Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.07.2010
OLG Düsseldorf (gkg, wert, beendigung, vergütung, gerichtskosten, beschwerde, rechtsverordnung, berechnung, justiz, gesetz)
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 W 60/10
Datum:
27.07.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-10 W 60/10
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss der 6.
Zi-vilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 08.04.2010 abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des
Amts-gerichts Wuppertal vom 24.02.2010 – Rechtspflegerin – wird
zurückgewie-sen.
Die Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Kosten werden
nicht erstattet.
I.
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Die weitere Beschwerde der Landeskasse vom 23.04.2010 (Bl. 446 GA) gegen den
Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 08.04.2010 (Bl. 440ff
GA) ist gemäß § 66 Abs. 4 GKG zulässig. Sie erweist sich als begründet. Zu Recht
beanstandet die Landeskasse, dass auf die Beschwerde des Insolvenzverwalters der
Kostenansatz des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.12.2009 (Bl. II GA) aufgehoben und
der Kostenbeamte angewiesen worden ist, die Gebühren gemäß GKG KV-Nrn. 2310
und 2320 nach einem Wert von EUR 277.149,33 (statt EUR 487.448,99) zu berechnen.
Entgegen der Auffassung des Insolvenzverwalters und des Landgerichts ist der erfolgte
Kostenansatz rechtlich nicht zu beanstanden. Dort ist zutreffend ein Massewert von
EUR 487.448,99 zu Grunde gelegt, wie er im Schlussbericht des Insolvenzverwalters
vom 10.11.2009, dort unter Ziff. II (Bl. 312 ff GA) ausgewiesen ist.
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Die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung und die Durchführung des
Insolvenzverfahrens werden gemäß § 58 Abs. 1 GKG nach dem Wert der
Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Eine Legaldefinition
der Insolvenzmasse enthält der durch §§ 36, 37 InsO konkretisierte § 35 InsO. Es ist das
gesamte dem Schuldner gehörende Vermögen zuzüglich des von ihm während des
Verfahrens erlangten Vermögens einschließlich der Früchte, Nutzungen und Zinsen.
Führt der Insolvenzverwalter ein Geschäft des Schuldners weiter, ist dieses Geschäft
nach seinem Wert zu berücksichtigen und nicht lediglich der nach Abzug der
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Geschäftsausgaben verbleibende Einnahmeüberschuss (vgl. Meyer, GKG, 11. Aufl., §
58 Rn. 3 GKG).
Der Senat folgt nicht der vom Landgericht vertretenen Auffassung, dass nach dem
Willen des Gesetzgebers der Berechnung der Gerichtsgebühren und der
Verwaltervergütung derselbe in § 1 InsVV konkretisierte Wert zugrunde gelegt werden
sollte. Ein solcher Wille kann weder den entsprechenden Normen (§ 58 GKG, §§ 63, 65
InsO) noch den Gesetzesmaterialien entnommen werden.
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Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist grundsätzlich nach dem Wert der
Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens zu berechnen, § 63
Abs. 1 S. 2 InsO. Der Gesetzgeber hat allerdings durch die Ermächtigung in § 65 InsO
das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, die Vergütung des Insolvenzverwalters
durch Rechtsverordnung näher zu regeln, was durch die InsVV vom 19.08.1999 erfolgt
ist, die wie die InsO (vgl. Art. 110 Abs. 1 EGInsO) zum 01.01.1999 in Kraft getreten ist. §
1 Abs. 1 InsVV knüpft an den Wert der Insolvenzmasse an, § 1 Abs. 2 InsVV enthält
weitergehende Bestimmungen für die maßgebliche Masse, namentlich für:
Massegegenstände, die mit Aussonderungsrechten belastet sind (Nr. 1), für
abgefundene Aus- und Absonderungsrechte (Nr. 2) und für Forderungen, denen eine
Gegenforderung gegenübersteht (Nr. 3); Kosten des Insolvenzverfahrens und sonstige
Masseverbindlichkeiten werden grundsätzlich nicht abgesetzt, Ausnahmen hiervon
gelten gemäß Nr. 4 aber für die Vergütung wegen besonderer Sachkunde (a) und für
den Fall der Fortführung des Unternehmens, in dem lediglich der Überschuss zu
berücksichtigen sein soll (b). Der Regelungsgehalt des § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV stellt
sich damit als Ausnahme dar und verringert den "Wert der Insolvenzmasse".
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Die Gerichtskosten sind ebenfalls nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der
Beendigung des Insolvenzverfahrens zu berechnen, § 58 Abs. 1 S. 1 GKG. Es gibt keine
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die durch den Verordnungsgeber
vorgenommene Einschränkung des § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV auch im Rahmen des § 58
Abs. 1 GKG berücksichtigt wissen will. Der Gesetzgeber hat weder im
Gesetzgebungsverfahren einen entsprechenden Willen bekundet noch nach Erlass der
InsVV eine § 1 Abs. 2 Nr. 4 b entsprechende Ausnahmeregel für den Fall der
Betriebsfortführung in § 58 Abs. 1 GKG aufgenommen.
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Das Landgericht stützt sich auf die Begründungen des Entwurfs eines
Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO) der Bundesregierung vom
24.11.1992 (BT-Drucks. 12/3803, S. 72), in der es ausdrücklich heißt: "Für das
einheitliche Insolvenzverfahren soll der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der
Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein, für die Erhebung der Gerichtskosten
ebenso wie für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters." Diese
Begründung zielt jedoch in erster Linie auf die nunmehr nach dem Gesetz einheitlich
vorgesehene Bezugsgröße für die Berechnung der Gerichtskosten und die
Insolvenzverwaltervergütung ab.
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Bis zum Inkrafttreten der EG InsO zum 01.01.1999 waren die Gerichtsgebühren für das
Vergleichsverfahren nach dem Betrag der Aktiven zur Zeit der Antragstellung zu
erheben (§ 36 GKG a.F.) und die Gebühren für das Konkursverfahren nach dem Betrag
der Aktivmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens (§ 37 GKG a.F.). Für das ab
01.01.1999 durch die InsO neu geregelte einheitliche Insolvenzverfahren sollte der Wert
der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein.
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Bis zum Inkrafttreten der InsO zum 01.01.1999 bestimmte sich die Vergütung des
Verwalters gemäß § 85 Abs. 2 KO nach den Anordnungen der Landesjustizverwaltung.
Nach § 74 des Entwurfs einer Insolvenzordnung der Bundesregierung vom 15.04.1992
(RegE InsO 1992, BT-Drucks. 12/2443, zu § 74, S. 130) und dem später Gesetz
gewordenen § 63 InsO sollte nunmehr der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der
Beendigung des Insolvenzverfahrens maßgeblich sein. In der Begründung des
Gesetzgebers wird hervorgehoben, dass die Einheitlichkeit des neuen
Insolvenzverfahrens eine einheitliche Berechnungsgrundlage und eine einheitliche
Vergütungsstruktur für den Konkurs- und Vergleichsverwalter notwendig mache.
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Für die Insolvenzverwaltervergütung hat der Gesetzgeber in § 65 InsO das
Bundesministerium der Justiz ermächtigt, nähere Regelungen durch Rechtsverordnung
zu treffen, um die Vergütungsregelungen einfacher späteren Änderungsbedürfnissen
anpassen zu können. Damit hat er in Kauf genommen, dass möglicherweise auch der
für die Vergütungsberechnung maßgebliche Bezugswert modifiziert wird. Zugleich hat
er aber weder in der EGInsO zur Änderung des GKG noch später zum Ausdruck
gebracht, dass eine Modifizierung des Bezugswertes für die
Insolvenzverwaltervergütung durch Rechtsverordnung auch den Bezugswert für die
Gerichtskosten beeinflussen soll.
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III.
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Der Kostenausspruch folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.
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