Urteil des OLG Düsseldorf vom 04.10.2002
OLG Düsseldorf: festgesetzt., biologisches material, stand der technik, treu und glauben, angemessene entschädigung, endprodukt, lizenzvertrag, gewerblicher rechtsschutz, patentverletzung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 44/01
04.10.2002
Oberlandesgericht Düsseldorf
Kartellsenat
Urteil
VI-U (Kart) 44/01
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. März 2001 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 1.200.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die zu erbringenden Sicherheiten können auch durch die
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstituts geleistet werden.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Die Beschwer der Beklagten und der Streitwert für das
Berufungsverfahren werden auf 1.073.712,95 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 30. September 1989 unter
Inanspruchnahme einer Priorität vom 7. Oktober 1988 angemeldeten und unter anderem
mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland und Österreich eingetragenen
europäischen Patents 366 946 (Anlage W 3). Das Klagepatent betrifft ein Verfahren, mit
dem Verfahrenschemikalien aus labilen biologischen Gemischen durch hydrophobe
Austauschchromatographie entfernt werden. Es zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass
es sich zum Entfernen von virusinaktivierenden Chemikalien in dem Sinne eignet, dass das
biologische Material seine Aktivität nicht einbüßt und allenfalls in geringen Mengen
absorbiert wird. Der Patentanspruch 1 (Hauptanspruch) hat nach seiner deutschen
Übersetzung folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem
diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltendem biologischen Material, wobei das diese
lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz
enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das
biologische Material Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten
bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule
absorbiert wird."
Gegen das Klagepatent hat die Beklagte zu 1. Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht
erhoben, die - soweit hier von Interesse - erfolglos geblieben ist. Durch Urteil vom 14.
Februar 2002 hat das Bundespatentgericht den streitgegenständlichen Patentanspruch mit
der Maßgabe aufrechterhalten, dass nach den Worten "enthaltendem biologischen
Material" die Formulierung "zur Herstellung einer Protein enthaltenden Zusammensetzung
nach einer Lösungsmittel/Detergens-Behandlung" einzufügen ist. Zwischen den Parteien
ist außer Streit, dass dieser Ergänzung vorliegend keine Bedeutung zukommt, weil das
angegriffene Erzeugnis "O." eine Protein enthaltende Zusammensetzung nach Behandlung
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durch ein Lösungsmittel/Detergens ist.
Die in Österreich ansässige Beklagte zu 2. stellt unter der Bezeichnung "O." ein in der
Humanmedizin verwendetes Blutplasmapräparat her. Bei der Herstellung wird Tri (n-
butyl)phophat (TNBP) und Triton X-100 verwendet und anschließend aus der mit dem
Lösungsmittel/Detergenzgemisch behandelten biologischen Flüssigkeit entfernt. Die
Entfernung wird mittels einer hydrophoben Austauschchromatographie unter Verwendung
einer an einen Silika-Matrix-Träger gekuppelten Octadecyl- (C 18) Kette (C - 18 Harz)
vorgenommen. Das biologische Material wird während des Durchlaufs durch die
Austauschchromatographie-Säule nicht absorbiert und die biologische Aktivität des
Blutplasmapräparats wird durch die Verfahren nicht wesentlich beeinträchtigt. Im Anschluß
an die Austauschchromatographie wird die gewonnene Plasmaphase weiter filtriert, es wird
Glycin hinzugefügt und eine Sterilfiltration schließt sich an. Schließlich wird das Blutplasma
in Plasmabeutel portioniert und in flüssigem Stickstoff schockgefroren. Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf das von den Beklagten zur Akte gereichte Herstellungsprotokoll
(Anlage CCP 1) sowie auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Produktmonographie
(Anlage W 18) und die Produktbeschreibung (Anlage W 50) Bezug genommen.
Die Beklagte zu 3. ist die deutsche Niederlassung der Beklagten zu 1. Sie bezieht von der
Beklagten zu 2. das angegriffene Blutplasmapräparat "O." und vertreibt es in der
Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte zu 3. ist für die organisatorische Seite des
Vertriebes und das Produktmarketing zuständig. Der Beklagte zu 4. ist der gesetzliche
Vertreter der Beklagte zu 1.
Mit Vertrag vom 4. Mai 1987 (Anlage W 9) vereinbarten die Klägerin und die zu dieser Zeit
noch unter "L. S.A." firmierende Beklagte zu 1., bei der Entwicklung, Herstellung und
Vermarktung von virusinaktiviertem Plasma zusammenzuarbeiten. Die Vereinbarung sieht
unter anderem vor, dass der Beklagten zu 1. die Herstellung und Qualitätskontrolle der
Vertragsprodukte (zu denen auch solche nach dem Verfahren des Klagepatents gehören
sollen) obliegt und die Beklagte zu 1. das ausschließliche Recht zur Vergabe von
Unterlizenzen für die Herstellung und den Vertrieb der Vertragsprodukte in Europa erhält.
Im Wege der Zwischenfeststellungsklage hat die Klägerin zunächst die Unwirksamkeit des
Vertrages vom 4. Mai 1987 geltend gemacht. Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Januar
2000 - U (Kart) 5/99 - hat der Senat antragsgemäß festgestellt, dass der Lizenzvertrag
wegen Verstoßes gegen § 34 GWB a.F. formnichtig ist.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung
auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadensersatz und Vernichtung der
Verfahrenserzeugnisse in Anspruch genommen. Ihr Unterlassungsbegehren hat sich
einerseits auf die Vertriebshandlungen sämtlicher Beklagten in Deutschland und
andererseits auf die Herstellungshandlungen der Beklagten zu 2. in Österreich gerichtet.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Daneben haben sie hilfsweise begehrt,
dass der Rechtsstreit ausgesetzt wird, bis das Kantonsgericht Glarus über die von der
Beklagten zu 1. gegen die Klägerin erhobene Klage auf einen nach deutschem Recht
formwirksamen Neuabschluß des Vertrages vom 4. Mai 1987 entschieden hat; äußerst
hilfsweise haben sie Aussetzung beantragt, bis über die von der Beklagten zu 1. gegen den
deutschen Teil des Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage entschieden ist. Darüber
hinaus hat die Beklagte zu 1. die Klägerin im Wege der Widerklage auf Rechnungslegung
und Schadensersatz in Bezug auf solche Zahlungen in Anspruch genommen, welche diese
von der "D.-B. N.-W. GmbH" für eine Lizenz (u.a.) an dem Klagepatent erhalten hat.
Die Beklagten haben im wesentlichen geltend gemacht: Auf den Vertrag vom 4. Mai 1987
finde entweder das Recht der Schweiz oder dasjenige des Staates New York Anwendung;
keine dieser Rechtsordnungen kenne eine dem § 34 GWB a.F. entsprechende
Formvorschrift. Aus diesem Grund sei der Lizenzvertrag nur insoweit formnichtig, wie er
sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehe. Im Übrigen sei er
rechtsgültig zustande gekommen. Aus diesem rechtswirksamen Teil des Lizenzvertrages
sei die Klägerin verpflichtet, mit der Beklagten zu 1. den Vertrag vom 4. Mai 1987
formwirksam für das Inland neu abzuschließen. Mit dieser Verpflichtung befinde sich die
Klägerin in Verzug und schulde der Beklagten zu 1. daher Schadensersatz wegen
Nichterfüllung. Die Klägerin könne bei dieser Rechtslage zwar Lizenzgebühren verlangen,
sie (die Beklagten) aber nicht wegen Patentverletzung in Anspruch nehmen.
Vor diesem Hintergrund sei - so haben die Beklagten reklamiert - auch die Widerklage
gerechtfertigt. Die Klägerin sei nämlich nicht berechtigt gewesen, der "D.-B. N.-W. GmbH"
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eine Lizenz an den im Widerklageantrag bezeichneten Patenten zu erteilen und dadurch
die Kündigung des entsprechenden (Unter)-Lizenzvertrages zu verursachen, den unstreitig
die Beklagte zu 1. im Jahre 1995 selbst mit der "D.-B. N.-W. GmbH" abgeschlossen habe.
Im Hinblick auf ihren hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag haben sich die Beklagten auf
einen von der Beklagten zu 1. beim Vermittleramt N. gestellten Antrag auf Durchführung
einer Vermittlungsverhandlung (Anlage B 9 II) bezogen, in welchem diese begehrt hat, im
Rahmen eines zwischen der Beklagten zu 1. und der Klägerin anhängigen
Klageverfahrens vor dem Kantonsgericht Glarus die Verpflichtung der Klägerin
auszusprechen, den Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 in einer nach deutschem Recht
gültigen Form neu abzuschließen. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 (Anlage W 48
IV) hat das Kantonsgericht Glarus die dagegen gerichtete Uneinlässlichkeitseinrede der
Klägerin für begründet erklärt.
Die Beklagten haben ihr Aussetzungsbegehren zudem damit begründet, dass sich das
Klagepatent im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen
werde.
Durch Urteil vom 22. März 2001 (AZ 4 O 67/00) hat das Landgericht der Klage im
wesentlichen stattgegeben. Es hat - unter Klageabweisung im übrigen -
I. die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,
1. es zu unterlassen,
durch ein Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrens-chemikalien
aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltenden biologischen Material, wobei das
diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24
Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das
biologische Material biologische Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im
wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des
Durchlaufs durch die Säule absorbiert wird (EP 0 366 946 Anspruch 1),
unmittelbar hergestellte Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken
entweder einzuführen oder zu besitzen, ausgenommen antihämophiler Faktor VIII,
antihämophiler Faktor IX, intravenöses Gammaglobulin, Fibrinogen oder PPSB (rohes
Thrombin);
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1.
bezeichneten Handlungen seit dem 9. Juni 1990 begangen haben, und zwar unter Angabe
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen
(und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der
Abnehmer,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen
(und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des
erzielten Gewinns,
wobei
sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf
Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober
1990 bestehenden Grenzen beschränkt;
die Angaben zu e) von der Beklagten zu 1. nur für die Zeit ab dem 29. Juni 1998, von
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der Beklagten zu 2. nur für die Zeit ab dem 16. Juli 1998 und von den Beklagten zu 3. und
4. nur für die Zeit ab dem 7. Juni 1998 zu machen sind;
den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen
Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu
bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten
Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn
ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
3. die in ihrem Besitz befindlichen unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse gemäß Ziffer I.
1. zu vernichten;
II. festgestellt,
1. dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, der Klägerin für die zu Ziffer I. 1.
bezeichneten, in der Zeit vom 9. Juni 1990 bis 1. April 1994 begangenen Handlungen eine
angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, der Klägerin nach Maßgabe der
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung dasjenige
herauszugeben, was sie durch die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 2. April 1994
begangenen Handlungen auf Kosten der Klägerin erlangt haben, und zwar die Beklagte zu
1. für Handlungen bis zum 28. Juni 1998, die Beklagte zu 2. für Handlungen bis zum 15.
Juli 1998, die Beklagte zu 3. für Handlungen bis zum 6. Juni 1998;
3. dass sämtliche Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist
und noch entstehen wird, und zwar die Beklagte zu 1. für Handlungen ab dem 29. Juni
1998, die Beklagte zu 2. für Handlungen ab dem 16. Juli 1998 und die Beklagte zu 3. und
4. für Handlungen ab dem 7. Juni 1998.
Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.
Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Zur Begründung tragen sie im
wesentlichen vor:
Das Verfahren zur Herstellung von "O." falle nicht in den Schutzbereich des Klagepatents,
weil eine Festphasenextraktion durchgeführt werde.
Bei dem angegriffenen Produkt "O." handele es sich überdies nicht um ein unmittelbares
Erzeugnis des Verfahrens nach dem Klagepatent im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Nach
der Verkehrsanschauung sei das patentgemäße Verfahren zur Entfernung der für die
Virusinaktivierung eingesetzten Chemikalien nicht für das Endprodukt prägend. Denn aus
der Sicht der Patienten sei entscheidend, dass in dem Endprodukt aktive und physiologisch
verträgliche Blutplasmaproteine vorhanden seien, und dieses Ergebnis erst durch eine
Vielzahl verschiedener Verfahrensschritte erreicht; das in Rede stehende Verfahren der
hydrophoben Austauschchromatographie sei lediglich einer von insgesamt neunzehn
Verfahrensschritten.
Darüber hinaus wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen
zu der Frage, ob die Klägerin den formwirksamen Neuabschluss des Lizenzvertrages vom
4. Mai 1987 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland schulden und ob die Klägerin
durch die Geltendmachung des Formmangels rechtsmissbräuchlich handele. Die
Beklagten weisen in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hin, dass das
Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben
worden sei. Schließlich wiederholen die Beklagten ihren Aussetzungsantrag in Bezug auf
das gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren.
Die Beklagten beantragen,
1. das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen;
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der
Beklagten zu 1. eingelegte Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent auszusetzen;
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2. die Beklagte zu 1. beantragt außerdem im Wege der Widerklage,
a. die Klägerin zu verurteilen, ihr Rechnung zu legen über sämtliche Zahlungen, die die
Klägerin von dem D.-B. N.-W. GmbH für die Benutzung der EP 0 050 061, EP 0 131740
und/oder EP 0 366 946 erhalten hat, und zwar unter Angabe der Daten, an denen die
jeweiligen Zahlungen des D.-B. N.-W. GmbH bei der Klägerin eingegangen sind;
b. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr
dadurch entstanden ist, dass die Klägerin der D.-B. N.-W. GmbH eine Lizenz an den unter
lit. a) genannten Patenten für die Herstellung, das Feilhalten und den Vertrieb von auf
TNBP/Detergenz-Basis behandeltem Humanblut und Humanblutbestandteilen erteilt hat;
hilfsweise, entsprechend den vorstehenden Anträgen zu a) und b) zu erkennen mit
zeitlicher Befristung ab dem 01.01.1999;
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Berufung im einzelnen
entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat die Beklagten mit Recht aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung
zur Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung der patentverletzend hergestellten
Produkte verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagten zu 1. bis 3. der Klägerin darüber
hinaus eine angemessene Entschädigung schulden und ihr zum Schadensersatz
verpflichtet sind. Über die Widerklage hat das Landgericht ebenfalls richtig entschieden.
Der Senat schließt sich den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in dem
angefochtenen Urteil an. Die gegen das angefochtene Urteil gerichteten Angriffe der
Berufung bleiben erfolglos.
A. Zu Unrecht bezweifeln die Beklagten eine Patentverletzung im Sinne von § 9 Satz 2 Nr.
3 PatG.
1. Die Beklagte zu 1. macht bei der Herstellung des Produkts "O." vom Klagepatent
Gebrauch.
a) Das Klagepatent betrifft ein Verfahren, mit dem lipidlösliche Verfahrens-chemikalien aus
labilen biologischen Gemischen durch hydrophe Austauschchromatographie entfernt
werden. Dabei geht es um Verfahren, die Lipid-Lösungs-mittel zur Inaktivierung von Viren
in Blutprodukte verwenden. Zur Vermeidung von Unverträglichkeiten und
gesundheitsschädlichen Auswirkungen auf den Menschen ist es notwendig, die
Blutprodukte von dem organischen Lösungsmittel und der Detergenz zu befreien. Der
Patentanspruch sieht hierzu ein Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen
Verfahrenschemikalien mit den folgenden Merkmalen vor:
1. Die lipidlöslichen Chemikalien sind in biologischem Material enthalten.
2. Das biologische Material weist biologische Aktivität auf.
3. Das biologische Material
a. wird durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe
Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen,
b. wobei seine biologische Aktivität erhalten bleibt.
4. Während des Durchlaufs wird wenig oder kein biologisches Material durch die Säule
adsorbiert.
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Mit dieser Merkmalskombination unterscheidet sich das erfindungsgemäße Verfahren von
den vorbekannten Anwendungen der hydrophoben Austauschchromatographie dadurch,
dass die bei ihm verwendeten Materialien und Bedingungen die Adsorption und
Abtrennung von Proteinen minimieren und die Entfernung von lipidlöslichen
Verfahrenschemikalien maximieren, wobei das biologische Material weitgehend seine
Wirkung behält. Das biologische Material ist nach der erfindungsgemäßen Entfernung der
virusinaktivierenden Wirkstoffe in einer hohen Konzentration und biologischer Aktivität
vorhanden.
b) Die Beklagte zu 1. macht von dieser patentgemäßen Lehre Gebrauch. Der Hinweis der
Berufung, zur Herstellung des Produkts "O." werde eine Festphasenextraktion
durchgeführt, die nicht Gegenstand des Klagepatents sei, ist nicht stichhaltig. Die Klägerin
hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Begriff der "Festphasenextraktion"
lediglich eine andere Bezeichnung für das vorstehend in Merkmal Nummer 3. erwähnte
Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie sei, welches darin bestehe, das
(lipidlösliche) Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine einen Feststoff -
hier: C 6 bis C 24 Harz - enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen
zu lassen. Dem sind die Beklagten nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten. Sie
haben vielmehr eingeräumt, sich selbst in einem vor dem Handelsgericht des Kantons
Zürich geführten Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent auf diesen Standpunkt
gestellt und ausdrücklich behauptet zu haben, dass die Begriffe "Festphasenextraktion in
einer Extraktionssäule" und "hydrophobe Austauschchromatographie" ein und denselben
Vorgang bezeichnen.
2. Bei dem angegriffenen Produkt "O." handelt es sich auch um ein Erzeugnis, das im
Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG unmittelbar durch das für die Klägerin geschützte
Verfahren hergestellt wird.
Zutreffend hat das Landgericht die Frage der "Unmittelbarkeit" im Sinne von § 9 Satz 2 Nr.
3 PatG nicht danach beantwortet, ob das patentierte Verfahren den letzten Schritt in der
zum Endprodukt führenden Produktionskette darstellt. Ziel des Gesetzgebers war es, durch
das Tatbestandsmerkmal der "Unmittelbarkeit" eine zu weite Ausdehnung des
Erzeugnisschutzes zu verhindern. Andererseits steht außer Frage, dass nicht schon jede
Bearbeitung die Unmittelbarkeit entfallen lassen kann, weil ein Verfahren in wirtschaftlicher
Hinsicht gerade dazu dient, dass seine Erzeugnisse verwertet werden. Vor diesem
Hintergrund kann für das Erfordernis der "Unmittelbarkeit" nicht auf die Chronologie der
Produktionsschritte, sondern nur darauf abgestellt werden, ob die Eigenschaften des
Endprodukts durch das geschützte Verfahren bestimmt werden. Entscheidend ist, ob die
Eigenschaften, die das Zwischenprodukt durch das geschützte Verfahren erlangt hat, noch
für das Endprodukt wesentlich sind. In einem solchen Fall ist der Patentinhaber nämlich
unabhängig von der Zahl und Qualität der bis zum Endprodukt durchgeführten
Verarbeitungsschritte schutzwürdig, weil sich der Verletzer bei wertender Betrachtung die
geschützte Erfindung aneignet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.9.1977 – 2 U 148/76;
Beier/Ohly, GRUR Int. 1996, 973, 985/986; Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl.,
Seite 140; von Pechmann, GRUR 1977, 377, 378). Ob man zur näheren Konkretisierung
der "Wesentlichkeit" dabei - wie es das Landgericht befürwortet - auf die
Verkehrsanschauung abstellt und prüft, inwieweit das patentgemäße Verfahren nach der
Auffassung des angesprochenen (fachkundigen) Verkehrs für das Endprodukt prägend ist
(ebenso: Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdz. 54; Schulte, PatG, 5. Aufl., § 9 Rdz.
62), oder ob man - wie es die Klägerin für geboten hält - auf den konkreten
Erfindungsgedanken abstellt und untersucht, inwieweit die Verarbeitungsschritte zum
Enderzeugnis gerade diejenigen Eigenschaften berühren, die aus der Sicht des konkreten
Erfindungsgedankens wesentlich sind und Grund für die Patentierung waren, kann
vorliegend auf sich beruhen. In dem einen wie in dem anderen Fall stellt nämlich das
Produkt "O." ein unmittelbar aus dem Klagepatent hervorgegangenes Erzeugnis dar.
a) Hält man für ausschlaggebend, dass sich derjenige Erfindungsgedanke, der das
Klagepatent ausmacht, in (irgend-)einer verkehrswesentlichen Eigenschaft des
angegriffenen Endprodukt niedergeschlagen hat, ist die "Unmittelbarkeit" ohne weiteres zu
bejahen. Das Klagepatent ist dadurch gekennzeichnet, dass die verwendeten Materialien
und die Bedingungen, unter denen die Austauschchromatographie stattfindet, die
Adsorption von Proteinen minimiert und die Entfernung von lipidlöslichen
Verfahrenschemikalien maximiert, wobei das biologische Material nach der
erfindungsgemäßen Behandlung die virusinaktivierenden Wirkstoffe in einer hohen
Konzentration und biologischer Aktivität enthält. Das Ergebnis des Erfindungsgedankens -
nämlich ein Blutplasma, das ein weitgehend von den lipidlöslichen Verfahrenschemikalien
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befreites, zugleich aber biologisch noch aktives biologisches Material enthält - findet
ungeschmälert und ohne dass es durch spätere Verarbeitungsschritte verändert würde
Eingang in das Endprodukt "O.". Der wesentliche Erfindungsgedanke des Klagepatents
schlägt sich mithin unmittelbar in dem Endprodukt "O." nieder.
b) Das angegriffene Produkt "O." ist in gleicher Weise auch dann unmittelbar aus dem
Klagepatent hervorgegangen, wenn man mit dem Landgericht darauf abstellt, ob das
patentierte Verfahren nach der Auffassung des angesprochenen (sachkundigen) Verkehrs,
d.h. eines technischen Fachmanns, für das Endprodukt prägend ist.
Das für die Klägerin geschützte Verfahren betrifft einen wesentlichen Produktionsschritt zur
Herstellung des Präparats "O.". Mit seiner Hilfe werden nämlich die zur Virusinaktivierung
eingesetzten Chemikalien entfernt. Gegenüber den herkömmlichen Verfahren zeichnet sich
das Klagepatent dadurch aus, dass bei vollständiger Entfernung der eingesetzten
Chemikalien die biologische Aktivität des eingesetzten Materials weitgehend erhalten
bleibt. Darin liegt ein entscheidender Vorteil des klägerischen Verfahrenspatents
gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik, der sich unmittelbar qualitätserhöhend
auch im Endprodukt niederschlägt. Die Klägerin leitet daraus zu Recht die Behauptung her,
dass sich das Produkt "O." aus der Sicht des (sachkundigen) Verkehrs gerade in diesem
Punkt von den Konkurrenzerzeugnissen abhebe, und dass folglich das rechtsverletzend
eingesetzte Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie für "O." prägend sei.
Die Beklagten sind dieser Behauptung nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten.
aa) Die Beklagten machen zum einen geltend, "O." sei deshalb nicht durch das
Klageverfahren zur Entfernung der Detergentien gekennzeichnet, weil es aus der Sicht des
Patienten allein darauf ankomme, dass in dem Endprodukt "O." aktive und physiologisch
verträgliche Blutplasmaproteine vorhanden seien, und weil dieses Ergebnis erst durch eine
Vielzahl verschiedener Verfahrensschritte erreicht werde. Diesem Einwand ist schon im
Ansatz nicht zu folgen. Die Frage, ob ein Endprodukt durch ein bestimmtes
patentgeschütztes Verfahren geprägt wird, beantwortet sich nicht aus der Sicht der
Verbraucher dieses Endprodukts, sondern - wie allgemein im Patentrecht - aus der Sicht
des durch die Patentschrift angesprochenen Durchschnittfachmanns. Das ist - wie das
Landgericht zutreffend angenommen hat - im Streitfall ein an einer Universität
ausgebildeter Biochemiker mit praktischen Erfahrungen in der Aufbereitung von
Blutplasmaprodukten.
bb) Die Beklagten machen zum anderen geltend, dass das Verfahren nach dem
Klagepatent nur einen von insgesamt neunzehn Verfahrensschritten zur Herstellung des
Produkts "O." betreffe. Der Blutplasmapool werde - so tragen sie vor - zunächst auf Viren
getestet; dabei finde hinsichtlich der nicht-lipidumhüllten Viren zugleich eine
Virenneutralsierung statt. Anschließend werde das Plasma mit nicht-ionischen Tensiden
versetzt, wobei dem Gemisch zur Vergrößerung der Lipid-schicht Lipide zugeführt werden
und die Lipidschicht sodann durch Ablassen mittels Siphon grob abgetrennt werde. In
einem nachfolgenden Produktionsschritt finde eine Filtration an hydrophobem Material zur
Feinabtrennung der verbliebenen Lipidschicht statt; dabei werde das Plasma an einem
hydrophoben Filter von der Lipidphase gereinigt. Daran schließe sich die
Festphasenextraktion an. Alsdann werde die Plasmaphase erneut gefiltert, mit Glycin
versetzt und anschließend sterilfiltriert. Schließlich werde das Blutplasma in Plasmabeutel
gefüllt und schockgefroren.
Mit diesem Sachvortrag ist die schlüssige Behauptung der Klägerin, "O." werde durch das
für die Klägerin geschützte Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie
geprägt, nicht in Zweifel gezogen. Alleine aus der Notwendigkeit zahlreicher
Produktionsschritte lässt sich nämlich für die Frage, welcher der Verfahrensabschritte aus
technischer Sicht für das Endprodukt prägend ist, nichts herleiten. Es kommt vielmehr
entscheidend auf die Qualität und Bedeutung an, die der maßgebliche (sachkundige)
Fachmann den jeweiligen Verfahrensschritten beimisst. Hierzu fehlt jeder Sachvortrag. Die
Beklagten machen substantiiert selbst nicht geltend, dass "O." nicht durch das nach dem
Klagepatent durchgeführte und gegenüber den herkömmlichen Anwendungen deutlich
überlegene Extraktionsverfahren, sondern durch die anderen Produktionsstufen sein
Gepräge erhalte. Dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.
Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führt es, soweit die Beklagten den
Verfahrensschritt der Glycin-Zugabe näher erläutern und ausführen, dadurch werde die
Glycinkonzentration um rund das 330fache der Normalkonzentration erhöht, wodurch der
pH-Wert stabilisiert, der Auftauprozess am Einsatzort des Präparats erleichtert sowie die
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Verdünnung der Plasmaproteine um etwa 10 % kompensiert und dadurch die Isotonizität
gewährleistet werde. Denn es fehlt jedweder Sachvortrag, welche Bedeutung der
(sachkundige) Verkehr diesen Verfahrensschritten beimisst und aus welchen Gründen das
erfindungsgemäße Verfahren, das - wie ausgeführt - einen wesentlichen Verfahrensschritt
betrifft und eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik darstellt,
aufgrund der Glycinzugabe nicht prägend sein soll.
Gleiches gilt schließlich, soweit die Beklagten auf die Verwendung einer Abfüllmaschine
verweisen, um die Plasmabeutel unter sterilen Bedingungen portionieren und versiegeln zu
können.
B. Die Beklagten können dem Klagebegehren ebensowenig entgegenhalten, die Klägerin
sei der Beklagten zu 1. gegenüber verpflichtet, den Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 in einer
den deutschen Vorschriften genügenden (Schrift-)Form neu abzuschließen. Dies hat das
Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, entschieden.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung.
1. Der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
gemäß § 34 GWB a.F. i.V.m. § 125 Satz 1 BGB formnichtig. Das hat der Senat in dem
Zwischenfeststellungsprozess der Parteien (U (Kart) 5/99) durch Urteil vom 12. Januar
2000 rechtskräftig festgestellt. Für die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist damit
verbindlich entschieden, dass der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987, soweit er Regelungen für
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland enthält, im Inland zu keinem Zeitpunkt
irgendwelche Rechtswirkungen entfaltet hat. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass die -
zur Formnichtigkeit führende - Vorschrift des § 34 GWB a.F. mit Ablauf des 31. Dezember
1998 aufgehoben worden ist. Es entspricht der höchstrichterlichen Judikatur, dass § 34
GWB a.F. auf Altverträge, die vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen worden sind,
weiterhin anwendbar ist (BGH, NJW-RR 1999, 689), und dass dementsprechend das
Rechtsgeschäft auch nach dem Wegfall des Schriftformgebots unwirksam bleibt
(Bornkamm in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9.
Aufl., Anhang zu § 34 Rdz. 8 m.w.N.; allg. auch: Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Überbl.
v. § 104 Rdnr. 27 m.w.N.). Im Ergebnis ist somit der Beklagten zu 1. zu keiner Zeit eine auf
das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezogene Lizenz an dem Klagepatent erteilt
worden.
2. Die Beklagte kann dem Vorwurf der Patentverletzung auch nicht im Wege der
Arglisteinrede (§ 242 BGB) entgegenhalten, die Klägerin sei ihr aus dem Lizenzvertrag vom
4. Mai 1987 verpflichtet, den Vertrag in einer dem deutschen Recht genügenden Form neu
abzuschließen. Es kann mit der Beklagten unterstellt werden, dass dem Lizenzvertrag vom
4. Mai 1987 im Wege der Auslegung nach dem maßgeblichen ausländischen Recht (Recht
des Staates New York oder Recht der Schweiz) im Sinne einer salvatorischen Klausel die
Verpflichtung der Vertragsparteien zu entnehmen ist, einen Wirksamkeitsmangel (hier: die
Formnichtigkeit des Vertrages im Bundesgebiet) durch rechtsgültigen Neuabschluss zu
beheben. Denn der Beklagten steht die dahingehende Vertragspflicht im Inland nicht
rechtswirksam zur Seite.
a) Auf eine im Inland rechtswirksam gegründete Vertragspflicht der Klägerin zum
Neuabschluss des Lizenzvertrages kann sich die Beklagte nicht stützen.
Wie der Senat durch Urteil vom 12. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat, entspricht
der Vertrag vom 4. Mai 1987 nicht der erforderlichen Schriftform und ist deshalb (form-
)nichtig. Infolge dieser Formnichtigkeit hat der Vertrag im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Rechtswirkungen entfaltet; er hat mithin im
Bundesgebiet auch keinerlei Vertragspflichten der Parteien begründet. Denn nach
gefestigter höchstrichterlicher Judikatur erfasst die Formungültigkeit nach §§ 98 Abs. 2, 34
GWB a.F., § 125 Satz 1 BGB nicht nur die wettbewerbsbeschränkenden Abreden, sondern
den Vertrag in seiner Gesamtheit (vgl. nur: BGH, WRP 1997, 555, 556 m.w.N.). Ist der
Vertrag vom 4. Mai 1987 aber im Hoheitsgebiet Deutschlands nicht wirksam geworden,
können aus ihm im Inland auch keinerlei Rechte hergeleitet werden. Ebensowenig wie im
Inland aus einer ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommenen salvatorischen Klausel
ein Anspruch auf Neuabschluss des Vertrages abgeleitet werden könnte, kann dieses
Ergebnis dann erzielt werden, wenn eine dahingehende Vertragspflicht - wie die Beklagten
meinen - (nur) im Wege der Vertragsauslegung gewonnen werden kann. In dem einen wie
in dem anderen Fall ist nämlich eine im Inland rechtswirksame Verpflichtung der
Vertragsparteien zum Neuabschluss nie begründet worden.
Dass nach dem Normzweck des § 98 Abs. 2 GWB a.F. das GWB beim Vorliegen einer
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Inlandswirkung nur insoweit Anwendung findet, als sich die Wettbewerbsbeschränkung im
Inland auswirkt (vgl nur: Rehbinder in Immenga/Mest-mäcker, § 98 Abs. 2 Rdz. 223 m.w.N.)
- und demzufolge sowohl die Formbedürftigkeit nach § 34 GWB a.F. als auch die
Formnichtigkeit des Lizenzvertrages nach § 34 GWB a.F. i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nur so
weit reicht, wie der Vertrag Regelungen in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland enthält, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn der Lizenzvertrag vom 4.
Mai 1987 entfaltet auch insoweit eine Inlandswirkung, wie er die Verpflichtung der Parteien
enthält, bei einem etwaigen Formmangel das Vertragsverhältnis für das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland formgültig neu abzuschließen. Im übrigen ist durch das
Senatsurteil vom 12. Januar 2000 zwischen den Parteien rechtskräftig geklärt, dass der
Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 insgesamt - und damit auch eine etwaige Vertragspflicht der
Klägerin zum Neuabschluss - (form-)nichtig ist.
b) Ebensowenig kann die Beklagte einen Anspruch auf Neuabschluss des Lizenzvertrages
daraus herleiten, dass der Vertrag vom 4. Mai 1987 in der Schweiz oder in den USA - in
denen eine § 34 GWB a.F. entsprechende Formvorschrift nicht existiert(e) - vollumfänglich
rechtswirksam zustande gekommen ist.
Das ergibt sich unmittelbar aus § 98 Abs. 2 GWB. Nach dieser Vorschrift findet das GWB
auf alle Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung, die sich im Inland auswirken, auch
wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Kartellgesetzes veranlasst
worden sind. Es handelt es sich um eine zwingende Kollisionsnorm, die dem allgemeinen
Kollisionsrecht vorgeht. Sie unterstellt im Inland wirkende Wettbewerbsbeschränkungen
auch dann den Normen des deutschen Kartellrechts - und mithin auch dem
Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. (vgl. nur: Jungbluth in Langen/Bunte, Kommentar zum
deutschen und europäischen Kartellrecht, 8. Aufl., § 98 Abs. 2 Rdz. 100 m.w.N.) - , wenn
der Vertrag im übrigen ausländischem Recht unterliegt. § 98 Abs. 2 GWB a.F. verwehrt es
Unternehmen damit, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen mit Inlandswirkung
dadurch der Anwendung des GWB zu entziehen, dass sie die Absprache einem
ausländischen Recht unterstellen (Rehbinder, a.a.O. Rdz. 7, 222 m.w.N.). Bezogen auf den
rechtswirksamen Abschluss einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit
Inlandswirkung bedeutet dies: Eine solche Vereinbarung entfaltet im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland nur dann Rechtswirkungen, wenn sie nicht nur nach dem
maßgeblichen ausländischen Vertragsstatut rechtswirksam geschlossen worden ist,
sondern wenn sie überdies auch nach den Bestimmungen des GWB - d.h. vorliegend unter
Beachtung des Schriftformgebots des § 34 GWB a.F. - rechtsgültig zustande gekommen ist.
Diese Erkenntnis schließt es im Streitfall aus anzunehmen, die Klägerin sei mit
Rechtswirkung im Bundesgebiet deshalb dem Anspruch auf Neuabschluss des
Lizenzvertrages vom 4. Mai 1987 ausgesetzt, weil dieser Vertrag nach dem Normen des
maßgeblichen ausländischen Vertragstatuts (im Ausland) rechtsgültig geschlossen worden
ist. Denn diese Argumentation stünde in einem diametralen Gegensatz zu der Vorschrift
des § 98 Abs. 2 GWB a.F. Danach genügt es nämlich für die Rechtsgültigkeit einer
wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit Inlandswirkung im Bundesgebiet gerade
nicht, dass der Vertrag im Ausland nach Maßgabe des anzuwendenden ausländischen
Vertragsrechts wirksam geworden ist. Hinzu kommen muss vielmehr, dass auch die
Vorschriften des deutschen Kartellrechts beachtet worden sind, vorliegend also auch dem
Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. genüge getan worden ist. Das ist indes - wie der Senat
mit Urteil vom 12. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat - nicht der Fall.
Aus dem Umstand, dass das Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. zum Ende des Jahres
1998 aufgehoben worden ist, ergibt sich nicht Gegenteiliges. Für Verträge, die deutschem
Vertragsrecht unterliegen, ist - wie bereits ausgeführt - anerkannt, dass der Fortfall des
Schriftformerfordernisses den formnichtigen Altverträgen nicht zur Rechtswirksamkeit
verhilft. Für Verträge nach ausländischem Vertragsstatut, die gemäß § 98 Abs. 2 GWB a.F.
in gleicher Weise wie Verträge nach deutschem Recht den Bestimmungen des GWB
unterliegen, kann nichts anderes gelten.
d) Ohne Erfolg machen die Beklagten in diesem Zusammenhang weiter geltend, dass der
im Inland formnichtig abgeschlossene Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 als ein Vorvertrag zu
behandeln sei. Es kann auf sich beruhen, ob dieser rechtlichen Qualifizierung zuzustimmen
ist; denn sie vermag an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern. Es ist anerkannt, dass
Vorverträge in gleicher Weise wie Hauptverträge dem Schriftformgebot des § 34 GWB a.F.
unterliegen (BGH, WuW/E BGH 1356 ff.; ebenso: Immenga/Mestmäcker, a.a.O. Rdz. 16).
Vor diesem Hintergrund gelten die vorstehenden Ausführungen zu Art. 34 EGBGB in
vollem Umfang auch dann, wenn das Vertragsverhältnis vom 4. Mai 1987 in Bezug auf das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als ein Vorvertrag einzuordnen sein sollte.
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C. Die Beklagten können sich dem Klagebegehren gegenüber schließlich nicht mit Erfolg
auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen. Die Klägerin handelt,
indem sie sich auf die Formnichtigkeit des Lizenzvertrages vom 4. Mai 1987 beruft, nicht
rechtsmissbräuchlich.
1. Unter der Geltung des § 34 GWB a.F. entsprach es der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, dass der Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrages nicht mit dem
Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnet werden kann (BGH, WuW/E BGH
1356, 1358 - Werkstück-Verbindungsmaschine; WuW/E BGH 1513, 1514 –
Belüftungsgitter; WuW/E BGH 1592, 1593 – Branchenübliche Preislisten). Ihre
Rechtfertigung fand diese Judikatur in der Tatsache, dass das Schriftformgebot des § 34
GWB a.F. dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen und effektiven kartellrechtlichen
Kontrolle diente. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 ist die Vorschrift des § 34 GWB a.F.
ersatzlos gestrichen worden. Daraus wird in der kartellrechtlichen Literatur gefolgert, dass
die Anwendung des § 242 BGB fortan nicht mehr mit dem Hinweis auf die Wahrung
öffentlicher Interessen generell versagt werden könne, sondern sie nunmehr in gleicher
Weise wie bei anderen Formvorschriften in Betracht komme (Bornkamm, a.a.O. Rdz. 39).
2. Es kann auf sich beruhen, ob dieser Ansicht zuzustimmen ist. Selbst wenn man ihr folgt,
steht den Beklagten im Streitfall der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht zu.
Die Nichtigkeitsfolge wegen eines Formmangels ist nur in Ausnahmefällen mit Treu und
Glauben unvereinbar, etwa wenn eine Partei den Formfehler arglistig herbeigeführt hat
(BGHZ 85, 315, 318 f.), in Fällen schwerer Treuepflichtverletzung (BGHZ 92, 164, 172 f.), in
Fällen der Existenzgefährdung (BGHZ 119, 387, 388 f.) oder dann, wenn die Parteien den
formnichtigen Vertrag über längere Zeit praktiziert haben und die eine Seite hieraus
erhebliche Vorteile gezogen hat, die nicht ohne weiteres zurückgewährt werden können
(BGHZ 121, 224, 233 f.). Dass vorliegend einer dieser Ausnahmetatbestände gegeben ist,
lässt sich nicht feststellen. Die Beklagten machen Entsprechendes substantiiert selbst nicht
geltend; dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.
D. Greifen damit die Angriffe der Berufung gegen die vom Landgericht angenommene
Patentverletzung nicht durch, erweist sich das angefochtene Urteil auch im Umfang des
Urteilsausspruchs als richtig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des
Landgerichts zum Inhalt und Umfang der aus der festgestellten Patentverletzung
resultierenden Unterlassungs-, Rechnungslegungs-, Entschädigungs-, Schadensersatz-
und Vernichtungspflichten verwiesen werden, gegen welche die Beklagten auch keinerlei
Einwendungen erheben.
E. Die Widerklage ist unbegründet. Der Beklagten zu 1. stehen die geltend gemachten
Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin sich durch
die Erteilung einer Lizenz an die "D.-B. N.-W. GmbH" nicht vertragswidrig verhalten hat.
Der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987, auf dem die Widerklageforderung beruht, ist formnichtig
und hat - wie dargelegt – der Beklagten zu 1. auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland zu keiner Zeit irgendwelche Rechte an dem Klagepatent verschafft.
F. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO kommt weder im Hinblick auf den
beim Kantonsgericht Glarus anhängigen Rechtsstreit der Parteien noch mit Blick auf die
von der Beklagten zu 1. gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage in Betracht.
Das hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt,
entschieden. Hinsichtlich der Nichtigkeitsklage ist im übrigen eine Aussetzung im
derzeitigen Verfahrensstand um so weniger gerechtfertigt, als das Bundespatentgericht
zwischenzeitlich den Bestand des Klagepatents, soweit es vorliegend von Interesse ist,
bestätigt hat.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711,
108 ZPO. Der besondere auf § 712 ZPO gestützte Vollstreckungsschutzantrag ist nicht
näher begründet worden und daher erfolglos.
III.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Rechtsstreit rechtsgrundsätzliche
Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung des Prozesses hängt zum
einen von der Definition des Begriffs der "Unmittelbarkeit" in § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG und zum
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anderen von der Frage ab, ob § 98 Abs. 2 GWB a.F. (= § 130 Abs. 2 GWB) der
Verpflichtung aus einem im Ausland wirksamen abgeschlossenen Vertrag entgegensteht,
diesen Vertrag nach Wegfall des § 34 GWB a.F. für das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland neu abzuschließen. Zu beiden Fragen liegt bislang eine höchstrichterliche
Judikatur nicht vor.
IV.
Der Streitwert beträgt 1.073.712, 95 Euro. Dies entspricht der gemäß § 26 Nr. 11 EGZPO
maßgeblichen Umrechnung des Streitwertes von 2.100.000, - DM, den das Landgericht -
unwidersprochen - für den im Berufungsverfahren noch streitbefangenen Teil des
Prozesses angesetzt hat.
J. D. K.