Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.01.2004
OLG Düsseldorf: berechtigter, festschrift, zwischenverfügung, mehrheitsprinzip, miteigentümer, auflage, grundbuchamt, datum, verwaltung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 329/03
Datum:
30.01.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 329/03
Tenor:
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seiner Beanstandung gemäß
Ziff. 2 der Zwischenverfügung vom 11.07.2003 Abstand zu nehmen und
den Eintragungsantrag neu zu bescheiden.
Wert: 3.000 EUR.
G r ü n d e:
1
I.
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Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2003 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1
bis 11 die Eintragung einer Änderung der Teilungserklärung in den Grundbüchern
beantragt. Gegenstand der begehrten Änderung ist, dass in die Teilungserklärung
folgender § 18 a eingefügt wird:
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§ 18 a
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Änderung der Gemeinschaftsordnung
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Die Eigentümerversammlung kann durch Beschluss mit 3/4 Mehrheit der Stimmen
aller Sondereigentümer Änderungen der Gemeinschaftsordnung (Teil II der
Teilungserklärung) beschließen.
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Sonderrechte oder Vorzugsrechte eines Eigentümers dürfen durch einen solchen
Beschluss nur mit dessen Zustimmung entzogen oder beeinträchtigt werden.
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Die Sondereigentümer, auch diejenigen, die an der Beschlussfassung nicht
teilgenommen oder dem Beschluss widersprochen haben, sind verpflichtet,
Änderungsvereinbarungen, die beschlussmäßig getroffen worden sind, zur
Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen. Die Kosten hierfür trägt die
Eigentümergemeinschaft.
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Durch die angefochtene Zwischenverfügung hat das Amtsgericht beanstandet, dass die
Zustimmung der eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger, ggf. unter Vorlage der
Grundpfandrechtsbriefe, beigebracht werden müsse.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht nach
Nichtabhilfe durch das Amtsgericht zurückgewiesen. Die Beteiligten haben weitere
Beschwerde eingelegt.
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II.
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Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO).
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Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
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Wenn das Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet sei, sei
sachenrechtlich dessen Zustimmung zu der Inhaltsänderung gemäß §§ 877, 876 Satz 1
BGB erforderlich. Seine Zustimmung sei nur dann entbehrlich, wenn seine dingliche
Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt werde. Es müsse jede rechtliche, nicht
bloß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ausgeschlossen sein. Das Amtsgericht habe
zutreffend darauf abgestellt, dass die beabsichtigte Änderung der Teilungserklärung die
dingliche Rechtsstellung der Gläubiger berühren könne, da sie die Änderung der
Gemeinschaftsordnung durch die Eigentümer erleichtere. Unzweifelhaft könne sich eine
Änderung der Gemeinschaftsordnung (positiv oder negativ) auf den Wert des
betroffenen Sondereigentums auswirken - so könnten z.B. Sondernutzungsrechte
vereinbart werden, was wiederum in die Rechtsstellung des Gläubigers dieses
Sondereigentums eingreifen würde. In diesem Sinne "berühre" auch eine Änderung
verfahrensrechtlicher Grundsätze die Rechtsposition der Gläubiger.
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Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
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Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Angelegenheiten der
Wohnungseigentümer, die sie durch Vereinbarung regeln können und zu regeln haben
(§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) und solchen Angelegenheiten, über die durch (Mehrheits-
)Beschluss zu entscheiden ist. Vereinbarungen sind beispielsweise vorgesehen in § 12
WEG (Veräußerungsbeschränkung eines Wohnungseigentümers) und § 15 Abs. 1 WEG
(Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums); durch Beschluss
kann insbesondere der ordnungsgemäße Gebrauch von Sonder- bzw.
Gemeinschaftseigentum geregelt werden (§ 15 Abs. 2 WEG), die ordnungsgemäße
Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) sowie die Instandhaltung und Instandsetzung des
Gemeinschaftseigentums (§§ 21 Abs. 5, 22 WEG).
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Abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer durch
Vereinbarung einer sogenannten Öffnungsklausel bestimmen, dass über die gesetzlich
durch Vereinbarung zu regelnden Angelegenheiten durch (Mehrheits-) Beschluss
entschieden werden kann. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Einführung
von Öffnungsklauseln ist heute anerkannt (vergl. nur BGHZ 95, 137; BGH Z WE 2000,
518, 519; BayObLG WuM 1990, 90; KG OLG Z 1992, 420; Bärmann/Pick/Merle 9.
Auflage § 23 Rn. 13; Wenzel Festschrift für Deckert S. 527). Sie ergibt sich aus §§ 10
Abs. 4, 23 Abs. 1 WEG (vgl. Ott, ZWE 2001, 466, 467). Um eine solche Öffnungsklausel
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handelt es sich bei der hier vorgelegten Klausel § 18 a.
Öffnungsklauseln müssen, um gegenüber Sondernachfolgern Wirkung zu entfalten, im
Grundbuch eingetragen werden. Das folgt aus § 10 Abs. 2 WEG. Dabei stellt sich die
Frage, ob die Öffnungsklausel eine beeinträchtigende Inhaltsänderung des jeweiligen
Sondereigentums im Sinne der §§ 877, 876 Satz 1 BGB darstellt. Denn wenn das
Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet ist, ist sachenrechtlich dessen
Zustimmung zu einer Inhaltsänderung gemäß §§ 877, 876 Satz 1 BGB erforderlich, es
sei denn, seine dingliche Rechtsstellung wird durch die Änderung nicht berührt. Es
muss jede rechtliche, nicht bloß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ausgeschlossen
sein (BGH Z 91, 343).
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Die Notwendigkeit der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter bei der Eintragung einer
Öffnungsklausel wird in der neueren Literatur - insbesondere seit der grundlegenden
Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.09.2000 (NZM 2000, 1184 = ZWE
2000, 518) - ganz überwiegend verneint oder zumindest bezweifelt. So hat bereits Lüke
(WE 1998, 202, 204) angemerkt, dass die Klausel einen materiell-rechtlichen Bezug
zum Grundpfandrechtsinhaber nicht erkennen lasse und unmittelbar nur das Verhältnis
der Wohnungseigentümer untereinander betreffe. Müller (ZWE 2001, 191, 192) hält es
für "äußerst fraglich", ob die dinglichen Gläubiger einer Öffnungsklausel überhaupt
zustimmen müssen, da eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit der dinglichen
Gläubiger nicht erkennbar sei. Klar ablehnend hat sich Ott (ZWE 2001, 466, 467)
geäußert: Die Zustimmung sei nicht erforderlich, weil lediglich verfahrensrechtlich ein
anderes Regelungsinstrumentarium - Beschluss statt Vereinbarung - bestimmt werde;
eine mögliche rechtliche Beeinträchtigung im Sinne des § 876 BGB finde hierdurch
noch nicht statt, da die den gesetzlichen Inhalt des Wohnungseigentums
kennzeichnenden Rechte und Pflichten durch die Öffnungsklausel nicht verändert
würden; ein Rechtsnachteil könne vielmehr nur durch den aufgrund der Öffnungsklausel
gefassten Mehrheitsbeschluss entstehen, weil erst dieser eine konkrete
Sachentscheidung enthalte. Diese Auffassung vertritt auch Wenzel (Festschrift für
Deckert, S. 517 ff., 528): Die Zustimmung dinglich berechtigter Dritter sei zur Einführung
der Klausel nicht erforderlich, weil sie nur einen verfahrensrechtlichen Inhalt habe,
indem sie die Regelung von Angelegenheiten, die dem Vertragsprinzip unterfallen, dem
Mehrheitsprinzip öffne. Schneider (Rechtspfleger 2002, 503 ff.) hält die Zustimmung
dinglich Berechtigter gleichfalls für nicht notwendig und stellt darauf ab, dass ein
Drittberechtigter die Beurteilung einer konkreten rechtlichen Beeinträchtigung erst nach
einer aufgrund der Öffnungsklausel erfolgten Beschlussfassung vornehmen könne.
Hügel (ZWE 2002, 503 ff.) lehnt das Zustimmungserfordernis ab, weil die Vereinbarung
einer Öffnungsklausel keine Außenwirkung habe dergestalt, dass dadurch Rechte
Dritter verändert werden sollen. Auch Schöner/Stöber Grundbuchrecht 13. Aufl., Rn.
2885 heben hervor, dass es einer Zustimmung dinglich berechtigter Dritter nicht bedürfe,
weil ihre Rechtsstellung durch die Öffnungsklausel nicht berührt werde, sie seien daher
nicht (möglicherweise) betroffen.
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Auch der Senat ist der Ansicht, dass eine Zustimmung dinglich berechtigter Dritter zur
Einführung einer Öffnungsklausel nicht verlangt werden kann. Für die nachträgliche
Eintragung einer solchen Klausel in das Grundbuch sind zwar gemäß § 19 GBO die
Bewilligungen sämtlicher eingetragenen Miteigentümer erforderlich. Sie bedarf aber
nicht der Zustimmung durch die Drittberechtigten, da deren dingliche Rechtsposition
durch die Öffnungsklausel noch nicht beeinträchtigt wird.
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Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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