Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.05.2002

OLG Düsseldorf: negative feststellungsklage, gerichtsbarkeit, verjährung, zwangsvollstreckung, meinung, beschwerdekammer, rechtsschutz, vollstreckbarkeit, prozessvoraussetzung, erfüllung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 8/02
Datum:
28.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 8/02
Vorinstanz:
Landgericht Kleve, 2 O 360/01
Tenor:
Auf die Berufung des Erstbeklagten wird das am 12. Dezember 2001
ver-kündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage als
unzulässig.
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1.
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Zwar ist dem Erstbeklagten zuzugeben, dass der Senat an einer Prüfung der
Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 17 a Abs. 5 GVG gehindert ist.
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In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, dass im Verhältnis
zwischen freiwilliger Gerichtsbarkeit und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit die §§ 17
bis 17 b GVG entsprechend anwendbar sind. Die Unterschiede der beiden
Verfahrensarten rechtfertigen es, Kompetenzkonflikte zwischen ihnen wie
Rechtswegstreitigkeiten zu behandeln (BGH NJW 2001, 2181; BGHZ 115, 275, 284).
Dies gilt uneingeschränkt, soweit es um die sogenannten echten Streitverfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit geht (vgl. BGHZ a. a. O.), also um die Verfahren, in denen
das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell rechtskräftig über subjektive Rechte
zwischen den Beteiligten entscheidet, die sich im entgegengesetzten Interesse
gegenüberstehen. Gleiches gilt für Antragsverfahren, zu denen das
Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO gehört (BGH NJW 2001, 2181). Auf der
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anderen Seite wird die analoge Anwendung des § 17 a GVG einheitlich abgelehnt,
soweit es um Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geht.
Es mag davon ausgegangen werden, dass den Amtsverfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit eine Anwendung von § 17 a GVG entgegensteht. Solche Gründe finden
sich indessen nicht für das Verfahren der Notarkostenbeschwerde. Bei ihm handelt es
sich typischerweise um ein Antragsverfahren, mit dem Ziel, eine streitige
Kostenrechnung des Notars gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar nimmt der Notar
auch in diesem Verfahren nicht die Stelle eines Beschwerdegegners oder eines
sonstigen Verfahrensbeteiligten ein, sondern diejenige einer ersten Instanz. Deshalb ist
für die Anfechtung der Kostenrechnung des Notars sogleich die Beschwerde zu den
Landgerichten gegeben. Ungeachtet dessen ist aber dem Notar in diesen
Beschwerdeverfahren nach § 156 KostO die Stellung eines Verfahrensbeteiligten
einzuräumen, weil er durch die angestrebte Abänderung der Kostenrechnung in
eigenen Rechten beeinträchtigt würde. In diesem Rahmen steht ihm auch das
Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 156 Abs. 2 KostO zur Verfügung. Diese
Umstände machen das vorliegende Verfahren zu einem so genannten echten
Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (ebenso KG DNotZ 1973, 42; ZZP 1973,
441 m. Anm. Grunsky). Dabei soll keineswegs übersehen werden, dass die
Einwendungen gegen die Kostenberechnung nach § 156 Abs. 1 S. 1 KostO im Wege
der Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung geltend zu machen
sind. Denn es ist anerkannt, dass die Beschwerdekammer des Landgerichts die zur
Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen von
Amts wegen zu veranlassen und die ihm notwendig und geeignet erscheinenden
Beweise von Amts wegen gemäß § 12 FGG zu erheben hat (vgl. OLG Frankfurt/Main
MDR 1997,686; Schleswig DNotZ 1985, 480; Korintenberg/Ackermann/Lappe,
Kostenordnung, § 156 Rn. 47; Hartmann, Kostengesetze 31. Aufl., § 156 KostO Rn. 25).
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Gemäß § 17 a Abs. 5 GVG ist der Senat gehindert, die Zulässigkeit des Rechtswegs zu
prüfen und abweichend vom Urteil des Landgerichts zu verneinen. Zwar setzt § 17 a
Abs. 5 GVG nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Verfahrensgrundsätze des § 17
a GVG eingehalten werden (BGHZ 120, 204; NJW 1994, 387). Davon ist hier aber
auszugehen. Das Landgericht hatte nämlich keine Veranlassung, eine
Vorabentscheidung nach § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG zu treffen, weil die Beklagten die
Zulässigkeit des Rechtswegs im erstinstanzlichen Verfahren nicht gerügt hatten. Auch
wenn die Beklagten dort unter anderem auf § 156 KostO Bezug genommen hatten,
konnte diesem Vorbringen selbst im Wege der Auslegung nicht eine Rüge der
Zulässigkeit des Rechtswegs entnommen werden. Denn die Beklagten erörterten
ausschließlich die Frage, ob die Einrede der Verjährung eine Einwendung gegen die
Kostenberechnung im Sinne von § 156 Abs. 1 KostO darstellte. Erstmals mit der
Berufungsbegründung hat der Erstbeklagte auch geltend gemacht, dass der ordentliche
Rechtsweg für alle Ansprüche nach der Kostenordnung ausgeschlossen sei. Hat aber
das erstinstanzliche Gericht durch Urteil den Zivilrechtsweg konkludent bejaht, in dem
es durch Endentscheidung im übrigen der Klage stattgegeben hat, muss es dabei sein
Bewenden haben (vgl. BGH NJW 1994, 387).
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2.
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Die Vollstreckungsabwehrklage ist indessen, wie der Erstbeklagte zutreffend ausgeführt
hat, unzulässig.
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a)
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Für Einwendungen gegen Kostenrechnungen der Notare ist die
Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung von § 767 ZPO, der
unmittelbar nur durch Urteil titulierte Ansprüche betrifft, ein nicht statthafter Rechtsbehelf.
Über § 795 ZPO scheidet eine Anwendung von § 767 ZPO schon deshalb aus, weil die
notarielle Kostenberechnung im Sinne von § 154 KostO nicht zu den sonstigen
Vollstreckungstiteln im Sinne von § 794 Abs. 1 ZPO zählt (vgl. Korintenberg a. a. O.. Vor
§§ 154-157 Rn. 6). Die Notarkostenrechnung stellt keinen Kostenfestsetzungsbeschluss
nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dar, weil es sich dabei um eine gerichtliche, wenn auch
nicht richterliche, Entscheidung handeln muss. Es liegt aber auch keine mit dem
Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbare Entscheidung im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr.
3 ZPO vor. Auch wenn dies im weitesten Sinne zu verstehen ist (vgl. nur Thomas/Putzo,
ZPO, § 794 Rn. 43 m. w. N.), fallen unter diesen Abschnitt nur gerichtliche
Entscheidungen, nicht aber notarielle Handlungen wie die Kostenberechnung.
Schließlich scheidet auch die Anwendung von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aus, weil es sich
bei der Kostenberechnung nicht um eine von dem deutschen Notar aufgenommene
Urkunde handelt und sich der Kostenschuldner darin auch nicht wegen der
Kostenforderung der Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
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Eine analoge Anwendung der §§ 794, 795 ZPO kommt nicht in Betracht. Daran wäre
allenfalls zu denken, wenn eine planwidrige Regelungslücke vorläge. Das ist indessen
nicht der Fall. Denn nach § 156 Abs. 1 KostO sind Einwendungen gegen die
Kostenberechnung einschließlich solcher gegen die Zahlungspflicht und die Erteilung
der Vollstreckungsklausel im Wege der Beschwerde geltend zu machen. § 156 KostO
weist die Entscheidung über solche Einwendungen gegen die Kostenrechnung des
Notars einem besonders geregelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur
ausschließlichen Zuständigkeit zu und schließt damit eine Entscheidung über
denselben Gegenstand im Zivilprozess aus (BGH MDR 1988, 313, 314; 1967, 207). So
ist im Verfahren nach § 156 KostO selbst dann zu entscheiden, wenn über Notarkosten
für die Beurkundung eines Vertrages gestritten wird, der auf Grund mangelhafter
Belehrung durch den Notar geschlossen sein soll, so dass die Nichterhebung der
Kosten nach den §§ 140, 141 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 S. 1 KostO in Betracht
kommt (BGH MDR 1988, 314).
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Dementsprechend ist eine negative Feststellungsklage gegen die durch eine
Notarkostenrechnung begründete Zahlungspflicht als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH
a. a. O.). Gleiches gilt für die im allgemeinen nach § 767 ZPO geltend zu machenden
Einwendungen (OLG Oldenburg MDR 1997, 394; MüKo/K.Schmidt, ZPO 2. Aufl. § 767
Rn. 34; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 60. Aufl. Rn. 16). Ausgenommen davon
ist nur der hier nicht zu entscheidende Fall einer Aufrechnung des Kostenschuldners mit
verfahrensfremden Gegenforderungen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg ZPO 21. Aufl. § 767
Rn. 58 unter Hinweis auf KG ZZP 86, 441).
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Entsprechende Einwendungen hat die Klägerin mit der Erfüllung (im zweiten Rechtszug
ist dieser Einwand von ihr fallen gelassen worden) und der Verjährung geltend gemacht.
Dabei handelt es sich um typische materiellrechtliche Einwendungen (vgl. Zöller/Herget,
ZPO § 767 Rn. 12).
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b)
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Im übrigen fehlt der Klägerin für die Vollstreckungsgegenklage auch das
Rechtsschutzbedürfnis als allgemein anerkannte, ungeschriebene
Prozessvoraussetzung. Es ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis bei
Leistungsklagen ausnahmsweise fehlt, wenn der Kläger kein Urteil braucht, weil er das
gleiche Ziel auf wesentlich einfacherem und billigerem Wege erreichen kann (vgl. nur
Zöller a. a. O. Vor § 253 Rn. 18 b m. w. N.). Gleiches gilt für das Verhältnis der
Notarkostenbeschwerde nach § 156 KostO und die Vollstreckungsgegenklage nach §
767 ZPO. Denn bei der Notarkostenbeschwerde handelt es sich um das einfachere und
billigere Verfahren zur Überprüfung von materiellrechtlichen Einwendungen des
Kostenschuldners. Außerdem ist auch der einstweilige Rechtsschutz des
Kostenschuldners nicht verkürzt. So wie gemäß § 769 ZPO die einstweilige Einstellung
der Zwangsvollstreckung durch das Prozessgericht angeordnet werden kann, kann dies
nach allgemeiner Meinung auch die Beschwerdekammer des Landgerichts gemäß §
572 Abs. 3 ZPO a. F. (§ 570 Abs. 3 n. F.) tun (vgl. OLG Hamm, Rechtspfleger 1973, 441;
Hartmann, a. a. O. § 156 KostO, Rn. 32).
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Zur Zulassung der Revision besteht kein gerechtfertigter Anlass gemäß § 543 Abs. 2
ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz
und Beschwer der Klägerin:
12.771,08 EUR (24.978,06 DM)
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a. E T
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