Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.03.2002

OLG Düsseldorf: culpa in contrahendo, empfehlung, depot, geschäftsbeziehung, vermögensverwaltungsvertrag, abrede, versprechen, entlastung, anfang, unternehmen

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 154/00
21.03.2002
Oberlandesgericht Düsseldorf
6. Zivilsenat
Urteil
I-6 U 154/00
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Mai 2000 verkündete
Teilaner-kenntnis- und Schlussurteil der 14a. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf teilweise geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 57.883,32 EUR nebst
4 % Zin-sen aus 15.338,76 EUR vom 25. Januar 1996 bis zum 3. April
1996 und aus 26.075,89 EUR seit dem 4. April 1996 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die
Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
Der Kläger war früher als Unternehmer im Bereich der Bergbauzulieferung tätig. Nachdem
er sein Unternehmen veräußert hatte, schloss er etwa Anfang 1995 einen
Vermögensverwaltungsvertrag mit der Z. GmbH. Diese wickelte die ihr erteilten Aufträge u.
a. über die Beklagte ab und hatte mit dieser eine Vereinbarung über
Provisionsvergütungen für Wertpapier- und DTB-Geschäfte ihrer Kunden getroffen, die die
Beklagte am 13. Oktober 1994 schriftlich bestätigte. Danach erhielt die Z. GmbH eine nach
der Art der Geschäfte gestaffelte Beteiligung an den von den Kunden gezahlten
Provisionen, die sich bei Rentengeschäften auf 5 %, bei Aktiengeschäften auf 10 % und bei
Optionsgeschäften auf 15 % des Provisionsbetrages belief. Für DAX- und
Rentenfuturegeschäfte bekam die Z. GmbH 15,00 DM je gehandelten Kontrakt. Die
entsprechenden Provisionsanteile wurden quartalsmäßig abgerechnet und einem Konto
der Gesellschaft bei der Beklagten gutgeschrieben.
Am 14. Februar 1995 eröffnete der Kläger auf Empfehlung der Z. GmbH bei der Beklagten
ein Kontokorrentkonto, ein Variation-Margin-Konto und ein Depot. Er unterzeichnete eine
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Rahmenvereinbarung über die Abwicklung von Börsentermingeschäften, eine
Vereinbarung über die Bestellung von Sicherheiten für Börsentermingeschäfte und das
Formblatt "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften" und
wurde ergänzend von einem Mitarbeiter der Beklagten auf die Risiken solcher Geschäfte
und die Möglichkeit eines Totalverlustes hingewiesen. Am 2. März 1995 zahlte er
300.000,00 DM und am 5. September 1995 weitere 50.000,00 DM auf das
Kontokorrentkonto ein. Darüber hinaus überwies die Z. GmbH am 25. Januar 1996
30.000,00 DM und am 4. April 1996 weitere 21.000,00 DM. Sämtliche Beträge setzte sie in
Vollmacht des Klägers u. a. für DAX-Futuregeschäfte an der Deutschen Terminbörse in
Frankfurt am Main (DTB) ein. Nachdem diese Geschäfte zu hohen Verlusten geführt hatten,
beendete der Kläger sein Engagement. Am 4. März 1997 wurde ihm das verbliebene
Guthaben von 3.899,78 DM ausgezahlt.
Mit der Klage nimmt der Kläger, der mit Anwaltsschreiben vom 16. Dezember 1998 und 25.
Januar 1999 sämtliche gegenüber der Z. GmbH und der Beklagten abgegebenen
Willenserklärungen, Verfügungen und Realakte wegen arglistiger Täuschung angefochten
und widerrufen hat, die Beklagte auf Erstattung seiner Verluste nebst entgangenen
Anlagezinsen in Anspruch. Er hat vorgetragen, er sei mit risikobehafteten Geldanlagen
nicht vertraut gewesen und hierüber weder von der Z. GmbH noch von der Beklagten, die
diese Aufgabe durch eine Absprache mit dieser Gesellschaft übernommen gehabt habe,
hinreichend aufgeklärt worden. Aufgrund des Vermögensverwaltungsvertrages, der als
Gegenleistung für die Dienste der Z. GmbH eine halbjährliche Verwaltungsgebühr von 0,2
% des Nettodepotwertes und eine ebenfalls halbjährliche Gewinnbeteiligung von 15 % des
den bisherigen Höchststand übersteigenden Nettowertzuwachses vorgesehen habe, habe
er angenommen, dass seine Vertragspartnerin nur bei einer positiven Entwicklung seines
Depots eine nennenswerte Vergütung erhalte und die Vermögensverwaltung deshalb in
seinem Interesse betreiben werde. Tatsächlich habe sie wegen der
Gebührenteilungsvereinbarung gerade von den Geschäftsvorfällen profitiert, die zu seinen
Verlusten geführt hätten. Die Kenntnis dieser Vereinbarung habe die Beklagte ihm und den
anderen Kunden der Z. GmbH in Absprache mit dieser bewusst vorenthalten. Bei
Offenlegung des durch die Abrede begründeten Interessengegensatzes wäre er die
Geschäftsbeziehung zur Z. GmbH und folglich auch zur Beklagten nicht eingegangen.
Aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten und der Z. GmbH seien alle mit
diesen geschlossenen Vereinbarungen gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig, so dass die
Beklagte die ursprünglichen Einlagen nebst gezogenen bzw. entgangenen Zinserträgen,
Ausschüttungen etc. herauszugeben oder zu ersetzen habe. Darüber hinaus hafte sie
aufgrund der pflichtwidrigen Gebührenteilungsvereinbarung und wegen der unterbliebenen
bzw. unzureichenden Aufklärung über diese Abrede und die Risiken der durchgeführten
Geschäfte in gleicher Höhe aus culpa in contrahendo und unerlaubter Handlung.
Schließlich habe die Rückwirkung der erklärten Anfechtung zur Folge, dass die Z. GmbH
bei der Abwicklung der Geschäfte als Vertreterin ohne Vertretungsmacht und damit auch
die Beklagte unautorisiert gehandelt hätten und die ihr gegenüber herbeigeführte
Börsentermingeschäftsfähigkeit von Anfang an entfallen sei. Die verlustreichen
Anlagegeschäfte könnten ihm - dem Kläger - deshalb nicht entgegengehalten werden. Der
Anspruch umfasse neben seinen eigenen Einzahlungen auch die Überweisungen der Z.
GmbH, die für ihn und nicht zur Entlastung der Beklagten bestimmt gewesen seien.
Darüber hinaus seien gemäß §§ 252, 849 BGB die geltend gemachten Zinsen zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 397.100,22 DM nebst 4 % Zinsen p. a. aus
300.000,00 DM seit dem 2. März 1995, aus 50.000,00 DM seit dem 5. September 1995, aus
30.000,00 DM seit dem 25. Januar 1996, aus 21.000,00 DM seit dem 4. April 1996 bis
jeweils zum 4. März 1997 und aus 397.100,22 DM ab dem 5. März 1997 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Forderungen des Klägers in Höhe von 4.712,22 DM anerkannt und im
Übrigen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe bei dem Informations- und Beratungsgespräch zu
Beginn der Kundenbeziehung klare Vorstellungen von den beabsichtigten Geschäften
gezeigt und auf umfangreiche Erfahrungen mit Börsenspekulationen verwiesen. Sie sei
deshalb nicht zu einer Anlageberatung verpflichtet gewesen, zumal er von der Z. GmbH als
externer Vermögensverwalterin betreut worden sei. Gleichwohl habe sie ihm durch einen
Mitarbeiter die "Basisinformation über Börsentermingeschäfte" ausgehändigt und ihn - wie
bereits die Z. GmbH - nochmals eingehend über die Verlustrisiken bis hin zum Totalverlust
aufgeklärt. Damit habe sie einer etwaigen allgemeinen Aufklärungspflicht genügt. Einer
Aufklärung über die damals nicht unübliche Provisionsvereinbarung mit der Z. GmbH habe
es nicht bedurft, weil der Kläger die Provisionssätze gekannt und gebilligt habe und es für
ihn ohne Bedeutung gewesen sei, dass sie die Z. GmbH an diesen Einnahmen beteiligt
habe. Im Übrigen hätten sich die Provisionsrückvergütungen in seinem Fall nur auf
4.712,22 DM belaufen und die Anlagestrategie der Z. GmbH nicht beeinflusst. Der Kläger
hätte deshalb auch in Kenntnis der Gebührenteilungsvereinbarung mit der Gesellschaft
zusammengearbeitet und die Börsentermingeschäfte durchgeführt, um die damit
verbundenen Gewinnchancen zu nutzen.
Bei dieser Sachlage sei eine etwa pflichtwidrig unterbliebene, gegebenenfalls von der Z.
GmbH geschuldete Aufklärung über die Provisionsabrede weder für den geltend
gemachten Schaden ursächlich noch habe sich das aufklärungspflichtige Risiko in ihm
verwirklicht. Der Vermögensverlust sei vielmehr allein durch die falsche Anlagestrategie
der Z. GmbH entstanden, so dass es auch am erforderlichen Zurechnungszusammenhang
fehle. Allenfalls hätte der Kläger in Kenntnis der Provisionsabrede auf einer Auskehrung
der Rückvergütungen an ihn bestanden. Im Hinblick darauf hat die Beklagte die
Klageforderung in Höhe von 4.712,22 DM anerkannt. Weiter gehende Ansprüche stünden
dem Kläger dagegen nicht zu. Insbesondere könne er für die Beträge von 30.000,00 DM
und 21.000,00 DM, die ihm die Z. GmbH als Verlustausgleich gezahlt habe, keinen Ersatz
verlangen.
Das Landgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Teilanerkenntnis- und
Schlussurteil unter Abweisung der weiter gehenden Klage verurteilt, an den Kläger
346.100,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. September 1999 zu zahlen. Es hat
ausgeführt, die Provisionsvereinbarung zwischen der Beklagten und der Z. GmbH habe
aufgrund der nach dem Grad des Risikos gestaffelten Provisionssätze zu einem Konflikt
zwischen dem Interesse des Klägers an einer sachgerechten und gewinnorientierten
Vermögensanlage und dem Interesse der Z. GmbH an den vereinbarten Rückvergütungen
führen können. Hierauf habe die Beklagte pflichtwidrig nicht hingewiesen. Nach der
Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei davon auszugehen, dass der Kläger der Z.
GmbH bei ordnungsgemäßer Unterrichtung die Verwaltung seines Vermögens nicht
übertragen und die durch die Börsentermingeschäfte entstandenen Verluste nicht erlitten
hätte. Der daraus resultierende Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo
erstrecke sich allerdings nur auf die eigenen Einlagen des Klägers in Höhe von 350.000,00
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DM abzüglich des zurückgezahlten Restguthabens von 3.899,78 DM. Die von der Z. GmbH
überwiesenen Beträge von insgesamt 51.000,00 DM seien dagegen nicht zu ersetzen, weil
sie dem Kläger ohne Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrages und Durchführung
der Spekulationsgeschäfte nicht zugeflossen wären. Der Zinsanspruch sei erst ab
Rechtshängigkeit begründet. Einen früheren Anspruch habe der Kläger nicht schlüssig
dargelegt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger die im ersten Rechtszug abgewiesenen
Teilforderungen weiter. Er trägt vor, die Z. GmbH habe ihn mit dem Versprechen, etwaige
Kursverluste auszugleichen, veranlasst, in einem anderen Depot verwaltete Aktien
entgegen seiner ursprünglichen Absicht weiter zu halten. Da sich die Kurse tatsächlich
negativ entwickelt hätten, habe sie die Verluste durch die Zahlungen von 30.000,00 DM
und 21.000,00 DM erstattet und diese Beträge auf seine Anweisung unmittelbar auf das bei
der Beklagten geführte Kontokorrentkonto überwiesen. Es handele sich mithin um ihm
zustehende, von den Verlusten aus den Börsentermingeschäften unabhängige
Vermögenswerte, die die Beklagte nicht entlasten könnten. Der Zinsanspruch für die Zeit
bis zum 17. September 1999, der sich kapitalisiert auf 62.209,94 DM belaufe, ergebe sich
u. a. aus §§ 826, 849 BGB und aus § 288 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte vorsätzlich die
Provisionsvereinbarung verschwiegen habe und sie zudem mangels Bereitschaft zur
Ersatzleistung ohne Mahnung mit dem Eingang der jeweiligen Teilbeträge in Verzug
geraten sei. Im Übrigen sei die Zinsforderung auch als erstrangiger Teilbetrag des
entgangenen Anlagezinses bei einer anderweitigen Geldanlage gerechtfertigt. Ergänzend
wiederholt der Kläger seinen Vortrag des ersten Rechtszuges.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn
weitere 113.209,94 DM nebst 4 % Zinsen aus 30.000,00 DM seit dem 25. Januar 1996 und
aus 21.000,00 DM seit dem 4. April 1996 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und verbleibt dabei, dass die Z.
GmbH die Zahlungen von insgesamt 51.000,00 DM wie auch bei anderen Kunden als
Verlustausgleich für die Börsentermingeschäfte geleistet habe. Da die Beträge dem Kläger
ohne die Verluste nicht zugeflossen wären, seien sie bei der Schadensberechnung nicht zu
berücksichtigen. Im Übrigen tritt die Beklagte den Zinsforderungen des Klägers entgegen.
Der Senat hat den Zeugen Z. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Januar 2002 Bezug genommen. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge und
die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den nachfolgenden
Entscheidungsgründen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist dem Kläger aus culpa in
contrahendo auch zum Ersatz der von der Z. GmbH auf sein Kontokorrentkonto geleisteten
Zahlungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM, der mit 62.209,94 DM kapitalisierten
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entgangenen Anlagezinsen und der im Tenor bezeichneten fortlaufenden Zinsen
verpflichtet.
1.
Die Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über die Provisionsvereinbarung
mit der Z. GmbH zu unterrichten. Durch diese Vereinbarung setzte sie für die Z. GmbH
einen Anreiz, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich Anzahl
und Umfang der für die Kunden abzuwickelnden Geschäfte nicht allein deren Interessen,
sondern auch das eigene Interesse an möglichst hohen Vergütungen zu berücksichtigen.
Über diese von ihr geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen hätte die Beklagte den
Kläger noch vor Vertragsabschluss aufklären müssen. Da sie dies schuldhaft versäumte,
kann der Kläger sie unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo auf Ersatz der
Schäden in Anspruch nehmen, die er infolge der unterbliebenen Aufklärung erlitten hat (vgl.
BGH ZIP 2001, 230, 231).
Dieser Ersatzanspruch erstreckt sich auf sämtliche Nachteile, die dem Kläger daraus
erwachsen sind, dass er an dem Vermögensverwaltungsvertrag mit der Z. GmbH
festgehalten und auf deren Empfehlung über die Beklagte Börsentermingeschäfte
abgewickelt hat. Die Pflicht zur Aufklärung über die Provisionsbeteiligungsvereinbarung
hatte nicht nur den Zweck, den Kläger in die Lage zu versetzen, geeignete Schritte
hinsichtlich der rückvergüteten Provisionsanteile zu unternehmen und der Gefahr der
Spesenreiterei entgegenzuwirken. Ihr kam vielmehr auch die Funktion zu, ihm wichtige
Informationen über die Vertrauenswürdigkeit seiner Geschäftspartner zu vermitteln. Unter
diesem Gesichtspunkt war es von entscheidender Bedeutung, dass die Z. GmbH sich
hinter dem Rücken des Klägers von der Beklagten eine Beteiligung an deren Provisionen
hatte versprechen lassen. Ein solches Verhalten enthält eine schwerwiegende
Treuwidrigkeit und lässt die Grundlage für das im besonders sensiblen Bereich der
Vermögensverwaltung unabdingbare Vertrauen in die Seriosität des Verwalters entfallen
(vgl. BGH ZIP 2001, 230, 231 f.). Als Reaktion auf diesen Vertrauensbruch kam bei
verständiger Beurteilung nur die Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages in
Betracht. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. Plandt/Heinrichs, 61. Aufl., §
282 BGB Rdnr. 15 m.w.N.) spricht deshalb dafür, dass auch der Kläger bei
ordnungsgemäßer Aufklärung über die Provisionsvereinbarung eine weitere
Zusammenarbeit mit der Z. GmbH abgelehnt hätte. Die aus dieser Geschäftsbeziehung
entstandenen Schäden sind deshalb durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursacht
worden und zugleich vom Schutzzweck der unterlassenen Aufklärung gedeckt.
Gegen diese Würdigung hat die Beklagte im zweiten Rechtszug keine substantiierten
Einwendungen mehr erhoben. Sie hat weder ihre vom Landgericht zu Recht als
substanzlos gekennzeichneten Zweifel an der Unkenntnis des Klägers von der
Provisionsabrede konkretisiert noch schlüssig dargetan, dass er auch bei pflichtgemäßer
Aufklärung am Vermögensverwaltungsvertrag festgehalten und die Empfehlungen der Z.
GmbH befolgt oder dass er die verlustreichen Börsentermingeschäfte mit gleichem
Ergebnis anderweitig durchgeführt hätte. Die erstinstanzlich zutreffend festgestellte
Schadensersatzpflicht der Beklagten steht damit letztlich außer Streit.
2.
Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die von der Z. GmbH überwiesenen Beträge von
30.000,00 DM und 21.000,00 DM und auf die mit der Berufung geltend gemachten Zinsen.
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a)
Der Zeuge Z. hat bestätigt, dass die zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft
umgewandelte - frühere - Z. GmbH (im Folgenden weiterhin als solche bezeichnet) ein
weiteres Depot des Klägers beim Bankhaus B. verwaltet und der Kläger sich ungehalten
über die Kursverluste der dort auf Empfehlung der Z. GmbH geführten Aktien-Nebenwerte
gezeigt habe. Um ihn zu veranlassen, die Aktien nicht sofort zu veräußern, habe er - der
Zeuge - für die Z. GmbH am 6. November 1995 zugesichert, etwaige weitere Kursverluste
zu übernehmen. In der Folge hätten sich die Kurse tatsächlich negativ entwickelt. So sei es
etwa ab Dezember 1995/Januar 1996 zu erheblichen Einbrüchen bei den Aktien der
Norddeutschen Steingutfabrik gekommen. Die Verluste, die sich für das gesamte Depot auf
etwa 100.000,00 DM summiert hätten, seien von der Z. GmbH deshalb
vereinbarungsgemäß durch die beiden Überweisungen von 30.000,00 DM und 21.000,00
DM und im Übrigen durch Wertpapierlieferungen kompensiert worden.
Diese Angaben erscheinen nachvollziehbar und überzeugend. Der Zeuge Z. hat sie durch
Vorlage von Ablichtungen des gemeinsamen Bestätigungsschreibens des Klägers und des
Kunden C. vom 17. November 1995 sowie eines Schreibens der Z. GmbH vom 19.
Dezember 1995 hinsichtlich der Kursgarantie belegt. An der Authentizität dieser Schreiben,
die die Beklagte nicht angegriffen hat, bestehen keine begründeten Zweifel. Die
Übernahme der Kursgarantie durch die Z. GmbH erscheint zudem plausibel. Wie dem
Senat aus Parallelverfahren bekannt ist, hatte die Gesellschaft dieselben Nebenwerte
kleiner Aktiengesellschaften auch anderen Kunden empfohlen und für diese erworben. Die
Veräußerung größerer Aktienpakete hätte die ohnehin rückläufigen Kurse zusätzlich
belastet und die Z. GmbH weiteren Vorwürfen ihrer Kunden ausgesetzt. In dieser Situation
entschloss sie sich ersichtlich, zur Entlastung der Kursentwicklung gegenüber
verkaufswilligen Anlegern das Verlustrisiko zu übernehmen. Schließlich wird die
Überzeugungskraft der Aussage auch nicht durch den früheren substanzlosen und zum
Teil zumindest missverständlichen Vortrag des Klägers erschüttert. Dass er den vom
Zeugen bestätigten eindeutigen und jedenfalls in den Grundzügen urkundlich belegbaren
Sachverhalt nicht sofort in den Rechtsstreit einführte, mag auf einer gewissen
Nachlässigkeit, fehlendem Überblick über seine umfangreichen Anlageaktivitäten und dem
Vertrauen auf die Beweislast der Beklagten beruhen. Begründete Zweifel an der in sich
schlüssigen, detaillierten und überzeugenden Aussage des Zeugen Z. lassen sich daraus
nicht herleiten.
Die Überweisungen von 30.000,00 DM und 21.000,00 DM dienten danach dem Ausgleich
anderweitiger Verluste, die der Kläger durch die Tätigkeit der Z. GmbH erlitten hatte. Hätte
er die Geschäftsbeziehung zu dieser Gesellschaft aufgrund pflichtgemäßer Aufklärung
durch die Beklagte beendet, wäre es zwar nicht zu den Ausgleichszahlungen, allerdings
auch nicht zu den dadurch abgedeckten Verlusten gekommen. Die Zahlungen stehen
damit in keinem Zusammenhang mit den Verlusten aus den Börsentermingeschäften. Es
handelt sich vielmehr um zusätzliche Vermögenswerte des Klägers, die nur zur Abkürzung
des Überweisungsweges unmittelbar auf das bei der Beklagten geführte Kontokorrentkonto
geleitet wurden und von dem zu ersetzenden negativen Interesse umfasst sind.
b)
Darüber hinaus kann der Kläger die geltend gemachten Zinsen als entgangene
Anlageerträge verlangen.
Wird ein Kapitalanleger durch schuldhaft fehlerhafte oder unterlassene Aufklärung zu einer
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nachteiligen Anlageentscheidung bewogen, ist ihm nicht nur seine Einlage, sondern auch
der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass Eigenkapital in
beträchtlicher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt bleibt (vgl. BGH NJW 1992, 1223,
1224). Der entgangene Anlagegewinn (§ 252 BGB) stellt eine selbständige
Schadensposition dar und ist unmittelbar aus der den Gesamtanspruch tragenden
Anspruchsgrundlage, vorliegend aus culpa in contrahendo, zu ersetzen. Seine Höhe richtet
sich nach dem im maßgeblichen Zeitraum allgemein üblichen Zinssatz, zu dem das Kapital
nach der Lebenserfahrung angelegt worden wäre (vgl. BGH WM 1974, 128, 129; WM 1980,
85; NJW 1992, 1223, 1224).
Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Einzahlungen von
300.000,00 DM und 50.000,00 DM wie auch die von der Z. GmbH als Ausgleich für die
Kursverluste bei den Aktien-Nebenwerten erstatteten Beträge von 30.000,00 DM und
21.000,00 DM seit dem jeweiligen Einzahlungszeitpunkt anderweitig Gewinn bringend
angelegt hätte, wenn er aufgrund pflichtgemäßer Aufklärung die Geschäftsbeziehung zur Z.
GmbH beendet hätte und es demgemäß nicht auf deren Empfehlung zu den
Börsentermingeschäften gekommen wäre. Insbesondere bestehen keine ausreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass er die entsprechenden Mittel auf anderem Wege in
risikobehaftete Spekulationsgeschäfte investiert und dabei ebenfalls Verluste erwirtschaftet
hätte. Einer solchen Annahme steht bereits der Inhalt des von ihm und Herrn C.
unterzeichneten Schreibens an die Z. GmbH vom 17. November 1995 entgegen, mit dem er
eine Wiederanlage der Veräußerungserlöse in Aktien und Renten von Emittenten
einwandfreier Bonität und zum kleineren Teil in Wertpapiere der mittleren Risikostufe
verlangte. Die Spekulationsgeschäfte waren demgegenüber von seinem Vertrauen in die Z.
GmbH, das durch eine sachgerechte Aufklärung entscheidend erschüttert worden wäre,
getragen und sind damit ebenso wie die angeblich in allgemeiner Form behaupteten
Erfahrungen mit Börsenspekulationen nicht geeignet, die Vermutung einer Gewinn
bringenden Anlage zu einem üblichen Zinssatz auszuräumen. Den zu ersetzenden
Zinsverlust schätzt der Senat unter Berücksichtigung des allgemeinen Zinsniveaus und der
üblichen Renditen am Aktienmarkt für den hier maßgeblichen Zeitraum von März 1995 bis
September 1999 auf durchschnittlich mindestens 4 % (§ 287 Abs. 1 ZPO), so dass der vom
Kläger begehrte Zinssatz abgedeckt ist. Der Zinsschaden vom jeweiligen
Einzahlungszeitpunkt bis zum 17. September 1999 errechnet sich danach unter
Berücksichtigung der Rückzahlung vom 4. März 1997 in Höhe von 3.899,78 DM wie folgt:
4 % Zinsen aus 300.000,00 DM vom 2. März 1995 bis zum 4. März 1997
24.100,00
DM
4 % Zinsen aus 50.000,00 DM vom 5. September 1995 bis zum 4. März 1997
3.000,00
DM
4 % Zinsen aus 346.100,22 DM (300.000,00 DM + 50.000,00 DM ./. 3.899,78
DM) vom 5. März 1997 bis zum 17. September 1999
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DM
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DM
Die Zinsen aus dem Betrag von 346.100,22 DM für die Zeit seit dem 18. September 1999
sind bereits im angefochtenen Urteil tituliert. Für die Beträge von 30.000,00 DM (=
15.338,76 EUR) und 21.000,00 DM (= 10.737,13 EUR), insgesamt von 51.000,00 DM (=
26.075,89 EUR), hat der Kläger sie als Nebenforderungen geltend gemacht. Insoweit
stehen sie ihm ebenfalls als entgangene Anlageerträge aus culpa in contrahendo bzw. -
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seit dem 18. September 1999 - schon als Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.
F.) zu und sind im Tenor gesondert ausgewiesen.
c)
Insgesamt kann der Kläger danach weitere 113.209,94 DM (51.000,00 DM + 62.209,94
DM) und die als Nebenforderung beanspruchten Zinsen verlangen, so dass sich seine
Berufung in vollem Umfang als begründet erweist. Die genannte Summe entspricht dem im
Tenor bezeichneten Betrag von 57.883,32 EUR.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und die Beschwer der Beklagten werden auf
57.883,32 EUR (= 113.209,94 DM) festgesetzt.