Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.02.2006

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, ausschreibung, verfahrensart, bekanntmachung, abgabe, vergabeverfahren, rechtsschutz, rechtsverletzung, rüge, wehr

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 6/06
Datum:
16.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 6/06
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer
sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer
des Bundes vom 17. Januar 2006 zu verlängern, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, dem Senat binnen zwei Wochen
mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen sie ihre Beschwerde
weiterverfolgt.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
1
I.
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Die Antragsgegnerin führt derzeit ein Verfahren zur Vergabe von Bauleistungen zur
Grundinstandsetzung und Verbesserung der Start- und Landebahn des NATO-
Flughafens R. unter der Vergabenummer 24B05 durch.
3
Diese Baumaßnahme war zuvor Gegenstand der öffentlichen Ausschreibung zur
Vergabenummer 145B05, an der sich die Antragstellerin durch Abgabe eines
Angebotes beteiligt hatte. Die Antragsgegnerin hob die Ausschreibung auf, nachdem sie
festgestellt hatte, dass kein Angebot den Anforderungen der Wertung entsprach.
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Sie veröffentlichte sodann einen Aufruf zu einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb vor
beschränkter Ausschreibung zur Vergabe der genannten Bauleistungen. Die
Antragstellerin reichte keinen Teilnahmeantrag ein, rügte aber mit Schreiben vom 29.
November 2005 die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung und forderte die
Antragstellerin zur Ausschreibung in einem offenen Verfahren einschließlich
europaweiter Bekanntmachung auf. Nachdem die Antragsgegnerin die Rüge mit der
Begründung zurückgewiesen hat, der 4. Teil des GWB finde keine Anwendung, hat die
Antragstellerin das vorliegende Nachprüfungsverfahren angestrengt.
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Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin abgelehnt. Sie hat
im wesentlichen darauf abgestellt, dass das Vergaberechtsregime der §§ 97 ff. GWB
nicht eröffnet sei, da die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 a) GWB vorlägen.
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Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Durchführung eines offenen
Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung erstrebt. Sie macht geltend, dass die
Bereichsausnahme des § 100 Abs. 2 GWB keine Anwendung finde.
7
II.
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Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde
bis zur Beschwerdeentscheidung gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu verlängern, ist
unbegründet. Das Rechtsmittel der Antragstellerin hat nach der im Eilverfahren
gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg.
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Dabei kann dahinstehen, ob das streitbefangene Ausschreibungsverfahren dem
Vergaberechtsregime unterliegt und unter dem Gesichtspunkt, dass hier eine Ausnahme
nach § 100 Abs. 2 lit.a GWB gegeben sein könne, überhaupt einer Nachprüfung durch
die Vergabekammer und den Vergabesenat unterworfen ist.
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Das Nachprüfungsbegehren der Antragstellerin wäre im Falle seiner Statthaftigkeit
jedenfalls als unzulässig zu verwerfen, denn die Wahl des Vergabeverfahrens durch die
Antragsgegnerin kann von der Antragstellerin mangels Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2
GWB) nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden.
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Die in § 107 Abs. 2 GWB normierte Antragsbefugnis ist eine Ausformung des
Rechtsschutzinteresses, das als allgemeine Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist.
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Zwar hat die Antragstellerin, obwohl sie sich nicht an dem Teilnahmewettbewerb
beteiligt hat, ihr Interesse an dem Auftrag in prozessual ausreichender Weise durch die
Abgabe des Angebots in dem vorangegangenen Vergabeverfahren, die Rüge einer
nach ihrer Meinung falschen Vergabeart und die Einleitung des
Nachprüfungsverfahrens bekundet (§ 107 Abs. 2 S. 1 GWB).
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Sie hat aber nicht dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein
Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB).
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Sinn und Zweck dieser in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 3 S. 1 der
Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21.12.1989 (Abl. L 395/33) stehenden weiteren
Berechtigungsvoraussetzung ist zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei
ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf
Berücksichtigung seines Angebotes und Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein –
investitionshemmendes - Nachprüfungsverfahren einleiten kann (BT-Drucks. 13/9340,
S. 40, Nr. 22). Damit wird zugleich dem Bestreben des Gesetzgebers Rechnung
getragen, mit den Verfahrensregeln einen Ausgleich zwischen dem Anspruch des
Unternehmers auf effizienten Rechtsschutz und dem Interesse des öffentlichen
Auftraggebers an der Vermeidung von Investitionshindernissen zu schaffen (BT-Drucks.
13/9340, S. 12).
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Der in der Vorschrift verwandte Schadensbegriff muss demnach unter dem
Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Der
Schaden kann nur darin bestehen, dass durch den beanstandeten
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Vergaberechtsverstoß die Aussichten der antragstellenden Partei auf den Zuschlag
zumindest verschlechtert worden sein können (Boesen, Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, §
107 Rdnr. 51 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl. 2001,
§ 107 Rdnr. 19, Byok, in : Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, §
107 Rdnr. 974; Senat, Beschluss vom 28.02.2002 – Verg 40/01, NZBau 2003, 173, 174;
Beschluss vom 08.09.2004 – Verg 38/04, NZBau 2004, 688). Entscheidend für die
Antragsbefugnis ist mithin die Eignung des jeweils gerügten Vergaberechtsverstoßes,
eine solche Beeinträchtigung der Zuschlagschancen begründen zu können. Für die
Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich aber auch ausreichend,
dass der Antragsteller schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen
Vorschriften verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine
Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder
drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen
ist (BGH, VergabeR 2004, 473, 476).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
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Es ist weder von der Antragstellerin dargelegt noch sonst ersichtlich, inwieweit durch die
Wahl der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb anstelle des von der
Antragstellerin reklamierten offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung ihre
Leistungs- und Angebotsmöglichkeiten eingeschränkt oder negativ beeinflusst worden
sein könnten.
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Die Antragstellerin, die an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren nicht
teilgenommen hat, kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr drohe infolge der
gewählten Verfahrensart bereits dadurch ein Schaden, dass sie sich gegen eine
Nichteinbeziehung in den Bieterkreis – unbeschadet der beschwerlicheren und
riskanteren Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes - nicht effektiv zur
Wehr setzen könne, während sie im offenen Verfahren stets ein Angebot abgeben
könne.
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Die Antragsgegnerin hat es nicht in der Hand, durch die Wahl des Verfahrens der
Antragstellerin den nach §§ 104 ff. GWB vorgesehenen Rechtsschutz abzuschneiden
und sie dadurch faktisch an der Abgabe eines Angebotes zu hindern. Maßgeblich ist
insoweit nicht die von der Antragsgegnerin gewählte Verfahrensart, sondern allein die
objektive Rechtslage. Die Entscheidung, die Antragstellerin im Falle ihrer Beteiligung
am Teilnahmewettbewerb nicht in den Bieterkreis einzubeziehen, könnte diese - die
Richtigkeit ihres im Hinblick auf die Geltung des Vergaberechtsregimes vertretenen
Rechtsstandpunktes insoweit unterstellt – zum Gegenstand eines vergaberechtlichen
Nachprüfungsverfahren machen.
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Dass die Antragstellerin nicht in den Bieterkreis einbezogen ist, ist demnach nicht auf
die tatsächlich gewählte Verfahrensart und eine damit einhergehende Verkürzung der
Rechtschutzmöglichkeiten zurückzuführen, sondern beruht allein darauf, dass die
Antragstellerin von der Beteiligung an dem Teilnahmewettbewerb abgesehen hat.
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Dass sich die Zuschlagschancen erhöht hätten, wenn die Antragstellerin in einem
offenen Verfahren von vornherein ein Angebot hätte unterbreiten und sich nicht zuvor an
einem Teilnahmewettbewerb hätte beteiligen müssen, legt die Antragstellerin nicht dar
und ist auch nicht ersichtlich.
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Soweit sie geltend macht, es habe vor dem Hintergrund, dass die Parteien sich in einer
Auseinandersetzung über die Kündigung eines früheren Auftrags befänden,
begründeter Anlass zur Sorge bestanden, dass ihr Teilnahmeantrag nicht
unvoreingenommen bewertet werde, besteht kein Zusammenhang mit dem gerügten
Rechtsverstoß. Ob die in einer anderen Angelegenheit geführte Auseinandersetzung
die Antragsgegnerin beeinflusst, ist von der Wahl des Verfahrens unabhängig.
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Auch führte die infolge der Wahl der Verfahrensart durch die Antragsgegnerin
unterbliebene europaweite Ausschreibung nicht dazu, dass die Antragstellerin keine
Kenntnis von der Durchführung des Vergabeverfahrens erlangte und dadurch faktisch
an der Teilnahme gehindert war.
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Schließlich kann die Antragstellerin auch nicht damit gehört werden, eine Beteiligung an
dem tatsächlich durchgeführten Verfahren sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil die
Antragsgegnerin bereits durch die Wahl der falschen Verfahrensart zum Ausdruck
gebracht habe, dass sie nicht gewillt sei, die Vorschriften des 4. Teils des GWB zu
beachten. Der allgemeine Hinweis auf die fehlende Rechtstreue der Antragsgegnerin
enthebt sie nicht von der Obliegenheit, im einzelnen darzulegen, inwieweit der gerügte
Vergaberechtsverstoß ihre Chancen auf einen Zuschlag eingeschränkt hat. Dieses folgt
schon aus dem Charakter des Vergabenachprüfungsverfahrens, das gerade nicht im
Sinne einer allgemeinen Rechtsmäßigkeitskontrolle darauf angelegt ist, alle denkbaren
Vergaberechts-verstöße aufzuspüren und abzustellen.
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Es wird im übrigen weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Antragstellerin im
Falle eines offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung, das unter
Umständen sogar zu einer Erweiterung des Bieterkreises geführt hätte, ein anderes,
aussichtsreicheres Angebot abgeben könnte als ihr dies im Rahmen des tatsächlich
durchgeführten Verfahrens möglich ist.
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Der gerügte Verfahrensverstoß ist somit ungeeignet, die Zuschlagschancen der
Antragstellerin negativ zu beeinflussen und ihre Antragsbefugnis zu begründen.
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III.
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Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB nicht veranlasst.
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D. D.-B. F.
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