Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.11.2001
OLG Düsseldorf: treu und glauben, reiseveranstalter, schutzwürdiges interesse, recht der europäischen union, allgemeine geschäftsbedingungen, vertragsschluss, unverzüglich, gestaltungsspielraum
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 103/01
Datum:
22.11.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 103/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. März 2001 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert.
Der Beklagten wird untersagt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in
Be-zug auf Reiseverträge die folgende oder dieser inhaltsgleiche
Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender
Verträge auf solche Klauseln zu berufen, soweit der Vertrag nicht mit
einem Unternehmer ge-schlossen wird oder wurde:
"a. gmbh behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung
bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder
der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen-
oder Flughafengebühren oder einer Änderung der für die betreffende
Reise geltenden Wechselkurse, in dem Umfang zu ändern, wie sich de-
ren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt,
sofern zwischen Vertragsschluß und dem vereinbarten Reisetermin
mehr als 4 Monate liegen."
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses
Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise gegen
ihren Ge-schäftsführer zu vollstreckende Ordnungshaft, oder gegen ihren
Geschäfts-führer zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
angedroht.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Hö-he von 50.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten
können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es
gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.
Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 22 a AGBG eingetragen. Die
Beklagte ist als Reiseveranstalterin tätig. In diesem Rahmen verwendet sie regelmäßig
"Reisebedingungen Pauschal-Reisen" (im Folgenden: RBP), die die folgenden
Bestimmungen enthalten:
2
"
4.
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a) ... a. gmbh behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung
bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben
für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung
der für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse, in dem Umfang zu ändern,
wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt,
sofern zwischen Ver-tragsschluß und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4
Monate liegen. Im Fall einer nachträglichen Änderung des Reisepreises oder einer
Änderung einer wesentlichen Reiseleistung setzt a. gmbh den Reisenden
unverzüglich, im Fall der Preiserhöhung spätestens 21 Tage vor Reiseantritt, davon
in Kenntnis. Preiserhöhungen nach diesem Zeitpunkt sind nicht zulässig. Bei
Preiserhöhungen um mehr als 5 % oder im Fall einer erheblichen Änderung einer
wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende berechtigt, ohne Gebühren vom
Reisevertrag zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens
gleichwertigen Reise zu verlangen, wenn a. gmbh in der Lage ist, eine solche Reise
ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. Der Reisende
hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung von a. gmbh über die
Preiserhöhung bzw. Änderung der Reiseleitung dieser gegenüber geltend zu
machen."
4
Der Kläger wendet sich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang mit der
Unterlassungsklage nach § 13 AGBG gegen diese Klausel. Er hat geltend gemacht, §
651 a Abs. 3 und 4 AGBG enthalte weder eine abschließende Regelung für
nachträgliche Reisepreiserhöhungen noch eine Erlaubnisnorm, so dass die
beanstandete Formularbestimmung auch nach den Maßstäben der §§ 9 ff. AGBG zu
beurteilen sei. § 8 AGBG stelle sie nicht von der Inhaltskontrolle frei, weil sie sich nicht
in der Wiedergabe einer gesetzlich zugelassenen Vereinbarung erschöpfe, sondern
über diesen Rahmen hinaus auf eine Erweiterung der Rechte der Beklagten gerichtet
sei. Die Inhaltskontrolle führe gemäß § 10 Nr. 4 AGBG zur Unwirksamkeit der Klausel,
weil diese keine der Möglichkeit einer Preiserhöhung entsprechende Verpflichtung zur
Preissenkung enthalte, wenn die bezeichneten Kosten des Reiseveranstalters sich
ermäßigten. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni
1990 über Pauschalreisen - 90/314/ EWG - (ABl. EG Nr. L 158 vom 23. Juni 1990, S. 59
ff.; im Folgenden: Pauschalreiserichtlinie) sehe eine solche Verknüpfung vor und sei
vom Bundesgesetzgeber in § 651 a Abs. 3 und 4 BGB insoweit nicht vollständig
umgesetzt worden. Dieser Mangel sei durch eine richtlinienkonforme Anwendung des §
10 Nr. 4 AGBG zu beheben. Zudem überschreite die Bestimmung die Grenzen des §
651 a Abs. 3 BGB, belaste den Kunden weitgehend mit dem unternehmerischen Risiko
und benachteilige ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§
9 Abs. 1 AGBG), weil sie Preiserhöhungen auch aufgrund von Umständen zulasse, die
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zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bekannt oder erkennbar gewesen seien.
Das verstoße zugleich gegen das Gebot, Preisänderungen unverzüglich nach Kenntnis
von dem Änderungsgrund mitzuteilen (§ 651 a Abs. 4 Satz 1 BGB). Schließlich enthalte
die Klausel keine ausreichenden Angaben zur Berechnung des neuen Preises. Zwar
brauche der Reiseveranstalter in diesem Zusammenhang nicht die Einzelheiten seiner
Kalkulation offen zu legen. Erforderlich sei jedoch die Bezeichnung des ungefähren
Anteils der maßgeblichen Kostenfaktoren am ursprünglichen Reisepreis, des Betrages
der Erhöhung dieser Kostenarten, der Vergleichszeitpunkte und der zum neuen Preis
führenden Rechenschritte. Dem werde die beanstandete Klausel nicht gerecht.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung (unter Ausschluss des
Fortsetzungszusammenhangs, soweit es sich um solche Handlungen handelt,
deren vorsätzliche Begehung der Kläger der Beklagten nachweist) fälligen
Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an
den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, die
nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Bezug auf Reiseverträge zu verwenden, ausgenommen
gegenüber einer Person, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt:
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"a. gmbh behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten
Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für
bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung
der für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse, in dem Umfang zu
ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den
Reisepreis auswirkt, sofern zwischen Vertragsschluß und dem vereinbarten
Reisetermin mehr als 4 Monate liegen.";
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2. es zu unterlassen, sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge auf
die vorstehend aufgeführte Klausel zu berufen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Sie hat die Auffassung vertreten, die beanstandete Klausel unterliege gemäß § 8 AGBG
nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG, weil § 651 a Abs. 3 und 4 BGB die
Zulässigkeit nachvertraglicher Preiserhöhungen abschließend regele und keinen Raum
für abweichende oder gesetzesergänzende Gestaltungen lasse. Jedenfalls handele es
sich um eine Erlaubnisnorm, die die §§ 9 ff. AGBG als Prüfungsmaßstab ausschließe.
Die danach allein zu beachtenden Schranken der §§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB, 11 Nr. 1
AGBG seien gewahrt. Insbesondere sei die Zulässigkeit von Preiserhöhungen weder
nach diesen Bestimmungen noch nach der - nicht unmittelbar anwendbaren -
Pauschalreiserichtlinie an eine korrespondierende Preissenkungsverpflichtung
gebunden, so dass der Bundesgesetzgeber in sachgerechter Weise von seinem
Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht habe und eine "richtlinienkonforme"
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Anwendung des § 10 Nr. 4 AGBG im Sinne der Argumentation des Klägers nicht in
Betracht komme. Im Übrigen werde der Kunde durch die Möglichkeit von
Preiserhöhungen, die sich auf den Anstieg nicht kalkulierbarer Kostenfaktoren
beschränke, angesichts der hohen weiteren Anforderungen nicht unangemessen
benachteiligt. Einer Unterscheidung zwischen vorhersehbaren und unvorhersehbaren
Preisaufschlägen bedürfe es dabei nicht. Auf bekannte Kostensteigerungen sei bei
Vertragsschluss hinzuweisen. Bei ungewissen oder späteren Kostenerhöhungen sei der
Kunde durch das - von der Klausel nicht in Frage gestellte - Gebot der unverzüglichen
Unterrichtung hinreichend geschützt. Schließlich lasse die beanstandete Klausel mit der
Bezugnahme auf die Auswirkungen bestimmter Kostensteigerungen auch den für die
Preiserhöhung relevanten Maßstab erkennen. Weiter gehende Anforderungen liefen auf
eine Offenbarung der Kalkulationsgrundlagen hinaus, an deren Geheimhaltung der
Reiseveranstalter ein ausgeprägtes Interesse besitze.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat § 651 a Abs. 3 und 4 BGB als
abschließende Regelung für nachträgliche Preiserhöhungen bei Reiseverträgen
betrachtet und deshalb die Anwendbarkeit der §§ 9, 10 Nr. 4 AGBG verneint. Auch die
Bezugnahme auf § 11 Nr. 1 AGBG in § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB rechtfertige den
Schluss, dass die übrigen Bestimmungen des AGBG nicht heranzuziehen seien.
Jedenfalls sei § 651 a Abs. 3 BGB als Erlaubnisnorm zu werten, die dem
Reiseveranstalter unter den bezeichneten Voraussetzungen eine nachträgliche
Preiserhöhung gestatte und eine solche Regelung von der Inhaltskontrolle nach den
Maßstäben des AGBG freistelle. Die beanstandete Klausel halte sich in diesem
Rahmen. Eine korrespondierende Preissenkungsverpflichtung sei in § 651 a Abs. 3
BGB, der den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie genüge, ebenso wenig vorgesehen
wie eine Beschränkung des Nachforderungsrechtes auf unvorhersehbare
Kostensteigerungen. Bereits feststehende Mehrkosten kämen dagegen als Grundlage
einer nachträglichen Preiserhöhung nicht in Betracht, weil es insoweit am Erfordernis
einer unverzüglichen Unterrichtung des Kunden fehle. Schließlich enthalte die Klausel
mit dem von ihr bezeichneten Verteilungsmaßstab auch ausreichende Angaben zur
Berechnung des neuen Preises. Weiter gehende Auskünfte über die
Kalkulationsgrundlagen könne der Kunde nicht verlangen.
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Mit der Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, die zur Prüfung gestellte Klausel
unterliege der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 ff. AGBG. § 651 a Abs. 3 und 4 BGB
eröffne dem Reiseveranstalter einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Fragen, ob
und für welche Kostenarten er sich eine Preiserhöhung vorbehalten wolle und wie diese
zu berechnen sei. Damit erfordere das Gesetz eine inhaltliche Konkretisierung, die nach
den Maßstäben des AGBG zu beurteilen sei. Diese Prüfung führe gemäß §§ 9, 10 Nr. 4
AGBG zur Unwirksamkeit der Formularregelung. Zum einen werde der Kunde durch den
Verzicht auf eine nach der Pauschalreiserichtlinie gebotene korrespondierende
Preissenkungsverpflichtung einseitig und unangemessen benachteiligt. Dem sei durch
eine richtlinienkonforme Anwendung des § 10 Nr. 4 AGBG Rechnung zu tragen. Zum
anderen werde ihm durch die Einbeziehung vorhersehbarer und sogar bereits
eingetretener Kostensteigerungen in die Erhöhungsgründe über den gesetzlich
zulässigen Rahmen hinaus das unternehmerische Risiko des Reiseveranstalters
aufgebürdet, während dieser in den Genuss von Kostensenkungen komme. Schließlich
lasse die Formularregelung konkrete Angaben zur Ermittlung des neuen Preises,
insbesondere zur Höhe des ursprünglichen Beförderungs- bzw. Gebührenanteils, zur
Erhöhung dieses Anteils durch den Leistungsträger, zu den Auswirkungen veränderter
Wechselkurse und zum für die Berechnung maßgeblichen Bezugszeitpunkt vermissen.
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Hilfsweise stützt der Kläger seine Klage auf § 22 AGBG, weil die Verwendung der
beanstandeten Klausel ohne Hinweis auf die Verpflichtung zu korrespondierenden
Preissenkungen und ohne Angabe eines genauen Berechnungsmodus gegen die
verbraucherschützenden Bestimmungen des § 651 a Abs. 3 BGB in Verbindung mit der
zugrunde liegenden Pauschalreiserichtlinie verstoße. Ergänzend wiederholt er seinen
Vortrag des ersten Rechtszuges.
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des am 21. März 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts
Düsseldorf die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung (unter Ausschluss des
Fortsetzungszusammenhangs, soweit es sich um solche Handlungen handelt,
deren vorsätzliche Begehung der Kläger der Beklagten nachweist) fälligen
Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an
den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, die
nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in Bezug auf Reiseverträge zu verwenden, ausgenommen
gegenüber einer Person, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt:
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"a. gmbh behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten
Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für
bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren oder einer Änderung
der für die betreffende Reise geltenden Wechselkurse, in dem Umfang zu
ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den
Reisepreis auswirkt, sofern zwischen Vertragsschluß und dem vereinbarten
Reisetermin mehr als 4 Monate liegen.";
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2. es zu unterlassen, sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge auf
die vorstehend aufgeführte Klausel zu berufen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verbleibt dabei, dass § 651 a Abs. 3 und 4 BGB in Verbindung mit § 11 Nr. 1 AGBG
eine abschließende Regelung für nachträgliche Reisepreiserhöhungen enthalte, die
dem Reiseveranstalter keinen Gestaltungsspielraum belasse und eine Inhaltskontrolle
der entsprechenden Klauseln nach § 9 ff. AGBG ausschließe. Eine Ausnahme gelte
allenfalls bezüglich der Bemessungsgrundlage für die Preiserhöhung; im Übrigen
erschöpfe sich die Klausel in der deklaratorischen Wiedergabe des Gesetzestextes. Sie
sei zudem mit den Vorschriften der §§ 9 ff. AGBG vereinbar. Eine korrespondierende
Preissenkungsverpflichtung lasse sich weder aus § 651 a Abs. 3 BGB noch aus der
Pauschalreiserichtlinie herleiten und sei auch nicht Voraussetzung eines
angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Vertragspartnern. Dieser werde
vielmehr durch die zeitlichen Schranken für Preiserhöhungen, die auch eine
ausgewogene Begrenzung für voraussehbare Kostensteigerungen enthielten, sowie
durch das Lösungsrecht und den Anspruch des Kunden auf eine Ersatzreise gewahrt.
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Bei Vertragsabschluss bereits bekannte Kostenanstiege kämen aufgrund des
Erfordernisses einer unverzüglichen Unterrichtung des Kunden ohnehin nicht als
Grundlage einer Preiserhöhung in Betracht. Die beanstandete Klausel stelle schließlich
sicher, dass eine anteilige Reisepreiserhöhung den tatsächlichen Mehrkosten
entspreche. Ein schutzwürdiges Interesse des Kunden an einer weiteren Offenlegung
der Kalkulationsgrundlagen sei nicht anzuerkennen, müsse aber jedenfalls hinter dem
Geheimhaltungsinteresse des Reiseveranstalters zurücktreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge
und die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den
nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
24
1.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25
26
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger ist als qualifizierte
Einrichtung im Sinne der §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 22 a Abs. 1 AGBG berechtigt, gemäß § 13
Abs. 1 AGBG im Wege der Verbandsklage gegen die Verwendung nach §§ 9 bis 11
AGBG unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorzugehen. Da die zur
Überprüfung gestellte Preisänderungsklausel die Vertragspartner der Beklagten
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit
unwirksam ist (§ 9 Abs. 1 AGBG), ist die Beklagte unter Androhung der nach § 890 Abs.
1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen.
27
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Preisänderungsbestimmungen in
Abschnitt 4. lit. a) RBP an den Maßstäben der §§ 9 bis 11 AGBG zu messen. § 8 AGBG
stellt sie nicht von der Inhaltskontrolle frei.
28
a) Die Reisebedingungen Pauschal-Reisen der Beklagten lehnen sich in diesem Punkt
zwar erkennbar an § 651 a Abs. 3 und 4 BGB an. Die Regelung erschöpft sich jedoch
nicht in der Wiedergabe des Gesetzes. Dieses eröffnet vielmehr einen gewissen
Gestaltungsrahmen, in dem der Reiseveranstalter darüber entscheiden kann, ob und
wegen welcher der genannten Kostenarten er sich eine Preiserhöhung vorbehalten will,
und den er hinsichtlich der Berechnung des neuen Preises ausfüllen muss. Damit
kommt der beanstandeten Klausel nicht nur deklaratorischer, sondern
gesetzesergänzender Charakter zu, so dass sie nach Wortlaut und Sinn des § 8 AGBG
grundsätzlich an den Bestimmungen der §§ 9 bis 11 AGBG zu messen ist (vgl. BGHZ
100, 157, 179; BGHZ 106, 42, 45; BGH WM 2001, 1152, 1153; Palandt/Heinrichs, 60.
Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 8).
29
b) Eine Überprüfung nach diesen Maßstäben entfällt auch nicht insoweit, als sich die
Klausel in dem durch § 651 a Abs. 3 und 4 BGB gezogenen Rahmen hält. Gesetzliche
Vorschriften, die eine bestimmte Vertragsgestaltung zulassen, sind im Allgemeinen nicht
als ("kontrollfreie") Erlaubnis- oder Rechtfertigungsnormen anzusehen, die
entsprechende Geschäftsbedingungen von der Inhaltskontrolle freistellen (vgl. BGHZ
30
106, 42, 45; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 34; Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, 4. Aufl., § 8 AGBG Rdnr. 27; Staudinger/Coester, 13. Aufl., § 8
AGBG Rdnr. 38). Das folgt bereits daraus, dass solche Rechtsnormen gleichermaßen
für Individual- und Formularvereinbarungen gelten und damit regelmäßig das besondere
Schutzbedürfnis des Vertragspartners bei der Verwendung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen nicht berücksichtigen (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 8
AGBG Rdnr. 27). Sie sind deshalb grundsätzlich wertungsneutral, im Rahmen der
Inhaltskontrolle also nicht privilegierend (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 8
AGBG Rdnr. 34).
§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB kommt kein weiter gehender Erlaubnischarakter zu. Dafür
bedürfte es besonderer Anhaltspunkte (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 8 AGBG
Rdnr. 27), die hier nicht ersichtlich sind. Im Gegenteil eröffnen der bereits erörterte
Entscheidungsspielraum des Reiseveranstalters und insbesondere die erforderliche
Konkretisierung der Berechnung des neuen Preises eine Vielzahl von
Gestaltungsalternativen, die nicht sämtlich abstrakt als angemessen beurteilt werden
können. § 651 a Abs. 3 und 4 BGB zieht insoweit lediglich einen äußersten Rahmen,
der weder durch Individualvereinbarungen noch durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen zum Nachteil des Kunden überschritten werden darf (§ 651 m
BGB). Innerhalb dieses Rahmens sind Formularklauseln der Inhaltskontrolle anhand der
Klauselverbote der §§ 10, 11 AGBG und der Generalklausel des § 9 AGBG unterworfen,
so dass auch die hier relevante Preisänderungsregelung dieser Prüfung unterliegt (vgl.
AG Kleve RRa 2000, 166, 167 und NJW 2000, 3723, 3724; Brandner in
Ulmer/Brandner/Hensen, Anhang §§ 9 - 11 AGBG Rdnr. 582; Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 9 AGBG Rdnr. R 52; Führich, RRa 2000, 43, 46, NJW 2000,
3672, 3676 und RRa 2001, 59; einschränkend Schmid, NJW 2000, 1301, 1302;
Palandt/Sprau, § 651 a BGB Rdnr. 9 a).
31
Die Verweisung in § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB rechtfertigt keine abweichende
Beurteilung. Sie stellt lediglich klar, dass der bis zum In-Kraft-Treten des § 651 a Abs. 3
und 4 BGB in erster Linie heranzuziehende Prüfungsmaßstab des § 11 Nr. 1 AGBG
durch die Gesetzesänderung nicht - wie im Gesetzgebungsverfahren gefordert (vgl.
Änderungsvorschlag des Ausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus, BT-
Drucksache 12/7334, S. 8; siehe auch Tonner in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 651
a BGB Rdnr. 74; Soergel/Eckert, 12. Aufl., § 651 a Rdnr. 64) - durchbrochen, sondern
nur ergänzt und konkretisiert werden sollte. Der Umkehrschluss, dass eine
Inhaltskontrolle anhand anderer Bestimmungen des AGBG nicht mehr durchzuführen
sei, lässt sich daraus nicht ziehen. Durch die Ergänzung des § 651 a BGB mit Wirkung
vom 1. November 1994 kam der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Umsetzung der
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 über
Pauschalreisen (Pauschal-reiserichtlinie) nach, die ausweislich ihrer Präambel
wesentlich dem Verbraucherschutz dient und strengere nationale Vorschriften zum
Schutz der Verbraucher ausdrücklich zulässt. Entsprechend diesem Zweck beschränkte
sich der Bundesgesetzgeber darauf, die bereits vorhandenen Reiserechtsnormen
anzupassen oder zu ergänzen, soweit sie den Anforderungen der
Pauschalreiserichtlinie nicht genügten. Weiter gehende, nicht durch die Richtlinie
veranlasste Änderungen der §§ 651 a ff. BGB sollten nicht vorgenommen werden (so
ausdrücklich der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie
des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, BT-Drucksache 12/5354, S. 9). Mit
dieser Zielsetzung ist die Annahme, § 651 a Abs. 3 Satz 3 BGB beschränke die
Inhaltskontrolle von Preiserhöhungsklauseln auf den Rahmen des § 11 Nr. 1 AGBG und
32
schließe eine Überprüfung nach den Maßstäben der §§ 9 bis 11 AGBG im Übrigen aus,
nicht vereinbar.
2. Die beanstandete Klausel, die - wie die ausschließliche Anknüpfung an eine
Erhöhung der maßgeblichen Kostenfaktoren zeigt - unter "Preisänderungen" lediglich
Preisanhebungen versteht, ist allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie für
den Fall von Kostenermäßigungen keine Senkung des Reisepreises vorsieht.
33
a) Nach § 651 a Abs. 3 BGB ist das Preiserhöhungsrecht nicht an eine spiegelbildliche
Preissenkungsverpflichtung gebunden, so dass die Formularbedingungen der
Beklagten nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung
abweichen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Eine solche Abweichung lässt sich auch nicht
durch eine "richtlinienkonforme" Auslegung des Gesetzes begründen:
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Gemäß Art. 4 Abs. 4 lit. a) der Pauschalreiserichtlinie dürfen die vertraglich festgelegten
Preise "nicht geändert werden, es sei denn, dass der Vertrag die Möglichkeit einer
Preiserhöhung oder -senkung ausdrücklich vorsieht ...". Damit knüpft die Richtlinie die
Zulässigkeit von Preisänderungen nicht an die kumulative Vereinbarung von
Preiserhöhungen und Preissenkungen (so allerdings Tonner in Münchener Kommentar,
§ 651 a BGB Rdnr. 71; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651 a BGB Rdnr. 64; Tonner
in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band III, A 12, Art. 4
Pauschalreiserichtlinie Rdnr. 27; Führich, RRa 2000, 43, 45 und NJW 2000, 3672,
3674), sondern behandelt beide Möglichkeiten als - jeweils gesondert zu vereinbarende
- Alternativen (vgl. Tempel, TranspR 2000, 297, 298; Bidinger/Müller,
Reisevertragsrecht, 2. Aufl., § 651 a BGB Anm. 31). Diese Formulierung kann nicht mit
dem Hinweis, andernfalls sei die Fassung sinnlos, in eine zwingende Koppelung von
Preiserhöhungsrecht und Preissenkungsverpflichtung umgedeutet werden. Zwar
können die Vertragspartner jederzeit einvernehmlich einen geringeren Preis
vereinbaren. Ein solches Angebot des Reiseveranstalters wird der Kunde regelmäßig
nicht ablehnen, so dass eine besondere Regelung dieses Falles in der Tat wenig
sinnvoll wäre. Angesichts der Zulässigkeit strengerer nationaler Vorschriften ist indes
nicht auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat nachträgliche Preiserhöhungen nur in
Verbindung mit einer korrespondierenden Preissenkungsverpflichtung gestattet.
Deshalb erschien es durchaus sachgerecht, auch diesen Fall in der Richtlinie zu
berücksichtigen und an einheitliche Voraussetzungen zu knüpfen. Ein Wille des Rates,
von sich aus eine solche Koppelung vorzuschreiben, lässt sich daraus nicht ableiten.
35
Die abweichende Auffassung des Klägers lässt sich auch nicht auf die
Entstehungsgeschichte der Pauschalreiserichtlinie stützen. Zwar weisen Tonner (in
Grabitz/Hilf, Band III, A 12, Art. 4 Pauschalreiserichtlinie Rdnr. 27) und Führich (NJW
2000, 3672, 3674) zutreffend darauf hin, dass der ursprüngliche Vorschlag der
Kommission für eine Richtlinie des Rates über Pauschalreisen, darunter auch
Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen vom 23. März 1988 (ABl. EG Nr. C 96
vom 12. April 1988, S. 5 ff.) in der Präambel und in Art. 4 Nr. 4 zunächst nur den Schutz
der Verbraucher vor "ungerechtfertigten Preiserhöhungen" erwähnte und auf
Preissenkungen nicht einging. Entgegen ihrer Darstellung wurde die später
verabschiedete Fassung jedoch nicht bereits durch den geänderten Vorschlag der
Kommission vom 11. Juli 1989 (ABl. EG Nr. C 190 vom 27. Juli 1989, S. 10 ff.)
eingeführt. In Art. 4 Nr. 4 lit. c) dieses Entwurfs war als Korrelat für Preiserhöhungen, die
zudem einen Kostenanstieg um mehr als 4 % des vereinbarten Preises voraussetzten
(Art. 4 Nr. 4 lit. a) des Entwurfs), vielmehr ausdrücklich ein in gleicher Weise zu
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berechnender Rückerstattungsanspruch des Ver-brauchers für den Fall vorgesehen,
dass sich die variablen Preisfaktoren um mehr als 4 % zugunsten des
Reiseveranstalters veränderten. Diese Regelung wurde ebenso wie der Schwellenwert
von 4 % des vereinbarten Preises nicht in die Richtlinie vom 13. Juni 1990
übernommen. Es liegt indes fern, dass der Rat diese eindeutige Bestimmung ohne
inhaltliche Änderung durch die unscharfe und missverständliche Formulierung
"Preiserhöhung oder -senkung" ("upward or downward revision") ersetzen wollte, zumal
Preiserhöhungen mit dem Wegfall der Schwelle von 4 % auch im Übrigen erleichtert
wurden.
Bei dieser Sachlage lässt sich bereits der Pauschalreiserichtlinie ein Koppelungsgebot
zwischen Preiserhöhungsrecht und Preissenkungsverpflichtung nicht entnehmen. Damit
scheiden zugleich eine "richtlinienkonforme" Auslegung des § 651 a Abs. 3 BGB oder
eine Anwendung des § 10 Nr. 4 AGBG in diesem Sinne aus.
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b) Das Fehlen einer Preissenkungsregelung führt auch nach den allgemeinen
Maßstäben der §§ 9 Abs. 1, 10 Nr. 4 AGBG nicht zur Unwirksamkeit der beanstandeten
Klausel. Dabei kann dahinstehen, ob § 10 Nr. 4 AGBG überhaupt Änderungen der
Leistungspflicht des Vertragspartners des Verwenders erfasst (so Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 10 Nr. 4 AGBG Rdnr. 7) oder ob die Vorschrift nur die Leistung
des Verwenders betrifft und Änderungen der Gegenleistung - neben § 11 Nr. 1 AGBG -
nach § 9 Abs. 1 AGBG zu bewerten sind (so OLG Köln ZIP 1999, 21, 22; Schmidt in
Ulmer/Brandner/Hensen, § 10 Nr. 4 AGBG Rdnr. 4). Nach beiden Prüfungsmaßstäben
kommt es auf die Zumutbarkeit bzw. die Angemessenheit der Regelung, letztlich also
auf die Frage eines gerechten Interessenausgleichs an, die unabhängig von der
anwendbaren Gesetzesvorschrift nur einheitlich beantwortet werden kann und unter
dem hier erörterten Gesichtspunkt keine durchgreifenden Bedenken gegen die Klausel
begründet:
38
Als Erhöhungsgrund kommen mit Beförderungskosten, Abgaben für bestimmte
Leistungen und Wechselkursänderungen nur Kostenfaktoren in Betracht, die sich
typischerweise dem Einfluss des Reiseveranstalters entziehen und nur begrenzt
kalkulierbar sind. Damit steht der Mehrbelastung des Kunden ein schutzwürdiges
Interesse des Reiseveranstalters gegenüber, sich gegen unerwartete, je nach Ausmaß
möglicherweise existenzgefährdende Entwicklungen abzusichern. Die Interessen des
Kunden werden dabei zunächst durch die zeitlichen Schranken für Preiserhöhungen
geschützt. Die beanstandete Klausel schließt in Übereinstimmung mit §§ 651 a Abs. 3
Satz 2 BGB, 11 Nr. 1 AGBG Erhöhungen von vornhe-rein aus, wenn die Spanne
zwischen dem Vertragsschluss und dem vereinbarten Reisetermin vier Monate nicht
überschreitet oder das Erhöhungsverlangen später als drei Wochen vor Reiseantritt
gestellt wird. In dem verbleibenden Zeitraum kann es nur zu Preiserhöhungen kommen,
wenn die Beklagte die Anpassung "unverzüglich" fordert. Überschreitet die
Preiserhöhung die Schwelle von 5 %, kann der Kunde ohne Gebühren vom Vertrag
zurücktreten oder wahlweise die Teilnahme an einer anderen mindestens
gleichwertigen Reise aus dem Angebot der Beklagten verlangen, wenn diese eine
solche Reise ohne Mehrpreis für den Kunden anbieten kann. Damit sind zum einen die
Erhöhungsmöglichkeiten eng begrenzt und an strenge Voraussetzungen geknüpft. Zum
anderen wird der Kunde durch ein Lösungsrecht vor unzumutbaren Mehrbelastungen
geschützt, wobei die Schwelle mit 5 % des Reisepreises niedrig bemessen ist. Unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen und Risiken gewährleisten bereits diese
Voraussetzungen und Schranken einen angemessenen Interessenausgleich zwischen
39
den Vertragspartnern (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, Anhang §§ 9 - 11
AGBG Rdnr. 586), ohne dass es einer zusätzlichen Preissenkungsverpflichtung bedarf.
Eine solche korrespondierende Verpflichtung brächte dem Kunden zudem keine
greifbaren Vorteile. Mit einem besonders geltend zu machenden Ermäßigungsanspruch
wäre ihm schon deshalb nicht gedient, weil er regelmäßig keinen Einblick in die
Kostenstrukturen des Reiseveranstalters besitzt und sich die erforderlichen Kenntnisse
allenfalls über einen Auskunftsanspruch verschaffen könnte (vgl. auch Tempel, TranspR
2000, 297, 299). Das wäre im Massengeschäft von Pauschalreiseveranstaltern nicht nur
unpraktikabel, sondern stünde regelmäßig auch außer Verhältnis zu den zu
erwartenden Vergünstigungen. Eine automatische Anpassungsverpflichtung könnte
diese Schwierigkeiten zwar vermeiden, hätte jedoch zur Folge, dass der
Reiseveranstalter die maßgeblichen Kostenfaktoren für jede einzelne Reise ständig
beobachten und - mangels eines Schwellenwertes - die Preise u. U. mehrfach anpassen
müsste. Das wäre völlig unwirtschaftlich, stünde im Regelfall ebenfalls außer Verhältnis
zum Ergebnis dieser Überwachung und würde einen Aufwand erfordern, der sich im
Ergebnis kostensteigernd und damit verbraucherfeindlich auswirken dürfte. Bei dieser
Sachlage kann die Annahme eines gerechten Interessenausgleichs nicht von einer der
Erhöhungsmöglichkeit korrespondierenden Preissenkungsregelung abhängen.
40
Seine abweichende Auffassung kann der Kläger schließlich auch nicht auf die
Rechtsprechung zur Konditionenanpassung bei Zinsänderungsklauseln (grund-legend
BGHZ 97, 212, 217 ff.) stützen. Die dafür entwickelten Grundsätze, wonach Klauseln,
die die darlehensgewährende Bank zur Erhöhung des Zinssatzes berechtigen, ohne sie
unter bestimmten Umständen (z. B. bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der
Refinanzierungskonditionen) auch zur Herabsetzung der Zinsen zu verpflichten, den
Darlehensnehmer unangemessen benachteiligen und deshalb unwirksam sind, sind auf
den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Bei Darlehens- und anderen
Finanzierungsverträgen mit variablem Zins handelt es sich regelmäßig um auf längere
Zeit angelegte Dauerschuldverhältnisse, die dadurch geprägt sind, dass sich die
Refinanzierungskonditionen während der Vertragslaufzeit typischerweise - oft mehrfach
- ändern und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Anpassungsbedarf besteht.
Zudem geht es häufig um hohe Beträge, die schon bei moderaten Zinsänderungen zu
spürbaren Mehr- oder Minderbelastungen führen. Deshalb wäre es in der Tat
unangemessen, der Bank zwar ein Anpassungsrecht bei steigenden Zinssätzen
einzuräumen, eine entsprechende Entlastung des Darlehensnehmers bei gegenläufiger
Entwicklung jedoch in ihr Ermessen zu stellen. Pauschalreiseverträge haben dagegen
die einmalige Erbringung eines Leistungspaketes in regelmäßig überschaubarer Zeit
nach dem Vertragsschluss zum Gegenstand, so dass es nur ausnahmsweise zu nicht
vorhersehbaren Kostenentwicklungen kommen und sich nur selten ein nennenswerter
Anpassungsbedarf ergeben wird. Die wirtschaftlichen Auswirkungen erreichen
regelmäßig nicht annähernd die bei Finanzierungsverträgen übliche Größenordnung.
Damit treten andere tatsächliche Gesichtspunkte in den Vordergrund, die einer
Übertragung der erörterten Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt
entgegenstehen. Da § 11 Nr. 1 AGBG schließlich ebenfalls keine korrespondierende
Preissenkungsverpflichtung vorsieht und eine solche Verknüpfung in Rechtsprechung
und Literatur auch im Übrigen nicht generell gefordert wird (vgl. Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 51), ist die Preisänderungsklausel der
Beklagten in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden.
41
3. Entgegen der Auffassung des Klägers gestattet die Klausel auch keine
42
nachträglichen Preiserhöhungen wegen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits
eingetretener oder hinreichend konkretisierter Kostensteigerungen. Eine
unangemessene Benachteiligung des Kunden (§ 9 Abs. 1 AGBG) oder eine mit
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbarende
Erweiterung der in § 651 a Abs. 3 BGB abschließend (§ 651 m BGB) geregelten
Anpassungsmöglichkeiten ist bei sachgerechter Auslegung insoweit nicht feststellbar.
Der Inhalt einer im Rahmen der Verbandsklage zu überprüfenden Klausel ist
erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Bei Mehrdeutigkeit ist
grundsätzlich von der kundenfeindlichsten Alternative auszugehen, um dem Verwender
die Möglichkeit zu nehmen, sich etwa außergerichtlich gegenüber seinem
Vertragspartner mit Erfolg auf eine denkbare, nach den §§ 9 ff. AGBG jedoch
unwirksame Klauseldeutung zu berufen (vgl. BGHZ 95, 350, 353; BGH NJW 1993,
1133, 1135; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 AGBG Rdnrn. 6 und 33; Hensen in
Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 AGBG Rdnr. 10; Lindacher in Wolf/Horn/ Lindacher, § 13
AGBG Rdnr. 33; Palandt/Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9; alle m.w.N.). Diese Betrachtung
setzt jedoch voraus, dass bei vernünftiger Auslegung aus der Sicht der typischerweise
beteiligten Verkehrskreise tatsächlich Zweifel am Inhalt der Klausel verbleiben. Völlig
fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des
Rechtsverkehrs ernstlich nicht zu befürchten ist, rechtfertigen dagegen kein
Klauselverbot (vgl. BGHZ 91, 55, 61; BGH NJW 1993, 1133, 1135; BGH NJW 1994,
1798, 1799; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 AGBG Rdnr. 26; Lindacher in
Wolf/Horn/Lindacher, § 13 AGBG Rdnr. 34; Palandt/ Heinrichs, § 5 AGBG Rdnr. 9).
43
Nach diesen Maßstäben lässt die beanstandete Klausel die vom Kläger vertretene
Ausdeutung nicht zu. Zwar lassen die Begriffe der "Erhöhung" bzw. "Änderung" von
Kosten, die die Fortentwicklung eines Sachverhalts über eine gewisse Zeitspanne
umschreiben, nicht eindeutig erkennen, ob sie an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses
oder an den der Preisbildung anknüpfen. Damit erfasst die Formulierung nach dem
Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung zunächst auch vorvertragliche
Kostensteigerungen. Die beanstandete Klausel verpflichtet die Beklagte jedoch
andererseits, den Kunden "unverzüglich" von Preiserhöhungen zu unterrichten.
Kostensteigerungen vor Vertragsschluss könnte sie indes schon bei der ursprünglichen
Vereinbarung berücksichtigen; redlicherweise müsste sie sie zu diesem Zeitpunkt auch
geltend machen. Einem späteren Erhöhungsverlangen stünde damit Satz 2 der zur
Prüfung gestellten Formularbestimmung (Abschnitt 4. lit. a) Satz 6 RBP) entgegen. Die
Bezugnahme der Klausel auf die "ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten
Preise" ändert daran nichts. Sie verdeutlicht lediglich, dass die Katalogpreise
grundsätzlich auch dann noch angehoben werden können, wenn sie dem Kunden
bereits bestätigt wurden. Die Auslegung des Klägers, die ausgeschriebenen und die
bestätigten Preise seien zwingend identisch, sowie die daraus gezogene
Schlussfolgerung, bei Vertragsschluss bereits eingetretene und bekannte
Kostensteigerungen seien erst im Rahmen nachträglicher Preiserhöhungen geltend zu
machen und das Erfordernis der "unverzüglichen" Unterrichtung des Kunden werde
insoweit eingeschränkt, liegen dagegen derart fern, dass sie auch im Rahmen einer
kundenfeindlichen Auslegung außer Betracht bleiben müssen.
44
Allerdings kann der Kunde durch eine nachträgliche Preiserhöhung auch dann
unangemessen benachteiligt werden, wenn die dafür maßgeblichen
Kostensteigerungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht eingetreten,
jedoch bereits konkret voraussehbar waren (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1
45
AGBG Rdnr. 41; Staudinger/Coester-Waltjen, § 11 AGBG Rdnr. 21; Führich, RRa 2000,
43, 47 und NJW 2000, 3672, 3676). Grundsätzlich fallen die mit der geschuldeten
Leistung verbundenen Aufwendungen in das Kalkulationsrisiko des Reiseveranstalters.
Die durch § 651 a Abs. 3 BGB eröffnete Möglichkeit, Kostensteigerungen auf den
Kunden abzuwälzen, rechtfertigt sich allein daraus, dass der Reiseveranstalter die in
Betracht kommenden Kosten typischerweise nicht beeinflussen und demgemäß auch
nur beschränkt in seiner Kalkulation berücksichtigen kann. Nur unter diesem
Gesichtspunkt führen die in den §§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB, 11 Nr. 1 AGBG
vorgesehenen Schranken zu einem gerechten Interessenausgleich. Dieser ist nicht
mehr gewahrt, wenn der Reiseveranstalter die Kostensteigerungen bereits hinreichend
konkret absehen und deshalb in die ursprüngliche Preisvereinbarung einbeziehen
konnte. Andererseits kann nicht jede sich vage abzeichnende Kostenerhöhung eine
spätere Preisanhebung ausschließen. Abgesehen von Abgrenzungsschwierigkeiten
würde der Reiseveranstalter dadurch gezwungen, mögliche Kostensteigerungen bereits
vorsorglich in der Preisgestaltung vorwegzunehmen. Das hätte im Ergebnis
preistreibende Wirkung und läge damit nicht im Interesse des Verbrauchers. Ein
Ausschluss voraussehbarer Mehrkosten als Preiserhöhungsgrund kommt deshalb nur
für konkret und bestimmt absehbare Steigerungen in Betracht (vgl. Wolf in
Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 41; Schmid, NJW 2000, 1301, 1302). Dafür
reicht die allgemeine Kenntnis des Reiseveranstalters von steigenden Kerosinpreisen
nicht aus, solange die beauftragte Fluggesellschaft daraus keine Konsequenzen
gezogen hat und die aus einer einseitigen oder vertraglichen Preisanpassung
entstehenden Mehrkosten nach Zeitpunkt und Höhe nicht bekannt sind (so auch
Schmid, NJW 2000, 1301, 1302 f.; a. A. wohl Führich, RRa 2000, 43, 46 und NJW 2000,
3672, 3676).
Von diesem Ausgangspunkt trifft die beanstandete Klausel auch ausreichende
Vorkehrungen gegen Preiserhöhungen aufgrund bei Vertragsschluss voraussehbarer
Kostensteigerungen. Waren diese bereits hinreichend bestimmt, konnten sie bei der
ursprünglichen Preisgestaltung berücksichtigt werden. Ein nachträgliches
Preiserhöhungsverlangen wäre dann nicht mehr "unverzüglich" angebracht und damit
unzulässig. Standen Zeitpunkt und Umfang des Kostenanstiegs dagegen noch nicht
fest, bestehen gegen eine Preisanpassung unter den - inhaltsgleich in die beanstandete
Klausel übernommenen - Voraussetzungen der §§ 651 a Abs. 3 und 4 BGB, 11 Nr. 1
AGBG keine durchgreifenden Bedenken.
46
4. Die zur Prüfung gestellte Formularbestimmung enthält indes keine hinreichend
genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises (§ 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB). Der
Beklagten verbleibt damit ein Gestaltungsspielraum, der vom Zweck des Gesetzes nicht
mehr gedeckte, mit einem gerechten Interessenausgleich nicht zu vereinbarende
Berechnungsmöglichkeiten einschließt. Dadurch wird der Kunde entgegen den Geboten
von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, so dass die
Preisanpassungsklausel im Ergebnis gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.
47
a) Welche Anforderungen an die von § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB geforderten "ge-nauen
Angaben zur Berechnung des neuen Preises" zu stellen sind, ist im Einzelnen streitig.
Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des
Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen soll es ausreichen, "wenn hinsichtlich der
genannten Erhöhungsgründe allgemein deutlich wird, wie sich eine den
Reiseveranstalter treffende Kostensteigerung für den Reisenden auswirken wird, wobei
zu berücksichtigen ist, dass gerade die erhöhte Kostenbelastung des Reiseveranstalters
48
ursächlich für den von dem Reisenden verlangten Mehrbetrag sein muss" (BT-
Drucksache 12/5354, S. 9; ebenso Bechhofer, Reisevertragsrecht, § 651 a BGB Anm. E.
I.). Das soll der Reiseveranstalter "im Streitfall hinsichtlich einer konkret erfolgten
Preiserhöhung darzulegen und zu beweisen" haben (BT-Drucksache 12/5354, S. 9).
Eckert (Soergel/Eckert, § 651 a BGB Rdnr. 61) und Führich (RRa 2000, 43, 45 und NJW
2000, 3672, 3675; ähnlich RRa 2001, 59, 60) verlangen übereinstimmend, dass der
Reisende zumindest nachvollziehbare Angaben erhalten müsse, die ihm die Prüfung
ermöglichen, ob die Preiserhöhung auch in der geforderten Höhe berechtigt ist. In
vergleichbarer Weise stellt Sprau (Palandt/Sprau, § 651 a BGB Rdnr. 7 a) darauf ab, ob
der Reisende in der Lage ist, im Falle einer den Reiseveranstalter treffenden
Kostenmehrbelastung nachzuvollziehen, wie sich diese auf den konkreten Reisepreis
auswirkt. Das Amtsgericht Kleve (RRa 2000, 166 und NJW 2000, 3723) hält eine "-
wenn auch allgemeine - Beschreibung des Berechnungsweges für die Erhöhung der
betroffenen Kostenposition" für erforderlich, während Bidinger/Müller (§ 651 a BGB
Anm. 28) von einer zulässigen Klausel erwarten, "den Weg aufzuzeigen, wie sich die
jeweilige Kostenmehrbelastung des Reiseveranstalters für ... (den Kunden) auswirkt".
Nach Auffassung von Schmid (NJW 2000, 1301, 1304) soll es sogar genügen, "wenn
der Reiseveranstalter darlegt, dass gerade die vom Leistungsträger geforderten
Mehrkosten (alleinige) Ursache des vom Reisenden verlangten Mehrpreises sind und
nicht der nachträglichen Gewinnerhöhung dienen sollen". Andererseits verlangt Tonner
(Münchener Kommentar, § 651 a BGB Rdnr. 70 sowie Der Reisevertrag, § 651 a BGB
Rdnr. 63) eine konkrete Darlegung, wie hoch der betroffene Kostenanteil im
ursprünglichen Reisepreis war, um welchen Betrag dieser Anteil durch den
Leistungsträger erhöht und nach welchem Vergleichszeitpunkt der neue Preis ermittelt
wurde. Seiler (Erman/Seiler, 10. Aufl., § 651 a BGB Rdnr. 32) schließt sich dem an, sieht
diese Voraussetzungen indes bereits durch die Formulierung, der Reisepreis sei "in
dem Umfang zu ändern, wie sich ... (die) Erhöhung (der Kosten) pro Person bzw. pro
Sitzplatz" auf ihn auswirke, erfüllt.
b) Bei der Entscheidung der Streitfrage ist zunächst davon auszugehen, dass die
Angaben zur Berechnung des neuen Preises nach dem eindeutigen Wortlaut des § 651
a Abs. 3 Satz 1 BGB bereits in der Preisanpassungsklausel enthalten sein, mithin vorab
abstrakt formuliert werden müssen (vgl. Führich, RRa 2000, 43, 46, NJW 2000, 3672,
3677 und RRa 2001, 59, 60). Das schließt die Bezeichnung konkreter - für jede Reise
unterschiedlicher - Anteile der einzelnen Kostenpositionen am Gesamtpreis oder gar
deren jeweiliger Erhöhung aus. Die Auffassung von Tonner kann damit allenfalls für die
nachträgliche Konkretisierung der Berechnung im Streitfall, nicht jedoch für die
Gestaltung der Preisanpassungsklausel Geltung beanspruchen. Andererseits genügt es
nicht, die Preiserhöhung nach Grund und Höhe lediglich kausal an einen Anstieg der in
Betracht kommenden Kostenpositionen zu knüpfen. Der Kunde muss zwar erkennen
können, dass die Nachforderung des Reiseveranstalters ausschließlich auf
Kostensteigerungen beruht und nicht der Gewinnmaximierung oder dem Ausgleich von
Fehlkalkulationen dient. Darüber hinaus verlangt § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB nach
seinem eindeutigen Wortlaut jedoch "genaue Angaben zur Berechnung des neuen
Preises". Dadurch sollen die Transparenz der neuen Preisbildung gewährleistet und die
Beschränkung der Anhebung auf die den Reiseveranstalter treffenden Mehrkosten
sichergestellt werden. Auch das Erfordernis eines gerechten Interessenausgleichs
zwischen den Vertragspartnern (§ 9 Abs. 1 AGBG) gebietet es, den Kunden nur mit
Preiserhöhungen zu belasten, deren Berechtigung er überprüfen kann. Bereits die
Preisanpassungsklausel muss deshalb die maßgeblichen Berechnungskriterien zur
Ermittlung des neuen Preises benennen und den Kunden in die Lage versetzen, diesen
49
anhand der gegebenenfalls mitzuteilenden Einzelangaben für die betreffende Reise
nach Grund und Höhe nachzuvollziehen. Dazu gehört zumindest die Bezeichnung der
relevanten Kostenpositionen, der für die Berechnung der Kostensteigerung
entscheidenden Bezugszeitpunkte, der für die einzelnen Kostenpositionen
anzuwendenden Verteilungsmaßstäbe und des daran anknüpfenden
Berechnungsweges. Nur auf diese Weise kann verdeutlicht werden, "wie sich eine den
Reiseveranstalter treffende Kostensteigerung für den Reisenden auswirken wird" und
dass "gerade die erhöhte Kostenbelastung des Reiseveranstalters ursächlich für den
von dem Reisenden verlangten Mehrbetrag" ist.
c) Diesen Anforderungen wird die beanstandete Klausel nicht gerecht. Zwar bezeichnet
sie in Übereinstimmung mit § 651 a Abs. 3 Satz 1 BGB die Kostenpositionen, die als
Grundlage einer Preiserhöhung in Betracht kommen. Es fehlt jedoch bereits die Angabe
der Bezugszeitpunkte für die Ermittlung der an den Kunden weiterzureichenden
Kostensteigerungen. Insbesondere bleibt unklar, ob alle seit der Preisbildung oder der
Drucklegung des Prospektes eingetretenen Mehrbelastungen der Beklagten oder nur
diejenigen nach Vertragsschluss mit dem Kunden in die Berechnung einzubeziehen
sind. Im ersten Fall wäre ein gerechter Interessenausgleich zwischen den
Vertragspartnern nicht mehr gewahrt (vgl. LG Berlin RRa 2000, 27 f.; Schmid, NJW
2000, 1301, 1303 f.; Führich, RRa 2000, 43, 46 f., NJW 2000, 3672, 3676 und RRa
2001, 59, 60; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 1 AGBG Rdnr. 41). Die Unklarheit
lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung beheben. Das Gebot der "unverzüglichen"
Unterrichtung des Kunden von Nachforderungen hindert die Beklagte nur, die
Entscheidung über eine Preiserhöhung längere Zeit hinauszuschieben, nicht jedoch, in
eine rechtzeitig mitgeteilte Erhöhung frühere, selbst vorvertragliche Kostensteigerungen
einzuschließen. Damit verbleibt ihr schon im Ansatz ein erheblicher
Gestaltungsspielraum, der sich auch auf unangemessene Berechnungsweisen
erstreckt, während der Kunde weder die möglichen Preiserhöhungen überblicken noch
diese anhand vorgegebener Berechnungskriterien nachvollziehen kann. Schon dies
führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur
Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (so auch AG Kleve RRa 2000, 166,
167 und NJW 2000, 3723, 3724; Führich, RRa 2000, 43, 46 f., NJW 2000, 3672, 3676 f.
und RRa 2001, 59; Kappus in Graf von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Reise- und
Hotelaufnahmebedingungen, Rdnr. 59).
50
Darüber hinaus enthält die Klausel keine ausreichenden Angaben zu den für die
einzelnen Kostenpositionen heranzuziehenden Verteilungsmaßstäben.
Reiseveranstalter buchen bei den Leistungsträgern in der Regel nicht Einzelleistungen
für jede einzelne Pauschalreise, sondern bestimmte - u. U. variable - Kontingente.
Kommt es dabei zu Kostensteigerungen, müssen diese auf die einzelnen
Pauschalreiseverträge umgelegt werden. Zwar liegt es nahe, insoweit den auch der
ursprünglichen Preiskalkulation zugrunde liegenden Maßstab anzuwenden. Dieser ist
dem Kunden aber regelmäßig nicht bekannt. Zudem werden häufig mehrere
Verteilungsmaßstäbe in Betracht kommen. So können erhöhte Beförderungskosten
etwa für jeden einzelnen Transport (Flug, Bahn- oder Schiffsreise, Bustransfer etc.) auf
die jeweiligen Teilnehmer, alternativ aber auch die Gesamtkosten eines
Reiseveranstalters auf alle betroffenen Kunden umgelegt werden. Sie können nach der
Zahl der vom Reiseveranstalter gebuchten Plätze (Gesamtkontingent), aber auch nach
der voraussichtlichen Auslastung verteilt werden, so dass der Reiseveranstalter u. U.
den auf nicht verkaufte Reisen entfallenden Eigenanteil auf die gewonnenen Kunden
verlagern kann. Wechselkursbedingte Mehrkosten für Hotelzimmer, Ferienhäuser etc.
51
lassen sich nach der Zahl der Einheiten, der Kapazität, der tatsächlichen oder
voraussichtlichen Belegung (nach Kopfteilen) oder dem Preisverhältnis umlegen. Dabei
verkennt der Senat nicht, dass Verträge mit ausländischen Hotelbetreibern regelmäßig
als Währungsfestgeschäfte abgeschlossen werden (vgl. Kappus in Graf von
Westphalen, AGB-Klauselwerke, Reise- und Hotelaufnahmebedingungen, Rdnr. 58)
und manche Reiseveranstalter deshalb auf einen Wechselkursvorbehalt in ihren
Preisanpassungsklauseln verzichten (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum
Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13.
Juni 1990 über Pauschalreisen, BT-Drucksache 12/5354, S. 21; siehe auch die im
Parallelverfahren 6 U 30/01 zur Prüfung stehende Klausel). Enthält die Klausel
gleichwohl einen solchen Vorbehalt, muss sie sich indes an den dadurch eröffneten
Möglichkeiten messen lassen. Abschnitt 4 lit. a) RBP begnügt sich zu all diesen Fragen
mit der Bezeichnung zweier Maßstäbe ("pro Person bzw. pro Sitzplatz"), ohne diese
konkreten Kostenfaktoren zuzuordnen und klarzustellen, ob jeweils nur einer dieser
Umlegungsschlüssel in Betracht kommen oder der Beklagten ein Wahlrecht zustehen
soll. Damit verbleibt ihr wiederum ein Gestaltungsspielraum, den sie gegebenenfalls
zum eigenen Vorteil nutzen kann. Der Kunde ist dagegen nicht in der Lage, das
Ergebnis an vorgegebenen Berechnungskriterien zu messen. Auch dies führt zu einer
unangemessenen Benachteiligung und damit zur Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9
Abs. 1 AGBG.
Schließlich ist der Klausel nicht zu entnehmen, auf welchem Berechnungsweg (durch
welche Rechenoperation) der neue Preis ermittelt werden soll. Sie beschränkt sich auf
die Feststellung, dass der Reisepreis in dem Umfang geändert werden kann, wie sich
die Kostensteigerungen auf ihn auswirken. Das zu beantworten ist indes gerade
Aufgabe der "genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises". Dem Kunden
müssen insoweit Kriterien an die Hand gegeben werden, mit deren Hilfe er den ihm
abverlangten Erhöhungsbetrag überprüfen und nachvollziehen kann. Er muss mithin
ersehen können, ob der Reisepreis um den absoluten Betrag der auf die Reise
entfallenden Mehrbelastung erhöht, ob die von der Kostenerhöhung betroffenen
Kalkulationsansätze - gegebenenfalls unter Berücksichtigung bereits einkalkulierter
Sicherheitsmargen - prozentual angehoben oder ob für bestimmte Gruppen von Reisen
einheitliche Pauschalen angesetzt werden sollen. Davon hängt letztlich ab, ob sich die
Preiserhöhung tatsächlich auf den zulässigen, durch die kausale Verknüpfung zwischen
Kostenanstieg und Nachforderung vorgegebenen Rahmen beschränkt. All dies lässt die
beanstandete Klausel offen, so dass nicht nur die Ausfüllung der Berechnungskriterien
durch bestimmte Beträge, sondern auch die Konkretisierung und Prüfung dieser
Kriterien in das Nachforderungsverfahren verlagert wird. Das ist mit § 651 a Abs. 3 Satz
1 BGB, der entsprechende Angaben bereits in der Anpassungsregelung verlangt, nicht
vereinbar, wird dem Erfordernis einer transparenten Preisbildung nicht gerecht und
benachteiligt den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen, so dass die zur Prüfung gestellte Formularbestimmung gemäß § 9 Abs.
1 AGBG unwirksam ist (im Ergebnis ebenso AG Kleve RRa 2000, 166 f. und NJW 2000,
3723; Führich, RRa 2000, 43, 45 f., NJW 2000, 3672, 3675 und RRa 2001, 59 f.; Kappus
in Graf von Westphalen, AGB-Klauselwerke, Reise- und Hotelaufnahmebedingungen,
Rdnr. 59; zweifelnd auch Brandner in Ulmer/ Brandner/Hensen, Anhang §§ 9 - 11 AGBG
Rdnr. 586; a. A. Tempel, TranspR 2000, 297, 298; Bidinger/Müller, § 651 a BGB Anm.
28; Erman/Seiler, § 651 a BGB Rdnr. 32; überwiegend zu der übereinstimmenden
Regelung in Nr. 4 Abs. 4 der Konditionenempfehlung des Deutschen Reisebüro-
Verbandes von 1994 - ARB 1994, BAnz. 1994, 6767 -).
52
5. Bei dieser Sachlage kann der Kläger die Beklagte gemäß § 13 Abs. 1 AGBG auf
Unterlassung in Anspruch nehmen, soweit die beanstandete Klausel nicht gegenüber
einer natürlichen oder juristischen Person oder einer rechtsfähigen
Personengesellschaft, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen
oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer; §§ 13 Abs. 3 AGBG, 14
Abs. 1 BGB), verwendet wird. Die Unterlassungsverpflichtung umfasst auch das Verbot,
sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf die unwirksame Klausel zu berufen
(vgl. BGH NJW 1981, 1511 f.; BGHZ 127, 35, 38; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, §
13 AGBG Rdnr. 27 und § 15 AGBG Rdnr. 7).
53
Auf den Antrag des Klägers sind der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung
zugleich die nach § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel anzudrohen. Diese
Androhung ist auch auf das Verbot, sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf
die unwirksame Klausel zu berufen, zu erstrecken, da diesem Ausspruch im Rahmen
des allgemeinen Verwendungsverbotes nur klarstellende Funktion zukommt (vgl.
Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 AGBG Rdnr. 27 und § 15 AGBG Rdnr. 7) und
der Antrag des Klägers auf Androhung von Ordnungsmitteln damit ohne weiteres auch
diesen Teil des Verbotes einschließt. Die Beurteilung möglicher Verstöße bleibt
dagegen einem etwaigen Verfahren nach §§ 890 f. ZPO vorbehalten. Der Senat sieht
deshalb entgegen der Anregung des Klägers keinen Anlass, sich bereits in der
Androhung erläuternd oder sogar modifizierend zur Frage eines möglichen
Fortsetzungszusammenhanges zu äußern.
54
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55
Gemäß § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO wird die Revision zugelassen, weil der
höchstrichterlich noch nicht entschiedenen, in der Instanzrechtsprechung und der
Literatur kontrovers diskutierten Frage, welche Anforderungen an die - gemäß §§ 651 a
Abs. 3 Satz 1, 651 m BGB zwingenden - Angaben zur Berechnung des neuen Preises in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu stellen sind, grundsätzliche Bedeutung
zukommt und die Entscheidung des Rechtsstreits von dieser Frage abhängt.
Preisanpassungsklauseln nach § 651 a Abs. 3 und 4 BGB werden bundesweit von allen
größeren Reiseveranstaltern verwendet. Es besteht deshalb ein erhebliches Bedürfnis,
ihre Wirksamkeit unter dem genannten Gesichtspunkt im Rahmen der vorliegenden
Verbandsklage zu klären.
56
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 5.000,00 DM festgesetzt (vgl. Hensen
in Ulmer/Brandner/Hensen, § 15 AGBG Rdnr. 33 m.w.N.).
57
Die Beschwer der Beklagten liegt unter 60.000,00 DM.
58