Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.03.2007

OLG Düsseldorf: unternehmen, verfügung, ermessensfehler, ausnahme, erstreckung, empfehlung, automatisierung, software, daten, beschränkung

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 358/06 (V)
Datum:
28.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 358/06 (V)
Normen:
§ 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV, § 1 EnWG
Leitsätze:
Das Merkmal „Datenaustausch zwischen den betroffenen
Marktteilnehmern“ in § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV ist in einem
energiewirtschaftsrechtlich-funktionalen, nicht rein
informationstechnischen Sinne zu verstehen. Dazu gehören alle Vor-
gänge einer elektronischen Übermittlung oder Besorgung von
Netzdaten, die im Zusammenhang mit der Anbahnung und der
Abwicklung der Netznutzung anfallen und die geeignet sind, den
Marktteilnehmern wettbewerbliche Vorteile zu ver-schaffen.
Tenor:
Die gegen den Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 11.07.2006
(BK6 – 06-009, Amtsblatt BNA 14/2006, S. 1911 ff, Vfg. Nr. 33/2006)
gerichtete so-fortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird
zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und
die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin zu
tra-gen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert der Beschwerde: bis 50.000 €
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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I.
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Die Beschwerdeführerin ist ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen i.
S. v. § 3 Nr. 38 EnWG. Ihre Abteilungen "Netz" und Vertrieb" nutzen für die Verwaltung
und den Abruf der Netzdaten ein gemeinsames internes IT-System. Die
Datenkommunikation zwischen der Beschwerdeführerin und externen Elektrizitäts-
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Vertriebsunternehmen erfolgt auf Basis der "Best-practice-Empfehlungen" (Anlage BF 1)
und der VDN Richtlinie Datenaustausch und Mengenbilanzierung (Anlage BF 2).
Mit Beschluss vom 11.7.2006 hat die Beschwerdegegnerin die streitgegenständliche
Festlegung erlassen (BK6 – 06-009, Amtsblatt BNA 14/2006 vom 19.7.2006, S. 1911 ff,
Vfg. Nr.33/2006). Darin hat sie die Einführung bundeseinheitlicher Geschäftsprozesse
und Datenformate für alle Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen bestimmt.
Abweichungen hiervon hat sie auf Basis bilateraler Vereinbarungen zugelassen, soweit
allen Dritten die Vereinbarung angeboten wird und ohne Nachverhandlungen
angenommen werden kann (Tenor 5). Weitere Abweichungen hat sie bis zum 1.10.2009
für verbundene Unternehmen im Sinne des § 3 Nr. 38 EnWG gestattet (Tenor 6). Wegen
der Einzelheiten wird auf die Festlegung verwiesen.
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Gegen diese Festlegung hat die Beschwerdeführerin am 11.8.2006 bei der
Beschwerdegegnerin Beschwerde eingelegt mit den Anträgen,
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1. die Fristen nach Ziffer 4 lit. a und b des Beschlusstenors aufzuheben und die
Bundesnetzagentur zu verpflichten, die Fristen unter Berücksichtigung der
Rechtsauffassung des Gerichts um einen angemessenen Zeitraum zu
verlängern,
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2. Ziffer 4 lit. a des Beschlusstenors dahingehend zu ergänzen, dass neben der
Anwendung der genannten Nachrichtentypen auch die Anwendung der
Geschäftsprozesse nach Ziffer 1 lit. a – g des Beschlusstenors erst ab dem
1.8.2007 wie in der Anlage zum Beschluss beschrieben erfolgen muss,
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3. Ziffer 4 lit. b des Beschlusstenors dahingehend zu ergänzen, dass neben der
Anwendung der genannten Nachrichtentypen auch die Anwendung des
Geschäftsprozesses nach Ziffer 1 lit. h des Beschlusstenors erst ab dem
1.10.2007 wie in der Anlage zum Beschluss beschrieben erfolgen muss, soweit
der Netzbetreiber oder der Netznutzer dies verlangen,
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4. Satz 1 der Ziffer 6 des Beschlusstenors dahingehend abzuändern, dass
Abweichungen im Rahmen der Geschäftsprozesse diskriminierungsfrei
zwischen allen Marktteilnehmer möglich sind und nicht nur zwischen
verbundenen Unternehmen im Sinne von § 3 Nr. 38 EnWG,
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5. die Sätze 5 bis 11 der Ziffer 6 des Beschlusstenors aufzuheben.
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Mit Schriftsatz vom 26.2.2007 hat die Beschwerdeführerin die Anträge zu 2 und 3 in der
Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beschwerdegegnerin hat der
Teilerledigungserklärung in der Senatssitzung vom 14.3.2007 zugestimmt.
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Die Beschwerdeführerin trägt vor: Die Umsetzungsfristen in Tenor 4 seien zu kurz.
Konsequenz sei, dass sich die Maßnahme erheblich verteuere. Nach ersten
Kostenschätzungen sei ein Implementierungsaufwand einschließlich reiner IT-Kosten
und Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter bei einem Unternehmen wie der
Beschwerdeführerin im sechsstelligen Bereich zu erwarten. Auch sei eine fristgemäße
Einführung für eine Vielzahl von kleineren Netzbetreibern unmöglich. Bereits jetzt
stünden nicht ausreichend Dienstleister zur Verfügung, die eine zeitgerechte
Umsetzung in der gesamten Branche sicherstellen könnten. Besondere Probleme
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bestünden, weil die Formate in den bislang verwandten IT-Systemen noch gar nicht
umgesetzt werden könnten. Für die Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse enthalte
die Festlegung keine Umsetzungsfristen; auch dies sei nicht hinnehmbar. Dass
integrierte Energieversorgungsunternehmen ab dem 1.10.2009 nicht mehr berechtigt
seien, von den Vorgaben abzuweichen, habe schwerwiegende finanzielle
Auswirkungen. Die Bundesnetzagentur sei nicht befugt, potentielle Diskriminierungen
mit einer Festlegung zu bekämpfen. Solche Diskriminierungen drohten hier auch nicht.
Eine externe Kommunikation, die sich an den Vorgaben der Festlegung orientiere, habe
gegenüber der abweichenden internen Informationsbereitstellung der
Beschwerdeführerin keine relevanten Nachteile. Die Auflagen gemäß Tenor 6 S. 5 – 10
der Festlegung verursachten einen unzumutbaren Verwaltungssaufwand.
Die Beschwerdegegnerin beantragt hinsichtlich der nicht für erledigt erklärten
Beschwerdeanträge zu 1, 4 und 5,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie trägt vor: Der Beschwerdeantrag zu 1 sei unbegründet. Wesentlich bestimmend für
die Umsetzungsfristen seien die Einschätzungen der betroffenen Unternehmen,
Verbände und Interessengemeinschaften gewesen. Für die Einführung der
Geschäftsprozesse seien die Umsetzungsfristen der Ziffer 4 maßgebend. Die
Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf eine Erstreckung der Ausnahme nach
Tenor 6 auf alle Marktteilnehmer. Die Festlegung finde in § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV
insgesamt eine hinreichende Rechtsgrundlage. Danach sollten bundeseinheitliche
Regelungen zum Datenaustausch zwischen allen betroffenen Marktteilnehmern,
externen wie "integrierten", geschaffen werden. Die gemeinsame Nutzung eines
Datenbestandes, auch im Falle eines Datenpools, sei aufgrund der beiderseitigen
Zugriffsmöglichkeiten von Netzbetreiber und Vertrieb "Datenaustausch" im Sinne der
Vorschrift. Den Unternehmen bleibe unbenommen, den Datenaustausch z. B. durch
Ausgliederung und Zusammenfassung in gemeinsamen Dienstleistungsgesellschaften
zu optimieren, oder, wie nach Tenor 5 vorgesehen, eine individuelle
Datenaustauschregelung anzubieten. Ein übermäßiger Verwaltungsaufwand entstehe
nicht.
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Wegen aller Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die zur Information
beigezogene Verwaltungsakte (BK6 –06-009) verwiesen.
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II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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1. Beschwerdeantrag zu 1
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Die in Tenor 4 lit. a und b festgelegten Umsetzungsfristen sind nicht zu beanstanden.
Die Beschwerdegegnerin hat die angesprochenen Wirtschaftskreise umfassend
angehört, die betroffenen Interessen ermittelt und ausführlich abgewogen. Nach einer
Empfehlung des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft sollte die Umsetzungsfrist zwar
grundsätzlich 18 Monate betragen, und nach einer Empfehlung der E... (E...), einem
Zusammenschluss von 52 EDV-Unternehmen, 12 Monate zuzüglich einer
dreimonatigen Einfahrphase. Von Lieferanten und einzelnen Stadtwerken wurden
jedoch Einführungsfristen von nur "mehren Monaten" genannt. Ferner hatte die schon
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erfolgte Einführung einzelner Nachrichtentypen auf EDIFACT Basis einen Zeitraum von
6 – 9 Monaten in Anspruch genommen. Schon dies zeigt, dass sich kein einheitliches
Bild, sondern eine Bandbreite möglicher Umsetzungsfristen ergab. An die genannten
Stellungnahmen und Erkenntnisse anknüpfend hat die Beschlusskammer einen
Beschlussentwurf gefertigt und die Fristen erneut zur Diskussion gestellt. Sie hat weitere
Stellungnahmen von Netzbetreibern, Verbänden (VKU, VDN/VDEW, BNE, VIK BDI
AFM+E), und Software-Unternehmen eingeholt, die teils eine Verlängerung, teils eine
Verkürzung, teils eine Akzeptanz der vorgeschlagenen Umsetzungsfristen empfahlen.
Auch diese Stellungnahmen hat die Beschwerdegegnerin ausgewertet und die
vorgebrachten Gesichtspunkte erörtert und abgewogen. Im Ergebnis gelangte sie zu
Umsetzungsfristen von 12,5 bzw. 14 Monaten. Dass ihr hierbei Ermessensfehler
unterlaufen wären, ist nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin auf einzelne
nicht sachliche Formulierungen in der Verwaltungsakte verweist (S. 4 des Schriftsatzes
vom 9.3.2007), schließt der Senat nach Anhörung der Beschwerdegegnerin und
angesichts der detaillierten und nachvollziehbaren Ermessenserwägungen im
Beschluss aus, dass diese das Ergebnis beeinflusst haben. Zur Unangemessenheit der
Fristen trägt die Beschwerdeführerin überdies nur kursorisch vor, desgleichen zu den
angeblich damit verbundenen Mehrkosten. Ohne Erfolg bezieht sie sich auf ein
Schreiben dreier Softwarehersteller an die Beschwerdegegnerin vom 5.12.2006 (Anlage
BF 16). Darin äußern die Unternehmen zwar die Ansicht, dass ein Zeitraum von 12,5
Monaten zwischen der Veröffentlichung des Beschlusses und der Inbetriebnahme der
Software zu kurz bemessen sei. Aus dem Schreiben ergibt sich indes auch, dass die
geplanten Releases noch vielfältige weitere Anforderungen der
Energieversorgungsunternehmen aufzunehmen hätten, die mit der Festlegung nicht in
Verbindung stehen (S. 2 letzter Absatz). Das geforderte großzügigere Zeitfenster ist
daher auch den individuellen Wünschen der Unternehmen geschuldet. Ein Anspruch
auf längere Umsetzungsfristen lässt sich daraus nicht herleiten. Dessen ungeachtet
könnten triftige Gründe, die einer fristgemäßen Umsetzung der Festlegung im Einzelfall
entgegenstehen, auch noch im Dialog mit der Beschwerdegegnerin bzw. im Rahmen
der Vollstreckung geltend gemacht werden.
2. Beschwerdeantrag zu 4
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Die Beschwerdeführerin beantragt, Tenor 6 S. 1 der Festlegung dahin abzuändern, dass
Abweichungen im Rahmen der Geschäftsprozesse diskriminierungsfrei für alle
Marktteilnehmer möglich sind und nicht nur für verbundene Unternehmen. Auch dieses
Begehren bleibt ohne Erfolg.
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Die Beschwerdeführerin fällt unstreitig unter die Ausnahmeregelung nach Tenor 6.
Durch die fehlende Erstreckung auf nicht verbundene Unternehmen wird sie nicht in
ihren Rechten verletzt. Überdies stand es im Ermessen der Beschwerdegegnerin, ob sie
von der bundesweiten Vereinheitlichung Ausnahmen zuließ. Die Beschränkung der
Ausnahme in Tenor 6 auf die unmittelbar betroffenen verbundenen Unternehmen lässt
keine Ermessensfehler erkennen. Eine Erstreckung auf alle nicht verbundenen
Netzbetreiber hätte die Erreichung der Festlegungsziele zeitlich weit hinausgeschoben.
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3. Beschwerdeantrag zu 5
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Die Beschwerdeführerin begehrt die Aufhebung der Regelungen gemäß Tenor 6 S. 5
bis 11 der Festlegung. Auch dies bleibt ohne Erfolg.
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a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr internes IT-System sei nach den
Maßstäben des EnWG und der StromNZV schon jetzt für alle Marktteilnehmer effizient
und voll automatisiert; der Festlegung bedürfe es daher nicht. Damit übergeht sie
jedoch, dass Effizienz und Automatisierung nur zwei von mehreren in § 27 Abs. 1 Nr. 11
StromNZV genannten Zielen sind. Auch § 22 S. 3 StromNZV hat in Bezug auf das Ziel
der "größtmöglichen Automatisierung" keine abschließende Bedeutung. Nach § 27 Abs.
1 StromNZV sind auch die Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs sowie die
Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG in den Blick zu nehmen. Der interne Datenaustausch der
Beschwerdeführerin mag für ihre Abteilungen schon heute überaus effizient und optimal
automatisiert sein. Für die externen Vertriebe gilt dies jedoch keineswegs im gleichen
Maße. Zu Unrecht leugnet die Beschwerdeführerin spürbare Vorteile für ihren Vertrieb.
Ein Datenabruf in Echtzeit schafft Zeit- und Qualitätsvorteile. Die übermittelten
Netzdaten sind stets aktuell. Die Abfrage liegt in den Händen des anfragenden Vertriebs
und somit in seiner freien Disposition. Dies vergrößert die Verhaltens- und
Organisationsspielräume z. B. beim Einsatz von Personal. Ein direkter Netzdatenzugriff
ist zudem weniger störanfällig, dialogbedingte Fehlerquellen werden vermieden.
Insgesamt sind die benötigten Daten bei einem jederzeit möglichen Zugriff in Echtzeit,
wie er dem Vertrieb der Beschwerdeführerin zur Verfügung steht, schneller, flexibler und
zuverlässiger zu erlangen.
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Zwar gibt es – wie die Beschwerdeführerin betont – nach den
Entflechtungsbestimmungen des EnWG kein generelles Verbot von
Ungleichbehandlungen im Informationsaustausch. Daraus folgt aber nicht, dass eine
Festlegung angleichende Vorgaben für vertikal integrierte
Energieversorgungsunternehmen nicht enthalten darf. Im Rahmen der allgemeinen
Zielsetzungen des EnWG und zu deren Verwirklichung besteht Raum für die von der
Beschwerde kritisierte "Verschärfung des Unbundling" auf dem Gebiet des
elektronischen Datenaustauschs. Dabei geht es nicht um eine "Entflechtung der IT-
Systeme" schlechthin, sondern um die Schaffung wirksamen Wettbewerbs (auch) durch
gleichen Zugang zu wettbewerbsrelevanten Netzdaten.
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b) Die angefochtene Festlegung verhält sich im Rahmen der Ermächtigung nach § 27
Abs. 1 Nr. 11 StromNZV. Das Merkmal "Datenaustausch zwischen den betroffenen
Marktteilnehmern" in § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV ist in einem
energiewirtschaftsrechtlich-funktionalen, nicht rein informationstechnischen Sinne zu
verstehen. Dazu gehören alle Vorgänge einer elektronischen Übermittlung oder
Besorgung von Netzdaten, die im Zusammenhang mit der Anbahnung und der
Abwicklung der Netznutzung anfallen und die geeignet sind, den Marktteilnehmern
wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen. Auch das integrierte Informationssystem der
Beschwerdeführerin hat in diesem Sinne einen "Datenaustausch" zum Gegenstand. Es
ist auf die elektronische Einholung netzbezogener Daten gerichtet und geeignet, dem
eigenen Vertrieb wettbewerbswirksame Vorteile zu verschaffen.
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c) Dass die Beschwerdegegnerin nicht befugt sei, potentielle Diskriminierungen zu
verhindern, trifft entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu. Im Gegenteil:
Bei richtigem Verständnis der Zielsetzungen des EnWG und des Ineinandergreifens
seiner rechtlichen Instrumente ist die Regulierungsbehörde sogar gehalten, drohende
wettbewerbsschädliche Wirkungen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln
abzuwenden. Zu diesen Mitteln gehört auch die Festlegung nach § 27 Abs. 1 Nr. 11
StromNZV. Das Missbrauchsverfahren gemäß §§ 30 ff EnWG wirkt demgegenüber nur
"ex post" aufgrund eines bereits begangenen Verstoßes und somit tendenziell verspätet.
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d) Zu Unrecht stellt die Beschwerdeführerin das mit der Festlegung bekämpfte
Diskriminierungspotential in Abrede. Soweit der bisher praktizierte externe
Datenaustausch die gleichen Netzdaten liefert, geschieht dies für die externen Vertriebe
nicht mit gleicher Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Flexibilität. Auch in Bezug auf
die Qualität des Datenaustauschs sind Abstriche zu machen. Nach der Lebenserfahrung
werden die Hard- und Softwarepflege sowie die Neuentwicklung von IT-Programmen für
eigene Abteilungen schneller und besser realisiert als für externe Wettbewerber. Eine
durchgreifende, energiewirtsrechtlich beachtliche Rechtfertigung ist hierfür nicht
ersichtlich.
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Zu kurz greift der Schluss der Beschwerdeführerin, auch die Beschwerdegegnerin sehe
in Wirklichkeit kein Diskriminierungspotential, denn sie erlaube in Tenor 6 befristete
Abweichungen. Die Zulassung der Abweichung unter Auflagen ist ersichtlich nur das
Ergebnis der behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, die in nicht zu beanstandender
Weise berücksichtigt, dass die Anpassung der Geschäftsprozesse und Datenformate bei
den integrierten Energieversorgungsunternehmen eine besondere Übergangsregelung
benötigt.
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e) Die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende
Interessenabwägung fällt zugunsten einer gleichen Teilhabe der externen Vertriebe aus.
Die Vorgaben der Festlegung halten einer grundrechtlichen Prüfung (Art. 12, 14 GG)
stand (vgl. Senat, Beschl. vom 14.3.2007, VI-3 Kart 408/06 (V), S. 14 des Umdrucks).
Die Schaffung wirksamen Wettbewerbs in den Elektrizitätsnetzen erfordert nicht nur
einheitliche Geschäftsprozesse und Datenformate, sondern auch einen für alle
Marktteilnehmer bundesweit gleich effizienten elektronischen Datenaustausch. Die
hierfür anfallenden, teils beträchtlichen Aufwendungen der Netzbetreiber müssen
grundsätzlich hingenommen werden. Im Entscheidungsfall hat die Beschwerdeführerin
ihre Umstellungskosten nur kursorisch und nicht im Einzelnen nachvollziehbar
dargetan. Bei der Abwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass die bundesweite
Vereinheitlichung erst nach Ablauf von Fristen umzusetzen ist. Auch sieht die
Festlegung in Tenor 5 eine gangbare Alternative dahin vor, den Datenaustausch für den
internen und externen Vertrieb in gleicher Form anzubieten. Der Einwand der
Beschwerdeführerin, die Angebote an externe Lieferanten könnten wegen der
Komplexität für die meisten überregional tätigen Untenehmen nicht attraktiv sein
und/oder sie müssten nachverhandelt werden, greift nicht durch. Ob ein den
Bedingungen des Tenors 5 genügendes Angebot das Interesse des externen
Versorgungsunternehmens findet, ist nicht Angelegenheit des Netzbetreibers.
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f) Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin die Auflagen nach Tenor 6 S. 5 – 10 der
Festlegung. Die Beschwerdegegnerin hat mit der Ausnahme nach Tenor 6 die
vorübergehende Perpetuierung der energiewirtschaftlich unerwünschten Effekte
hingenommen, um die wirtschaftlichen Folgen für die integrierten
Energieversorgungsunternehmen abzumildern. Dass sie dies unter Auflagen getan hat,
ist grundsätzlich nicht zu beanstanden und gerichtlich nur auf Ermessensfehler zu
überprüfen. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Ein durch die Auflagen bedingter
gewisser Verwaltungsmehraufwand, den die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht
näher nachvollziehbar spezifiziert hat, ist hinzunehmen, zumal er durch die zur
Verfügung stehende Ausnahme nach Tenor 5 vermieden werden kann.
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III.
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Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 90 S. 2
EnWG). Sie hat ferner der Beschwerdegegnerin die notwendigen Kosten zu erstatten,
weil dies der Billigkeit entspricht (§ 90 S. 1 EnWG). Mit ihren Beschwerdeanträgen zu 1,
4 und 5 unterliegt sie. Ihre für erledigt erklärten Anträge zu 2 und 3 hätten bei streitiger
Durchführung keine Aussicht auf Erfolg. Einem Energieversorgungsunternehmen steht
ein Anspruch auf eine bestimmte Festlegung grundsätzlich nicht zu. Dessen ungeachtet
übernimmt die Festlegung in Tenor 1 für die Geschäftsprozesse die in Tenor 4 lit. a und
b für die Nachrichtentypen vorgegebenen Umsetzungsfristen, so dass für die mit den
Anträgen zu 2 und 3 geforderten Regelungen kein Bedürfnis besteht. Wenn es in der
Einführung Ziffer II.6 der Anlage zur Festlegung heißt, dass es für die Übergangszeit bis
zum 1.8.2007 bzw. 1.10.2007 möglich sei, andere Datenformate zu nutzen, so bedeutet
die Nichtnennung der Geschäftsprozesse an dieser Stelle bei verständiger Würdigung
nicht, dass entgegen der eindeutigen Bezugnahme des Tenors 1 auf die Fristen nach
Tenor 4 die Geschäftsprozesse sofort umzusetzen seien. Eine Beschränkung der
Umsetzungsfristen auf die Datenformate ergibt sich auch nicht aus den Gründen der
Festlegung. Soweit sich die Erwägungen für die Umsetzungsfristen (Seite 46 der
Festlegung) nur zu den Nachrichtentypen verhalten, heißt dies nicht, dass für die
Geschäftsprozesse – erneut entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Tenors 1 i.V.m.
Tenor 4 - keine Umsetzungsfristen gelten sollen.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG.
36
IV.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 16.3.2007 gibt dem
Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von
einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474
Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser
Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem
Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof)
einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit
der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des
Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde
muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre
Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, sowie die Tatsachen und Beweismittel
angeben, auf die sich die Rechtsbeschwerde stützt. Rechtsbeschwerdeschrift und -
begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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L. v.R. W.
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