Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.09.2009

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 52/09
Datum:
03.09.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 52/09
Tenor:
I.
Auf die Berufung wird das am 26.03.2009 verkündete Urteil der 4a
Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
1. Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung
untersagt,
Pressringe mit mehr als zwei Pressbacken, welche unter Bildung eines
Pressrings gelenkartig miteinander verbunden sind,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents 0
627 xxx ohne Zustimmung der Antragstellerin zur Benutzung in der
Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern oder anbieten
oder liefern zu lassen,
welche geeignet sind, in einer Kombination aus Presswerkzeug
einerseits und Kupplungswerkstück und Rohrstück andererseits
verwendet zu werden,
wobei das Presswerkzeug gebildet wird aus einem der genannten
Pressringe sowie wenigstens einer Antriebseinrichtung, mit Hilfe derer
die Pressbacken im wesentlichen radial nach innen bewegbar sind, und
wobei der Pressring für den Verpressvorgang um die Werkstücke
herumlegbar und dann schließbar ist, wobei zudem die Geometrie von
Pressring und Werkstücken derart aneinander angepasst sind, dass
einerseits die Werkstücke von dem Pressring nach dem Herumlegen um
diese nicht vollständig umschließbar sind und dass andererseits durch
Schließen des Pressrings eine Verpressung mit plastischer Verformung
bewirkbar ist, wobei ferner die zumindest eine Antriebseinrichtung so
ausgebildet ist, dass mit ihr der Pressring aus der Stellung nach dem
Herumlegen um die Werkstücke in die Schließstellung bewegbar ist,
wobei weiterhin die Antriebseinrichtung(en) von dem Pressring trennbar
ist bzw. sind und die Antriebseinrichtung(en) und der Pressring
Kupplungselemente aufweisen, über die die Antriebseinrichtung(en) mit
den freien Enden des Pressrings in Wirkverbindung bringbar sind, und
wobei zumindest ein Teil der Pressbacken in Pressbackenträgern relativ
zu diesen in Umfangsrichtung bewegbar geführt ist.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Verbot
wird den Antragsgegnern jeweils ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- € -
ersatzweise Ordnungshaft – oder eine Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei
Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der
Antragsgegnerinnen zu 1. und 4. an deren gesetzlichen Vertretern zu
vollziehen ist.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 500.000,-- € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz
1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
3
II.
4
Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
5
Die von den Antragsgegnerinnen zu 1. und 4. vertriebenen Pressringe nebst
Zwischenzange verletzen den deutschen Teil des europäischen Patents 0 627 xxx
mittelbar. Die Antragsgegner sind der Antragstellerin deshalb gemäß Artt. 2 Abs. 2, 64
Abs. 1, 3 EPÜ, §§ 10, 139 Abs. 1 PatG im zuerkannten Umfang zur Unterlassung
weiterer Benutzungshandlungen verpflichtet. Als Inhaberin einer Lizenz am
Klagepatent, welcher der Patentinhaber am 06.03.2009 die Prozessführung im eigenen
Namen gestattet hat, ist die Antragstellerin berechtigt, das betreffende Begehren im
eigenen Namen gerichtlich zu verfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass in der
"Prozessstandschafts- und Abtretungserklärung" vom 6. März 2009 (Anlage AST 2)
lediglich die Antragsgegner zu 1. bis 3. und nicht auch die Antragsgegnerin zu 4.
6
namentlich erwähnt werden. Es ist unstreitig, dass die Antragsgegner zu 1. und 4.
gleichermaßen die als patentverletzend beanstandeten Pressringe ohne Zustimmung
des Patentinhabers vertreiben, dass die Antragsgegner zu 2. und 3. als Geschäftsführer
nicht nur das geschäftliche Handeln der Antragsgegnerin zu 1. bestimmen, sondern
gleichfalls die Geschicke der Antragsgegnerin zu 4. lenken, und dass der Antragstellerin
die Prozessführungsermächtigung im Hinblick auf das gegen alle vier Antragsgegner
eingeleitete einstweilige Verfügungsverfahren erteilt worden ist. Bei dieser Sachlage ist
es geboten, die Erklärung vom 6. März 2009 interessengerecht dahin auszulegen, dass
die Antragstellerin in die Lage versetzt werden sollte, die von den Antragsgegnern zu 2.
und 3. initiierten Verletzungshandlungen zu unterbinden, unabhängig davon, ob sie
unter dem Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin zu 1. oder unter dem der
Antragsgegnerin zu 2. vorgenommen werden. Abgesehen davon hat die Antragstellerin
zwischenzeitlich auch eine klarstellende, auch die Antragsgegnerin zu 4.
einschließende Prozessführungsermächtigung des Patentinhabers vorgelegt.
1.
7
Das Verfügungspatent betrifft eine Kombination aus einem Presswerkzeug einerseits
und damit zu verpressenden Werkstücken andererseits, nämlich einem
Kupplungswerkstück und Rohrenden, auf die das Kupplungswerkstück aufgesetzt wird.
8
Wie die Verfügungspatentschrift einleitend erläutert, ist es bekannt, Rohrenden mit Hilfe
von Kupplungshülsen aus Metall zu verbinden. Zu diesem Zweck werden die
Kupplungshülsen über die zu verbindenden Rohrenden geschoben und mit Hilfe einer
Presszange plastisch verformt. Gebräuchliche Presswerkzeuge sind zangenartig
aufgebaut und besitzen an ihrem freien Ende Klemmbacken, die die Kupplungshülse
umschließen und die zum Zwecke des Verpressens aufeinander zu bewegt werden
können. Derartige Presswerkzeuge haben sich nach den Erläuterungen der
Verfügungspatentschrift grundsätzlich bewährt, wenn eine nicht allzu große
Durchmesserverkleinerung bzw. Einpresstiefe gefordert wird. Soll die Rohrverbindung
höheren Innendrücken standhalten, sind jedoch größere Einpresstiefen erforderlich, die
wiederum eine Ausstattung des Presswerkzeuges mit mehr als zwei Pressbacken
notwendig machen. Der Grund hierfür liegt darin, dass ansonsten (d.h. bei der
Verwendung von nur zwei Pressbacken) der Abstand zwischen den Stirnseiten der
Pressbacken zu Beginn der Verpressung so groß ist, dass sich im Zuge des
Verpressvorganges zwischen den Stirnseiten der sich annähernden Pressbacken nach
außen vorstehende Stege aus dem Material der Kupplungshülse ausbilden, was zur
Folge hat, dass sich die Pressbacken nicht vollständig schließen lassen und deswegen
die erforderliche Einpresstiefe nicht erreicht wird. Ein mit mehr als zwei Pressbacken
ausgestattetes Presswerkzeug ist beispielsweise aus der deutschen Patentschrift 21 18
782 bekannt, deren Figuren 2 und 3 zum besseren Verständnis nachstehend
wiedergegeben sind.
9
Zu der besagten Technik bemerkt die Verfügungspatentschrift, dass sämtliche
Pressbacken (102) beweglich und in radialer Richtung geführt sind, was aufwändige
Maßnahmen zur Führung und zum Antrieb erforderlich mache. Das Presswerkezeug
werde hierdurch schwer, schlecht handhabbar und kostspielig.
10
Aufgabe der Erfindung soll es demgemäß sein, eine Konstruktion vorzuschlagen, die
trotz der Anordnung von mehr als zwei Pressbacken möglichst einfach, leicht
handhabbar und preiswert herstellbar ist.
11
Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 des Verfügungspatents in
der vom Bundespatentgericht aufrecht erhaltenen und von der Antragstellerin im
vorliegenden Verfahren geltend gemachten Fassung folgende Merkmale vor:
12
(1) Kombination aus Presswerkzeug (91, 92) einerseits und Werkstücken, nämlich
Kupplungswerkstück (101) und Rohrende (108), andererseits.
13
(2) Das Presswerkzeug (91, 92) weist mehr als zwei Pressbacken (94, 95; 110, 111)
auf.
14
(3) Die Pressbacken (94, 95; 110, 111) sind
15
a. unter Bildung eines Pressrings (93, 109) gelenkig miteinander verbunden;
16
17
b. mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung (103) im wesentlichen radial nach
innen bewegbar.
18
19
(4) Für den Verpressvorgang ist der Pressring (93, 109) um die Werkstücke (101,
108) herumlegbar und dann schließbar.
20
(5) Die Geometrie von Pressring (93, 109) und Werkstücken (101, 108) ist
aneinander angepasst, derart,
21
a. dass die Werkstücke (101, 108) von dem Pressring (93, 109) nach dem
Herumlegen um diese (101, 108) nicht vollständig umschließbar sind;
22
23
b. das durch Schließen des Pressrings (93, 109) eine Verpressung mit plastischer
Verformung bewirkbar ist.
24
25
(6) Die zumindest eine Antriebseinrichtung (103) ist so ausgebildet, dass mit ihr
der Pressring (93, 109) aus der Stellung nach dem Herumlegen um die
26
Werkstücke (101, 108) in die Schließstellung bewegbar ist.
(7) Die Antriebseinrichtung(en) (103) ist/sind von dem Pressring (93, 109) trennbar.
27
(8) Die Antriebseinrichtung(en) (103) und der Pressring (93, 109) weisen
Kupplungselemente (102, 105, 118) auf, über die die Antriebsein- richtung(en) (103)
mit den freien Enden des Pressrings (93, 109) in Wirkverbindung bringbar ist/sind.
28
(9) Zumindest ein Teil der Pressbacken (94, 95; 111) ist in Pressbackenträgern (97;
113) geführt,
29
und zwar relativ zu den Pressbackenträgern (97; 113) in Umfangsrichtung (K, M)
bewegbar.
30
Auf welche Weise die beschriebene technische Lehre verwirklicht werden kann,
verdeutlichen die nachstehend eingeblendeten Ausführungsbeispiele nach den Figuren
1 und 2 der Verfügungspatentschrift.
31
2.
32
Die angegriffene Ausführungsform besteht aus einem Pressring und einer
Zwischenzange, wie sie sich – in der Reihenfolge ihrer Aufzählung – aus den
nachfolgenden Abbildungen (Anlage AST 14) erschließen.
33
Der Pressring seinerseits besteht aus drei (äußeren) Pressbackenträgern (grau), wobei
die beiden unteren Träger mittels einer Bolzenverbindung gelenkig mit dem oberen
etwa halbkreisförmigen Pressbackenträger verbunden sind. An den Pressbackenträgern
(grau) sind wiederum drei Pressbacken (gelb) befestigt, wobei die obere Pressbacke im
oberen (halbkreisförmigen) Pressbackenträger aufgenommen ist, während die beiden
unteren Pressbacken über eine Bolzenverbindung schwenkbar an den beiden
beweglichen Pressbackenträgern angelenkt sind. Infolge dieser Konfiguration lassen
sich die unteren Backenträger maulartig öffnen, so dass die Pressbacken über eine
Kupplungshülse gelegt werden können. Anschließend können die Pressbacken durch
Zuschwenken der beweglichen Pressbackenträger radial einwärts verfahren werden.
Wie dies im einzelnen geschieht, verdeutlichen die beiden nachfolgenden Abbildungen
(Anlagen AST 25, AST 26).
34
3.
35
Bei dem gegebenen Aufbau und der daraus resultierenden Wirkungsweise, die
zwischen den Parteien als solche außer Streit stehen, macht die angegriffene
Ausführungsform wortsinngemäß von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1
Gebrauch, die sich mit dem Presswerkzeug befassen.
36
a)
37
Hinsichtlich der Anspruchsmerkmale (2), (3b) bis (8) ist dies offensichtlich, wird auch
von den Antragsgegnern nicht in Abrede gestellt und bedarf deswegen keiner weiteren
Erläuterungen.
38
b)
39
Keinem ernstlichem Zweifel unterliegt gleichfalls, dass die Pressbacken (gelb bzw.
grün) der angegriffenen Ausführungsform i.S.d. Merkmals (3a) unter Bildung eines
Pressrings "gelenkig miteinander verbunden sind". Hierzu bedarf es keiner direkten
Gelenkverbindung zwischen den einzelnen Pressbacken; vielmehr reicht es aus, wenn
die Pressbacken überhaupt, und sei es auch bloß mittelbar, gelenkartig untereinander
verbunden sind (vgl. BPatG, Urteil vom 05.03.2009, S. 13, 2. Abs. Mitte).
Dementsprechend lässt es die Verfügungspatentschrift selbst als mögliche – und sogar
bevorzugte – Erfindungsvariante zu, dass die obere Pressbacke (110) nach Figur 2 fest
an einem Pressbackenträger (112) angeordnet ist, während die beiden unteren
Pressbacken (111) in Umfangsrichtung verschieblich an Pressbackenträgern (113)
geführt sind, welche wiederum ihrerseits über Schwenkgelenke (114) am oberen
Pressbackenträger (112) angelenkt sind (Spalte 4, Zeilen 51-57). Die angegriffene
Ausführungsform verfügt über exakt eine solche – mittelbare – Gelenkverbindung der
Pressbacken.
40
c)
41
Anders als das Landgericht meint, sind die beiden unteren Pressbacken (gelb bzw.
grün) der angegriffenen Ausführungsform so in den Pressbackenträgern (grau bzw.
blau/rot) geführt, dass die Pressbacken relativ zu den Pressbackenträgern in
Umfangsrichtung bewegbar sind (Merkmal 9).
42
Der Verpressvorgang, d.h. die plastische Verformung der Kupplungshülse auf den zu
verbindenden Rohrenden, beruht erfindungsgemäß darauf, dass sich die Pressbacken
im Zuge des Verpressens radial nach innen bewegen (Merkmal 3b). Diese einwärts
gerichtete Verlagerung der Pressbacken soll anspruchsgemäß dadurch hervorgerufen
werden, dass der durch die Gesamtheit der Pressbacken gebildete Pressring (Merkmal
3a) mit Hilfe der zumindest einen koppelbaren Antriebseinrichtung geschlossen wird
(Merkmal 5b). Beim Einleiten des Pressvorganges sollen die Pressbacken die
Kupplungshülse nicht auf ihrem gesamten Umfang umgeben, weil die Werkstücke
(Kupplungshülse, Rohrenden) nach der ausdrücklichen Anweisung des Merkmals (5a)
nach dem Herumlegen des Pressrings von diesem nicht vollständig umschließbar sein
sollen. Wie auch das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat (Urteil, S. 12)
versteht der Fachmann dies dahingehend, dass die Pressbacken zunächst
untereinander beabstandet bleiben sollen, damit durch das vollständige Schließen des
Pressrings, d.h. bis zum Aneinanderliegen der Stirnseiten der Pressbacken, überhaupt
ein radial einwärts gerichteter Pressvorgang möglich ist. Bei diesem Verpressvorgang
besteht die Gefahr, dass sich zu verpressendes Hülsenmaterial in die zwischen
benachbarten Pressbacken gegebene Umfangslücke schiebt und dadurch verhindert,
dass der Pressring – was zur Herbeiführung eines ordnungsgemäßen Verpresserfolges
notwendig ist – restlos geschlossen werden kann (Merkmal 5b). Es ist deswegen – wie
der Durchschnittsfachmann unmittelbar erkennt – nicht mit einer nur radial nach innen
gerichteten Verlagerung der Pressbacken beim Verpressen getan; vielmehr bedarf es
auch geeigneter Vorkehrungen dafür, dass im Zuge des Verpressens die Lücken
zwischen den Pressbacken so unter Bildung eines vollständig geschlossenen
Pressrings eliminiert werden, dass es beim Verpressen nicht zu unerwünschten
Stegbildungen zwischen den Stirnseiten der Pressbacken kommt. Das
Verfügungspatent trifft die erforderlichen Maßnahmen dadurch, dass alle oder zumindest
ein Teil der Pressbacken so in Pressbackenträgern geführt sind, dass sich die
Pressbacken relativ zu den Pressbackenträgern in Umfangsrichtung (des Pressrings)
43
bewegen können (Merkmal 9). Im Beschreibungstext wird dies exemplarisch an einer
Ausführungsform erläutert, bei der die Pressbacken mit Hilfe eines an ihrem äußeren
Umfang entlang laufenden Zugbandes zu einem Pressring zusammengefasst werden.
Spalte 3 Zeilen 4 bis 8 bemerkt insofern, dass mit Hilfe des Zugbandes die Pressbacken
zusammenbewegbar sind. Mit Blick auf die Figuren 1 und 2 der Verfügungspatentschrift
erläutern Spalte 4 Zeilen 35 bis 47 und Spalte 5 Zeilen 38 bis 47, dass die Zugbänder
(97) an ihren freien Enden mit Hilfe der Antriebsvorrichtung zusammengedrückt werden,
was zur Folge hat, dass die Kupplungshülse (101) und das Rohrende (108) radial
gestaucht werden, wobei sich währenddessen die unteren Pressbacken (95) selbsttätig
in Umfangsrichtung verschieben, und zwar die linke untere Pressbacke (95) im
Uhrzeigersinn und die rechte untere Pressbacke entgegen dem Uhrzeigersinn, und
zwar so lange, bis die Stirnseiten der Pressbacken (94, 95) untereinander zur Anlage
kommen (vgl. auch Unteranspruch 5 gemäß dem Urteil des BPatG vom 05.03.2009
sowie S. 15 der Entscheidungsgründe).
Sinn und Zweck der Pressbackenträger (z.B. Zugbänder) ist es hiernach, die
Pressbacken, damit sie einen Verpressvorgang überhaupt leisten können, einerseits
abzustützen ("zu tragen"), d.h. für sie ein Widerlager zu bilden, und andererseits derart
zu führen, dass die Pressbacken im Zuge des Verpressvorganges, d.h. beim Schließen
des Pressrings (Merkmale 4, 5b), definiert, nämlich in Umfangsrichtung des Pressrings
wandern können, um Lücken zwischen den Pressbacken zu beseitigen (vgl. auch Urteil
des Bundespatentgerichts, S. 17 und S. 17/18). Auf welche konstruktive Weise die
Bewegbarkeit der Pressbacken relativ zu den Pressbackenträgern in Umfangsrichtung
des Pressrings bewerkstelligt wird, überlässt Patentanspruch 1 des Verfügungspatents
dem Belieben des Fachmanns. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform kann
deswegen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die beiden unteren
Pressbackenträger (grau bzw. rot) die beiden unteren Pressbacken (gelb bzw. grün)
"tragen" und beim Schließen des Pressrings dank ihrer Gelenk- und Lagerkonstruktion
so "führen", dass die beiden Pressbacken (gelb bzw. grün) sich in Umfangsrichtung des
Pressrings bewegen, um die zwischen den einzelnen Pressbacken nach dem Umlegen
des Pressrings um die Kupplungshülse verbliebenen Abstände zu schließen. Dies alles
verdeutlicht anschaulich nicht nur die Zeichnungsfolge nach Anlagen AST 25 und AST
26, sondern gleichermaßen die als Anlage BK 3 vorgelegte Animation, deren Richtigkeit
insoweit zwischen den Parteien außer Streit steht.
44
Erörterungswürdig ist allein, ob bei der angegriffenen Ausführungsform eine
Bewegbarkeit der beiden unteren Pressbacken "relativ zu den (führenden)
Pressbackenträgern" gegeben ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts muss
dies bejaht werden.
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Dem Anspruchswortlaut, der von "Pressbackenträgern" spricht, könnte zwar voreilig
entnommen werden, dass das Verfügungspatent eine Mehrzahl von die einzelnen
Pressbacken abstützenden "Trägern" verlangt. Dass dies nicht zutrifft, erschließt sich
dem Fachmann allerdings bereits anhand des Unteranspruchs 5 sowie der
Ausführungsbeispiele, die es übereinstimmend als mögliche und bevorzugte
Ausführungsvariante der Erfindung darstellen, ein einziges Zugband als Trägerelement
für sämtliche Pressbacken zu verwenden. Bei einer derartigen Ausgestaltung liegt es
auf der Hand, dass eine den Verpressvorgang ermöglichende Abstützfunktion für die
beweglichen Pressbacken nicht nur durch diejenigen Abschnitte des Zugbandes
bereitgestellt wird, die sich im direkten Kontakt mit den beweglichen Pressbacken
befinden, sondern dass Abstützkräfte genauso durch den restlichen Teil des Zugbandes
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bereitgestellt werden. Als Pressbackenträger ist dementsprechend das umlaufende
Zugband als Ganzes anzusehen. Für eine aus mehreren Gliedern bestehende Zugkette
würde nichts anderes gelten.
Auch die angegriffene Ausführungsform verdient insoweit keine grundsätzlich andere
Betrachtung. Zwar sind die beiden unteren Pressbacken über ein Schwenkgelenk an
die beiden unteren beweglichen Pressbackenträger (rot) angeschlossen. Die letzteren
sind jedoch ihrerseits über eine Bolzenverbindung an den oberen, etwa
halbkreisförmigen Pressbackenträger angelenkt. Die besagte Konstruktion hat zur
Folge, dass – prinzipiell nicht anders als bei einem umlaufenden Zugband oder einer
umlaufenden Zugkette – die für das Verpressen erforderlichen Abstützkräfte für die
beiden beweglichen Pressbacken nicht nur von den unteren Trägern (rot) aufgebracht
werden, an denen die Pressbacken gelenkig angebunden sind, sondern dass
Abstützkräfte darüber hinaus auch von dem oberen halbkreisförmigen Trägerelement
(blau) bereitgestellt werden, an dem die unteren Pressbackenträger (rot) gelenkig
befestigt sind.
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Wird somit der Pressbackenträger für die beiden bewegbaren Pressbacken bei der
angegriffenen Ausführungsform durch sämtliche drei Trägerelemente (rot, blau) gebildet,
so ergibt sich ohne Weiteres die Feststellung, dass die beiden unteren Pressbacken im
Zuge der Schließbewegung des Pressrings eine Bewegung in Umfangsrichtung auch
relativ zum Pressbackenträger, nämlich genauer dessen oberen (blauen) Teil,
ausführen. Deutlich ist dies an der Zeichnungsfolge gemäß den Anlagen AST 25 und
AST 26, die zeigen, wie sich die oberen Stirnseiten der beweglichen Pressbacken,
geführt durch die Innenkontur des oberen (blauen) Trägers, an dieser Innenkontur
entlang in Umfangsrichtung nach oben bewegen. Findet somit bei der angegriffenen
Ausführungsform eine Bewegung der beiden unteren Pressbacken relativ zu dem
oberen, die betreffenden Pressbacken führenden Pressbackenträger statt, so genügt
schon dies für eine wortsinngemäße Benutzung des Merkmals (9). Denn der
Patentanspruch verlangt nicht, dass die Bewegung der Pressbacken in Bezug auf alle
Pressbackenträger stattfinden muss. Hierfür gibt es – wie die angegriffene
Ausführungsform anschaulich zeigt – auch keine technische Notwendigkeit. Einem
Abstellen auf den oberen halbkreisförmigen Träger steht nicht entgegen, dass sich das
Verfügungspatent von der DE-DS 2 118 782 als geltungsbildendem Stand der Technik
auch durch das kennzeichnende Merkmal (9) abgrenzt. Zwar können auch beim
Gegenstand des Standes der Technik die Bauteile (26- 29) als Pressbackenträger für
jede der vier Pressbacken angesehen werden. Geführt wird jede Pressbacke – anders
als bei der angegriffenen Ausführungsform – aber immer nur durch denjenigen Träger,
an dem die jeweilige Pressbacke montiert ist.
48
4.
49
Zu Recht ziehen die Antragsgegner nicht in Zweifel, dass die angegriffene
Ausführungsform als der maßgebliche Teil der patentgeschützten Gesamtkombination
ein wesentliches Element der Erfindung darstellt, das objektiv geeignet ist, im
Zusammenwirken mit geeigneten Werkstücken die Erfindung unmittelbar durchzuführen,
und das von den Abnehmern auch subjektiv hierzu bestimmt ist. Letzteres ergibt sich
aus der Tatsache, dass das von den Antragsgegnern angebotene Presswerkzeug
ausschließlich in patentgemäßer Weise verwendet werden kann, was es zugleich
rechtfertigt, gegen die Antragsgegner ein Schlechthin-Verbot auszusprechen.
50
5.
51
Nachdem der Verletzungstatbestand eindeutig festzustellen ist und sich das
Klagepatent in einem zweiseitigen Nichtigkeitsverfahren nach sachkundiger Prüfung als
in dem von der Antragstellerin geltend gemachten Umfang rechtsbeständig erwiesen
hat, können die Antragsgegner kein beachtenswertes Interesse daran haben, ihre
Verletzungshandlungen bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens
fortzusetzen. Vielmehr gebietet es die Interessenabwägung, die Verletzungshandlungen
umgehend, nämlich mit den Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes, zu unterbinden.
52
Daran ändert nichts der Umstand, dass inzwischen gegen das Urteil des
Bundespatentgerichts Berufung zum Bundesgerichtshof eingelegt worden ist. Mit ihr
wird im Wesentlichen derselbe Stand der Technik eingeführt, der bereits Gegenstand
des erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahrens gewesen und vom Bundespatentgericht
sachkundig gewürdigt worden ist. Soweit im Nichtigkeitsberufungsverfahren zusätzliche
Entgegenhaltungen – wie die deutsche Patentschrift 1 198 xxy und die deutsche
Offenlegungsschrift 1 452 yyx – eingeführt werden, ist zweifelhaft, ob diese der
Erfindung des Verfügungspatents näher kommen als derjenige Stand der Technik, der
dem Bundespatentgericht bereits vorgelegen hat. Die DE 1 198 xxy betrifft ein
Montagewerkzug zum Einschwenken der Spannbacken einer Schlauchfassung; die DE-
OS 1 452 yyx (die im Übrigen nur auszugsweise vorliegt) befasst sich – soweit
ersichtlich - mit einer Vorrichtung zum Kaltstauchen von Metallbandagen. Dass der
Durchschnittsfachmann hieraus im Prioritätszeitpunkt ohne rückschauende Betrachtung
Anregungen für eine Weiterbildung eines gattungsgemäßen (mit einer
Antriebsvorrichtung zu betreibenden) Presswerkzeugs gewinnen konnte, erscheint dem
Senat zweifelhaft und jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich. Diese Ungewissheit
muss umso mehr zu Lasten der Antragsgegner gehen, weil sie ihre
Berufungsbegründung gegen das schon im März 2009 zugestellte Urteil des
Bundespatentgerichts erst unter dem 18.08.2009, d.h. unmittelbar vor dem
Verhandlungstermin vom 20.08.2009, abgefasst und in das hiesige Verfahren eingeführt
haben, so dass der Antragstellerin jede Gelegenheit genommen war, sich angemessen
mit der Argumentation der Antragsgegnerin zu 1. auseinander zu setzen.
53
Der Notwendigkeit einstweiligen Rechtsschutzes steht auch nicht entgegen, dass die
Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren etwa selbst nicht mit der gebotenen Eile
verfolgt hätte. Grundsätzlich kann einem Patentinhaber die Inanspruchnahme
gerichtlicher Hilfe erst dann angesonnen werden, wenn er bei gebotenem Bemühen
nicht nur eine verlässliche Kenntnis über patentverletzende Handlungen seines
Gegners erlangt hat, sondern wenn er darüber hinaus Glaubhaftmachungsmittel in der
Hand hält, die es ihm im Bestreitensfall erlauben, den erforderlichen Nachweis einer im
Inland begangenen Patentverletzung zu führen. Soweit die Antragsgegner darauf
verweisen, dass die Antragstellerin schon im Jahr 2008 Kenntnis von ausländischen
Vertriebshandlungen gehabt hat, ist dies von vornherein unbehelflich, weil solche
Aktivitäten mit Rücksicht auf die strikte Territorialität von Patenten zwar im Einzelfall
vermuten lassen können, dass es auch zu gleichgelagerten inländischen Verletzungen
gekommen ist, weil sich auf ihrer Grundlage aber keine tatrichterliche Feststellungen
rechtfertigenden Gewissheiten gewinnen lassen. Im Streitfall gilt nicht deshalb etwas
anderes, weil die Antragsgegner zu 1. und 4. bekanntermaßen ausschließlich in
Deutschland produzieren. § 10 PatG vermittelt – anders als § 9 Nr. 1 PatG – keine
Verbietungsrechte im Hinblick auf Herstellungshandlungen, sondern gibt einzig
Ansprüche in Bezug auf das Anbieten oder Liefern erfindungswesentlicher Mittel. Selbst
54
wenn die Antragstellerin Ende Januar 2009 Kenntnis von in der Bundesrepublik
Deutschland begangenen Verletzungshandlungen der Antragsgegner gehabt haben
sollte, ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin zunächst den unmittelbar
bevorstehenden Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens gegen das Verfügungspatent
abgewartet hat. Im Falle eines vorher eingereichten Verfügungsantrages musste die
Antragstellerin damit rechnen, dass sich die Antragsgegner mit dem mangelnden
Rechtsbestand des Verfügungspatentes verteidigen werden, wie dies tatsächlich auch
mit der Schutzschrift vom 12.02.2009 geschehen ist. Unter diesen Umständen konnte
die Antragstellerin, die dem Verletzungsgericht den im Nichtigkeitsverfahren
anstehenden Verhandlungstermin vom 05.03.2009 nicht hätte unterschlagen dürfen,
nicht ernsthaft erwarten, dass zu ihren Gunsten eine Beschlussverfügung ergehen
würde, bevor das Bundespatentgericht seine Entscheidung über die Nichtigkeit des
Verfügungspatents gesprochen hat. Von daher wäre es nicht nur zwecklos, sondern
unsinnig gewesen, vor einer Nichtigkeitsentscheidung das Verletzungsgericht
anzurufen. Nachdem das Verfügungspatent teilweise aufrecht erhalten worden ist, hat
die Antragstellerin jedoch innerhalb weniger Tage einen Verfügungsantrag bei Gericht
eingereicht. Dieses – allein vernünftige – Verhalten zeigt, dass die Antragstellerin in der
Verfolgung ihres Unterlassungsanspruches alles andere als nachlässig gewesen ist.
III.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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X Y Z
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