. Denn sie ist
jedenfalls deshalb keine arbeitnehmerähnliche Person, weil sie nicht wie ein Arbeitnehmer
sozial schutzbedürftig ist. Eine derartige Schutzbedürftigkeit setzt voraus, dass das Maß der
Abhängigkeiten nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im
Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und dass die geleisteten Dienste
nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (BGH WM
2000, 638, 640).
Das Maß der Abhängigkeit erreichte hier noch nicht einen solchen Grad, wie er im
allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt. Die Beklagte hatte eine eigene
betriebliche Organisation. Sie war nicht in ein Abrechnungssystem der Klägerin
eingebunden. Sie war grundsätzlich berechtigt, Arbeitnehmer einzustellen, und es ist nicht
ersichtlich, dass es ihr aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre,
zumindest stundenweise eine Aushilfskraft zu beschäftigen.
Ihre geleisteten Dienste sind nach der sozialen Typik und dem gesamten Erscheinungsbild
nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Die Beklagte hatte im eigenen Namen
ein Ladenlokal angemietet. Sie führte eigenständig das Geschäft und war berechtigt,
Arbeitnehmer einzustellen. Mit ihren Kunden schloss sie im eigenen Namen und für eigene
Rechnung Verträge. Sie war nicht in ein Abrechnungssystem der Klägerin eingebunden. Im
Hinblick auf den Kontakt zu ihren Kunden war sie nicht an Vorgaben der Klägerin
gebunden. Insgesamt betrachtet erscheint die Beklagte daher nicht als Arbeitnehmerin,
sondern als selbständige Unternehmerin.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat auf ein Fünftel des sich aus Klage
und Hilfswiderklage ergebenden Wertes der Hauptsache (§ 19 Abs. 1 GKG) festgesetzt
(vgl. hierzu BGH WM 2000, 638, 640).
Der Senat hat gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG die weitere sofortige Be-
schwerde zugelassen, weil die entschiedene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.